Zu Faustinas Freude kam der Claudier in Begleitung der jungen Tiberia zu Besuch und sie erhob sich um die Besucher zu begrüßen. Mittlerweile war auch die Kinderfrau Irene im Atrium eingetroffen um die kleine Iulia ein wenig in Bahnen zu lenken, damit zumindest nichts zu Bruch ging. Irene sah fast aus wie eine Gänsemagd mit ausgestreckten Armen, die versuchte Iulia in den hinteren Teil des Raumes zu scheuchen, der näher am Hortus lag.
Faustina trug heute einfach hochgesteckte Haare und ein fast bodenlanges, lavendelfarbenes Leinengewand. Sie trat an die Seite ihres Vaters auf Menecrates und Stella zu und sprach sie an. "Salve, Claudius und Tiberia. Es freut mich, dass ihr unser Haus mit Besuch beehrt." Sobald die Vorstellung beendet war, konnte sie mit Stella und Iulia in den Hortus gehen. Das würde bestimmt spannender werden, als das Gespräch der beiden Männer und Iulia musste dringend raus zum Toben.
Zwar interessierte sich Stella für die Gespräche der Männer und war auch allzu neugierig, was diese besprachen aber sie musste auch in ihre Rolle als römische Frau finden. Stella dürfte nicht allzu deutlich, Politik machen und diese beiden Herren beeinflussen und zudem waren diese Männergespräche oft langweilig in die Länge gezogen. Es fehlte ihnen oft an sprechender Emotion und Darstellung. Stella mochte das Theater und die wenigsten Gespräche hatten diese Spannungsbögen. Also war es vorerst besser, sich Aemilia Faustina anzuschließen.
[...]
Lepidus schüttelte den Kopf, lächelte und trat auf die Besucher zu und legte seinem alten Freund die rechte Hand auf den Unterarm. Claudius Menecrates, welch Glanz in meiner Hütte und wäre das nicht genug hast du noch einen Sonnenstrahl mitgebracht,...nun, wer ist denn die reizende junge Frau an deiner Seite? Sie kam ihm persönlich nicht bekommt vor aber irgendetwas an ihrem Habitus, ihrer Haltung,...irgendetwas kam ihm bekannt vor.
Irgendwie hatte dieser ältere Römer, den ihr Ziehpapa scheinbar gut kannte, etwas Schmieriges an sich. Sie legte ihren Kopf schief. Aha! Ein mieses Kompliment. Ein wirklich mieses Kompliment. Stella schmunzelte salzig und bitter. Mühsam rang sie sich ein Höflichkeitslächeln ab, bevor sie ihre Palla sanft nach Hinten legte. Die durchsichtige Seide hatte ihr Haupt nur dezent bedeckt aber nun waren ihre Haare ohne den Schleier sichtbar. Es war immer so einfach, eine Frau auf ihr Aussehen zu reduzieren und in Wahrheit schien dies auch das Hauptaugenmerk dieses Mannes zu sein. Die meisten, nicht alle, aber die meisten Männer waren berechenbar aus ihrer Sicht. Stella unterband ein Augenrollen, nickte Faustina wissend zu und räusperte sich dann, die Gegenreaktion herunterschluckend. Auf der Straße hätte sie diesem Mann nun ihre Meinung gesagt, doch sie war kein Straßenkind mehr. Jetzt galt die römische Höflichkeit und diese war wirklich eine bittere Pille. Doch Stella konnte sich fügen und in gewisser weise spielte sie jetzt Theater. Mit einem Augenzucken verwandelte sie ihr Gesicht in das hübsche Gesicht einer Aristokratin, welches gleichgültig schön war und keine Emotion mehr zeigte. Wenigstens übernahm Ziehpapa Claudius ihre Vorstellung, so dass sie nicht viel sagen musste.
Lepidus löste den Druck auf den Unterarm und wies Menecrates einen der bequemen Sessel zu.
Nun mein Freund, von Verlusten in unserem Leben können wir beide wahrlich tagelang erzählen...so ist das nun einmal, wenn man alt wird und die Zeit uns unsere Liebsten entreisst. Doch bleibt uns der Trost unserer Vorstellung. Ich glaube, dass wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Lichte stehen, von welchem unser Sonnenlicht nur ein Schatten ist!
Er lächelte, ein wenig gequält, aber ehrlich.
Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.
Ein Sklave huschte herbei und klopfte noch kurz die Kissen aus. Lepidus schüttelte leicht den Kopf. Die Kissen waren perfekt, sicherlich sogar gelüftet und geglättet. Er ließ sich langsam in den Sessel sinken und vernichtete die Absicht des Sklaven ihm dabei zu helfen mit einem kurzen Blick. Die Kunde, daß Lepidus wieder unter starken Schmerzen litt war allen Sklaven bekannt. Sie taten wirklich alles um ihm das Leben zu erleichtern, ob er nun wollte oder nicht.
Kurz darauf betrachtete er die junge Frau an Menecrates Seite. Eine Tiberia, sieh an. Er nickte ihr freundlich zu und meinte, Willkommen in der Villa Aemilia, Tiberia Stella.
Dann wandte er sich wieder Menecrates zu, die Bemerkung sie eventuell für eine Mätresse zu halten überging er. Menecrates war alles aber kein Schwerenöter. Er stand zu sehr in der Öffentlichkeit um sich dem Gespött des Pöbels auszusetzen. Ausserdem war sie wirklich zu jung.
Verschollen sagst du, ...in Germania?...nun ein vortrefflicher Ort um uns unsere Besten zu entreissen.
Ein Sklave reichte Vinum oder frisch gepresste Säfte. Lepidus nahm einen der Säfte, ein wahrer Jungbrunnen für ihn. Sehr belebend.
Zeit lieber Menecrates,...Zeit ist relativ. Ich hoffe nur ich habe ein Lücke hinterlassen die sich für dich nicht unvorteilhaft erwiesen hat, doch wie ich sehe und höre ist der Menecrates meiner Vergangenheit auch ohne mich zu einem der Standpfeiler der Urbs aeterna gereift,...und das im wahrsten Wortsinn.
Lächelnd hob er den Pokal und nahm einen Schluck.
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Die aristokratische Figur durchdrang ihren Habitus, so dass sich sogar ihr Augenaufschlag anpasste. "Vielen Dank," sagte sie in einem melodischen Gleichklang, fast so, als ob sie keinen echten Dank kannte und diesen Satz nur sagte, um ihn zu sagen. In Wahrheit sagte ihn auch einfach nur auf aber sehr wohl kannte sie Dankbarkeit. Doch das Thema des angedeuteten Gespräches wirkte spannend und schließlich traf das Thema einen wunden Punkt. Verlust. Stella kannte diese Emotion nur zu gut und doch hielt die Maske. Sie war hier nicht als Stella, sondern als eine Vertreterin der Oberschicht und ihres einstig großen Hauses. Doch bevor sie die Kontrolle über ihre Trauer verlor, entschied sich Stella, aktiv mit Faustina zu flüchten. "Ich werde mit der werten Aemilia ein paar Schritte gehen und mir den Garten zeigen lassen," entschied sie und deutete auf Faustina. "Ich denke, dass wir die Männer mit ihren.... wichtigen Themen... nicht stören sollten," sagte sie. Sie wollte sich jetzt nicht einmischen und es war auch besser, sich nicht allzu offen zu zeigen. Sie kannte diesen Aemilius nicht und es bestand immer die Gefahr, dass sich erneut eine Intrige gegen sie richtete. Die römische Oberschicht war gefährlich heimtückisch. So sehr auch Claudius diesem Mann zu vertrauen schien, Stella tat es Erfahrungen nicht und hielt sich lieber an Faustina, die ihr ersten Anschein sympathischer erschien. Doch auch dies konnte Täuschung sein. Mit einer eleganten Bewegung trat Stella neben Faustina. "Wollen wir?" Sofern Faustina zustimmen würde, würde Stella den Rest des Gespräches nicht mehr verfolgen können. Wenn sie es nicht tat, würde Stella gezwungen sein, einen Kommentar den Männern gegenüber abzulassen, die sich so unterhielten, als ob die Frauen garnicht anwesend waren. Doch das Gespräch nahm seine Bahnen und Stella musste antworten. "Ich denke, dass wir Frauen mehr sein können als eine bloße Ausstattung. Und ich denke, dass deine Ehefrau nicht als Lupa bezeichnet werden möchte. Wir sind diejenigen, die eure Wunden nach der Schlacht pflegen und wir sind diejenigen die euch eure blöden Ideen ausreden. Wir Frauen unterhalten euren Haushalt und wir Frauen ziehen eure Kinder groß, wenn ihr mal wieder in einem Krieg kämpft oder auf der Rostra politische Kämpfe austragt," erhob sie ihre Stimme und durchbrach ihr Schweigen gegenüber diesem Gespräch. Zwar wollte sie eine römische Frau sein aber sie hatte auch zu lange auf der Straße gelebt, hatte sich durchschlagen müssen, so dass sie auch sagte, was sie dachte, wenn ihr eigenes Schweigen unerträglich wurde. "Zwar sind wir Frauen nicht mit euch gleich...," erklärte sie und dachte bei sich, dass es zum Glück so war, denn wenn sie ähnlich verbohrt, wie dieser Mann denken würde, würde ihre Welt seltsam leer sein. "... aber auch wir haben unseren Anteil an Rom und dieses Gesetz, welches Claudius anstrebt ...," überlegte sie laut und wollte noch die Kurve finden, um ihrem Ziehpapa nicht die politische Arbeit vollens zu verhageln. "... es soll uns Frauen schützen und auch eben vor Zuweisungen und der Notwendigkeit der schmutzigen Arbeit," meinte sie und schüttelte sich innerlich dafür. Sie machte gerade doch Politik und half ihrem Ziehpapa aus aber teilte auch gegen eine Bevormundung durch einen anderen Mann aus, der Frauen schlicht mit persönlichen Interessen gleich setzte. Sie wollte kein persönliches Interesse sein, sondern bestensfalls eine Partnerin und Freundin. Auch wenn ihr sehr wohl bewusst war, dass man in ihrem Stand rein aus politischen Interessen heiratete. Nun schwieg sie besser und hoffte, dass Faustina sie aus diesem politischen Abgrund erretten würde. Politik lag ihr einfach nicht und sie wollte sie nicht vollständig den Mund verbrennen.