Und wieder einmal versetzte die Antwort des jungen Aemilius den Kaiser in Staunen.
"Mein guter Nero Aemilius Secundus, als Sohn des Aulus Aemilius Nepos, der einen Sitz im Senat hat, hast du doch den Ordo Senatorius von deinem Vater bereits vererbt erhalten? Wozu sollte ich ihn dir noch verleihen? Was du tun musst, damit du einen Sitz im Senat erhalten kannst, ist, die beiden Einstiegsämter des Cursus Honorum so gut zu erfüllen, dass die Senatoren und ich dich danach für würdig erachten, im Senat Einsitz zu nehmen. Nichts mehr und nichts weniger wird von dir gefordert. Im Moment bist du als Vigintivir tätig und du solltest daher die Aufgaben dieses Amtes in Bezug auf unsere Münzen in der Art und Weise erfüllen, die man von einem aufrechten und verantwortungsbewussten, fairen und umsichtigen Politiker oder Römer erwartet."
Nun blieb der Kaiser, der sich bis jetzt gemächlich im Raum umher bewegt hatte, stehen.
"Es sind die guten alten römischen Tugenden, die darüber entscheiden werden, ob wir dich nach deinem zweiten Amt als würdig erachten werden, im Senat das Volk zu vertreten oder nicht.
Auctoritas, die Authorität deines sozialen Status, basierend auf Pietas und Industria.
Pietas, das religiöse aber auch soziale und politische Pflichtgefühl, inklusive der Hingabe Anderen gegenüber.
Industria, die harte Arbeit.
Severitas, die Strenge, jedoch immer gepaart mit der nötigen Gravitas.
Gravitas, das Verantwortungsgefühl und der Ernst, eine Sache mit der nötigen Clementia und Dignitas anzugehen.
Clementia, das ruhige, überlegte und milde Handeln.
Dignitas, die Würde inklusive dem Sinn für persönliche Ehre sich selbst, wie auch anderen gegenüber.
Veritas, die Ehrlichkeit Anderen gegenüber.
Prudentia, der Mut und das vorausschauende Denken um diskret handeln zu können.
Honestas, das Image, welches man als Mitglied der Gesellschaft abgibt.
Firmitas, die Stärke unsere Ideale hochzuhalten.
Comitas, die Freundlichkeit, Offenheit und Höflichkeit, aber auch der Humor über sich selbst lachen zu können.
Frugalitas, die Einfachheit des eigenen Stiles, ohne sich selbst dabei klein zu machen.
Humanitas, die menschliche Zurückhaltung, das Lernen und generelles kultiviertes Verhalten.
Und Salubritas, die Reinlichkeit und Gesundheit."
Natürlich nahm der Kaiser an, dass der Aemilier diese Tugenden und ihre Auswirkungen auf ein gutes römisches Leben kannte, doch er nahm diesen Moment zum Anlass, einen kleinen Hinweis zu platzieren an seinen jungen "Mitarbeiter". Einige dieser Tugenden hatte jener in der Vergangenheit zu offensichtlich missen lassen. Ein Umstand, den der Kaiser niemals öffentlich kommentieren würde, der jedoch in Bezug auf die Hoffnungen und Ziele eines jungen Mannes manchmal schon einen kleinen Schubs notwendig machen konnte.
"Wer diese Tugenden beherzigt und mit Auctoritas, Gravitas, Dignitas, Honestas und Humanitas seine Ämter ausübt, dem ist ein Platz im Senat gewiss. Junge Männer haben manchmal die Tendenz, diese alten Tugenden zu belächeln. Sie glauben, mit ungestümer Energie und Industria alleine könnten sie die Welt verändern, doch ohne die massvollen Tugenden geht dies meist schief."
Der Kaiser hoffte, dass der junge Mann den väterlichen Rat annehmen können würde, so fein verwoben er in diesen Worten auch war. Vielleicht würde dies dazu führen, dass Aemilius Secundus eine weitere Antwort finden würde, die etwas unmittelbarer, konkreter in Bezug auf den nächsten Schritt seiner Laufbahn ausfallen würde. Immerhin war es ja überhaupt nicht klar, ob der junge Mann seine Energie in ein Militärtribunat stecken wollte, oder ob er lieber eine Amtszeit in Ruhe in Rom Pause machen wollte, bevor er sich in den nächsten Wahlkampf um eine Quaestur warf.