Beiträge von Sisenna Seius Stilo

    Stilo dachte derweil in gänzlich anderen Bahnen. Stupide Gewaltanwendung war etwas für Dilettanten. Und in dem Fall für Vollidioten, denn einen wertvollen Sklaven behandelte man nicht derart, dass man seinen Wert minderte. Allerdings gefielen Stilo die Narben fast so gut wie der Umstand, dass Sporus sie ihm nun unaufgefordert zeigte. "Wie alt warst du, als man dich entmannt hat? Wer hat dich operiert?"

    Was Stilo sah, gefiel ihm und er schaute gern hin, doch genügte ein wohlgeformter Körper nicht, um ernsthaftes Interesse bei ihm zu wecken. Dafür war Schönheit zu inflationär vorhanden. Er konnte in die Thermen gehen, wenn er anregende Körper sehen wollte, in ein Lupanar der höheren Preisklasse oder einfach in den Spiegel schauen. Um Stilos Interesse zu wecken, gehörte mehr dazu als ein gefälliges Äußeres. Für Sporus bedeutete dieser hohe Anspruch jedoch vielleicht sein Glück, denn das hieß, dass Stilo ihn vielleicht auch in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren noch in seiner Gegenwart wissen wollte, wenn ihm die ersten Zähne ausfielen und von seinen Haaren nicht mehr viel übrig war - sofern es Sporus gelang, das Interesse seines Herrn an seiner Persönlichkeit aufrecht zu erhalten.


    Als Sporus mit gesenktem Blick vor ihm verharrte, seine Blöße notürftig mit den Händen bedeckend, neigte Stilo leicht den Kopf zur Seite. "Wovor hast du Angst, Sporus?"

    "Mit 'Herr' natürlich." Stilo saß in gelassener Haltung auf seinem Stuhl und betrachtete seine neue Errungenschaft, für den Augenblick zufrieden damit, wie dieser sich gab und wie die Dinge liefen. Fragen waren in Ordnung, so lange es keine dummen Fragen waren. "Du befindest dich hier in der Casa Leonis, im Haus des Löwen. Ich bin Sisenna Seius Stilo. Mein Bruder, Galeo Seius Ravilla, wohnt ebenfalls in diesem Haus. Wenn mein Bruder einen Wunsch an dich richtet, wirst du ihm dienen, als würde der Wunsch aus meinem Munde stammen. Sollte einer meiner Wünsche den seinen entgegenstehen, wirst du ihm das höflich mitteilen und er wird verstehen. Jetzt zieh dich aus, ich möchte mich mit dir unterhalten."


    Das Eine schien mit dem Anderen nichts zu tun zu haben, doch für Stilo ergab das sehr wohl einen Sinn. Sporus war als jemand mit guter Menschenkenntnis beschrieben worden und vielleicht verstand er. Vielleicht auch nicht, es spielte keine Rolle. Es genügte, dass Stilo genau wusste, was er tat.

    Obwohl Stilo sich über seine neue Errungenschaft ausgesprochen freute, zeigte er das nicht nach außen. Sporus würde noch lernen müssen, dass nahezu alle Emotionen, die Stilo zeigte, wohlkalkuliert und nur selten ehrlich waren. Ein Umstand, den nicht viele begriffen, denn Stilo konnte charmant und freundlich wirken, wenn er wollte. Das, was er wirklich fühlte, behielt er für sich. Es gab nur wenige Menschen, denen gegenüber er jemals Einblick in die Leere gewährt hatte, die in ihm klaffte. Er wusste, dass sie es nicht gut aufnehmen würden. Er konnte es ihne nicht verübeln, scheiterte doch selbst daran, zu verstehen, warum sich in ihm eine Wüste aus Stein und Salz erstreckte, wo bei anderen eine Frühlingswiese blühte.


    Die meisten Jahre seines Lebens hatte Stilo angenommen, andere Menschen würden - so wie er selbst es notgedrungen tat - ihre Gefühlsduseleien nur vortäuschen als eine wortlose (und extrem fehleranfällige) Form der Kommunikation. Eine dumme Tradition von vielen. Als Stilo von dem Medicus der Prätorianer, der sich wie kaum jemand anderes mit verschiedenen Geisteszuständen auskannte, erfuhr, dass diese Gefühle echt seien, dass andere Menschen wirklich so fühlten, war das für Stilo ein Schock gewesen. Das hatte er erstmal verdauen müssen. Doch nun ergab vieles Sinn, was ihn zuvor verwirrt hatte, Liebeskummer, dumme Protagonisten von Theaterstücken, Schwärmereien für unerreichbare Idole, Suizide - alles. Die Menschen taten nicht nur, als seien sie so blöd, um ihr Gegenüber zu manipulieren, sie waren es wirklich.


    Seither versuchte Stilo, auf seine Weise zu verstehen, was er doch niemals begreifen konnte, beobachtete, hörte zu, spielte und testete. Besonders interessant für ihn waren Menschen, die ein sehr tiefes Gefühlsleben besaßen. Teil dieses Spiels war nun auch Sporus, und Stilo konnte es kaum erwarten, dass der Eunuch mit seinem Bad fertig sein würde und endlich in sein Cubiculum kam.

    Cubiculum

    Sisenna Seius Stilo


    Das Schlafzimmer von Sisenna Seius Stilo liegt in einem stillen Teil der Casa Leonis, abseits vom allgemeinen Trubel. Man sieht diesem kleinen Raum an, dass er dazu dient, zur Ruhe zu kommen. Stilo weilt hier nur während einer kurzen Pause vom anstrengenden Militärdienst und sehnt sich in diesen Zeiten nach Erholung. Die Wände sind einheitlich dunkelgrün bemalt, ohne das Auge durch Malereien anzustrengen, das Fußbodenmosaik ist schwarz-weiß gehalten. Schwere schwarze Vorhänge ermöglichen eine Abdunkelung. Ein kleiner Tisch aus dunklem Holz mit zwei Stühlen dient zur Ablage von Speisen und Getränken oder zum Schreiben von Briefen. Ein Regal dient zur Aufbewahrung alltäglicher Dinge. Die persönlicheren Habseligkeiten werden in einer verschlossenen Truhe verwahrt. Die breite, gut gepolsterte Schlafkline ist mit dunkelgrünem Stoff überzogen. Darauf liegen schwarz-weiß gemusterte Kissen und eine schwarze Wolldecke.


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    Stilo brachte seinen neuen Sklaven zunächst ins Bad, wo er sich den Dreck und die Erinnerungen des Sklavenmarktes von der Haut waschen und im heißen Wasser wärmen konnte. "Das Bad ist den Herren des Hauses vorbehalten, für Sklaven gibt es Waschschüsseln und öffentliche Bäder", erklärte Stilo. "Du erscheinst mir aber ziemlich durchgefroren. Du kannst dich ausnahmsweise hier im heißen Wasser aufwärmen. Die anderen Sklaven werden dir Kleidung zur Verfügung stellen, den alten Fetzen entsorgst du. Da ich keinen männlichen Sklaven erworben habe, sondern einen Eunuch, erwarte ich, dass du dich entsprechend schön machst." Was auch immer das heißen sollte. Stilo ließ die Angabe vage, um Sporus Spielraum zu geben. Er wollte sehen, ob der Sklave mitdachte. "Danach erwarte ich dich in meinem Cubiculum."

    Balneum


    Reiche Privatleute leisteten sich Badehäuser mit verschieden temperierten Becken. Das in die Casa Leonis integrierte "Balneum" ist zwar kein Badehaus, doch immerhin ein Bad mit einem heißen und einem kalten Becken. An den blauen Wänden schwimmen gemalte Fische des Mittelmeers durch die Wogen.

    Stilo besprach sich noch kurz mit dem Sklavenhändler, dann begab er sich in die Casa Leonis, um die elftausend Sesterze zu holen. Eine solche Summe trug man nicht einfach mit sich herum. Er lieh sich zwei Sklaven von Ravilla, die ihn mit Knüppeln begleiteten, als er das Geldsäckchen transportierte, aber eigentlich machte Stilo sich keine Sorgen. Er war dienstlich so oft auf den Straßen Roms unterwegs, dass er genau sagen konnte, welche Straßen und Gassen sicher waren - und um welche Uhrzeit. So kam er ohne Zwischenfälle wieder beim Markt an. Titus Tranquilius erhielt seine elftausend Sesterzen. Und Stilo erhielt seinen neuen Sklaven.


    "Na dann ... Sporus." Stilo wies mit dem Kopf in die Richtung, in die sie gehen würden. Ketten trug Sporus nun keine mehr. Ein Sklave, den man in Ketten transportieren musste, taugte bloß für einen einzigen Weg. Den in die Arena.

    "Armer, armer Sporus", sagte Stilo mit einem Lächeln, das nicht wirklich auf Mitleid schließen ließ, sondern eher auf Genuss. Er legte ihm die Hand auf den Kopf und streichelte sein Haar. "Ein Eromenos warst du also? Aha. Dann war dein alter Herr entweder ein Dummkopf oder ein Verbrecher. Aber jetzt bist du ja hier."


    Er wandte sich dem Sklavenhändler zu. "Der Kastrat kann nichts: Er kann nicht singen, nicht tanzen oder musizieren, keine Geschichten erzählen und beherrscht keine Fremdsprachen. Er kann anscheinend nicht mal lesen und schreiben, er kann einfach nur gar nichts. Das hat natürlich Einfluss auf mein Gebot. Außerdem ist er schon ziemlich alt. Ich gebe dir elftausend."


    Das war vermutlich der höchste Preis, den Titus Tranquilius je mit seinem schäbigen Geschäft erzielt hatte. Üblicherweise wechselten seine Sklaven für wenige hundert Sesterze den Besitzer. Doch für einen Eunuchen war das ein Spottpreis. Teurere Sklaven gab es nicht, sie waren Zeichen von unerhörtem Luxus. Stilo wollte Sporus unbedingt haben und sich mit seiner Gegenwart schmücken, doch er wäre ein Narr, das den Händler wissen zu lassen.


    "Das ist mein erstes und letztes Angebot, ich werde nicht mit dir feilschen, Titus Tranquilius. Entweder du nimmst es an, oder du lässt es bleiben."

    Sporus wich trotz der groben Behandlung nicht zurück, setzte keinen trotzigen Blick auf oder motzte gar herum. Er verhielt sich so, wie Stilo es wollte - duldsam, gefügig. Das passte gut in seine Pläne. Er gab ihn vorerst wieder frei. "Was kannst du alles?", wollte er wissen. Es ging ihm darum, zu erfahren, ob Sporus als professioneller Gesellschafter gedient hatte oder bloß als Bettgespiele, was für einen so teuren Sklaven eine unerhörte Verschwendung gewesen wäre.

    Immerhin, Sporus reagierte auf den kleinsten Fingerzeig. Ohne die Bewegung anzukündigen, packte Stilo den Sklaven mit einer Hand im Gesicht und drückte ihm die Wangen zwischen die Backenzähne, damit er den Mund öffnete, so dass er sich das Gebiss betrachten konnte. In Wahrheit war die Kauleiste ihm gleichgültig, die Untersuchung nur ein Vorwand. Was Stilo eigentlich sehen wollte, war, wie Sprous auf die unerwartete und recht grobe Berührung reagierte.

    "Zubin tut harte körperliche Arbeit gut", stellte Stilo klar. "Er ist ein Sohn seines Volkes und benötigt keine Samthandschuhe. Die Cappadocis sind zäh. Aber da er im fernen Caesarea weilt, erübrigt sich die Diskussion, wofür er eingesetzt werden könnte. Dein Plan hört sich ansonsten gut an. Hast du vom Vorarbeiter schon einen Kostenvoranschlag erhalten und eine Information, wie lange die Renovierungsarbeiten dauern werden?"

    Nachdem er in monatelanger Arbeit die Mappe für den Praefectus Praetorio vorbereitet hatte, konnte Stilo wieder durchatmen. Das Zusammentragen der Berichte, das Ermitteln von Ergebnissen und das Schreiben fehlender Unterlagen hatte viel Zeit verschlungen und ihn unter Druck gesetzt. Heute hatte er sich einen halben Tag frei genommen, um nach langer Zeit wieder einen Gladiatorenkampf zu besuchen. Für einige Stunden wollte er den Panzer des Skorpions ablegen, um wieder Mensch zu sein. Die Privatperson Sisenna Seius Stilo verblasste von Woche zu Woche mehr, um dem dunkleren, tödlicheren Selbst des Prätorianers Raum zu geben. Doch das noble Vorhaben zur Charakterpflege platzte jäh, als er die Versteigerung des Sklaven beobachtete, um sich die Zeit bis zum Gladiatorenkampf zu vertreiben. Die Worte des Verkäufers weckten schlagartig ein ausgesprochen dunkles Interesse. An diesem Sporus gab es einiges, was Stilo interessierte.


    Ohne Vorwarnung stieg Stilo die hölzerne Treppe des Podests empor. Nichts an seiner privaten Kleidung ließ den Prätorianer erahnen, allenfalls verwies seine muskulöse Statur auf einen Beruf, der mit harter körperlicher Arbeit einherging. "Salve, Titus Tranquilius", sagte Stilo voll falscher Freundlichkeit. "Bevor ich erwäge, für diesen Sklaven zu bieten, erlaube mir, dass ich den Wahrheitsgehalt von einigen deiner Aussagen auf die Probe stelle."


    Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er zu dem Sklaven und bedeutete ihm mit einem einzigen Fingerzeig, sich ganz zu ihm umzudrehen. Diese kleine Geste war der erste Teil der Prüfungsreihe, die Stilo soeben für den bedauernswerten Sporus ersonnen hatte.

    Die Casa Leonis fühlte sich nicht an wie eine Ruine. Das Leben war erst vor Kurzem aus ihren Räumen entwichen. Das Kräuterbeet war geplündert worden, wahrscheinlich von Scato, bevor er ausziehen musste, denn wer sonst würde Kräuter von Unkräutern unterscheiden können und in Ruinen einsteigen, nur um Pflanzen zu stehlen? Die Erde war durchwühlt und Gras wuchs nun anstelle von Salbei, Rosmarin und Thymian. Die Anzahl an Mauselöchern in der Erde sparte er sich zu zählen. Unter dem Vordach entdeckte er mehrere Vogelnester.


    "Und wer soll das alles auf Vordermann bringen?", fragte Stilo, als er mit seinem Bruder die gewaltige, doch nur halb renovierte Casa Leonis inspizierte. "Anaxis?"

    "So, ihr Lieben. Meine abendliche Stunde Freizeit ist um und die Pflicht ruft." Stilo stopfte sich rasch noch ein paar Häppchen in den Mund und spülte sie mit dem Wein hinunter. Er gab jedem zum Abschied die Hand, außer Ravilla, dem brachte er mit einem Wuscheln die Frisur durcheinander, danach gab er ihm einen Kuss auf die Stirn. "Ich freue mich, dass du gesund wieder da bist, kleiner Bruder", waren seine letzten Worte, viel weniger frotzig als zuvor, sondern ganz und gar ernst gemeint. Im Hinausgehen klopfte er Terpander noch die Schulter, dann verschwand er - bis zu ihrem nächsten Treffen.

    Als guter Bruder unterstützte Stilo natürlich den Wahlkampf von Ravilla. Er hatte von ihm eine Tafel erhalten, die er anbringen sollte. Eine Tafel ... Grafittis waren Ravilla nicht auffällig genug, da es ihrer so viele gab. Und so prangte nun an prominenter Stelle ein weiser Sinnspruch:


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    Dass sein Vorgesetzter schwieg und sich nicht einmal zu einem Gegengruß herabließ, beunruhigte Stilo, auch wenn nichts auf dieses Gefühl schließen ließ.


    "Die gesamte Causa Christenrazzia findet sich in dieser Mappe. Der Fall wurde mit höchster Präzision zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Es ist alles dokumentiert und ausgewertet. Lücken gibt es nicht, keine losen Fäden, keine offenen Enden. Die fanatische Gruppierung der Christianer in Rom wurde vollständig vernichtet. Diese Akten sind dein Zeuge. Es gibt keine mehr. Du hast alles getan, auch ohne den Praefectus Urbi. Ruhm den Prätorianern. Rom wurde befriedet, der Auftrag erfüllt. Wenn du diese Mappe dem Kaiser vorlegst, werden keine Fragen mehr offen sein."


    Der steinerne Gesichtsausdruck des Praefektus Praetorio begann an seinen Nerven zu zehren. Stilo leckte sich die Unterlippe. Als ihm dies bewusst wurde, hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen, wütend ob der eigenen Schwäche. Doch seine Hand, welche ihm die Mappe reichte, zitterte nicht.

    Die Arbeit war vollkommen. Stilo hielt sich nicht bei der Ordonnanz auf. Er gehörte mittlerweile zu jenen, die sofort durchgewunken wurden, wenn sie zum Praefectus Praetorio wollten. Nicht etwa, weil der bissige Stabsoffizier ihn so sehr schätzen würde, sondern weil er diesem den schriftlichen Teil seiner bislang wichtigsten Mission anvertraut hatte. Und Stilo hatte sie komplettiert, das würde Caius Heius Vibulanus heute erfahren.


    "Salve, mein Präfekt", grüßte Stilo ihn und klopfte Lächelnd auf die Mappe unter seinem Arm. "Es gibt Neuigkeiten."

    Endlich waren die Berichte vollständig. Stilo lächelte, als er den letzten Absatz las, denn er wusste genau, was mit Aglaja geschehen war. Noch am Tag ihrer Freilassung fiel sie einem tragischen Verbrechen in der Subura zum Opfer. Die Prätorianer hatten ihr Urteil gefällt. Einer ihrer zivilen Meuchler aus der Subura kümmerte sich um die Sache. Doch das tauchte in keiner Akte auf. Aglaja verrottete wahrscheinlich im Tiber, denn dort wurden nicht nur Schwerverbrecher, sondern traditionell auch die Mordopfer aus der Subura entsorgt.


    Ein Liedchen auf den Lippen packte Stilo alle Akten zusammen in eine dicke und schwere Mappe, um sich auf den Weg zu machen. Der Praefectus Praetorio würde zufrieden sein.

    Stilo, dem die Stimmen draußen nicht entgangen waren, hatte ab diesem Zeitpunkt geahnt, wer gleich erscheinen würde. Und natürlich war ihm auch klar, wie die Reihenfolge der Begrüßung ausfallen würde, insbesondere, wenn Männer im heiratsfähigen, und noch schlimmer, heiratswilligen Alter zugegen waren.


    Stilo umfaste nun seinerseits den Unterarm seines Bruders, der zur Begrüßung brüderlich eine Prise grobkörniges Salz in eine seiner wenigen Wunden rieseln ließ und mit seinem Lächeln genüsslich verrieb. "Die Legio hat dich offensichtlich nicht nur das Schläfenhaar, sondern auch die Manieren gekostet", konterte Stilo grinsend. "Willkommen in Roma. Schön, dich gesund wieder im Kreis der Familie zu wissen."


    Für jemanden, der in Germania diente, war eine gesunde Heimkehr in den Kreis seiner Lieben nicht selbstverständich, auch nicht für Stabsoffiziere, die entgegen aller Gerüchte keine reinen Schreibtischsoldaten waren. Germania superior galt als eine der gefährlichsten Provinzen, durch eine bessere militärische Schule konnte man kaum gehen. Stilo musste eingestehen, dass das Tribunat Ravilla gut getan hatte: Sein Auftreten wirkte geerdet. Hätte die Vorstellung von Ravilla als Feldherr vor dessen Abreise noch zu Magenkrämpfen bei Stilo geführt, so erschien sie ihm heute nicht mehr so abwegig. Schade, dass er ihn nie in Rüstung gesehen hatte.