Hier mal ein bisschen militärischer Alltag mit allen möglichen Details, die man sonst überspringt, und hoher historischer Akkuratesse für die Geschichts-Nerds unter uns. Dass sich Offiziere das Klo vorwärmen ließen, wusste ich vorher auch noch nicht. Nobel geht die Welt zugrunde.
Ein neuer Tag
Der scharfe Klang der Bucina schnitt durch die kühle Morgenluft. Centurio Sisenna Seius Stilo öffnete die Augen, noch ehe der zweite Trompetenstoß ertönte. Der Dienst hatte seinen Körper zu einem Apparatus gemacht, das auch ohne Signale die Stunde kannte. Mit einem Ruck warf er die wollene Decke beiseite. Es war noch stockfinster und der Mosaikboden eiskalt unter seinen nackten Sohlen. Er zog sich die Tunika und die Militärsandalen an und machte sich auf den Weg nach draußen. Gefühlt war es noch nachts.
Centurionen hatten zwar eine eigene Wohnung, aber keine eigenen Latrinen. So hatte er seinen Calo vorgeschickt, einen Trossknecht, der für ihn den Latrinensitz reinigte und vorwärmte. Es handelte sich bei dem calo um einen Sklaven, der für ihn Wasser auf die Stube schleppte, seine Rüstung pflegte, für Ordnung sorgte oder eben auch die Latrine vorwärmte. Diese „unsichtbaren“ Helfer waren für Soldaten unverzichtbar – sie kümmerten sich um Waffen, Essen, Botengänge und eben auch um die Latrinenreinigung. Während die Mannschaften noch andere Aufgaben zu erledigen hatten, bevor sie Latrinen aufsuchen durften, wie das Bettenmachen und die Vorbereitung des späteren Frühstücks, konnten die Offiziere in Ruhe verrichten, was andere im Gedränge erledigen mussten. Das war nicht zufällig so, sondern gehörte zu den Privilegien, die man als Centurio genoss.
Erleichtert kehrte Stilo in seine Stube zurück, um sich zu waschen. Während nun die Mannschaften vor den Latrinen Schlange standen, nutzten die Offiziere die Zeit, um sich gründlich zu pflegen. Zeit, die den Mannschaften um diese Tageszeit fehlte, die sich um alles selbst kümmern mussten, wofür er seinen Trossknecht hatte. Das Wasser aus dem bleiernen Wasserbecken war eiskalt. Stilo schöpfte es mit beiden Händen und rieb es sich über Gesicht und Nacken, dann mit einem Lappen aus altem Wollstoff über den Rest des Körpers. Sein Körperhaar war entfernt, was Läusen vorbeugte und Zeichen seiner Zivilisiertheit war. Er trocknete sich ab und rieb sich den Unterkiefer und Hals mit duftendem Öl ein, das nach Minze und Rosen roch. Der Sklave reichte ihm das gebogene Rasiermesser aus Bronze und hielt ihm den polierten Metallspiegel. Mit präzisen Zügen führte Stilo die Klinge über Wangen und Kinn. Die Klinge fuhr durch das Öl, hinterließ eine Spur blanker Haut. Die Blutung eines kleinen Schnitts stillte er, indem er einen Alaunstein darauf drückte.
Anschließend putzte er sich die Zähne mit einem silbernen Zahnstocher vor und rieb die Beläge einem zerfaserten Mastixzweig und mit einem rauen Zahnpulver aus zermahlenen Muscheln und Myrrhe ab. Er spülte mit einem Aufguss aus Weinessig und Minze nach, um die Krümel wieder loszuwerden und für frischen Atem. Auch die Ohrpflege mit einem Ohrlöffelchen durfte nicht fehlen und die Kontrolle der Nägel. Er wusch sich das Gesicht ein zweites Mal, trocknete sich ab und konztrollierte noch einmal sein Aussehen im Spiegel, dann zog er sich eine saubere Untertunika, normale Tunika und das Halstuch an.
Der Sklave begann, ihm die Metallplatten der Lorica anzulegen und zog anschließend die Riemen fest. Stilo spürte das vertraute Gewicht, als er Platte um Platte mit präzisen Handgriffen verschloss. Es folgen der Militärgürtel, der Gürtel für den Dolch und der Waffengurt mit dem Schwert, und zum Schluss der Helm. Stilo griff nach seiner vitis, dem knorrigen Rebstock des Centurios, und marschierte zum Sacellum, wo jeder Tag begann.