Natürlich war ich auch am heutigen Tage wieder anwesend. Beim ersten Mal war meine Anwesenheit nicht benötigt gewesen, der Senat hatte keinen Grund gehabt, mich anzuhören, da die Frist für andere Bewerber noch abgewartet werden sollte. Heute aber, nachdem es scheinbar keine anderen Bewerber gab, war ich nicht nur zum Zuhören erschienen. Auf die Aufforderung des Consuls hin, trat ich einige Schritte durch die Tür in Richtung des Ältestenrates. Ich hütete mich aber davor, ihre Reihen zu betreten oder gar in die Mitte der Halle zu treten, wo sonst die angesehensten der Senatoren zu ihren Kollegen sprachen.
Nein, ich blieb am Rande stehen und stellte einfach bloss sicher, dass alle Herren der vordersten Reihen mich sehen konnten. Dann begann ich:
Patres conscripti, edle Herren Senatoren. Es ist nicht leicht heute vor euch zu treten und meine Bewerbung für das Amt als Nachfolger des verstorbenen Quaestor Principis zu verkünden. Kein Mann wünscht sich, ein Amt von seinem Vorgänger unter solchen Umständen zu übernehmen. Dennoch wurde mein Name vorgeschlagen.
Eine kurze Pause, mit gesenktem Kopf, diente der Erinnerung an den Verstorbenen.
Ich habe Rom vor einigen Jahren bereits als Vigintivir gedient und mich dabei um die Säuberung der Strassen gekümmert. Einige haben gelacht, als ich damals meinen Wunsch äusserte, dieses wenig gloriose Amt zu übernehmen, haben mich gefragt, ob ich denn keinen Ehrgeiz hätte, dass ich mich um das unbeliebteste aller Ämter im Vigintivirat bewerbe. Das Gegenteil war der Fall, denn ich hatte eine Idee, wie man die Säuberung der Strassen vereinfachen könnte und wollte diese zum Vorteil der Stadt ausprobieren. Die Säuberung der Strassen mit Hilfe von Überschusswasser der Urbs, hat sich seither etabliert und hat viel zu einem angenehmeren Geruch im Sommer beigetragen.
Die Erinnerung an ein geleistetes Amt und was man dort erreicht hatte, tönte zwar oft wie Selbstbelobigung, doch es war eine Notwendigkeit, denn es waren immer so viele Ämter zu besetzen, dass niemand von den Senatoren verlangen konnte, jede Amtszeit im Detail im Kopf zu behalten.
Nach meinem Vigintivirat wurde mir die Ehre zuteil, ein Tribunat bei der Legio II in Germania zu absolvieren. Ich bin stolz darauf, nicht bloss auf dem politischen Parkett, sondern auch militärisch ein Amt belegt zu haben, welches mir erlaubt hatte, auch in diesem Bereich Erfahrung zu sammeln. In Germania wurde ich mit der Aufgabe betraut, die Zusammenarbeit zwischen der Ala II Numidia und der Legio II zu fördern. Diese war auf Grund diverser Vorurteile scheinbar nicht mehr optimal gewesen. Mittels verschiedener gemeinsamer Manöver, gelang es mir, diese Zusammenarbeit wieder zu stärken. Gleichzeitig gelang es bei einer gemeinsamen Übung, den Bürger Titus Octavius Frugi, welcher sein Gedächtnis verloren hatte und nicht mehr wusste, wer er war, als unseren Gast aufzunehmen und ihn wieder zurück nach Rom zu schicken, wo er gemäss meinem Wissensstand nun Dienst als Optio bei den Cohortes Urbanae leistet.
Dieses aussergewöhnliche Szenario hatte zwar grundsätzlich nichts mit meinem Tribunat zu tun und ich würde mich auch niemals damit brüsten, diesen Bürger persönlich befreit oder zurückgebracht zu haben, aber es war während einer Übung unter meiner Leitung gewesen, als man ihn gefunden hatte und das durfte hier ruhig festgehalten sein.
Als nächsten Schritt hätte ich bei den kommenden Wahlen nun einen Platz als Quaestor erbeten und mich im Wahlkampf darum beworben. Die Götter haben jedoch einen anderen Weg gewählt und so stehe ich nun heute hier vor euch, um mich als Ersatz für den verstorbenen Galeo Rusius Cotta zu bewerben. Ich habe keinen Plan, den ich Euch, patres, vorstellen könnte. Als Quaestor Principis diene ich dem Kaiser und spreche im Senat die von ihm gewünschten Worte. Als privater Sekretär stehe ich ihm zur Verfügung und kann keine eigene Agenda verfolgen. Eine solche habe ich auch noch gar nicht, denn wie gesagt bin ich erst vor wenige Monaten aus Germania zurückgekehrt.
Dieser Nachteil wog genau so schwer, wie der Vorteil, dass ich offensichtlich, wenn auch nicht wirklich ausgesprochen, der Kandidat des Kaisers war.
Mein vor vielen Jahren verstorbener Vater Lucius Annaeus Florus, den einige von euch sicherlich noch aus den Sitzungen hier kennen, wäre stolz und dankbar, wenn er heute hier sein könnte. Es erfüllt mich mit Freude, mit eurer Zustimmung einen weiteren Schritt in die Richtung gehen zu dürfen, welche er als erster Annaeus seit Kaiser Nero wieder gehen durfte.
Mit der Erinnerung an meinen Vater, dem die Senatoren und der Kaiser sogar einen Platz im Ulpianum zugesprochen haben, schloss ich meine kurze Vorstellung. Mehr wäre unangebracht gewesen, weniger aber klar zu wenig. Es lag bei den Senatoren zu entscheiden, ob ich diesen Schritt gehen durfte. So wollte es die Tradition, selbst unter der Herrschaft eines Kaisers.