Beiträge von Sisenna Seius Stilo

    Das muss gefeiert werden

    Im Dunst der unscheinbaren Garküche drängten sich heute viel zu viele Männer. Alle Holztische waren belegt und nicht jeder fand einen Sitzplatz. Stilo hätte seine Beförderung auch in irgendeiner Taberna feiern können, aber in Anbetracht der Anzahl an Kameraden, die mit ihm gemeinsam feiern wollten, war seine Wahl auf diese billige kleine Lokalität gefallen, die ihr heutiges Glück kaum fassen konnte. Eine Horde hungriger Soldaten versprach immer gute Einnahmen. Das Essen war in Garküchen stets schon vorgekocht, so dass sie nicht lange würden warten müssen.


    "Sucht euch aus, was ihr wollt", ermunterte er seine Kameraden. Im Dunst von gemüsigem Getreidebrei, gebratenem Würstchen, geräuchertem Fisch und gekochtem Grünkohl ließ er sich nieder. Rechts und links neben ihm saßen seine alten Kameraden Dexter und Pansa, die er noch aus der Legio XV Apollinaris kannte. Zahllose Stimmen redeten durcheinander, Besteck klimperte, Stühle schabten über dem Steinboden. Tonbecher mit verdünntem Wein polterten auf den Tischen. Die meisten wählten Grünkohl mit extra viel Würstchen.


    Als alle mit Speis und Trank versorgt waren, erhob Stilo sich für eine kleine Rede. Er klopfte mit dem Löffel gegen seinen Tonbecher, um sich Gehör zu verschaffen, dann sprach er freierlich mit erhobenem Becher: "Das Wasser ist des Ochsen Kraft, der Mensch trinkt Wein und Gerstensaft. Drum stoß ich an mit Bier und Wein, wer möchte schon ein Ochse sein." Grinsend hob er den Becher noch ein Stück weiter. "Zum Wohl, ihr Säcke."


    Dann wurde geschlemmt ...

    Gedanken im Schatten


    Stilo kam gerade von einer Besprechung der Centuriones und Optiones seiner Kohorte wieder. In Roma nichts Neues. Wie es schien, war die Waagschale zwischen Kriminalität und Recht durch die Christenrazzia in Richtung der Ordnungshüter ausgeschlagen. Im Moment war alles ruhig. Die bekannten Krisenherde waren natürlich nicht verschwunden, aber sie hielten die Köpfe unten und vermieden es, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Kriminalität ließ sich nicht ausrotten, sie gehörte zu den Menschen dazu. Aber so lange sie derart gedämpft stattfand, dass das tägliche Leben in Rom nicht nennenswert gestört wurde, war das als Erfolg zu verbuchen.


    Noch immer gab es keine Rückmeldung vom Kaiser, doch Stilo fiel nichts ein, was nicht zu dessen Zufriedenheit gewesen sein könnte, von der kleinen Rüge bezüglich der unglücklich verstorbenen Häftlinge abgesehen. Dass so etwas geschah, wenn jemand in die Hände der Prätorianer fiel, war klar und nach seinem Verständnis auch einkalkuliert, aber bitte, wenn der Imperator Caesar Augustus das anders sah, würde er seinen Willen bekommen. Personen konnten auch außerhalb des Carcers verschwinden. Der Stachel des Skorpions reichte weit.


    Stilo hätte Feierabend machen können, aber stattdessen kümmerte er sich um einigen Schriftkram, der aufgrund fehlender Dringlichkeit bislang liegen geblieben war. Nein, der Kaiser würde nichts mehr finden, dass er beanstanden könnte ...

    Die Maßnahmen wurden konsequent durchgezogen. Der Carcer konnte sich seit dem Rüffel des Kaisers sehen lassen. Doch das Schweigen aus dem Palatin beunruhigte Stilo. Gab es Probleme mit dem Bericht über die Christenrazzia? Er traute der Stille nicht. Eisern zog er sein verbessertes Programm für den Carcer durch, so weit seine Befugnisse als Optio carceris das erlaubten.


    Stilos Tag begann wie immer mit Morgensport, den er gemeinsam mit seiner Centuria machte. Danach wurde sich gewaschen und etwas gegessen, alles musste sehr schnell gehen. Die Abläufe waren präzise getaktet. Dann übernahm er die Schicht im Carcer. Es folgte in der Frühschicht der Weckruf für die Inhaftierten und die Frühstücksausgabe, während Stilo in seiner Schreibstube die Bearbeitung von Post und Anträgen übernahm. Bei Bedarf schaute ein Sanitätsdienst nach einzelnen Gefangenen. Die Prätorianer beaufsichtigten Reparaturen und Reinigungsaufgaben, der Carcer musste vorzeigbar sein. Es folgte eine Mittagspause, dann wurde die Schicht übrgeben. Freizeit war danach noch nicht, es folgten Drill oder Weiterbildungen für die Prätorianer.


    Geradezu verbissen arbeitete Stilo an der Einhaltung dieses Tagesplans, trat Leuten in den Hintern und stieg anderen auf die Füße. Beliebt machte er sich damit nicht, doch welcher Prätorianer war das schon. Es zählte einzig, respektiert zu werden. Und Respekt wusste er sich zu verschaffen, auch wenn das einigen Herrschaften in der Castra nicht schmeckte.

    Stilo konnte sich besseres vorstellen, als seinen elftausend Sesterzen teuren Sklaven allein in die Fremde zu schicken. Wie gern hätte er Sporus herumgezeigt, so wie andere auf ihr Rennpferd stolz waren oder auf eine teure Skulptur. Stilo hatte es sich großartig ausgemalt, den Eunuchen an seiner Seite zu haben. Er war sicher, Sporus würde eine Bereicherung seines Alltags sein, sobald er sich eingewöhnt hatte. Doch die Entzündung bereitete Stilo Sorgen, die er nicht ignorieren wollte. Zur Hora Tertia traf auch er bei der Porta ein, um seinem Sklaven noch dies und das mitzugeben.

    Vorläufiger Abschied von Sporus


    Pünktlich zur Hora Tertia kam die Reisegruppe mehrerer Händler vorbei, die Sporus nach Germania mitnehmen würde. Um die Sicherheit zu erhöhen, war es üblich, in Gruppen zu reisen. Da die Gruppe auch einige Beschützer angeheuert hatte, sollte unterwegs nichts passieren. Zur Schonung seiner Narben durfte Sporus hinten auf einem Wagen sitzen und musste weder laufen noch reiten, was Stilo einiges an zusätzlichen Kosten bescherte, denn Sitzplätze waren begrenzt. Außerdem hatte sein Herr ihm ein dickes Sitzkissen mitgegeben, kunterbunt und mit üppigen Quasten. Es sah nicht schön aus, aber teuer. Nachts konnte Sporus es auch als Kopfkissen verwenden. Dazu gehörte eine genau so bunte, aber dafür kuschelig warme Wolldecke. Beides zusammen war das Einzugsgeschenk von Stilo an Sporus. Zuzüglich zu dem übrigen Gepäck erhielt Sporus Reiseproviant sowie ein Säckchen mit Geld um den Hals, damit er sich unterwegs etwas zu Essen kaufen und irgendwo übernachten konnte.


    "Ich gebe dir einen Brief für den Medicus mit. Es handelt sich um meinen Verwandten Sisenna Iunius Scato. Du wirst ihn in der Domus Iunia in Mogontiacum antreffen. Er wird dann schon wissen, was zu tun ist. So lange du bei ihm wohnst, wirst du dich seinen Anweisungen fügen und ihm nach Kräften helfen. Außerdem gibst du ihm hundert Sesterzen aus deinem Beutel als Anzahlung für seine Hilfe und zum Kostenausgleich für deine Unterbringung. So weit alles klar?"


    Es war ärgerlich, seinen nagelneuen Edelsklaven erstmal auf gut Glück in die Fremde schicken zu müssen, und Stilo hätte ihn gern hierbehalten, doch es musste eben sein.

    Salve Scato,



    hier schreibt dein Onkel Sisenna Seius Stilo.


    Wie du siehst, habe ich einen neuen Sklaven erworben. Er ist von seinem Vorbesitzer vernachlässigt worden und benötigt ärztliche Behandlung. Alles Weitere wird er dir selbst sagen. Schicke mir im Anschluss die Rechnung und meinen Sporus wieder zurück zu mir. Während seines Aufenthalts in Mogontiacum untersteht er selbstverständlich deiner Verantwortung. Du kannst ihn einsetzen wie du möchtest.


    Bitte grüße Fango ganz herzlich von mir und sag Sabaco, dass es mir leidtut, dass ich ihm bisher nicht geschrieben habe.


    Vale bene

    Onkel Stilo


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    Der Plot um die radikalen Christen in Rom findet nach vielen Jahren nun langsam seinen Abschluss.


    Ein neuer Langzeitplot entstand aus spontaner Improvisation und hat ziemlich cool begonnen: Diesmal dreht sich alles um das Thema Münzfälschung. Viele IDs hatten damit bereits ihre Freude, sei es bei der innovativen Verhörmethode eines sehr eifrigen Vigintivir oder während der anschließenden, von allen Beteiligten genial geschriebenen Anhörung vor dem Prätor. Aktuell schleichen auch zwei Urbaner auf Spurensuche durch die Katakomben unter Rom. Der Bösewicht wurde jedoch immer noch nicht gefunden. Vor uns liegt eine ungeschriebene Geschichte, die darauf wartet, sich entfalten zu dürfen.


    Wer also Lust hat, sich an dem Plot zu beteiligen, sei es als Ermittlungshelfer, als Jurist, als armes Opfer von gemeiner Falschmünzerei, auf der Seite der Bösewichte oder was auch immer euch vorschwebt, der möge mich anschreiben. :unterschreiben:


    Richtig genial wäre, wenn sich auch jemand finden würde, der sich traut, den Kopf der Falschmünzer zu verkörpern!

    Inspektion im Gefängnis


    Der Befehl des Kaisers war eindeutig gewesen.


    Stilo ging durch die dunklen und feuchten Gänge des Gefängnisses, die von Fackeln spärlich beleuchtet waren. Er hörte das Stöhnen und das Schluchzen der Gefangenen, die in ihren Zellen kauerten oder an ihren Ketten hingen. Er roch den Gestank von Blut, Schweiß, Urin und Exkrementen, der in der Luft lag. Das Elend, das er sah, berührte ihn nicht. Er war nur darauf bedacht, seine Pflicht zu erfüllen, und hin und wieder seine Autorität zu zeigen.


    Er trat an jede Zelle heran, und öffnete das kleine vergitterte Türchen, das in die Zellentür eingelassen war. Er schaute durch das Gitter, das die Gefangenen von der Außenwelt trennte, um ihren Zustand zu überprüfen. Jeder Gefangene musste aufstehen und ihm bei einem kurzen Appell Bericht erstatten. Es gab niemanden, der das verweigerte. Er kümmerte sich nicht um ihre Schmerzen oder ihr Leid. Er kümmerte sich nur um seine Befehle, seine Berichte und den Lohn, den er irgendwann in Aussicht sah. Anschließend überprüfte er persönlich den Zustand aller Gitter, Ketten und Schlösser.


    Pansa und Dexter wirkten besorgt ob der gründlichen Inspektion und versicherten, dass sie alle Befehle und Vorschriften erfüllt hätten. Sie fürchteten seinen stillen Zorn, obwohl Stilo ihnen gegenüber meist nachsichtig war. Immerhin verbrachte man regelmäßig seine Freizeit miteinander, denn das hierarchische Gefälle zwischen Optio und Miles war nur gering. Stilo stellte einige Rückfragen und kam zu dem Schluss, dass nur wenig Handlungsbedarf bestand.


    Er beendete seine Inspektion, und ging zu seiner Schreibstube, die sich am Ende des Gefängnisses befand. Er schrieb einen Bericht über seine Beobachtungen und seine Maßnahmen. Während der Arbeit spürte er die Kälte und die Nässe, die seine Kleidung durchdrangen. Auch wenn er heute wenig motiviert an seine Arbeit gegangen war, war er nun zufrieden.

    Den neuen Befehl des Kaisers hängte Stilo nur widerwillig aus, denn er kam einer Rüge seiner Arbeit gleich. Er konnte nichts dafür, dass die Gefangenen derart labil eingeliefert worden waren, dass sie den Haftbedingungen erlangen, Schuld trugen eindeutig die Cohortes Urbanae, doch als Verantwortlicher dieses Bereichs trug er nunmal trotzdem die Verantwortung. Stilo würde sich nicht beschweren und sich der Sache annehmen. Es handelte sich bei dem Befehl um eine Weiterleitung direkter Anweisungen aus dem Mund des Imperator Caesar Augustus:


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    BEFEHL


    Gefangene mit römischem Bürgerrecht, so sie sich in der Obhut der Cohortes Praetoriae befinden, sind regelmässig auf ihre Gesundheit zu überprüfen. Todesfälle ohne expliziten Befehl des Kaisers sind bei Bürgern unter allen Umständen zu vermeiden!


    Gezeichnet

    Sisenna Seius Stilo

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    Siegel - Praetoriae



    Stilo erhob sich auf diese Worte hin, nahm den Überwurf zur Hand und zog ihn behutsam über den Kopf seines neuen Sklaven. Eine Geste, die einem vorläufigen Freispruch gleichkam. Stilo konnte warten, notfalls lange. Er dachte an seine beruflichen Pläne, an deren Verwirklichung er seit Jahren arbeitete, während er Sporus' Gesicht betrachtete, das ihm gar nicht schlecht gefiel. Alles Schritt für Schritt.


    "Ich denke, aus dir kann ein brauchbarer Sklave werden, Sporus. Heute Nacht sollst du ruhen. Frage im Haus nach Zubin und lass dir von ihm zeigen, wo du schlafen kannst. Er weiß Bescheid und wird sich auch darum kümmern, dass du etwas zu Essen bekommst. Morgen lass dir von ihm helfen, eine Reisetasche zu packen. Zur Hora Tertia erwarte ich dich zu deiner Abreise an der Porta, wo du deine vorerst letzten Anweisungen von mir erhalten wirst. Du darfst nun gehen." Wenn Sporus vier Jahre mit der entzündeten Wunde überlebt hatte, würde er auch die lange und beschwerliche Reise nach Germania schaffen.

    "Ein schmerzhafter Stau der Körpersäfte. Du musst das nicht verstehen. Es genügt, wenn ich das tue." Stilo dachte nach, während er die Narbe betrachtete. Die Behandlungskosten würde er sich von Titus Tranquilius zurückholen, schon aus Prinzip, zuzüglich Verdienstausfällen und Reisekosten und was ihm noch so alles einfiel, um den Preis für den kranken Sklaven nachträglich zu drücken. "Krank bist du für mich nicht zu gebrauchen. Wir müssen dich zunächst auf Vordermann bringen, bevor ich dich wie gewünscht einsetzen kann. Ich werde dich deshalb zunächst zu einem Medicus meines Vertrauens schicken. Warst du schon einmal in Germania?"

    Stilo nickte zufrieden, als Sporus aufhörte, zu weinen. "Spar dir die Tränen in Zukunft für dein Kissen auf oder für die Schulter eines Sklaven, hm? Ich mag keine Heulsusen." Er setzte sich wieder bequem hin. Sporus musste weiterhin stehen, während Stilo ihn sich ansah. "Deine Narben sehen zwar hübsch aus, bedürfen aber einer Nachbehandlung. So rot sollten sie nicht sein, da ist vielleicht eine Entzündung drin. So, wie du die Kastration beschrieben hast, wäre das kein Wunder. Hast du da manchmal Schmerzen?"

    "Zubin ist hier?" Stilo wandte sich vom Anblick des Hauses ab und sah seinen Bruder an, sah nun auch sein Lächeln. Stilo grinste ein wenig. "Endlich mal ein Politiker, der die Nöte des kleinen Mannes ernst nimmt. Im Ernst, ich freue mich. Und ja, machen wir ihn zum Ianitor. Ich kann meinen Leibsklaven im Dienst nicht gebrauchen. Hier in der Casa Leonis ist er gut untergebracht und als Ianitor auch gleich sinnvoll beschäftigt. Allerdings muss er dann vielleicht an seinem Latein arbeiten."

    Stilos Mundwinkel spannten sich misbilligend. Dann besann er sich, dass Sporus heute den ersten Tag hier war und sich wahrscheinlich alle möglichen aufgestauten Emotionen gerade lösten. Von der Sache her kein schlechtes Zeichen, aber musste das in Stilos Gegenwart geschehen? Er stand auf und trat dicht vor Sporus. Stilo fasste ihm unter das Kinn und hob ihm mit leichtem Druck den Kopf. Dabei sah er Sporus ohne Aufregung tief in die Augen.

    Stilo dachte derweil in gänzlich anderen Bahnen. Stupide Gewaltanwendung war etwas für Dilettanten. Und in dem Fall für Vollidioten, denn einen wertvollen Sklaven behandelte man nicht derart, dass man seinen Wert minderte. Allerdings gefielen Stilo die Narben fast so gut wie der Umstand, dass Sporus sie ihm nun unaufgefordert zeigte. "Wie alt warst du, als man dich entmannt hat? Wer hat dich operiert?"

    Was Stilo sah, gefiel ihm und er schaute gern hin, doch genügte ein wohlgeformter Körper nicht, um ernsthaftes Interesse bei ihm zu wecken. Dafür war Schönheit zu inflationär vorhanden. Er konnte in die Thermen gehen, wenn er anregende Körper sehen wollte, in ein Lupanar der höheren Preisklasse oder einfach in den Spiegel schauen. Um Stilos Interesse zu wecken, gehörte mehr dazu als ein gefälliges Äußeres. Für Sporus bedeutete dieser hohe Anspruch jedoch vielleicht sein Glück, denn das hieß, dass Stilo ihn vielleicht auch in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren noch in seiner Gegenwart wissen wollte, wenn ihm die ersten Zähne ausfielen und von seinen Haaren nicht mehr viel übrig war - sofern es Sporus gelang, das Interesse seines Herrn an seiner Persönlichkeit aufrecht zu erhalten.


    Als Sporus mit gesenktem Blick vor ihm verharrte, seine Blöße notürftig mit den Händen bedeckend, neigte Stilo leicht den Kopf zur Seite. "Wovor hast du Angst, Sporus?"

    "Mit 'Herr' natürlich." Stilo saß in gelassener Haltung auf seinem Stuhl und betrachtete seine neue Errungenschaft, für den Augenblick zufrieden damit, wie dieser sich gab und wie die Dinge liefen. Fragen waren in Ordnung, so lange es keine dummen Fragen waren. "Du befindest dich hier in der Casa Leonis, im Haus des Löwen. Ich bin Sisenna Seius Stilo. Mein Bruder, Galeo Seius Ravilla, wohnt ebenfalls in diesem Haus. Wenn mein Bruder einen Wunsch an dich richtet, wirst du ihm dienen, als würde der Wunsch aus meinem Munde stammen. Sollte einer meiner Wünsche den seinen entgegenstehen, wirst du ihm das höflich mitteilen und er wird verstehen. Jetzt zieh dich aus, ich möchte mich mit dir unterhalten."


    Das Eine schien mit dem Anderen nichts zu tun zu haben, doch für Stilo ergab das sehr wohl einen Sinn. Sporus war als jemand mit guter Menschenkenntnis beschrieben worden und vielleicht verstand er. Vielleicht auch nicht, es spielte keine Rolle. Es genügte, dass Stilo genau wusste, was er tat.

    Obwohl Stilo sich über seine neue Errungenschaft ausgesprochen freute, zeigte er das nicht nach außen. Sporus würde noch lernen müssen, dass nahezu alle Emotionen, die Stilo zeigte, wohlkalkuliert und nur selten ehrlich waren. Ein Umstand, den nicht viele begriffen, denn Stilo konnte charmant und freundlich wirken, wenn er wollte. Das, was er wirklich fühlte, behielt er für sich. Es gab nur wenige Menschen, denen gegenüber er jemals Einblick in die Leere gewährt hatte, die in ihm klaffte. Er wusste, dass sie es nicht gut aufnehmen würden. Er konnte es ihne nicht verübeln, scheiterte doch selbst daran, zu verstehen, warum sich in ihm eine Wüste aus Stein und Salz erstreckte, wo bei anderen eine Frühlingswiese blühte.


    Die meisten Jahre seines Lebens hatte Stilo angenommen, andere Menschen würden - so wie er selbst es notgedrungen tat - ihre Gefühlsduseleien nur vortäuschen als eine wortlose (und extrem fehleranfällige) Form der Kommunikation. Eine dumme Tradition von vielen. Als Stilo von dem Medicus der Prätorianer, der sich wie kaum jemand anderes mit verschiedenen Geisteszuständen auskannte, erfuhr, dass diese Gefühle echt seien, dass andere Menschen wirklich so fühlten, war das für Stilo ein Schock gewesen. Das hatte er erstmal verdauen müssen. Doch nun ergab vieles Sinn, was ihn zuvor verwirrt hatte, Liebeskummer, dumme Protagonisten von Theaterstücken, Schwärmereien für unerreichbare Idole, Suizide - alles. Die Menschen taten nicht nur, als seien sie so blöd, um ihr Gegenüber zu manipulieren, sie waren es wirklich.


    Seither versuchte Stilo, auf seine Weise zu verstehen, was er doch niemals begreifen konnte, beobachtete, hörte zu, spielte und testete. Besonders interessant für ihn waren Menschen, die ein sehr tiefes Gefühlsleben besaßen. Teil dieses Spiels war nun auch Sporus, und Stilo konnte es kaum erwarten, dass der Eunuch mit seinem Bad fertig sein würde und endlich in sein Cubiculum kam.

    Cubiculum

    Sisenna Seius Stilo


    Das Schlafzimmer von Sisenna Seius Stilo liegt in einem stillen Teil der Casa Leonis, abseits vom allgemeinen Trubel. Man sieht diesem kleinen Raum an, dass er dazu dient, zur Ruhe zu kommen. Stilo weilt hier nur während einer kurzen Pause vom anstrengenden Militärdienst und sehnt sich in diesen Zeiten nach Erholung. Die Wände sind einheitlich dunkelgrün bemalt, ohne das Auge durch Malereien anzustrengen, das Fußbodenmosaik ist schwarz-weiß gehalten. Schwere schwarze Vorhänge ermöglichen eine Abdunkelung. Ein kleiner Tisch aus dunklem Holz mit zwei Stühlen dient zur Ablage von Speisen und Getränken oder zum Schreiben von Briefen. Ein Regal dient zur Aufbewahrung alltäglicher Dinge. Die persönlicheren Habseligkeiten werden in einer verschlossenen Truhe verwahrt. Die breite, gut gepolsterte Schlafkline ist mit dunkelgrünem Stoff überzogen. Darauf liegen schwarz-weiß gemusterte Kissen und eine schwarze Wolldecke.


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    Stilo brachte seinen neuen Sklaven zunächst ins Bad, wo er sich den Dreck und die Erinnerungen des Sklavenmarktes von der Haut waschen und im heißen Wasser wärmen konnte. "Das Bad ist den Herren des Hauses vorbehalten, für Sklaven gibt es Waschschüsseln und öffentliche Bäder", erklärte Stilo. "Du erscheinst mir aber ziemlich durchgefroren. Du kannst dich ausnahmsweise hier im heißen Wasser aufwärmen. Die anderen Sklaven werden dir Kleidung zur Verfügung stellen, den alten Fetzen entsorgst du. Da ich keinen männlichen Sklaven erworben habe, sondern einen Eunuch, erwarte ich, dass du dich entsprechend schön machst." Was auch immer das heißen sollte. Stilo ließ die Angabe vage, um Sporus Spielraum zu geben. Er wollte sehen, ob der Sklave mitdachte. "Danach erwarte ich dich in meinem Cubiculum."