Beiträge von Cossus Malleus

    So ärgerlich es auch war, die Klamotten voller Blut zu haben, manchmal konnte sowas durchaus von Vorteil sein. So zum Beispiel, wenn man einen Schwerverwundeten durch einen Pulk von Schaulustigen schaffen musste. Niemand – auch kein unverfrorener Gaffer – besudelte sich gerne mit dem Blut anderer Leute. Dementsprechend reibungslos war denn auch Curios’ Transport aus der Gasse durch das Stadttor hinaus zur Casa Helvetia verlaufen. Am Zustand des Aedilen hatte sich unterwegs nichts geändert, an Malleus’ Zustand dagegen schon. Aber im Gegensatz zu Curio stand er immerhin noch auf den Beinen und hatte somit auch keinen Grund, sich zu beklagen. Trotzdem war er heilfroh, als Acanthos und er die Holzbohle mit dem bewusstlosen Helvetius darauf endlich abstellen konnten.


    Die letzen paar Perticae, seine heftigen Stiefeltritte gegen die Porta, die wohltuende Kühle der Taberna, das ernste blasse Gesicht Alpinas – all das kam ihm in diesem Augenblick so unwirklich vor als hätte er es nur geträumt. Hatte er aber nicht. Was ihm dort zu Füßen lag war ohne jeden Zweifel Iulius Helvetius Curio. Sein Schützling, den er nicht hatte beschützen können. Mochte Wodan ihm gnädig sein.


    „Tiefe Platzwunde .. rechte Kopfseite .. drei Finger hinter dem Haaransatz .“, keuchte er der zierlichen jungen Frau entgegen, mit der er bislang noch nie zu tun gehabt hatte, und von der er kaum etwas wusste. Genug jedoch, um sich sofort eingestehen zu müssen, dass seine Schilderung völlig überflüssig war. Was er da eben daher gemurmelt hatte, sah sie selbst. Etwas frische Luft hätte seinem tauben Hirn sicher gut getan, nur ging es hier nicht um ihn. Und das war auch gut so. „Sollen wir ihn dort drüben auf die Kline legen?“ fragte er Alpina, und hoffte dabei, dass seine zweite Bemerkung mehr Sinn machte als die erste.

    Malleus hörte Acanthos’ seltsam verschwommen klingende Worte und nickte. Ganz recht. Sie brauchten einen Karren, ein Brett, eine Platte, irgend etwas in der Richtung. Und sie brauchten es sofort. Denk nach! brüllte er sich im Geiste zu, während er sich fast unbewusst unter den Mantel fasste und seine rechte Seite abtastete. Da klebte alles. Mantel an Tunika. Tunika an Haut. Stofffetzen an rohem Fleisch. Unter dem Druck der tastenden Finger quoll ein warmes Rinnsal über seine Hüfte auf den Oberschenkel hinunter, gleichzeitig flammte brennender Schmerz über die Rippen in die Schulter empor. Lappalie! knurrte es in seinem Schädel. Hör auf, dran rumzufummeln und mach deine Arbeit! Wieder nickte er, stützte sich auf die Tischplatte eines schon fast leergeräumten Gemüsestandes und atmete ein paarmal tief durch. Das half. Ohne sich nach dem Gemüsehändler umzusehen, steckte er sich den blutigen Gladius hinter das Cingulum, wischte mit einer ausholenden Armbewegung die verbliebenen Körbe vom Tisch und riss die Holzplatte von den Stützböcken.


    „Hier Acanthos!“ knurrte er dem Makedonen zu und knallte die Platte neben Curio auf den Boden. „Karren wär’ Mist. Rüttelt ihn zu sehr durch.“ Schließlich konnte im Moment noch niemand wissen, ob der Helvetius neben den offensichtlichen noch andere Verletzungen davongetragen hatte. Nach ein paar weiteren tiefen Atemstößen nahm Malleus die beiden Apparitores wahr, die sich gewissenhaft darum bemühten, das aufgescheuchte Volk auf Abstand zu halten. Gut. Sehr gut. Wenn alle die Nerven behielten – und es sah ganz danach aus – würden sie zügig von hier fort kommen. Denn fort mussten sie, und zwar schleunigst. „Also gut. Nimm du die Beine, Acanthos, ich nehm’ die Schultern. Und du Kaeso hältst seinen Kopf. Sachte.“ Kaeso hatte seine Sache bisher wirklich gut gemacht. Der straff sitzende Druckverband ließ weder Schmutz noch Blut durch. Für Lobeshymnen allerdings war jetzt keine Zeit.


    So behutsam es unter diesen Umständen möglich war, wurde der erschlaffte Körper Curios’ auf die Tischplatte gebettet. Eine Militärtrage wäre freilich besser gewesen. Die Holzbohle war etwas schmal, dafür aber wenigstens lang genug, um sie vor den Füßen und hinter dem Kopf anständig greifen zu können. Beim Hochheben wurde Malleus’ Oberkörper wieder von sengendem Glühen durchzuckt. Als er aber die richtige Haltung gefunden und Curios’ Körpergewicht entsprechend auf Arme und Schultern verteilt hatte, wurde es besser. Nur der Gladius hinter seinem Cingulum störte. Empfindlich.


    „HE, DU!“ bellte er einen verschüchtert glotzenden Schaulustigen an. „Zieh mir mal das Ding hier raus und bring es einem der Apparitores!“ Der Mann tat mit zitternden Fingern wie ihm geheißen. „Und noch was! Bei dem Kadaver da drüben muss irgendwo ein Ledergurt mit Bronzeschnalle rumliegen. Wenn du den zur Casa Helvetia bringst, soll es den Schaden nicht sein.“ Sein Schnallengurt war ihm immer ein verlässlicher Gefährte gewesen. Von sowas trennte man sich nicht leichten Herzens. Der unfreiwillige Helfer tappte davon. Malleus holte noch einmal tief Luft und warf dann einen bemüht aufmunternden Blick auf Acanthos und Kaeso. „Fertig? Schön, dann nichts wie weg hier.“

    Mit der Hausmauer im Rücken und dem Blut in den Augenwinkeln hatte der heruntergekommene Soldat kaum eine andere Möglichkeit, als zuerst anzugreifen. Malleus war darauf vorbereitet, und es kam ihm auch entgegen, nur blieb ihm zwischen den dicht gedrängten Leibern auch nicht sonderlich viel Platz, um zurückzuweichen. Dazu kam die größere Reichweite des Gladius. Auf ein endloses Stechen und Hauen durfte er sich also nicht einlassen. Die Schwertklinge fuhr ihm auf Brusthöhe in den Mantel, löste sich, zuckte zurück, stieß wieder vor, in’s Nichts. Malleus bewegte sich rechts herum. Ganz so wie es die meisten Kämpfer wohl erwarten würden. Weg vom Schwertarm des Gegners, immer seiner linken Flanke entlang. Dass sich sein Widerpart sofort darauf einstellte, war ihm nur recht. Nach zwei weiteren Attacken, deren letztere einen Schnitt in Malleus’ Unterarm hinterließ, stand er selbst an der Wand und konnte sich einen – wenn auch nur einen Wimpernschlag andauernden – Blick hinüber zu Curio erlauben. Dort drüben ging offensichtlich ebenfalls etwas vor, was genau, konnte er nicht erkennen, aber er hörte das plötzlich aufbrandende Gekreische von Passanten und glaubte gesehen zu haben, dass der Aedilis stürzte. Allerhöchste Zeit, das hier zu Ende zu bringen.


    Ansatzlos wechselte er die Richtung, warf sich nach links, führte über den heranschnellenden Gladius hinweg eine Finte zum Gesicht des Angreifers, sprang zurück und wiederholte die Attacke, diesmal zum Hals. Auch darauf stellte der ehemalige Soldat sich ein, streckte sich in die Länge, nahm den Oberkörper zurück und hob den linken Arm, um seine Halspartie zu decken. Das war ein Fehler. Am Oberkörper seines Feindes hatte Malleus nicht das geringste Interesse. Er hatte sich längst die Stelle ausgesucht, an der er seinen finalen Schnitt zu setzen gedachte, und die war jetzt gänzlich ungedeckt. Nach einem weitern kurzen Scheinstoß zum Hals, krümmte er sich zusammen, tauchte unter der fauchenden Klinge des Gladius hindurch und warf sich nach vorn. Der Pugio drang tief in die Innenseite des behaarten Oberschenkels ein, kappte die Schlagader und ließ beim Herausziehen eine pulsierende Blutfontäne aufspritzen. Die Reaktion war heftig aber umkoordiniert. Der angeschlagene Krieger hackte in blinder Wut mit dem Schwert um sich, verfehlte Malleus ein paar mal nur äußerst knapp, wurde dann aber rasch träge in seinen Bewegungen und kippte nach einem kräftezehrenden Stoß in’s Leere stöhnend nach hinten.


    Malleus’ durchaus vorhandener Respekt vor dem gefallenen Gegner hätte nun eigentlich verlangt, ihm entweder den Gnadenstoß zu verpassen oder wenigstens abzuwarten, bis er in Ruhe und Frieden verblutet war. Aber die Zeit hatte Malleus nicht. Um einem letzten verzweifelten Aufbäumen vorzubeugen trat der dem Sterbenden das Brustbein ein, fischte den Gladius aus der stetig breiter werdenden Blutlache und kämpfte sich dann ausgesprochen unsanft durch die Menge zu der Stelle zurück, an der er Curio zum letzten Mal gesehen hatte.


    Er fand den jungen Helvetier reglos am Boden liegend. Ausgestreckt. Leichenblass. Mit einer klaffenden Wunde am Kopf. Fluchend ließ er sich auf die Knie nieder und legte dem Aedilen die blutigen Finger an den Hals. Schwach, Sehr schwach. Aber er war noch am Leben. „Curio?“ hörte er sich mit belegter Stimme sagen, „Mach verdammt nochmal die Augen auf, Junge!“ Curio’s Augen blieben geschlossen. Unbeirrt weiter auf den besinnungslosen Helvetius eiredend fummelte Malleus die Alligatura von seinem Gürtel und begann sie fahrig zu entrollen. Nun erst nahm er Acanthos und Kaeso wirklich wahr. Auch die knieten neben dem Aedilen und waren fast ebenso blass wie er. Was genau hier vorgefallen war, brauchte Malleus nicht zu fragen. Zum einen blickte er auf das Ergebnis, und das reichte ihm vollkommen. Zum anderen war vermutlich alles so schnell gegangen, dass die beiden selbst nicht gewusst hatten, wie ihnen geschah. Zum dritten war es schlichtweg scheißegal. Zumindest für den Augenblick. Curio musste dringend versorgt werden. Und er musste hier weg. Aber wie? Zerknirscht hielt Malleus Kaeso die Verbandsrolle unter die Nase. „Kaeso .. bitte .. mach du das. Mir zittern die Hände zu sehr.“ Ohne abzuwarten, ob der Junge einverstanden war oder nicht, stemmte sich Malleus hoch und sah sich um. Sie brauchten eine Trage. Mit einer Trage konnten Acanthos und er den Aedilen nachhause schaffen. Zu seiner Schwägerin. Die würde wissen, was zu tun ist. Hoffentlich.

    Bei den Asen! Dieses Geschiebe konnte einem wirklich auf die Nerven gehen. Jedes Mal auf’s Neue. In der Zeit, die sie noch brauchen würden, um den Engpass hinter sich zu lassen, umrundete er bei seinen abendlichen Läufen für gewöhnlich ein gutes Viertel der Stadt. An manche Begleiterscheinung des urbanen Lebens würde er sich wohl nie gewöhnen. Sicher, im Vergleich zu den Verhältnissen in Roma war dieser angestaute Menschenstrom ein munter plätscherndes Bächlein. Das machte es aber auch nicht besser. Wieder einmal vergegenwärtigte sich Malleus den Verlauf der Straßen und Gassen Mogontiacums. Vielleicht war ein Umweg die Lösung. Ein Umweg, der sich zu gewissen Tageszeiten sogar als Abkürzung nutzen ließ. Wenn sie sich zum Beispiel von der Curia zunächst nach Nordosten wandten, um dann gleich hinter dem Templum App..........


    Noch ehe er den sich hebenden Knüppel am linken Rand seines Sichtfeldes bewusst wahrgenommen hatte, ließen ihn seine Reflexe zuschlagen. Ein dumpfes Aufstöhnen folgte, dann ein wütendes Knurren, dann ein erneuter Schlag mit der schweren Bronzeschnalle. Die eben noch heranstürmende Gestalt taumelte einen Schritt zurück, Malleus setzte mit einem weiteren Schlag nach und erkannte im gleichen Moment, dass er es mit ebenjenem Soldaten zu tun hatte, der ihm kurz zuvor bereits aufgefallen war. Wie er es hasste, immer recht zu behalten! An der unrasierten Wange des wankenden Angreifers fehlte nun ein knapp handflächengroßes Stück Fleisch. Dennoch klang sein Stöhnen eher zornig als schmerzerfüllt. Den hatte er also vollkommen richtig eingeschätzt, das war ein verfluchter Eisenfresser. Entsprechend schnell hatte sich der zähe Knochen wieder gefangen und ging mit erhobenem Knüppel – der sich bei näherem Hinsehen als Bleirohr erwies – zum Gegenangriff über. Malleus wich nicht aus, warf sich vielmehr dem Hieb entgegen, um ihm die Wucht zu nehmen. Weg von Curio! Weg von dem Jungen! Das Rohrende ging denn auch etwas abgefedert auf seiner Schulter nieder. Tiwaz sei Dank knapp neben der Narbe. Weh tat es trotzdem. Seine Linke schnellte nach oben, bekam das Handgelenk seines Kontrahenten zu fassen, quetsche es zusammen und drehte es schließlich mit einem kräftigen Ruck nach innen. Das Bleirohr polterte zu Boden. Immerhin mal ein Anfang.


    Malleus wartete gar nicht erst ab, womit der zornfunkelnde Krieger als nächstes aufzuwarten hatte, sondern drosch verbissen auf ihn ein, was allerdings von entsetzt aufkreischenden Bürgern erschwert wurde, die sich in planlosem Schrecken davonmachen wollten und so unfreiwillig zwischen die Fronten gerieten. Darauf konnte selbstredend keine Rücksicht genommen werden. Mit weit ausholenden Schlägen gelang es Malleus Gradus für Gradus, den keuchenden Angreifer von Curio fort zum östlichen Straßenrand zurückzudrängen. Dass er dabei auch zwei oder drei Passanten in Mitleidenschaft zog, war sicher nicht dazu angetan, das um sich greifende Chaos zu mindern, aber was sollte er machen? Er durfte dem Burschen nicht die kleinste Atempause gönnen. So penetrant wie der nach billigem Wein stank, nahm er die Schmerzen vermutlich kaum wahr. Zudem war Malleus nicht entgangen, dass unter dem Mantel seines Gegners etwas herumbaumelte, das eine frappierende Ähnlichkeit mit einem Gladius aufwies. Wenn er nicht aufpasste, konnte das hier böse ausarten.


    Mehrmals versuchte der ramponierte Soldat, an die Waffe zu kommen. Mehrmals schaffte es Malleus, ihn mit zischender Bronzeschnalle davon abzuhalten. Dann jedoch verfing sich die Schnalle in der Kapuze eines panischen Marktbesuchers, was Malleus dazu zwang, sich erst einmal den straffen Riemen vom rechten Handgelenk zu wickeln. Als er ihn los war, hatte sein Widersacher den Gladius bereits in der Hand und stampfte fauchend auf ihn zu. Diesmal wich Malleus aus. Entging damit dem ersten Stich nur um Haaresbreite. Der zweite erwischte ihn. Irgendwo rechts zwischen den Rippen. So genau ließ sich das auf die Schnelle nicht lokalisieren, und um nachzusehen fehlte die Muße. Egal ob die Wunde nun tief war oder nicht, eine weitere konnte er keinesfalls riskieren. Was er im Moment ebenfalls nicht riskieren konnte, war ein Blick auf den Aedilen und seine Begleiter, aber so wie er Curio kannte, war der besonnen genug, um in sicherer Entfernung abzuwarten, bis die Sache erledigt war. Und das konnte bei diesem sturen Ochsen unter Umständen noch etwas dauern. Während er einem erneuten Stoß auswich, schoss ihm plötzlich jener hünenhafte Germane in den Sinn, mit dem sich sein Gegenüber kurz vor dem Angriff unterhalten hatte. Verdammte Scheiße! Wo war der abgeblieben? Die zuckende Schwertklinge indes ließ ihm keine Zeit, eingehend darüber nachzudenken. Er konnte nur hoffen, dass sich seine Ahnung nicht bewahrheitete. So oder so musste das hier schnellstens ein Ende finden. Nun doch ernsthaft besorgt zog Malleus den Pugio und begann seinen Feind lauernd zu umkreisen.

    Nach acht oder neun Schritten hatte Gowin den herannahenden Veteranen wohl erkannt. Er glotzte mit halb geöffnetem Maul in Malleus’ Richtung, wobei sein breites Gesicht die ungesunde Farbe von Frischkäse annahm. Malleus konnte das nur recht sein. Wenn sein Anblick bereits ausreichte, um dem Belgier die Faxen auszutreiben - umso besser. Der andere Kerl, der sich nun langsam von Gowin entfernte, als hätte er nicht das Geringste mit dem belgischen Händler zu schaffen, war da schon aus anderem Holz geschnitzt. Der Mann war Soldat. Dafür hatte Malleus einen untrüglichen Blick. Kein aktiver mehr, wie seiner verwahrlosten äußeren Erscheinung anzusehen war, allerdings auch kein Veteran. Dafür war er noch zu jung. Dieser Bursche – das stand für Malleus außer Zweifel – hatte eine gründliche militärische Ausbildung genossen. Höchstwahrscheinlich war er dann vor Ablauf seiner Dienstzeit unehrenhaft entlassen worden. Solche Gestalten kannte er zuhauf. Die waren unberechenbar. Allerdings hatte es zunehmend den Anschein, als wären sich die beiden ungleichen Gestalten tatsächlich nur zufällig über den Weg gelaufen. Jedenfalls wandte sich der ausgemusterte Krieger kein einziges Mal mehr zu Gowin um, querte stattdessen die Menge, und sprach auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen breitschultrigen Germanen an, der auf den ersten Blick auch keinen besonders vertrauenswürdigen Eindruck machte. Aber das ging Malleus nichts an. Er war der Gruppe lediglich vorausgeeilt, um dem herumlungernden Belgier klar zu machen, dass Aedilis Helvetius Curio heute keine Sprechstunde hatte.


    Sein Blick wandte sich wieder Gowin zu und wurde von diesem erwidert. War das ein Grinsen? Eindeutig. Die bleiche Kanaille grinste ihn von Weitem an, hatte aber nicht den Arsch in der Tunika, abzuwarten, bis er herangekommen war, sondern schlüpfte unvermittelt um eine Hausecke und entzog sich somit seinem Sichtfeld. Ein paar Schritte ging Malleus ihm noch nach, dann ließ er es dabei bewenden. Aufgeschoben war nicht aufgehoben. Hauptsache, der Stänkerer war erstmal weg.


    Mit einer blumigen Verwünschung auf den Lippen blieb er stehen, sah sich um, und stellte fest, dass auch die beiden zwielichtigen Figuren im Gedränge verschwunden waren. Alles nahm sich aus wie immer. Trotzdem blieb der Hauch eines unguten Gefühls zurück. Die Vernunft gebot ihm, sich zu entspannen und in Ruhe auf Curio und die anderen zu warten. Sein Instinkt dagegen legte ihm dringend nahe, auf der Hut zu sein. So stürzte er sich also wieder zwischen die Passanten, drängte, schob und quetschte, bis er auf Höhe eines mit Schweinsohren, Hirnklösen und anderen Leckereien bedeckten Fleischerstandes die vertrauten Umrisse von Curio und Acanthos im Gewühl auftauchen sah. Kaeso erspähte er zunächst nicht, ging aber davon aus, dass der noch immer plaudernd neben Curio her trottete. So war es dann auch.


    Als der kleine Tross endlich zu ihm aufgeschlossen hatte, wechselte Malleus sofort die Richtung und machte sich erneut daran, eine Bresche in die wimmelnde Masse zu pflügen. „Alles in Ordnung. Noch ein Stück in die Gasse rein, dann wird’s schon besser.“

    Ohne jegliche Eile schlenderte die kleine Gruppe an Marktständen, Cauponae und geschwätzigen Menschentrauben vorbei auf die südwestliche Ecke des Forums zu, Malleus wie immer vorneweg. Seine Laune hätte kaum besser sein können, und das lag beileibe nicht nur am strahlend blauen Sommerhimmel, der tags zuvor erfolgten Versöhnung mit Luitberga oder dem Umstand, dass es ihm auf dem Markt gelungen war, Cacsa’s Stute Procella zu einem sehr anständigen Preis in gute Hände abzugeben. Wie der aufgeweckte Kaeso hinter ihm soeben ganz richtig bemerkt hatte, ging die Amtszeit des Aedilen ihrem Ende zu, und das ohne größere Probleme, ohne ernsthafte Zwischenfälle und ohne dass Curio auch nur ein Haar gekrümmt worden war. Fern jeder Selbstgefälligkeit konnte Malleus doch guten Gewissens von sich behaupten, seine Arbeit recht anständig erledigt zu haben. Ebenso anständig wie Acanthos und Bolanus die ihre getan hatten. Ein zwar altbekanntes aber immer noch verdammt angenehmes Gefühl. Darüber, wie es nun weitergehen sollte, hatte er bislang noch keinen konkreten Gedanken verschwendet. Dafür würde noch Zeit genug sein, wenn es denn soweit war. Später. Dann würde sich auch herausstellen, ob seine klammheimliche Befürchtung, den ehrgeizigen jungen Helvetier zu vermissen, sich bewahrheiten würde. Noch hatte er eine Aufgabe, und solcherlei Grübeleien vernebelten nur die Sinne. Zudem waren sie höchst unprofessionell.


    Während sich das Geplauder hinter seinem Rücken fortsetzte, schritt Malleus versonnenen schmunzelnd voran, teilte mit ruhigen Armbewegungen die Menge, taxierte die Mienen der Forumsbesucher, erkannte dabei einige bekannte Gesichter, und bahnte seinen Begleitern ohne großen Aufwand den Weg zu der nach Süden mündenden Gasse, die zum Stadttor und den Canabae hinausführte. An der Abzweigung zur Gasse staute sich der Passantenstrom etwas auf, da die dort ansässigen Händler – wie immer um diese Tageszeit – bereits damit begonnen hatten, ihre Straßenstände abzubauen und das dargebotene Sortiment an Schmuck, Werkzeug, Lebensmitteln oder Webstoffen zurück in die Verkaufslokale zu schaffen. Das schmeckte Malleus zwar nicht sonderlich, ließ sich aber nicht ändern. Langsam voranzukommen war immer noch besser als gar nicht voranzukommen. Sorgsam darauf bedacht, nicht unnötig brachial aufzutreten, bohrte er seine Ellbogen in zurückweichende Leiber, trat dem einen oder anderen Schleicher aufmunternd in die Hacken und spähte dabei forschend über die Köpfe nach Süden. Alles halb so schlimm. Nur ein knappes Stadium voraus schien sich das Knäuel schon wieder zu lichten. Außerdem waren die Leute einsichtig genug, sich in der verstopften Gasse nicht auch noch mit Schwätzchen aufzuhalten, sondern sie so zügig es eben ging zu passieren. Zumindest bis auf ein paar Ausnahmen.


    An einer davon – einem gedrungenen Kerl mit breiter Visage – blieb Malleu’s Blick plötzlich hängen. Wieder ein bekanntes Gesicht. Nur war es diesmal weder ein Bekannter Curios’ noch einer von den Veteranen, mit denen Malleus gelegentlich einen zu heben pflegte. Den Burschen, der da etwa zehn Perticae entfernt reglos an einer Hausmauer stand, hatte er erst kürzlich in den Fingern gehabt. Das war dieser belgische Schmierlappen, Gowin mit Namen, wenn er sich recht erinnerte. War der Stinkstiefel zufällig hier? Gut möglich. Nur spielte es im Grunde keine Rolle, weshalb er hier war. Beim Anblick des Aedilen würde dieser erboste Sack zweifellos wieder mit seinen unflätigen Vorhaltungen um sich werfen. Typen wie der konnten gar nicht anders als sich unbeliebt zu machen. Nach einem tiefen Seufzer begann Malleus sich nun schon weit energischer durch die Menge zu schaufeln. Nicht mit ihm. Nicht an einem solch ungetrübten Tag wie heute. Ohne die Augen von Gowin zu lassen arbeitete er sich brummend die Gasse hinunter. Dabei fiel ihm ein zweiter Mann auf, der sich inzwischen zu dem belgischen Händler gesellt hatte. Die beiden wechselten ein paar Worte, sahen sich aber nicht an. Eine überaus interessante Beobachtung, fand Malleus und beschleunigte den Schritt. „Acanthos!“ rief er mahnend über die Schultern, „Augen auf.“

    Malleus sah dem offensichtlich verstimmten jungen Mann kurz nach, um seiner Sammlung an verdächtigen Visagen ein weiteres Exemplar hinzuzufügen, und ließ sich dann seufzend auf einem gerade frei gewordenen Stuhl neben Curio nieder. Den verhaltenen Protest eines unrasierten Bürgers, der eigentlich als nächstes an der Reihe gewesen wäre, ignorierte er dabei ebenso wie die taxierenden Blicke des Tonsors. Was genau hier soeben vorgefallen und wie es dazu gekommen war, wusste er nicht. Eines jedoch wusste er: Es hätte so nicht passieren dürfen. Mit einem missmutigen Schnauben kraulte er sich den Bart, was das professionelle Interesse des Barbiers noch zu steigern schien. Der Schnauzenschaber glaubte ja wohl nicht ernsthaft, dass er ihn an seine Matte ließ. „Denk nicht mal dran, Meister.“ knurrte Malleus finster, wandte sich dann mit aufgesetzter Leutseligkeit seinem Dienstherren zu und deutete mit einer knappen Kinnbewegung auf das Obstkörbchen. „Künftig werd’ ich mir derlei Ausflüge wohl verkneifen müssen.“


    Er sagte es leichthin, garniert mit einem aufgeräumten Lächeln, meinte es aber todernst, und Curio – dessen war er sich sicher – verstand auch sehr wohl, wie es gemeint war. Was es tatsächlich über den Vorfall zu sagen gab, würden sie wenn nötig in kleinstem Kreise besprechen. Das war eine Sache zwischen Aedilis und Custos Corporis. Die Besucher der Tonstrina ging das einen feuchten Dreck an. Alles war in Ordnung. Nichts war passiert. Dementsprechend schnell wandten sich die Anwesenden denn auch wieder dem üblichen Tratsch zu. Nur Kaeso schien noch immer etwas blass um die Nase. „Nun guck nicht so bedröppelt, Kleiner.“ schmunzelte Malleus aufmunternd. „Nimm dir ein paar von den Apfelringen. Sind wirklich zu empfehlen.“

    Als Malleus mit einem Bastkörbchen voll Dörrobst unterm Arm in die gut besuchte Tonstrina gestapft kam, schlug ihm sofort das erregende Aroma dicker werdender Luft entgegen. Was war jetzt schon wieder? Sein Blick wanderte forschend durch die Barbierstube. Der Aedilis schien sich in ernstem Tonfall mit einem etwas schmierig anmutenden Fremden zu unterhalten, Kaeso guckte betreten, der Rest der Anwesenden murmelte in einer für eine Tonstrina erstaunlich moderaten Lautstärke vor sich hin. Da hatte er offensichtlich etwas verpasst. Konnte man nicht einmal ein paar Schritte zum nächsten Obsthändler riskieren, um Curio und Kaeso etwas zum Naschen zu besorgen? Scheinbar nicht.


    Brummend schob er ein paar sichtlich rasurbedürftige Gäste beiseite, darunter auch Curio’s Gesprächspartner, trat auf den Aedilen zu und stellte das Körbchen auf einen niederen Tisch zwischen Klingen, Ölfläschchen und Salbentiegelchen. „Hier, bitte Aedilis. Leider nur Pflaumen und Apfelringe. Rosinen hatte er keine mehr. Birnen auch nicht. Mies sortiert, der Knabe.“ Während er sich zu dem noch recht jungen Burschen mit den dunklen hängenden Haarsträhnen umdrehte, wickelte sich sein Schnallengurt fast schon automatisch eine Elle lang vom Handgelenk. „Wir haben hier doch sicher kein Problem, oder?“ fragte er an niemandem bestimmtes gewandt in den Raum. Er wollte es nicht hoffen. Schließlich hatte er heute noch so einiges vor. Ein Versöhnungsbesuch in der Silva Nigra zum Beispiel. Da mochte er eigentlich nicht unbedingt verschwitzt und mit aufgestoßenen Fingerknöcheln auftauchen. Zumindest nicht ohne Not.

    Malleus’ Ohren mochten zwar nicht die wohlgeformtesten sein, aber sie funktionierten noch immer tadellos. „Schluss jetzt.“ knurrte er gereizt, packte den Belgier am Genick und schleuderte ihn eine knappe Pertica weit in Richtung Porta, wo er krachend zwischen den Beinen der Wartenden landete. Mit seiner unverhohlenen Drohung hatte der Händler den Bogen endgültig überspannt. Allein schon das vertrauliche Getue und der anmaßende Versuch, den Helvetius zu korrumpieren wären der Gründe genug gewesen, dem Burschen etwas Respekt einzubläuen, nur hätte er dann womöglich das Schlusswort des Aedilen verpasst. Außerdem stellte sich ständig die Frage der Verhältnismäßigkeit. Wie langmutig durfte man sein, ohne leichtsinnig zu werden? Man konnte Helvetius Curio gewiss nicht vorwerfen, kein langmütiger Mensch zu sein. Ebensowenig konnte man dessen Custos Corporis vorwerfen, es eben nicht zu sein. So war denn auch der Einzige, der wegen des Umgangs mit dem belgischen Händler lauthals Klage erhob, der Händler selbst.


    Nachdem er sich zunächst jammernd auf dem Boden gewunden hatte, erging sich Gowin nun zornfunkelnd in Beschimpfungen, Verwünschungen und Drohungen, wobei nicht ersichtlich war, was ihn am meisten erboste, der vorübergehenden Marktbann, der unfreiwillige Flug in die Menge oder die Tatsache, dass keiner der Umstehenden auch nur Anstalten machte, ihm auf die Beine zu helfen. Eigentlich ganz amüsant, was der geifernde Belgier so alles auf Lager hatte, allerdings hielt er mit seinem Unflat den Betrieb auf. Seufzend stapfte Malleus auf den Krakeeler zu und hielt ihm die Hand hin. „Ich zeig dir, wo’s rausgeht.“


    Gowin glotzte von der dargebotenen Hand auf Malleus’ finstere Miene und entschloss sich, wohl in einem jähen Anflug von Weisheit, die Halle so schnell wie möglich und vor allem ohne Hilfestellung zu verlassen. Malleus sah im kopfschüttelnd nach, bezog dann wieder Stellung vor dem Aedilen und bedachte die in Unordnung geratene Warteschlange mit einem missbilligenden Blick. „Wer ist der Nächste?“

    „Da wär sie nicht die erste, die ihren Mann in’s Grab bringt.“ bemerkte Malleus schläfrig. „Ich weiß schon, warum ich nie geheiratet hab’.“ Ihre Atemzüge stockten. Obwohl sich Luitbergas’ Gesicht nur schemenhaft vor der grobkörnigen Finsternis abzeichnete, konnte er geradezu spüren, wie sich die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen vertiefte. „Du nimmst mich überhaupt nich ernst, oder?“ Oh doch, das tat er. Durchaus. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, ob es der pure Trotz war, der aus ihr sprach oder aufrichtige Besorgnis. Sie war von ihren Worten zweifellos überzeugt. Nur, darum ging es nicht. „Unsinn. Natürlich nehm’ ich dich ernst. Dich schon. Aber nicht jedes halb gare Gerücht, das in der Taberna die Runde macht. Solltest du auch nicht.“ Ihr warmer Atem entfernte sich. Schnaufend setzte sie sich auf, was Malleus recht schade fand. „Ach, auf einmal?“ zischte sie rau. „Sonst bist du doch ganz scharf auf Gerüchte! Wo Rauch ist, ist auch Feuer! Hast du selbst gesagt!“ Ja, hatte er. Allerdings hätte er noch hinzufügen sollen, dass Rauch sich in den meisten Fällen eben doch nur als Rauch zu erweisen pflegte. Mit Gerüchten war es wie mit Pilzen. Wer sich nicht bestens damit auskannte, war gut beraten, ein großen Bogen um sie zu machen.


    „Dass du unter einem Dach mit einer Mörderin lebst, ist dir also egal, ja?“ fauchte sie angriffslustig weiter, wobei der Trotz in ihrer Stimme allmählich die Besorgnis zu überlagern begann. So langsam, fand er, ging das Ganze deutlich zu weit. An sich war Luitberga eine von Grund auf ehrliche Haut. Gerüchte in die Welt zu setzten, lag nicht in ihrer Natur. In diesem Fall aber steigerte sie sich in etwas hinein, das mit ein klein wenig Pech leicht auf sie selbst zurückfallen konnte.
    „Erstens lebe ich nicht mit ihr unter einem Dach.“, knurrte er mit wachsendem Unmut. „Zweitens ist ihr Mann noch am Leben, und drittens: Ja! Es ist mir egal. Scheißegal sogar. Solange sie die Begräbniskosten nicht auf die Miete draufschlägt, könnte mir nichts gleichgültiger sein. Ich hab’ verflucht nochmal genug andere Sachen im Kopf. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören! Du begibst dich mit diesem Geschwätz auf verdammt dünnes Eis. Also Schluss damit!“


    Für ein paar heftige Atemzüge war dann auch tatsächlich Schluss. Sie stand schweigend auf und tapste raschelnd im Heu herum, vermutlich, um ihre Kleider einzusammeln. Luitberga wäre jedoch nicht Luitberga gewesen, hätte sie nicht noch einen letzten Vorstoß riskiert. „Das heißt ... du willst allen Ernstes da wohnen bleiben? Trotz allem?“ Das klang unzweideutig nach einem Ultimatum. Sowas verfing bei ihm nicht. Das hätte sie eigentlich wissen müssen. „Du sagst es.“ Das Ratschen berstenden Stoffes ließ darauf schließen, dass sie ihre Tunika gefunden hatte. „Was bist du bloß für ein Mensch?“ Malleus seufzte. Zuguterletzt war die Rolle des Angeklagten also endgültig von seiner Vermieterin auf ihn übergegangen. Wunderbar. Dabei war das sogar eine ausgesprochen profunde Frage. Was war er denn für einer? Das hätte ihn wirklich auch mal interessiert. Anscheinend einer, der bei seinen Mitmenschen – aus welchen Gründen auch immer – den irrigen Eindruck erweckte, er sei nur zurückgekehrt, um alles Schlechte und Ungerechte zu bekämpfen. Ausgerechnet er. Ein grandioser Witz, wenn man so drüber nachdachte.


    Inzwischen bewegte sich das Geraschel zaghaft nach vorn zu den Pferden, auf die schwach im spärlichen Abendlicht schimmernden Ritzen der Stalltür zu. War das ein unterdrücktes Schniefen, was er da hörte? „Ich komm’ morgen Abend in die Taberna.“, raunte er beschwichtigend in’s Dunkel. „Einverstanden?“
    „Das kannst du auch bleiben lassen.“, kam es leicht erstickt zurück, „Gelsa hat sich den Arm gebrochen. Ich muss ihr beim Kochen zur Hand geben. Der Schankraum geht mich im Moment nichts an.“ Und nach einer winzigen Pause: „Aufdringliche Gäste schon gar nicht.“ Na schön. Dann eben nicht. Für’s erste hatte Malleus sowieso den Kanal voll. Wenn sie schmollen wollte, sollte sie schmollen. Was aufstieg, musste ach wieder runter. „Da vorne steht eine Waschschüssel.“ Er hatte es sich einfach nicht verkneifen können. Ein hohles Sirren näherte sich in beachtlichem Tempo, dann schlug etwas laut scheppernd neben ihm an einem Stützbalken ein. „Jetzt nicht mehr!“ Tür auf. Tür zu. Stille.



    Nunmehr mit seinen Gedanken allein, versuchte Malleus, aus dem Geschehenen irgendwelche brauchbaren Erkenntnisse zu ziehen. Weit kam er dabei nicht. Zu absurd erschien ihm das ganze Spektakel. In einem Punkt jedoch, musste er Luitberga nachträglich beipflichten. In der Tat war er scharf auch Gerüchte. Nicht nur aus rein dienstlichen Gründen. Dass ihm bislang noch nichts über die Verdächtigungen Tintilla Cynane betreffend zu Ohren gekommen war, nahm er daher als Weckruf. Entweder musste er seinen Zuträgern mal gründlich die Ohren lang ziehen oder seine eigenen wieder weiter aufsperren. Letztere Variante erschein ihm als die ungleich zuverlässigere.

    Ob es sich um einen längerfristigen Waffenstillstand handelte, den sie in ausgelassener Wollust feierten, oder nur um eine vorübergehende Gefechtspause, war zunächst einmal nicht relevant. So oder so hatten sie für’s erste wieder eine gemeinsame Basis gefunden, die beide Seiten gleichermaßen zu befriedigen vermochte. Wobei Befriedigung nicht gleichbedeutend war mit Befriedung. Da würde noch etwas nachkommen, das war beiden klar. Luitberga war trotz Hingabe anzumerken, dass sie sich noch längst nicht alles von der Leber gekeift hatte und Malleus harrte seinerseits einer plausiblen Erklärung für ihren Ausbruch. Nur wusste er nicht so recht, wie er das Thema wieder aufgreifen sollte, ohne den ohnedies ziemlich brüchigen Frieden zu gefährden. Außerdem bereiteten ihm diese zeitlosen Momente der Ermattung einen zu großen Genuss, um ihn mit Geschwätz zu vertun. Musste er auch nicht. Luitberga nahm ihm das ab.

    „Weißt du .. es ist mir einfach nicht recht, dass du bei ihr wohnst.“
    , säuselte sie in beinahe reumütigem Tonfall, der eine Spur zu lieblich klang, um echt zu sein „Hab ich mitbekommen.“, brummte Malleus knapp. Wenn er ihre Bemerkung als so eine Art abschließende Erklärung verstehen sollte, war ihm das nur recht. Von ihm aus konnten sie die Angelegenheit abhaken. Das Leben war zu kurz für derlei Albernheiten. Unerfreulicherweise waren ihre nervös auf seinen Oberarm trommelten Finger ein Indiz dafür, dass sie gerade erst angefangen hatte „Ich meine .. ehrlich, Malleus .. das ist so ne riesige Stadt .. musste es da unbedingt das Haus der Tintilla sein?“ Obwohl ihm das Thema schon jetzt zum Hals raushing, musste er dennoch schmunzeln. Nein, seine streitbare Nemeterin hatte wirklich noch nicht viel von der Welt gesehen. Mogontiacum als riesige Stadt zu bezeichnen, hatte schon fast etwas Rührendes. „Ich hab nach einer Wohnung gesucht. Sie hatte eine zu vermieten. Nicht mehr und nicht weniger. Zudem ist sie billig und geräumig.“ Dieses Argument entlockte Luitberga lediglich ein verächtliches Schnaufen. „Billig und ausgeleiert trifft es wohl besser ..“, ätzte sie gallig, „.. oder redest du von der Wohnung?“ Nun ging das schon wieder los. Wenn sie mit diesem Unsinn nicht aufhörte, konnte er es ja tatsächlich einmal mit seiner Vermieterin versuchen, unterstellt wurde es ihm ohnehin. Freilich verwarf er diesen Gedanken ebenso schnell, wie er ihm gekommen war. Weiber machten Probleme. Daran war im Grunde nichts auszusetzen. So war das nun mal. Zwei Weiber allerdings machten nicht etwa doppelt so viel, sondern ein Vielfaches an Problemen. Das rechnete sich erst ab einem halben Dutzend, weil es dann sowieso nicht mehr drauf ankam. Und nach einer Potenzierung des Ärgers stand ihm momentan wahrlich nicht der Sinn. Ganz davon abgesehen, dass er mit Luitberga bereits völlig bedient war.


    „Na schön, Berga. Ich bin ganz Ohr.“, versuchte er, das Gespräch wieder in ruhigere Gewässer zu steuern, „Wenn es etwas gibt, von dem du glaubst, dass ich es wissen sollte, dann raus damit. Was genau hast du der Frau denn vorzuwerfen? Kennst du sie näher?“ Die direkte Nachfrage schien Luitberga nun doch etwas zu überrumpeln. „Näher? Wie, näher? Was heißt schon näher?“, wand sie sich unsicher. „Ich weiß eben, was alle wissen. Die ganze Stadt ist über die Tintilla im Bilde. Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was man sich so erzählt .. also .. du solltest jedenfalls nicht da wohnen.“ Aha. Die ganze riesige Stadt, dachte sich Malleus amüsiert. Soso. „Komisch. Ich lebe jetzt schon einige Zeit hier. Bei meinen Ahnen – von einer Tintilla Cynane habe ich vorher noch nie etwas gehört.“ Curio, Acanthos und Bolanus gewiss auch nicht, sonst hätten sie ihn sicher vorgewarnt. Luitberga jedoch ließ den Einwand nicht gelten. „Mag schon sein. Aber du arbeitest auch nicht in einer Taberna.“ Der Punkt ging an sie.


    Malleus verkniff sich weitere Fragen. Die führten zu nichts. Das probateste Mittel, eine Frau zum Reden zu bringen, war immer noch demonstrativ zur Schau getragenes Desinteresse. Nach einem ausgedehnten Gähnen, bei dem er sich fast den Kiefer ausgerenkt hätte, stemmte er sich auf den Ellbogen und begann in der Dunkelheit herumzutasten. „Donner nochmal. Wo ist denn der Krug, den du mitgebracht hast? Ich hab’ Durst wie ein Maultier.“ Sie schwieg. Noch. Nach einiger Zeit planlosen Gefummels fand er endlich das Gesuchte. Umgekippt. Ohne Stöpsel. Leer. „Mist, verfluchter! Das gute Bier! Tut mir leid, Berga .. da müssen wir nächstes mal besser ..“
    „Sie vögelt mit jedem, der ihr irgendwie nützlich sein kann!“, zischte es plötzlich hinter seinem Rücken hervor. „Damit du’s weißt!“ Na bitte. Malleus strich sich grinsend über den Bart und gab sich zerstreut. „Hm? Wen meinst du?“ Als Reaktion patschte ihm ein Fausthieb in die Rippen, der nicht von schlechten Eltern war. „Mit den Gesellen treibt sie’s auch! Die sind ihr hörig! Alle miteinander! Die Tintilla hat den Betrieb ihres Mannes schon fest in den Krallen! Muss nur noch der Alte abkratzen, dann hat sie endlich, was sie will!“ Stöhnend ließ sich Malleus wieder auf den Rücken fallen. „Mit anderen Worten: Der ganz alltägliche Ehehorror. Hat mich nicht zu interessieren.“ Mit einem unwilligen Keuchen rollte sich Luitberga herum und warf sich auf ihn. Heiße Atemstöße streiften seine Wangen. Ihr Gesicht dagegen schien weit fort zu sein und war in der Düsternis nur zu erahnen. „Das ist jetzt mein voller Ernst, Malleus. Das Weib ist nicht gut für dich. Und sie ist dabei, ihren Mann umzubringen.“

    „DIE TINTILLA!“ schallte es ohrenbetäubend durch den Stall. „AUSGERECHNET DIE TINTILLA!“ So wie Luitberga den Namen ausspie, klang er wie etwas Ansteckendes. Zum wiederholten Mal wich Malleus einem Wurfgeschoss aus, diesmal dem Pferdestriegel. Satteltaschen, Waschschüssel und allerlei Kleinkram hatte sie bereits nach im abgefeuert, nun blieben ihr nur noch eine rostige Deichselkette und eine zweizinkige Mistgabel. An der Kette konnte sie sich seinetwegen noch versuchen, wenn sie aber zur Mistgabel greifen sollte, würde er wohl oder übel einschreiten müssen. In diesem Zustand war mit seiner Gespielin nicht zu spaßen, so viel war mal sicher. Die Kette rasselte denn auch haarscharf an seinem Schädel vorbei und krachten dumpf gegen die lehmverputzte Stallwand. Dann war erstmal Ruhe. Entweder kam Luitberga gar nicht darauf, sich die Forke zu schnappen, oder sie scheute selbst in ihrer Raserei vor diesem letzten Grad der Eskalation zurück. Gleichviel. Sie ließ die Finger von der Gabel, und das hatte schon wieder etwas Versöhnliches, fand zumindest Malleus. Überhaupt erschloss sich ihm nur sehr vage, was das ganze Theater eigentlich sollte. So jedenfalls hatte er sich diesen Abend nicht vorgestellt. Im Gegenteil.


    Nachdem es ihm drei Tage in Folge durch seinen Umzug und die Einrichtung der neuen Wohnstatt nicht möglich gewesen war, Luitberga in ihrem gemeinsamen Liebesnest zu treffen, hatte er sich aufrichtig und selbstredend extrem durchblutet auf das kraftstrotzende blonde Lendenbalsam gefreut, eine Vorfreude, die anfangs zweifellos auf Gegenseitigkeit beruht hatte. Natürlich war Luitberga zuallererst einmal daran interessiert gewesen, zu erfahren, wie seine Wohnungssuche verlaufen und wo er untergekommen war. Selbstverständlich hatte Malleus all ihre Fragen gut gelaunt und wahrheitsgemäß beantwortet. Ein Fehler, wie sich rasend schnell herausstellen sollte. Weiter als bis zur Nennung seiner Vermieterin war er nicht gekommen. Kaum, dass sie deren Namen vernommen hatte, war Luitberga gestiegen wie eine armenische Stute. Verschlagene Römernutte, notgeile Giftspinne und männermordende Hydra waren noch die schmeichelhaftesten Begriffe, die der tobenden Hünin zu Tintilla Cynane eingefallen waren. Malleus hatte den Ausbruch zunächst nicht allzu ernst genommen und leichtfertig einen zweiten Fehler begangen, indem er seine Vermieterin beschwichtigend als eher sanfte Frau von recht angenehmen Wesen beschrieb. Daraufhin war Luitberga dazu übergegangen, ihn wahllos mit Gegenständen zu bewerfen. Ein wahres Prachtweib eben, wie er immer wieder aufs Neue feststellen durfte.


    „Bist du fertig?“ erkundigte er sich freundlich, als aus Luitbergas’ Richtung nichts mehr kam außer wütendem Schnauben. „Ganz und gar nicht! Ich hol bloß Luft!“ Malleus nickte nur stumm und begann in aller Gemütsruhe, die herumliegenden Sachen einzusammeln. Vor allem an seinem Sattelzeug lag ihm doch so einiges. Zu seiner aufreizenden Furie drehte er sich für’s erste nicht um. Der Braten musste erst einmal vom Feuer, bevor er zu genießen war. Erst als sich alle Utensilien wieder an ihrem Platz befanden, wandte er sich wieder Luitberga zu. „Meinst du, wir könnten uns dann langsam mal den Dingen widmen, deretwegen wir hergekommen sind?“ Luitbergas unwillkürlicher Griff nach ihrer Tunikakordel ließ erkennen, dass sie im Grunde einer Meinung mit ihm war, ihre Mimik allerdings sprach noch deutlich dagegen. „Hast du dir in deiner rasierten römischen Gletscherspalte schon Frostbeulen geholt oder warum gelüstet dich plötzlich wieder nach meiner schattigen Waldschlucht?“ Gletscherspalte? Waldschlucht? Malleus staunte nicht schlecht. Da kam ja die reinste Lyrik aus seiner derben Stammestochter hervorgesprudelt. Auch wenn das, was sie damit andeuten wollte, völliger Blödsinn war. Er hatte mit Tintilla Cynane nicht das geringste an der Kappe. Sie war seine Vermieterin, genau genommen sogar nur die Gattin seines Vermieters, sonst nichts. War er vielleicht irrsinnig, eine dralle Milchkuh gegen eine trockene Ziege einzutauschen? Nur weil die Ziege über einen betörenden Blick verfügte und von einer geheimnisvollen Aura umgeben war? Sicher nicht. Auch wenn die Kuh manchmal ganz schön anstrengend sein konnte.


    „Und wie soll das deiner Meinung nach in Zukunft ablaufen?“, maulte sie unbeirrt weiter, „Drei Tage mit der parfümierten römischen Schlampe in deinem neuen ... Cubiculum .. und dann wieder drei Tage mit der ungewaschenen Germanin im Pferdestall? So in etwa?“ Malleus schüttelte stöhnend den Kopf. Was sollte er auf soviel gequirlten Mist entgegnen? Freilich, die Sache mit der Körperhygiene war schon ein Punkt, der irgendwann einmal zur Sprache gebracht werden musste. Waschschüsseln waren schließlich nicht in erster Linie dafür gedacht, geworfen zu werden. Aber für solcherlei Themen würde sich gewiss ein passenderer Anlass finden. Alles in allem wollte er Luitberga gar nicht anders haben als sie war. Wenn sie das nur irgendwie in ihren sturen Schädel bekommen würde! Da Malleus in solchen Dingen nicht sehr wortgewandt war und ihm auch ansonsten nicht viel sinnvolles einfiel, zog er sich einfach aus und warf sich in’s Heu. Wohlig grunzend blinzelte er der immer noch sauertöpfisch dreinblickenden Luitberga zu. „Also schön, Berga. Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder du bleibst da stehen, nestelst weiter an deiner Kordel rum und bildest dir Sachen ein, die hinten und vorne nicht stimmen .. in dem Fall gönn ich mir ein Schläfchen .. oder du schwingst dein anbetungswürdiges Hinterteil zu mir rüber und lässt dich vom Gegenteil überzeugen.“ Ob sie es nun glaubte oder nicht, es lag ihm durchaus etwas an ihr. Mehr noch als an seinem Sattelzeug. Und – verdammt – das wollte schon was heißen.

    Malleus musterte die zerbeulten Gestalten mit unverhohlenem Argwohn. Zwar schien Curio mit einem von den beiden persönlich bekannt zu sein, aber was hieß das schon. Der Helvetier kannte einen Haufen Leute. Schon von Amts wegen. Hätte Malleus allein seinem ersten Instinkt nachgegeben, wären die sichtlich mitgenommen Vögel nicht näher als drei Armlängen an den Aedilis herangekommen. Allerdings – und das hatte er in den vergangenen Monaten lernen müssen – bedurfte der Dienst bei Helvetius Curio weit mehr an Fingerspitzengefühl als er bis dato gewohnt war. Sein junger Schützling war kein halbseidener Lupanarbetreiber, dem man einfach nur alles aus dem Weg zu prügeln brauchte, was ihm nicht freiwillig Platz machte, sondern ein gewählter Amtsträger, dessen Bild in der Öffentlichkeit einen nicht unwesentlichen Teil seiner Wahlerfolge ausmachte. Ein Custos Corporis, der zu aggressiv auftrat, erwies seinen Dienstherren letztlich einen Bärendienst. Stets darauf achten zu müssen, Curio nicht in einem negativen Licht erscheinen zu lassen, machte Malleus’ Arbeit nicht eben einfacher, dafür allerdings interessanter. Zudem lag ihm nichts an einer einfachen Arbeit, wer einfache Arbeit suchte, sollte irgendwo Löcher graben. So hatte er also die beiden Kaufleute – wenn auch widerwillig – herantreten und ihre Klagen vorbringen lassen. Freilich nicht, ohne sich unter dem Mantel seinen bewährten Lederriemen so weit vom rechten Handgelenk zu wickeln bis die massive Bronzeschnalle frei baumeln konnte. Volksnähe hin oder her, sollte einer der übel zugerichteten Händler sich unmanierlich benehmen, würde er das Gespräch erheblich schneller beenden als die Beiden rennen konnten. Schließlich schund er sich mit seinen tagtäglichen Übungen – eineinhalb Horae vor Sonnenaufgang, zwei weitere nach Dienstschluss – nicht aus Lust am Schmerz. Außerdem kribbelte es ihm schon seit geraumer Zeit in den Fäusten, und nicht nur da. Der mittlerweile zu seiner ganzen Pracht entflammte Frühling trieb unermüdlich den Saft in die Bäume, auch in solch knorrige alte Eichen wie Malleus.


    Möglicherweise waren die Überfälle, von denen die Händler berichteten, ebendiesem Phänomen geschuldet. Nach harten Wintern, zumal nach derart katastrophalen wie dem vorangegangenen, kam es immer wieder vor, dass sich übermütige Jünglinge aus den verschiedensten Stämmen zusammenrotteten, um ihr Glück in Raub und Plünderung zu suchen. Das war schon immer so gewesen. Zumeist brachten es diese Trupps gerade einmal auf ein Paardutzend Speere. In manchen Jahren aber war die Zahl der jungen Marodeure so hoch, dass sich daraus mit der Zeit neue Stämme bildeten, und diese stellten dann sowohl für Rom wie auch für ihre einstigen Brüder und Nachbarn eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Ob die Kaufleute solchen Horden in die Finger geraten waren oder schon länger operierenden Banden, vermochte Malleus den Erzählungen der Opfer natürlich nicht zu entnehmen, um das zu beurteilen, hätte er schon selbst dabei gewesen sein müssen. Die Vorstellung ließ fast so etwas wie Bedauern in ihm aufsteigen. Es war viel Zeit vergangen, seit er seine letzte Attacke geritten hatte. Irgendwie verrückt, was einem über die Jahre so alles abgehen konnte

    Zum dritten Mal seit seiner Rückkehr hatte Malleus all seine Habseligkeiten durch die Gassen von Mogontiacum geschleppt, und wieder einmal erfüllte es ihn mit Genugtuung, im Laufe von fast fünfzig Jahren gerade einmal so viel Ballast angesammelt zu haben, wie in einen großen Getreidesack passte. Die Pferde natürlich ausgenommen. Für die meisten Bürger war so ein Umzug eine große Sache, die geplant werden musste und sich über Tage hinziehen konnte. Er dagegen brauchte nur seinen Sack zu schultern und sich auf den Weg zu machen. Nach dem Haus seines Bruders im nördlichen Vicus, Bulbus’ Koben am südöstlichen Mauerbogen und dem Gästezimmer beim Apollo-Tempel hatte ihn dieser Weg nun zum östlichen Rand der Canabae geführt. In einen rückwärtigen Anbau der Casa des Goldschmieds Tintillus Eburnus.
    Thilo, Bulbus’ Stallbursche und zugleich Malleus’ heimlicher Kundschafter, hatte herausgefunden, dass Tintilla Cynane, die Gemahlin des seit Monaten siech darniederliegenden Goldschmiedes einen neuen Untermieter suchte. Nicht irgendeinen windigen Durchreisenden, wie Cynane bei ihrem ersten Gespräch klargestellt hatte, sondern ein gestandenes Mannsbild, dessen Präsenz eine abschreckende Wirkung auf nächtliche Besucher ausüben sollte. Malleus’ Einwurf, er stehe bereits in einem Dienstverhältnis und gedenke nicht, sich eine zusätzliche Tätigkeit als Nachtwächter aufzuhalsen, war mit einem sanften Lächeln abgetan worden. Es reiche ihr völlig, hatte Cynane ihn beruhigt, wenn sich herumspräche, dass der bescheidene Verschlag nun von einem baumhohen Veteranen – noch dazu dem Custos Corporis des Aedilen Helvetius – bewohnt werde. Da sich die Miete in einem durchaus angenehmen Rahmen bewegte, und das Gästezimmer des Cultus nur eine zeitlich begrenzte Übergangslösung darstellte, hatte Malleus die Gelegenheit sofort beim Schopf gepackt und sich noch vor Inspektion des Objektes als neuer Mieter empfohlen. So lange es nicht durch’s Dach regnete und sich die Tür absperren ließ, war ihm auch die windschiefste Bruchbude recht.


    Was er dann noch am selben Abend bezog, war allerdings weder eine Bruchbude noch ein bescheidener Verschlag sondern ein solide aus Lehm und Balken gebautes einräumiges Hinterhaus. Die ehemalige Werkstatt von Tintillus Eburnus. Hier waren dessen erste Preziosen entstanden, ehe er den Betrieb vergrößert und in ein weiträumigeres Gebäude unweit des Forums verlagert hatte. Trotz dieser unerwartet positiven Entwicklung war Malleus nicht ganz wohl bei der Sache. Hatte er einfach nur verdammtes Glück oder war ihm ein essentieller Makel entgangen? Brummend warf er seinen Sack auf das knarzende Ledergeflecht der Holzpritsche und sah sich um. „Das Dach ist dicht, oder?“
    Tintilla Cynane stand in eine dicke Palla gehüllt an der Tür und betrachtete ihren künftigen Mieter mit undeutbarer Miene. „Das Dach? Aber ja. Selbstverständlich.“ Gut. Das Dach war es also nicht. Was war es dann? Für diesen großzügigen Wohnraum war die vereinbarte Miete geradezu lächerlich. Wo war der Haken? Mit nur mühsam verhohlenem Misstrauen im Blick ging Malleus in seiner neuen Wohnstatt auf und ab, betastete die Lehmwände – trocken, öffnete die Fensterläden – leichtgängig, klopfte die Deckenbalken ab – betagt aber noch immer massiv. Natürlich war es nicht allzu klug, noch einmal nachzufragen, er tat es trotzdem. „Und du bist dir mit der Miete wirklich sicher? Halt’ mich für einen Narren, aber du könntest hierfür gut und gerne auch das Doppelte verlangen. Ich meine .. sicher, es sagt mir zu, zweifellos .. aber ich möchte nicht in den Verdacht geraten, dich über den Tisch ziehen zu wollen.“
    Diese Bemerkung erheiterte die bislang eher ernst wirkende Frau sichtlich. „Mich über den Tisch ziehen?“, schmunzelte sie mit leichtem Spott in der tiefen Stimme. „Sicher nicht.“ Malleus nickte zögernd. Letztlich war es ihre Sache. Wenn hier ein Aussätziger gehaust hatte oder das Häuschen über dem Grab eines Verfluchten errichtet worden war, musste sie ihm das ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Cynane schien seine Gedanken erahnen zu können und setzte amüsiert zu einer Erklärung an. „Die Mieteinnahmen sind zweitrangig. Das Geschäft floriert. Sogar ohne meinen Mann. Derzeit arbeiten fünf Gesellen und drei Lehrjungen in unserem Betrieb. Ich muss also nicht vermieten, um über die Runden zu kommen. Dass ich es doch tue, geschieht aus Gründen, die ich bereits erläutert habe.“ Gewiss, das hatte sie. Neben ihrem kranken Gatten, zwei Töchtern und einer Dienstmagd wollte sie einen richtigen Kerl im Haus haben, da hatte Malleus sie schon richtig verstanden. Die Frage war, ob sie ihn ebenfalls verstanden hatte. „Wie ich schon sagte, Tintilla Cynane, ich suche eine Bleibe, keine Anstellung.“ Ihr Schmunzeln wurde noch breiter. Zwischen ihren anmutig geschwungen Lippen blitzten zwei ebenmäßige Zahnreihen hervor. „Das trifft sich, Cossus Malleus, ich biete auch keine Anstellung.“ Mit einem tonlosen Lachen zog sie sich die Palla enger um die Schultern und schritt durch die Tür nach draußen. „Möbel werden sich sicher nach und nach auch noch auftreiben lassen. Richte dich erst eimal notdürftig ein. Gute Nacht.“ Dann war sie weg. Seltsames Weib, ging es Malleus durch den Kopf. Bei Tintilla Cynane versagte sogar seine an sich sehr verlässliche Menschenkenntnis. Er hätte nicht einmal sagen können, wie alt die Dame des Hauses tatsächlich war. Einerseits war ihr anzusehen, dass sie schon einiges durchgemacht haben musste, andererseits wirkte sie in manchen Augenblicken wie ein lebenshungriges junges Ding, das sich gerade erst anschickte, die Welt für sich zu entdecken. Wirklich sehr seltsam, das alles.

    Die besorgte Miene des plötzlich wie aus dem Nichts aufgetauchten Kaeso ließ Malleus’ Pfeifen augenblicklich verstummen. Irgend etwas musste vorgefallen sein. Vermutlich in der Casa, Ohne hinzusehen warf er die Werkzeugtasche mit Schwung in Bolanus’ Richtung und schritt eilig auf seinen Dienstherren zu, dem Kaeso gerade aufgeregt Bericht erstattete. Noch bevor er Curio erreicht hatte, gab ihm dieser bereits zu verstehen, dass sie zurück mussten und rannte dann unvermittelt los die Straße nach Westen entlang. „Scheiße!“, entfuhr es Malleus. Entweder war es Silvana oder das Kind. Mit weit ausgreifenden Schritten jagte er Curio hinterher, wahllos auf die verdutzten Passanten einbrüllend. „WEG DA! LASST IHN DURCH!“

    Der Helvetius war ein junger Kerl, kräftig und ausdauernd. Ihm hinterherzukommen verlangte einiges an Willenskraft. Aber nicht umsonst war Malleus als sturster Ochse der ganzen Cohors berüchtigt gewesen. Mit zusammengebissenen Zähnen und brennenden Lungen schaffte er es schließlich, den Aedilen einzuholen und sich vor ihn zu setzen. „WEG MIT EUCH! ZUR SEITE!“ Die meisten Bürger folgten dem Rat umgehend, ein paar begriffsstutzige Exemplare musste er allerdings ummähen. „Bleib dicht hinter mir, Aedilis!“, schnaufte er über die Schulter, „Auch wenn’s schwer fällt!“

    Temperaturen weit über dem Gefrierpunkt. Zerfaserter grau marmorierter Himmel. Böiger Westwind. Wehende Sprühregenschleier. Der germanische Frühling jagte endlich seine Vorboten über’s Land. Schlichtere Gemüter mochten im Tauwetter, das pünktlich zum Amtsantritt der neuen Aedile eingesetzt hatte, einen Gunstbeweis der Götter sehen, Malleus nahm es schlicht als gutes Omen für Curio’s Amtszeit und damit fertig. Dass sogar dem strengsten Winter irgendwann die Kraft ausging, war nun wirklich nichts Neues, das hatte er zu oft erlebt, um sich jedes Frühjahr in ekstatischen Anfällen zu winden. Dennoch war es beruhigend, festzustellen, dass die Natur noch immer ihren Lauf nahm wie seit Anbeginn der Zeiten.


    Gut gelaunt stapfte er am Straßenrand auf und ab, pfiff leise vor sich hin und beobachtete den dünnen Passantenstrom. Jenseits der Kreuzung, etwa zehn Schritte von ihm entfernt, starrte Bolanus derart gequält in den Nieselregen als würde er mit Gülle überschüttet. Jedes Mal, wenn sein Blick den leidenden Amtsdiener streifte, konnte Malleus nur amüsiert den Kopf schütteln. Alles in allem hatte sich Bolanus ja als ganz brauchbar erwiesen, er tat immerhin, was man ihm sagte, und kapierte auch meistens, worum es ging. Nichtsdestotrotz war er ein verdammter Weichling, fast schon eine Schande für jeden aufrechten Sohn der Stämme. Sicher, die Witterung hatte seine Arbeit nicht einfacher gemacht. Die Straßen waren in einem ähnlichen Zustand wie Bulbus’ Schweinekoben, schlammig, zertrampelt, durchlöchert von trüben Pfützen. Der nächtliche Regen hatten die Schneeberge in einen triefenden Brei verwandelt, der schneller dahinschmolz als es die Abwassergräben bewältigen konnten. Entsprechend mühsam war es, im knöcheltiefen Matsch voranzukommen. Lästig, ohne Frage. Natürlich gab es Vergnüglicheres als sich alle Paardutzend Schritte eine vier Finger breite Dreckschicht von den Sohlen zu klopfen, aber was war schon das bisschen Morast und eine nasse Brise gegen die Ahnung von saftigen Wiesen und blühenden Wäldern? Ein Witz. Anstatt mit eingezogenem Genick vor sich hin zu brüten sollte sich diese Memme von Amtsdiener lieber ein Beispiel an seinem Dienstherren nehmen. Der nämlich verrichtete die Arbeit im Kreise seiner Helfer konzentriert, gründlich und sichtlich unbeeindruckt von den Witterungsverhältnissen. Und das als Römer.


    Nachdem auch die letzte verdreckte Mauerfuge des Kreuzungsschreins ausgekratzt war, ging Malleus beschwingt zu Curio und seinen Mannen hinüber und machte sich daran, die Werkzeuge einzusammeln. Bolanus verharrte immer noch an seinem Platz neben der Straße und haderte abwesend mit seinem Los. Am liebsten hätte Malleus ihn dort stehen lassen bis er Moos ansetzte, aber es gab noch einiges zu tun an diesem lieblichen Frühjahrstag. Mit einem schrillen Pfiff auf den Fingern riss er den Amtsdiener aus seiner brütenden Lethargie und schwenkte grinsend die Tasche mit den Werkzeugen. „Einer von uns beiden wird das hier tragen! Rat mal, wer!"

    Wie erwartet erfreute sich die erste Sprechstunde der neuen Aedile regen Interesses. Im großen Versammlungssaal der Curia wimmelte es geradezu von Neugierigen, Bittstellern, Beschwerdeführern und Leuten, die im Grunde nichts anderes auf dem Herzen hatten, als mit ihrer bloßen Anwesenheit zu glänzen und sich bei den Amtsträgern anzubiedern. Letztere Sorte war mit Abstand die schlimmste. Zumindest Für Malleus. Immer wieder versuchte einer dieser selbsternannten Honoratioren, sich beiläufig plaudernd in der Warteschlange nach vorn zu mogeln. Zwar reichte in diesen Fällen meist eine bedeutungsvoll erhobene Braue oder ein unmissverständliches Kopfschütteln, um wieder Ordnung zu schaffen, lästig waren diese Zeitgenossen aber allemal.


    Ansonsten jedoch ging es erfreulich gesittet zu. Das zusammengenommen knappe Dutzend übellauniger Gestalten, das Malleus in der Menge ausgemacht hatte, beunruhigte ihn nicht sonderlich. Von denen hatten sich nur zwei in die Schlangen eingereiht, der Rest war auf die ganze Halle verteilt. Der übliche Anteil von Nieselpriemen. Für eine Menschenansammlung diesen Ausmaßes völlig normal. Auch das Gesicht von Bolanus, der sich bobachtend unter’s Volk gemischt hatte, zeigte keine Anzeichen von Besorgnis. Wenn sich der Tag so weiter entwickelte, würde Curio seine erste Sprechstunde als Aedil ungestört hinter sich bringen. Wohlgemerkt - wenn. Bislang hatte erst eine ältere Frau Gelegenheit bekommen, ihr Anliegen vorzubringen. Der Tag war noch jung und die Schlange noch lang. Sollte sich einer der Anwesenden sein Mütchen an ihm kühlen wollen, bitte. Er stand jedem Stänkerer gerne zur Verfügung.


    Pflichtschuldigst darum bemüht, weniger furchterregend als respekteinflößend zu wirken, taxierte Malleus den nächsten in der Reihe und ließ ihn dann mit einem knappen Nicken zu Curio durch.

    Malleus nickte zufrieden und schenkte sich etwas Wein ein. „Dann bin ich für’s erste im Bilde.“ Erneut warf er einen forschenden Blick auf Roderiq und Bolanus. Nichts. Waren die immer so schweigsam oder warteten die auf irgendwas? Er ließ ihnen noch die Zeit, die der brauchte, um seinen Wein mit Wasser zu verdünnen, und als danach immer noch Schweigen herrschte, fand er sich seufzend damit ab, dass das Gequatsche wieder einmal an ihm hängen blieb.


    „Nun gut. Dann fasse ich mal kurz zusammen, wie ich mir das vorstelle. Meine Aufgabe wird es sein, Helvetius Curio vor unliebsamen Überraschungen zu bewahren. Dazu gehört natürlich in erster Linie die körperliche Präsenz aber auch die Aufklärung und Vorbereitung. Im Vorfeld von Feiern, größeren Anlässen oder auch Terminen, die uns in’s Umland führen, werde ich Örtlichkeiten, Lokalitäten, gegebenenfalls auch Wegstrecken persönlich inspizieren. Sollten sich Hinweise auf eine ernsthafte Gefahrenlage ergeben, werde ich ein paar zusätzliche Augen und Ohren installieren, von deren Identität allein Acanthos Kenntnis erhalten wird. Aber das wird situativ zu entscheiden sein.


    Zu allen Terminen, die den Aedil über die Schwelle dieser Casa hinausführen, werde ich ihn begleiten und so lange an seiner Seite bleiben, bis er wieder hier eintrifft, präziser ausgedrückt, bis Roderiq übernehmen kann. Solltest du, Roderiq bei unserer Rückkehr noch mit Mitgliedern der Familie unterwegs sein, wird sich eine Lösung finden. Ich erwarte aber, dass zumindest Acanthos informiert wird, wenn du längere Zeit außer Haus bist. Ansonsten wird sich nichts für dich ändern. Ich denke, du verfügst über genügend Erfahrung, um deinen Pflichten gewissenhaft nachzukommen.


    Kommen wir zu dir, Bolanus. Dir werden natürlich die üblichen Amtsgänge obliegen, Zustellungen, Nachrichtenübermittlungen, das Verteilen von Aushängen et cetera. Zusätzlich wirst du mich, wenn nötig, bei der Sondierung und Informationsbeschaffung unterstützen, oder sie, im Falle meiner Unabkömmlichkeit, an meiner Stelle durchführen. Bei bestimmten Anlässen, so der ersten Sprechstunde der neugewählten Aedile, möchte ich einen weiteren Beobachter vor Ort wissen, auch das wirst du übernehmen. Was deine alltäglichen Aufgaben betrifft, werde ich dir gewiss nicht reinreden, erwarte aber auch von dir, dass du Acanthos mitteilst, was du in deiner Dienstzeit treibst.


    Soviel erstmal von meiner Seite. Wenn einer von euch beiden Einwände haben sollte, ist jetzt der richtige Moment, sie loszuwerden. Wenn nicht, würde ich nun gerne meinen Becher auf Aedilis Helvetius Curio erheben. Also?“

    Nachdem auch Malleus sich an den Tisch gesetzt hatte, stellte der neue Aedil die Anwesenden kurz vor und gab ihnen dann einen kurzen aber klaren Überblick über ihre jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten. Und das war für Malleus' Arbeit von essentieller Bedeutung. Kompetenzgerangel konnte er auf den Tod nicht ausstehen, solche Albernheiten vermochten sogar die sorgfältigsten Planungen hinfällig zu machen. Dem aber war durch die Überlegungen des Aedilen bereits vorgebeugt.
    Acanthos fiel eine Schlüsselrolle zu. Wie erwartet. Er arbeitete schon seit geraumer Zeit für Curio, genoss ganz offensichtlich dessen Vertrauen, und wusste vor allem, wie sein Dienstherr gewebt war und worauf es ihm ankam. Dass die Informationsstränge bei ihm zusammenlaufen sollten, war daher nur zu begrüßen. Mit Acanthos hatte sich Malleus also künftig abzustimmen. Das ging völlig in Ordnung. Menschlich gesehen war der etwas verschlagen wirkende Scriba zwar nicht unbedingt sein Fall, aber das spielte hier nicht die geringste Rolle. Was eine Rolle spielte, war seine Loyalität Curio gegenüber, und was das betraf, machte sich Malleus bei Acanthos keine Sorgen.


    Dann war da Roderiq, auch er offenbar schon länger in den Diensten der Helvetier. Dieser Bursche war nun schon deutlich mehr nach Malleus’ Geschmack. Aufrechte Haltung, gestählter Körper, wacher Blick, ein leicht ironischer Zug um die Mundwinkel: Der unverkennbare Habitus eines in der Wolle gefärbten Veteranen. Wenn Roderiq nicht soff wie ein Bottich oder dem Würfelspiel verfallen war, wie allzu viele einstige Soldaten, waren Curio’s Angehörige bei ihm mit Sicherheit in guten Händen. Wieder eine Sorge weniger.
    Bolanus dagegen war auf den ersten Blick nicht recht einzuschätzen. Dem würde er noch gründlich auf den Zahn fühlen müssen. Gewiss, allein der Umstand, dass er hier am Tisch saß, bewies schon, dass der Aedil ihn für geeignet hielt. Blieb nur die Frage: Geeignet wofür? Allein für die Tätigkeit als Accensus oder auch als Aufpasser des Aufpassers? Mit beidem konnte Malleus hervorragend leben. Trotzdem musste er schleunigst herausfinden, wie man Bolanus am nutzbringendsten einsetzen konnte. Aber auch das sollte kein Problem sein. Dankenswerterweise hatte Helvetius Curio die Zuständigkeiten ja deutlich genug umrissen. So weit, so gut.


    Nachdem der Hausherr alles Wesentliche dargelegt hatte, gab er den Anwesenden Gelegenheit, Fragen zu stellen. Aber es ergaben sich offenbar keine. Malleus blickte von einem Gesicht zum anderen. Weder Roderiq noch Bolanus machten Anstalten, sich in irgendeiner Form zu äußern. Nun gut, es war soweit ja auch alles geklärt. Die anstehenden Aufgaben für die nächsten Tage würde man ihnen sicher anschließend mitteilen. Allerdings - eine Frage kam Malleus dann doch in den Sinn.


    „Nur noch eine Frage zur Zuständigkeit, Aedilis. Es wird auch Situationen geben, in denen sich meine und Roderiq’s Aufgaben überschneiden. Zum Beispiel an Tagen, die du hier in der Casa ausschließlich im Kreise deiner Familie verbringst. Ich nehme an, in solchen Fällen wird dein persönlicher Schutz von meinem Zuständigkeitsbereich in den Roderiq’s übergehen? Selbstredend hätte ich damit kein Problem. Ich möchte nur sicherstellen, dass sich nicht plötzlich gar keiner mehr zuständig fühlt.“

    Äußerst befriedigt nahm Malleus zur Kenntnis, dass der Ianitor ihn nicht nur anstandslos nach hinten führte, sondern ihm auch den schweren Mantel abnahm. Erfreulich. Das funktionierte schonmal.


    Als er das Triclinium betrat, fand er Curio’s Stab bereits versammelt. Außer dem Aedilis selbst war ihm nur einer der Anwesenden bekannt: Acanthos der Scriba. Die anderen beiden, von denen sich einer gar im Dämmer der Zimmerecke zu verbergen schien, sah er heute zum ersten mal. Es versprach also interessant zu werden. Die Speisen und Getränke registrierte er nur am Rande. Zu einem Gelage würde das Consilium gewiss nicht ausarten, und das war auch gut so. Angesichts der angenehm nüchternen Arbeitsatmosphäre verzichtete er auf blumige Glückwunschfloskeln. Dafür war später noch Zeit. Stattdessen nickte er nur knapp in die Runde.


    „Salve, Aedilis Helvetius Curio. Salvete, die Herren.“


    Dann verschränkte er die Hände hinter dem Rücken und wurde bis auf weiteres zur Statue.