"Ein Gott zu werden nach dem Tode? Eine blendende Idee, Saturninus, sehr viel annehmlicher, will mir scheinen, denn als Lar oder Mane seine Existenz fortzusetzen. Was die Bohnen betrifft, so vermag ich dir die Antwort zu geben: Es ist eine hausgemachte Stupidität, zu nichts anderem gedacht, als die Schüler dieser Lehre mit einer unsinnigen Regel zu konfrontieren und ihre Reaktion darauf zu überprüfen. Und aus dieser Warte wiederum betrachtet ist sie gar nicht so unsinnig, wie wenn man sie für bare Münze nimmt."
Mehr sagte Ravilla vorerst nicht, um auch den anderen Gesprächsteilnehmern Gelegenheit zu bieten, sich zum bislang Gesprochenen zu äußern.
Irgendwie konnte ich mir das bei Ravilla gut vorstellen. Im Osten war man mit der Göttlichkeit freigiebiger als in Roma, und schon Alexander der Große hatte sie angenommen und als Herrschaftsinstrument genutzt, auch wenn sich seine Makedonen darüber unmutig gezeigt hatten. Und der Seius war eine sehr aparte Mischung aus Roma und dem Osten.
Seine Erklärung über die Absichten von Meister Pythagoras amüsierte mich sehr:
" Meine Reaktion war es, mich daraufhin den Pythagoräern dann erst gar nicht anzuschließen.", erwiderte ich: "Wer weiß, für was es nütztlich war."
Alles anzeigenDoch die nächste Prüfung ließ nicht lange auf sich warten. Die Argumentationslinie kam Clemens vertraut vor. Hatte der Quintilier mit Tiberius nicht einmal ein ähnliches Thema angerissen? Er ging kurz in sich in der Hoffnung, noch irgendetwas davon wieder auszugraben und den zweiten Teil des Arguments nachzuvollziehen.
"Natürlich soll man danach leben, wenn man schon anderen das Leben erklärt. Anders weiß man doch gar nicht, ob der Lehrer sein Fach versteht. Ein Text ist etwas Anderes als sein Schreiber, aber ein Buch über Naturphilosophie von mir würde aus dem Grund doch auch keiner lesen."
Und was deinen zweiten Punkt angeht...
Clemens lachte verlegen.
"Vielleicht liegt es am Wein, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich deinen zweiten Punkt richtig verstehe. Willst du sagen, dass der Ruf und die Aufgaben des Menschen mehr durch seine Zeit als seinen Einfluss bestimmt werden?"
"Ich würde jedes Buch lesen, sofern du der Autor bist.", sagte ich einigermaßen galant und beantwortete dann seine Rückfrage:
"Ich bezog mich immer noch auf das Thema des Rhetorikwettbewerbes.
Ich vermute, dass es fast unmöglich ist, über die weitere Zukunft des Imperium Prognosen zu geben.
Selbst die Götter tun das nicht, sie antworten durch die Omina auf konkrete, naheliegende Fragen, wie zum Beispiel ob man einen Kriegszug beginnen oder eine Schiffsreise tun sollte.
Der erste Punkt, dass man danach leben sollte, was man anderen erklärt, ist sehr sympathisch - auch wenn dann die Hälfte aller erbaulichen philosophischen Werke wegfallen würde. Und auch die meisten medizinischen Bücher....."
Da ich gerade von Medizin sprach, betrachtete ich den Quintilius genauer. Er hatte die rechte Hand auf den Bauch gelegt, wie um sich zu stützen. Ob er unter Schmerzen litt?
"Ist dir nicht gut?", fragte ich besorgt: "Soll ich dir einen Becher Wasser holen?"
Ich schaute mich nach meinem Sklaven um.