Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    Es war abnorm zeitig, als die Tirones auf dem Exerzierplatz auftauchen sollten, zumindest nach dem Dafürhalten von Scato. In der Castra Praetoria liefen die Sonnenuhren allerdings ein wenig anders als außerhalb ihrer Mauern. Es herrschte schon rege Betriebsamkeit, während sich in Roma die meisten wohl noch einmal im Bett herumdrehten. Komplett still schien es hier nie zu werden, irgendjemand hatte immer Dienst. Scato gefiel das, bisher fühlte er sich hier rundum wohl und dass er mit Lurco gleich noch einen Kumpel gefunden hatte, mit dem er seine Freude teilen konnte, machte das Ganze perfekt.


    So lange der Ausbilder noch nicht in Sicht war, schlenderte Scato ein wenig über den Exerzierplatz und hauchte in seine kalten Hände. Lange würde ihm sicher nicht mehr kalt sein. Wie alle war er gespannt darauf, wer sie ausbilden würde und hoffte entweder auf den Centurio Octavius Maro, der sie an der Porta Praetoria in Empfang genommen hatte und recht nett zu sein schien, oder auf Optio Lepta, wobei Scato bei Letzterem vermutlich der Einzige war, der auf ihn hoffte. Einige seiner Kameraden hatten vor dem kauzigen Optio regelrecht Schiss. Die Tirones hatten heute in ihrer Alltagskleidung auftauchen müssen, da sie ihre Ausrüstung noch nicht erhalten hatten. Seine Tunika hatte Scato extra frisch gewaschen, genau wie sich selbst und Lurco darum gebeten, ihn zu rasieren, damit es ordentlich wurde. Auch sein Haar lag ordentlich nach vorne gekämmt auf seinem Kopf und seine Nägel an Händen und Füßen waren gestutzt. Einzig seine Sandalen sahen so abgelatscht aus, wie man das nach dem mehrere hundert Kilometer langen Marsch von Mantua auch erwarten würde, da war nichts mehr zu retten.


    Als er Schritte vernahm, hörte er auf, seine Hände zu wärmen. Er ließ sie sinken und sah sich nach ihrem Quell um.

    Scato fing den Apfel mit einer Hand. "Danke, du hast was gut bei mir! Lupanar ist ohnehin nicht in der Zeit als Tiro, es sei denn, unser Ausbilder erbarmt sich, uns Ausgang zu gewähren. Wobei das Lupanar dann mit der Taberna konkurriert. Ich habe hier in Rom noch keine besucht, das wäre wohl mein erster Anlaufpunkt."


    "Gegenüber der neuen Urbanerstation ist eine, die soll wohl ganz gut sein", kam Stilo zur Hilfe, der bislang noch nichts gesagt hatte und wirkte dabei ziemlich interessiert. Den konnten sie vielleicht mitschleifen.


    Scato fuchtelte mit seinem Apfel. "Guter Hinweis. Dann ist das die erste Taberna, die wir besuchen, sobald wir Ausgang bekommen", entschied er, ehe Lurco noch auf die Idee kam, lieber ins Lupanar zu wollen.


    Asper kramte derweil in seinen Habseligkeiten. Er packte stolz vier Knöchelchen auf den Tisch, die aussahen wie längliche Würfel. "Nagelneue Sprungbeine", verkündete er. "Für Astragaloi. Damit kann man sich die Freizeit auch hervorragend versüßen, ohne einen Fuß vor die Tür setzen zu müssen."


    "Diesen griechischen Scheiß?", murrte Tarpa, während er beim Herd irgendetwas aufräumte, obwohl der nach Scatos Dafürhalten sehr ordentlich aussah.


    "Hast du was Besseres?", motzte Ramnus.


    Asper fand das Gemaule von Tarpa offenbar auch wenig erbaulich. "Ich kann sie auch wieder wegpacken, wenn Glücksspiel unerwünscht ist." Dabei schaute er ziemlich geknickt.


    Ramnus schlug mit der flachen Hand gegen einen Bettpfosten. "Tarpa kann auch einfach weiter putzen, anstatt rumzunerven."


    "Was soll das denn bitte heißen?!", fauchte Tarpa zurück und ballte die Hand um den Lappen, als wäre er ein Schwertgriff. Oha, da hatten sich zwei lieb.

    Da scheinbar alle in ihr Bett krochen, tat Scato das auch. Es wackelte ziemlich, als er nach oben kletterte, da das Bett über keine Leiter verfügte, machte aber dennoch keine Anstalten, umzukippen, was vielleicht daran lag, dass Lurco es sich unten bereits gemütlich gemacht hatte und als zuverlässige Beschwerung fungierte. Auch Scato machte es sich bequem und schaute von oben in die Runde. Er hatte von allen hier den besten Überblick, da er oben gegenüber der Tür schlief.


    "Merke: Quietus hat das Gedächtnis eines Elefanten. Künftig wissen wir, wenn irgendwas nachzuschlagen ist, bemühen wir nicht die Unterlagen, sondern fragen Quietus. Du hast wirklich ohne innezuhalten die komplette Liste heruntergerasselt", stellte Scato bewundernd fest. "Den zweitwichtigsten Ort von Pullus nach der Latrine, meinst du?"


    "So oft bin ich nun auch wieder nicht auf dem Klo", murrte Pullus.


    "Doch." Ramnus war unerbittlich. "Man kann sich übrigens auch an anderen Orten unterhalten, zum Beispiel hier am Tisch."


    "Da ist es aber nicht so gemütlich", mutmaßte Scato, "wie auf dem zugigen Scheißhaus. Und zum Thema essen, weil das so wunderbar dazu passt, lieber Lurco ... wir kochen alles selber aus der Tagesration. Man kann auch dies und das miteinander tauschen oder sich noch was dazu kaufen, aber wir sind für unsere Mahlzeiten selber verantwortlich. Eine Großküche oder so was gibt es hier meines Wissens nach nicht. Jedes Contubernium besitzt eine eigene Handmühle, die ist dort irgendwo beim Herd, nehme ich an."


    "Im Vorraum im Küchenregal, unterstes Fach, linke Seite vorn", half Quietus. "Tarpa hat den Küchenkram dort hin geräumt, damit hier nicht alles herumsteht."


    Scato grinste. "Na bitte. Mit der Handmühle kannst du jedenfalls dein Getreide mahlen, wenn du Mehl brauchst statt Körnern. Oder du bestichst jemanden, der das für dich macht, wenn er ohnehin gerade mahlt. Manche Castrae haben auch Brotöfen, die man benutzen kann oder Bäcker, aber ich weiß nicht, ob das hier auch so ist. Wir sollten uns bei Gelegenheit hier mal gründlich umschauen. Lagerthermen gibt es auch, damit wir nicht stinkend und staubig in die Decken kriechen müssen. In einer Castra lässt es sich wirklich leben! Nur das Lupanar fehlt." Scato sagte das, als wäre er dort Stammgast, während er beiläufig seine Fingernägel betrachtete. Die peinliche Wahrheit musste er ja niemandem auf die Nase binden, erst recht nicht Lurco dem Entjungferer. "Für den Anfang halte ich es allerdings wie Pullus und halte die Anwesenheit von Latrinen für wichtiger." Was für ein mieser Schwenk! Er musste feixen. "Wirf mir mal wer einen Apfel hoch, ich krieg langsam Hunger."

    Scatos nackte Füße klatschten in raschem Takt auf die Steinplatten, als er schräg auf den Sklaven zuhielt. Bei dem Bürschchen, das gleich in Reichweite sein würde, war ein vorsichtiger Segen angebracht, er sah nicht sehr stabil gebaut aus. Und wenn ausgerechnet Scato zu diesem Urteil kam, war das nicht unbegründet. Sein Gesichtchen wirkte wirklich ausgesprochen zart, das wurde umso deutlicher, je näher er kam. Scato meinte es gut bei jeder einzelnen Segnung und stimmte die Stärke seiner Schläge auf das Erscheinungsbild ab. Auch wenn es durchaus zwiebeln durfte und auch musste, wollte er ja niemanden verprügeln, außer vielleicht Magister Verax, von dem er sich im Stich gelassen fühlte. Aber dafür konnte der kleine Sklave nichts.


    Scato holte im Laufen aus und rief: "Möge deine Manneskraft bis ins hohe Alter einer Granitsäule gleichen und die Empfänger deiner Lust verzücken!"


    Das Klatschen folgte, der blutige Beweis der Segnung prangte auf der sauberen Tunika, Scato schaute zufrieden. Er fragte sich einen Augenblick, wieso er eigentlich keinen der Familiensklaven von Mantua mit nach Roma genommen hatte, doch dann war seine sprunghafte Aufmerksamkeit schon wieder bei Lurco, der sich tatsächlich wagte, die vermeintliche Patrizierin anzusprechen. Neugierig gesellte Scato sich dazu, hielt sich aber im Hintergrund.

    "Nein, das darf man nicht", kreischte Scato Lurco ins Gesicht. "Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, seit ich hier auf dich warte!" Er packte Lurcos Kopf und drehte ihn zum Caesar. "Siehst du da die Prätorianer um ihn stehen? Die hauen uns in Scheibchen, wenn wir nur falsch gucken! Vermutlich nicht einmal diese Exemplare, die dort so offensichtlich stehen, sondern irgendwelche, die sich in zivil unters Volk gemischt haben und so tun, als ob sie gar nicht da sind. Die sind mit in der Castra Praetoria einquartiert, hast du das mitbekommen? Sobald wir die Ausbildung beginnen, lerne ich ihre ganzen Visagen auswendig! Jeder hier könnte einer von ihnen sein!"


    Er griff vom Kopf um zu den Schultern, zwei blutige Handabdrücke blieben in Lurcos Gesicht prangen. Er schüttelte Lurco, beziehungsweise versuchte es, aber genau so gut hätte er versuchen können, eine Marmorsäule zu schütteln.


    "Es kann nicht erwartet werden, dass wir den Caesar da segnen, das ergibt keinen Sinn, zu viel Interpretationsspielraum in eine fatale Richtung! Es sei denn, der Mann lässt explizit darum bitten. Es ist doch pure Absicht von Verax, uns hier in diese Situation zu bringen. Der Sauhund hat uns vorrennen lassen, damit wir einen Fehler begehen, damit er mich rausschmeißen kann. Er wollte mich von Anfang an nicht dabei haben, weil ich ein jungfräulicher Nichtskönner bin! Aber ich begehe keinen Fehler! Ich mache alles richtig, penibel nach Vorschrift, Punkt für Punkt! Und keiner der Punkte sah vor, ein Mitglied der kaiserlichen Familie unaufgefordert zu segnen!"


    Scato keuchte, er hatte sich gewaltig aufgeregt. Erst, als Lurco ihn darauf aufmerksam machte, bemerkte er noch die Sänfte, die ziemlich weit vorne stand, umgeben von muskelstrotzenden Trägern. Dazwischen stand ein gar zierliches Persönchen von einer Frau, zumindest im Verhältnis zu den Männern. Bei ihr war eine Sklavin.


    "Ich glaube, die Frau da ist eine Patrizierin", raunte Scato, während seine Finger sich in Lurcos Schultern krallten. Neuer Mut erfasste ihn, jetzt, wo die Dinge klar zu sein schienen. "Die Dame da steht doch wie auf dem Präsentierteller. Als ob sie sich bewusst so gut sichtbar platziert hat. Sie könnte unseren Segen wünschen. Ob wir mal fragen sollen, ob wir sie segnen dürfen?"


    Endlich ließ er Lurco los, nahm seine blutige, inzwischen ziemlich weich geklopfte Geißel wieder zur Hand und ließ sie durch seine Finger gleiten.


    "Erst die Sklaven", rief er dann plötzlich guter Dinge. "Lachen nicht vergessen!" Er zog Lurco die Geißel mit einem lauten Knall quer über den Hintern. Das würde einen schönen Striemen geben. Dann rannte er johlend weg, die Geißel in der Luft schwingend, wobei er Blut in alle Richtungen verspritzte. Allerdings rannte er nicht zu schnell, schließlich wollten sie die beiden artigen Sklaven gemeinsam segnen. Im Rennen wählte keinen frontalen Weg, sondern eine Kurve. Vermutlich wäre es für den Sklaven etwas unheimlich, wenn jemand geißelschwingend und irre lachend frontal auf ihn zustürmen würde.

    Die vorletzte Station! "Meine Füße", jammerte Scato lautstark, natürlich nicht, ohne dabei zu johlen und zu lachen. Er war zwar ein passabler Läufer, doch barfuß über harte Steinplatten zu sprinten, auf denen winzige Splittstückchen und andere Nettigkeiten lagen, war noch mal eine Sache für sich. Vor ihm eröffnete sich das Forum Romanum, auf dem die Rostra sich befanden. Unter diesem Begriff verstand man eine Ansammlung von Rednerplattformen. Der Name war abgeleitet von den Schiffsschnäbeln erbeuteter Schiffe, welche zum Zwecke des Triumphs an der Stirnseite dieser Plattformen angebracht waren. Markant waren die etlichen Statuen, die ebenfalls da oben standen, die Scato bei einem flüchtigen Blick allerdings nichts sagten, so gebildet war er dann doch nicht. Vielleicht hätte er den einen oder anderen erkannt, wenn er ihn sich in Ruhe von nahem angesehen hätte.


    Während er beschwingt über das Forum rannte, fast schon tänzelnd vor lauter guter Laune, erspähte er das Sklavenpärchen, welches er bei seinem ersten Segnungsversuch verfehlt hatte. Was für ausgesprochen artige Sklaven! Das war ja nicht selbstverständlich, auch unter dieser Bevölkerungsgruppe gab es einige ausgesprochene Zicken beiderlei Geschlechts. Dermaßen gehorsame Sklaven verdienten gewürdigt zu werden. Die zwei mussten einfach noch einmal vernünftig gesegnet werden! Am besten von ihm um Lurco im Doppelpack, damit es besser hielt. Aber wo blieb Lurco? Hatte der Mensch am Getränkestand ihn tatsächlich abgefüllt beziehungsweise hatte der perfekte Lurco sich abfüllen lassen? Kaum vorstellbar, aber ein witziger Gedanke.


    Als Scato sich nach seinem Kameraden umsah, erblickte er jemanden, mit dem er überhaupt nicht gerechnet hatte. Darauf war er nicht vorbereitet worden von Caesoninus und erst recht nicht von Verax, dem alten Stinkstiefel! Da war, unverkennbar an all dem Prunk, der prächtigen Toga und an den zu ihm gehörigen Gefolgsleuten, ein Mitglied der kaiserlichen Familie! Scato stolperte im Lauf, hielt an und ging ein Stück in die Knie. Niemand hatte ihm erklärt, wie er sich zu verhalten hatte, musste er grüßen, einfach tun als hätte er nichts gesehen oder wurde gar ein Segen verlangt? Vermutlich würden die Prätorianer ihn noch während er die blutige Peitsche hob in handliche Würfel zerlegt haben.


    Das konnte er nicht allein durchstehen! Lurco würde zwar auch keine Ahnung haben, aber er konnte diesen Umstand garantiert besser überspielen. Hilfesuchend drehte er sich nach hinten um, entschlossen, keinen einzigen Schritt weiterzulaufen ohne Begleitung.

    "Da ich hier das Leichtgewicht bin, schlafe ich besser oben. Sonst ende ich bei deinem Alptraumwälzen als belegtes Brot."


    Da sie noch keine Habseligkeiten ausgeteilt bekommen hatten, lungerten sie so ein wenig herum und quatschten über dies und das. Nach einer Weile trudelten die Kameraden ihres Contuberniums ein. Scato quetschte sie alle aus, um ihre Namen zu erfahren. Einer fehlte, das war Pullus, der als letzter von der Latrine kam. Jemand stellte Scato eine Wachstafel zur Verfügung und er notierte alle Namen.
    Das kam jedem zugute, denn auch die Kameraden waren neu und wussten noch nicht auswendig, wer hier wer war. Die Wachstafel platzierte er fein säuberlich auf dem Tisch, so dass jeder sie einsehen konnte.


    Contubernium der Baracke VII


    • Manius Purgitius Lurco
    • Sisenna Iunius Scato
    • Kaeso Rufius Ramnus
    • Potitus Sittius Pullus
    • Faustus Ateius Quietus
    • Iullus Tillius Stilo
    • Cossus Maecius Tarpa
    • Galeo Sentius Asper



    "Später kann Pullus uns zeigen, wo die Latrinen sind", sinnierte er, während er die Namen noch einmal überflog.
    "Ich kann es euch auch einfach erklären", meinte Pullus, während er seine Caligae auszog und es sich auf seinem Bett gemütlich machte. Er schlief unten und ganz nah an der Tür.

    Baracke VII


    Cohors XII · Centuria III


    Contubernium der Baracke VII


    • Manius Purgitius Lurco - Bild
    • Sisenna Iunius Scato - Bild
    • Kaeso Rufius Ramnus - Bild
    • Potitus Sittius Pullus
    • Faustus Ateius Quietus - Bild
    • Iullus Tillius Stilo - Bild
    • Cossus Maecius Tarpa Bild
    • Galeo Sentius Asper


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    Die Mannschaftsunterkünfte trugen den schmeichelhaften Namen "Baracken". Warum das so war, wusste niemand, aber der Begriff ließ sich wunderbar merken. Alle Baracken standen fein säuberlich durchnummeriert in einer Reihe nebeneinander, von der ersten bis zur letzten und jede Einzelne sah so aus: Baracke


    "Sie haben sie extra für uns frisch gestrichen", schwärmte Scato, der das neue, polierte Eingangsschild betrachtete, das auf dem weißen Putz in der Sonne funkelte. Der Sockel der Baracke samt aller Säulen war rot gestrichen, vermutlich, damit man den Dreck nicht so schnell sah oder einfach aus ästhetischen Gründen. Scato jedenfalls gefiel das Rot-Weiß. "Du siehst unter dem Säulengang an der Längsseite die ganzen Türen, ja? Jede Centurie hat eine eigene Baracke und innerhalb derer hat jedes Contubernium seine eigene Unterkunft. Ob das bei den Cohrtes Urbanae so ist, weiß ich nicht, ich glaube, die Nummerierung der Baracken ist hier eher frei und unabhängig von der Centurie. Es scheint sich danach zu richten, wo Platz ist. Aber in der Legio I Traiana, in der mein Vater diente, war die Nummerierung einheitlich, daher weiß ich es."


    Innerer Aufbau der Baracken


    Er öffnete die Tür und führte Lurco ins Innere. Der Vorraum Im Vorraum der Baracke wurden die Waffen, Rüstungen und einiges an Material gelagert. Zu diesem Zwecke fanden sich an den Wänden Holzregale, die manchmal auch als Sitzgelegenheit herhalten mussten.


    Dahinter befand sich die eigentliche Unterkunft für die Mitglieder ihres Contuberniums: Unterkunft


    Die aus Baumstämmen gezimmerten Etagenbetten wirkten trotz ihrer Schlichtheit auf Scato gemütlich, die Matratzen und Decken waren dick und kuschelig, alles war neu und sauber. Das Fenster war mit rotem Tuch verhangen. Auch im Inneren waren die Wände wie außen getüncht, oben weiß und rot am Sockel. In der Mitte stand ein Tisch mit Stühlen, an dem die Soldaten essen oder spielen konnten. "Unser neues zu Hause", verkündete Scato mit einem Strahlen, hielt Lurco die Tür auf und ließ ihn an sich vorbei eintreten.

    Scato quoll vor lauter Stolz innerlich schier über. Sie hatten es tatsächlich geschafft, den Anforderungen gerecht zu werden und sich halbwegs zu präsentieren! Trotz verschwitzter Tunika, trotz Schwabbelarmen. Er würde trainieren, bis er Blut kotzte und wenn die Ausbildung begann, würde er in ganz anderer Form auftreten. Alles was jetzt kam, geschah bereits unter dem Zeichen der Waage. Ab jetzt hieß es, anders auf die Dinge zu schauen, dienstlich, wie man so schön sagte. Ab heute waren sie keine Zivilisten mehr, sondern Tirones der Cohortes Urbanae. Er konnte es kaum erwarten, seine Einheit kennenzulernen und hoffte, dass sie miteinander zurechtkommen würden. Nett brauchten sie nicht einmal zu sein, ihm genügte es vollkommen, einfach vernünftig behandelt zu werden, wobei ein paar zusätzliche Freunde natürlich nie schaden konnten.


    "Danke, Centurio", sagte er so neutral wie möglich, wobei er nicht verhindern konnten, dass seine Wangen glühten. Das breite Grinsen konnte er sich diesmal erfolgreich verkneifen.


    Baracke VII >>


    Sim-Off:

    Alles klar! Das Armentarium sollen wir demnach auch bisschen später erst aufsuchen?

    Zwei Drittel der Wegstrecke waren geschafft. Oder irgendwie so, jedenfalls mehr als die Hälfte. Die gewaltige Rundmauer des Kolosseums schob sich in sein Blickfeld. Eigentlich hieß das Bauwerk ja Amphitheatrum Flavium, aber das war den meisten offenbar zu lang und umständlich. Vier Etagen zählte das Amphitheater und obgleich es auf den ersten Blick perfekt zylindrisch anmutete, war der Grundriss in Wahrheit oval. Viel interessanter als die Zuschauerränge oder die Arena fand Scato das Labyrinth, welches sich unter dem hölzernen Boden befinden sollte. Gänge und Kammern, Käfige, Waffenarsenale und Lastenaufzüge waren dort untergebracht und wer wusste, was noch alles. Scato würde diesen Bereich zu gerne einmal erkunden, aber vermutlich war ihm der Zutritt verwehrt. Vielleicht konnte er irgenwann einmal vor Ort fragen. Heute aber war dieses Theater der schönen Tode nicht Schauplatz, sondern nur Kulisse, Requisiste der Luperci und ihres Laufs der fruchtbaren Segnungen. Anhand der Blutspuren auf Zuschauern und Boden sah Scato sehr gut, wo schon gesegnet worden war und verteilte seinen Segen entsprechend in andere Richtungen.


    Da entdeckte er einen kleinen Stand mit Getränken, der für die Läufer dort aufgebaut worden war. Der Mensch dahinter winkte ihn heran und drückte ihm einen Becher mit heißem Wein in die Hand.


    "Ahahaha", machte Scato verlegen. "Hast du auch Wasser?" Alkohol hatte bei ihm leider einige unschöne Nebenwirkungen, die er nicht gerade bei diesem Ereignis zu demonstrieren beabsichtigte. Zum Glück war Wasser vorhanden. Scato beugte sich etwas näher zu dem Menschen und setzte einen verschwörerischen Blick auf. "Wenn Lurco vorbeikommt - der ist SO groß und SO breit, dunkle Haare, Kampfname der Entjungferer - dann gib ihm den besten und stärksten Wein, den du hast", raunte er. "Aber wenn Caesoninus vorbeikommt - so groß, so breit und blonde Haare, Kampfname die Schnecke - dann kriegt der nur kaltes Wasser, sonst wird er noch langsamer! Klar?"


    Der Mann lachte und versprach, sich daran zu halten. Scato kippte sein Wasser hinunter, bedankte sich, segnete den Menschen - der aussah, als hätte er von Scatos Vorgängern bereits mindestens fünf Segnungen erhalten, der würde vor lauter Fruchtbarkeit bald nicht mehr laufen können - und rannte weiter.


    Die vorletzte Etappe nahte. Das Blut auf seinem Körper vermischte sich hier und da mit eiskaltem Schweiß. Dort biss die Kälte auf seiner Haut, auch wenn ihm ansonsten inzwischen recht warm war. Er würde Lurco danach mit in die Therme schleifen, wo sie sich im Warmwasserbecken herrlich durchwärmen konnten. Sie mussten sich nur überlegen, ob sie vorher oder nachher was trinken gingen oder vielleicht ließ sich das Eine mit dem Anderen verbinden, denn Scato hatte noch nicht viel im Magen. Angespornt von dem freundlichen Menschen mit dem Getränkestand beschleunigte Scato.

    Scato war inzwischen von oben bis unten mit Blut bespritzt, das an manchen Stellen schon trocknete und verkrustete. Auf seinem Rücken zwiebelte der Segen, den Lurco ihm hatte zuteil werden lassen. Na warte, dachte Scato grinsend, wer zuletzt segnet, segnet am besten! Doch Lurco hatte ihn schon wieder überholt und bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Warum die Via Triumphalis so hieß, wusste niemand. Mit den Triumphzügen irgendwelcher Feldherren jedenfalls hatte sie nichts zu tun, so viel wusste Scato. Jedoch war sie heute die persönliche Straße des Triumphs für die beiden frischgebackenen Luperci, die heute ihr erstes Ritual durchführen durften. Im Laufen drehte Scato sich um - Caesoninus war immer noch verschwunden. Wo blieb der Kerl? Hatte er sich den Fuß verknickt? War er zusammengebrochen?


    Was möglicherweise geschehen war, bekam Scato zu spüren, als er gegen einen sehr großen und breit gebauten Mann prallte, während er nach hinten schaute. Scato wollte ihn reflexartig segnen, doch der Mann hob ihn einfach auf und schleppte ihn weg. Für die Umstehenden hatte das sehr persönliche Einblicke zur Folge.


    "Eh", protestierte Scato. "Dies ist ein heiliger Akt, ja? Setz mich runter!" Er verzichtete darauf, zu strampeln, da er sich damit nur lächerlich gemacht hätte. Auf Gewalt verzichtete er ebenso, der Mann wirkte von der Sache her gutmütig. "Komm schon, Großer, lass mich weiterlaufen", versuchte es Scato nun mit Verhandeln. Kurz darauf erkannte er jedoch, was los war, als sie eine der hintersten Reihen erreichten.


    Der Hüne von Mann hatte eine Ehefrau, die an zwei Krücken ging und die keine Chance hatte, sich nach vorn zu drängen. Hoffnungsvoll und ein wenig ängstlich blickte sie zu ihm hinauf.


    "Allesamt stillhalten. Keiner wackelt", befahl Scato.


    Er zielte von oben aus sorgfältig, denn nur der äußerste Zipfel der Geißel würde die Dame treffen. Da sollte die Segnung nicht unbedingt ins Auge gehen. Er holte aus und das blutige Leder sauste durch die Luft. Ein kurzer Klatscher, ein freudiges Jauchzen und das Johlen der Umstehenden folgten.


    "Danke", brummte der Große und schleppte Scato zurück durch die Menge, um ihn vorsichtig wieder auf die Füße zu stellen.


    "Keine Ursache", antwortete Scato freundlich, zog seinen Lendenschurz wieder zurecht und folgte den restlichen Läufern.

    Vom Officium Conducendi kommend, betrat Scato nun kurz hinter Optio Lepta das Fahnenheiligtum.


    Es lag in der Principia an zentraler Stelle, wodurch seiner Bedeutung auch baulich Ausdruck verliehen wurde. Neben den Feldzeichen und Ehrengeschenken der Einheiten fanden sich hier auch diverse Götterbilder oder Geniusfiguren. Auch ein Abbild des Kaisers und diverse Weihealtäre waren hier zu sehen. Für die Cohortes Urbane markant war das Zeichen der Waage, welche die Gerechtigkeit symbolisierte.


    Scato legte die Faust auf sein Herz.


    "IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA."

    Automatisiert jede ID, die sich über x Zeiteinheiten nicht eingeloggt hat. Erkennbar ist dies am Status Desideratus. Es ist eine Art Vorwarnung und noch reversibel, indem man sich rechtzeitig zu Wort meldet und darum bittet, das Ganze rückgängig zu machen. Nach weiteren y Zeiteinheiten erfolgt jedoch der unwiderufliche Tod der ID, erkennbar am Status In Elysio. Zu umgehen ist diese Abwärtsspirale, indem man seine ID im entsprechenden Thread auf In Exilium setzen lässt, sich also formell abmeldet, wenn man längere Zeit seine Anwesenheit nicht gewährleisten kann.


    Leider weiß ich gerade nicht, wie lang die zugrundeliegenden zeitlichen Intervalle von x und y sind. Irgendwo steht das.


    Inwieweit eventuell das Verwarnsystem damit zusammenhängt, kann ich nicht beantworten.


    EDIT: Sulamith war eine Minute schneller. :D

    "Meine Rede! Lass uns danach was zusammen trinken gehen", schlug Scato vor, als sie hereingebeten wurden und Optio Lepta ihnen seine Entscheidung mitteilte.


    Scato mochte die korrekte Anwendung einer Tür schon verinnerlicht haben, das Unterdrücken von allzu deutlichen Regungen der Freude war jedoch für ihn noch ein unmöglicher Kraftakt. Wie von selbst zogen seine Mundwinkel sich zu einem unziemlich breiten Grinsen auseinander, bei dem man sogar seine Backenzähne sah. So sollte kein Soldat seinen Vorgesetzten angrinsen, aber noch war er ja keiner.


    "Wir sind uns sicher, Optio Lepta", beantwortete Scato die Frage für sie beide. Kam nicht in Frage, dass Lurco nun kniff.

    Boss, wo bleibst du denn? ?(


    Nachdem du alles so liebevoll vorbereitet hast ist die plötzliche Funkstille merkwürdig, auf PNs antwortest du ja auch nicht mehr. Einen Tag vorher haben wir noch rege gequatscht. Was ist denn los? Kannst du nicht wenigstens einen Einzeiler durchklingen lassen, damit deine Mitspieler wissen, was Sache ist? Gern auch via PN.

    Scato war froh, dass er die Tauglichkeitsprüfung damit tatsächlich bestanden hatte. Das war eine große Hürde weniger. Verschwitzt, aber zufrieden nahm er die Tabula stellvertretend für sie beide entgegen. "Dankesehr und vale." Um Lurco hatte er sich dahingehend keinerlei Sorgen gemacht, der Mann wirkte nicht, als könne er je im Leben irgendeinen Test oder irgendeine Prüfung nicht schaffen.


    Draußen vor der Tür beäugte neugierig die Wachstafel, ehe er auch Lurco einen Blick darauf werfen ließ. "Schau mal, wir haben eine zusammen bekommen. Vielleicht heißt das, dass wir auch zusammen in eine Einheit gepackt werden. Oder er wollte einfach Material sparen. Und mein S ist wieder da! Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen."


    Guter Dinge marschierte er voran ins Officium Counducendi.

    Nachdem Scato die Cacustreppe hinuntergerannt war, ging es die Straße beim Circus Maximus entlang. Zu seiner Rechten erhob sich in imposanter Höhe die Flanke des monumentalen Bauwerks, das seinen kalten Schatten auf Läufer und Zuschauer warf. Unter den Arkaden am Fuße stand man um diese Tageszeit noch in Finsternis. 600 Meter lang war dieses Bauwerk und genau so lang war die Straße, welche die Luperci nun entlangliefen. Zu Scatos Linken erhob sich sonnenbeschienen der Palatin, der älteste bebaute Teil der Stadt. Seine Prachtbauten, deren Säulen und Fassaden das Licht reflektierten, wirkten, als würden sie aus eigener Kraft leuchten und bildeten einen merkwürdigen Kontrast zur anderen Straßenseite. Zwischen den Zacken spitzer Lebensbäumen prangten die immergrünen Kronen von Schirmpinien empor. Das Grün der Pflanzen und die intensive Sonne täuschten über den Winter hinweg, genau wie die nackte Haut der Läufer.


    Das Kältegefühl war für Scato noch deutlich wahrnehmbar, besonders in den Gelenken, doch je länger er lief, je mehr er die Arme schwang, um den Segen des Faunus unters Volk zu bringen, umso wärmer wurde ihm. Am Ende würde er vermutlich sogar schwitzen, so wie er sich ins Zeug legte. Jetzt, da der Schatten des Circus Maximus kalt und dunkel auf ihm lag, gab er sich noch tüchtiger als zuvor. Sein Lachen half ihm, das klamme Gefühl zu vertreiben, was der plötzliche Wechsel zur Dunkelheit ausgelöst hatte. Scato war offenbar gerade ein wenig dünnhäutig, denn sonst schreckte ihn die Finsternis nicht, aber das war kein Wunder, wo er doch gerade in direkter Verbindung zu höheren Mächten stand, deren irdischer segnender Arm er war.