Die Porta (Jeder Gast hat sich hier anzumelden!)

  • Der Hausherr persönlich öffnete die Tür. Er war nach Ende seiner letzten Schicht vor Ort, um nach dem Rechten zu sehen. Ein allzu lange unbeaufsichtigtes Gut lud allerlei Gesindel dazu ein, sich darin sesshaft zu machen. Und nach außen hin, so ehrlich musste man sein, sah die Domus Iunia momentan furchtbar aus und kein bisschen repräsentativ. Wie denn auch? Der einzige Sklave Unauris kam nicht hinterher mit dem Anwesen, das zuvor jahrelang leer gestanden hatte, und die übrigen Bewohner verbrachten den Großteil ihres Lebens in einem Militärlager. Es war, wenn man so wollte, ein typischer Männerhaushalt, in dem momentan alles der Pragmatik untergeordnet war.


    Umso überraschter war Scato, als eine junge Frau sich hier bemerkbar machte. Was konnte sie von den Bewohnern der verwilderten Domus Iunia wollen. Das würde er sicher gleich erfahren. "Salve", grüßte er und wartete ab, was die junge Frau wohl zu vermelden hatte.

  • Verwilderte Gärten und andere Kleinigkeiten (oder größere Kleinigkeiten), die an dem Haus zu tun und überfällig waren, wurden von der jungen Frau auf den ersten Blick nicht wirklich wahrgenommen. Nach der anstrengenden Reise und den Dingen, die in den letzten Tagen und Wochen geschehen waren, war sie zunächst einmal froh, einen Ort gefunden zu haben, an dem sie standesgemäß unterkommen könnte. Vielleicht könnte sie von hier aus auch einen Brief an ihren Bruder in Rom aufsetzen um ihn vom Schicksal ihrer Mutter berichten zu können. Zwangsläufig würde sich die Heimreise nun ein wenig verzögern.


    "Salve.", grüßte auch sie, als ein Mann die Tür öffnete. "Mein Name ist Iunia Matidia. Meine Mutter Tillia Ursicana und ich wurden auf der Reise überfallen und werden ab sofort für eine Weile in der Stadt sein." Sie hob die Brauen ein wenig, da sie ein wenig Mitleid erhoffte, sowie eifrige Hilfsbereitschaft. "Sie ist schwer verletzt.", fügte sie bedeutungsschwer an, während ersichtlich war, dass die junge Frau unverletzt war.

  • Mitleid war nicht die erste Regung, die Scato verspürte. Dafür war er zu sehr in seinem Beruf verhaftet. Entsprechend trat er bei dieser Wortmeldung sofort an der jungen Frau vorbei, die sich als eine Iunia vorgestellt hatte, die Hand an seinem Dolch, und blickte sich misstrauisch um. Momentan wirkte alles ruhig.


    "Komm rein", sagte er. Sicherheitshalber verschloss er hinter ihnen die Tür. Wer wusste, ob das Gesindel noch in der Nähe war um zu beenden, was es begonnen hatte.


    [Exedra] Empfang von Iunia Matidia >>

  • Die junge Frau legte ihre Stirn in Falten. Das war nicht die Reaktion, welche sie erhofft hatte. Ein wenig Hingabe ob ihrer schrecklichen Situation wäre doch das Mindeste gewesen? Sie ging davon aus, dass der Mann hier nur ein Bediensteter war und folgte ihm ins Haus.


    tbc: Exedra

  • Vom Theatrum aus war es nicht weit bis zur Domus Iunia. Der Mond leuchtete ihnen den Weg über die schweigende Landstraße. In der Ferne klang die Musik der nächtlichen Stadt, die immer leiser wurde, je weiter sie sich entfernten. Stattdessen zirpten die Grillen im feuchten Gras. Sabaco brachte Iunia Matidia bis an die Porta der Domus Iunia, noch immer nicht im Klaren darüber, dass sie eigentlich woanders wohnte. Er blieb stehen und sah ihr in die Augen.


    "Sehen wir uns wieder, Matidia?", fragte er. Dabei strich er ihr das Haar hinter das kalte Ohr.

  • Matidia folgte ihrem neuen Beschützer, Krieger und Verehrer durch die nächtliche Stadt, welche ihr unbekannt war. Es war ein seltsames Gefühl, zumal, abseits des Theaters, mit der Zeit immer weniger Menschen unterwegs waren und man dann irgendwann allein war. Allein mit ihm, mit Sabaco, sie, als ehrbare junge Frau, unverheiratet. Riskant war es, keine Frage, aber genau das, was sie mochte. Zumal es ihr, hier, so weit fort von Roma, auch egal war. Sie war ihr eigener Herr, und ihre Mutter hatte andere, weitaus ernste Sorgen.


    Sie dreht sich zu ihm und ließ den Moment noch etwas wirken. "Natürlich.", stellte sie fest. "Hast du da Zweifel gehabt?" Sie hob eine Braue, schmunzelte aber auch. Natürlich wollte sie einen selbstbewussten Mann, aber sie wusste auch, dass er wissen musste, wie begehrt sie war. Nur dann konnte er ihren Wert zu schätzen wissen. Sie klopfte ihm mit einer Hand auf die Hüfte. "Zeigst du mir deine Stadt?" schlug sie direkt etwas vor.

  • Dass Sabaco nicht berührungsscheu war, hatte Matidia inzwischen vermutlich gemerkt. Das Klopfen gefiel ihm. Und nun, da der Spaziergang ihn etwas abgekühlt hatte, zog er sie doch noch an sich. Er hielt sie fest umschlossen, warm trotz der nächtlichen Kälte, die vom Rhenus her hinaufzog. Wie es ihr dabei ging, musste er erahnen, das weibliche Wesen war ein geheimnisvolles Rätsel, von dem er nur so viel wusste, wie Matidia ihm preisgeben würde, doch er selbst war in diesem Moment so glücklich wie schon seit vielen Monaten nicht mehr.


    "Keine Zweifel. Bammel", gab er zu. "Meine Stadt ist Tarraco. Dafür ist es etwas weit. Das wäre was für eine Hochzeitsreise." Er schmunzelte mit seinem vernarbten Mundwinkel, so dass die Narben sich spannten, aber Matinia sollte sich durchaus mit dem Gedanken vertraut machen, dass es ihm ernst war. Gerade weil sie eine Schönheit war, war das nicht selbstverständlich - die perfide Logik einer verkommenen Menschheit. Sabaco sah sie nicht als Trophäe und nicht als Spielzeug, er sah sie als die stolze und intelligente Frau, als die er sie kennengelernt hatte, mit dem gleichen Funken dunklem Feuer, der auch in ihm selbst schwelte.


    "Einstweilen kann ich dir aber Mogontiacum zeigen. Keine sehr schöne Stadt für meinen Geschmack, weil ich es lieber heiß und trocken mag und das Meer dem Fluss vorziehe, aber sie bietet alles, was man zum Leben benötigt. Du musst mir nur sagen, wann es dir recht ist, dann schaue ich in meinen Dienstplan."


    Oder drehe ein bisschen daran herum, wenn es sich einrichten lässt.

  • Kühl war es in der Tat, daran hatte auch die Römerin sich noch lange nicht gewöhnt. Vermutlich würde das auch so schnell nicht passieren, jeder normale Mensch würde Wärme der Kälte vorziehen, alle Anderen waren logischerweise Barbaren oder neidisch, und jeder wollte gerne in der Position des Römischen Reichs sein, das allein erklärte ja schon alles, zumindest für Matidia, und darauf kam es ja am Ende an, nicht wahr?

    Tatsächlich war die Kälte ihr aber gerade egal, Matidia war vielleicht glücklich, zumindest aber äußerst zufrieden und sehr beschwingt nach diesem Abend. Dennoch spürte sie die gefallenen Temperaturen natürlich, man sah es ihr wohl auch an, sei es an der Gänsehaut oder gar unter ihrer Tunika. Auf seine Erklärung hob sie eine Braue. "Die sollte wohl eher nach Rom führen.", stellte sie fest. Nicht, dass sie dieses Tarraco nicht auch mit einem eventuellen Ehemann besuchen wollte, aber Rom war Rom, da kam man nicht drum herum.


    Seine Antwort auf ihre eigentlich Frage brachte sie dann aber dennoch kurz zum Überlegen. Sie hatte Zeit, so gut wie immer, außer sich um ihre Mutter zu kümmern, was andere für sie übernahmen, gab es kaum etwas, was sie hier tun konnte. Dennoch durfte sie dem Mann hier das nicht zeigen, immerhin wollte sie ja eine ehrbare, beschäftigte Frau sein. "Wie wäre es also in genau einer Woche?", gab sie nach etwas zu langem Grübeln an. "Das könnte ich einrichten." Wenn es Sabaco ernst war, würde es eine harte Zeit bis dahin werden, aber sie würde es sicher wert sein für ihn.

  • Nach Rom ... alle wollten nach Rom. Sabaco fand die Erzählungen der Größe von Rom eher einschüchternd. Die Reise würde wohl die erste Bewährungsprobe ihrer Ehe werden. "Die Casa Matinia in Rom liegt am Fuße des Palatin, was eine Adresse für sich ist. Soll ein Nobelschuppen sein, mit Marmor, seltenen Edelrosen im Garten und allem Drum und Dran. Mich selbst hat es noch nie dahin verschlagen." Je länger er darüber nachdachte, umso mehr gefiel ihm die Aussicht. Matinia sollte sehen, dass sie eine gute Partie gemacht hatte, dass Sabaco ihr mehr bieten konnte als ein Provinzleben am eiskalten Weltenarsch. "Rom ist eine gute Wahl. Bis dahin zeige ich dir, was Mogontiacum zu bieten hat. Das ist nicht viel, aber mehr als nichts. Ich werde dich abholen."


    Tarraco konnte warten, Tarraco würde warten. Und er selbst auch. Sabaco hatte schon längere Trennungsphasen ertragen müssen. Er spürte, dass sie in der Kälte fror und er sah es ihr an. Ihm selbst war ziemlich warm. Zum Abschied drückte er ihr einen Kuss auf den Mund, nicht lange, aber auch nicht gerade flüchtig. Danach gab er sie frei, ehe die Wärme wieder zu Hitze hochkochen konnte, mit einem leichten Grinsen auf die verdiente Ohrfeige wartend, während er ihren süßen Geschmack noch auskostete. Manche Dinge hatten ihren Preis. "Bis in einer Woche also. Ich warte noch, bis du reingegangen bist, damit ich weiß, dass du sicher zu Hause bist."

  • Natürlich Rom. Was kam denn nach Rom? Lange nichts, und dann irgendwann andere Städte, Mogontiacum und Tarraco waren da sicher eher nicht auf den oberen Plätzen, aber natürlich war ein persönlicher Bezug auch sehr wichtig. Für jemanden, der in Rom aufgewachsen war, wie Matidia, war die Frage aber nicht wirklich diskutabel, das sollte klar sein, ob er nun der Mann war oder nicht. So eine Reise sagte ja auch viel über den Stand aus, und wer wollte schon als Hinterwäldlerin gelten? Natürlich würde die junge Frau das dem Mann vor sich nicht so direkt sagen, dafür war er ihr jetzt schon zu sympathisch. "Klingt so, als wäre es für uns gemacht.", befand sie schulterzuckend und im vollen Ernst zu seiner Erzählung der Casa Matinia. Leicht zufriedenzustellen mit dem Allerbesten, eine sehr einfache Grundregel im Umgang mit Matidia.


    Während sie noch über die Zukunft nachsann, wurde sie von der Gegenwart überrumpelt. Sabaco drückte seine Lippen einfach auf die ihren. Zwar zog er sich rasch wieder zurück, aber nur, um sie anzugrinsen. Das war zu viel für die junge Dame, die von der Welt und den Männern noch nie so viel erfahren hatte, wie in diesen letzten Tagen in Germania. Mit offenem Mund starrte sie den Decurio an und wich einen Schritt vor ihm zurück. "Das... Aber..." Sie blinzelte. Falls man ihr an diesem Abend anmerkte, dass sie eben doch nicht so viel Erfahrung hatte, wie sie es gerne vorgab, dann jetzt, als es ernst wurde. Vor allem, weil ihr Körper ihr sagte, dass es ihr gefiel, ihr Bauch voller Schmetterlinge zu sein schien und nur ihr Kopf Einwände hatte. "Das war nicht erlaubt.", sagte sie, schmunzelte dabei aber, auch wenn es ein wenig an Selbstsicherheit verloren hatte. "Gute Nacht, Decurio.", sagte sie rasch, und legte den Rest der Strecke zur Casa allein zurück. Ob unbewusst oder nicht, zog sie ihre Tunika dabei enger um sich, was dafür sorgte, dass der Mann hinter ihr die runden Formen ihres Hinterns nur umso besser unter dem Stoff erblicken durfte. Vor der Tür wandte sie sich nochmal herum, hob eine Hand, bevor sie im Haus verschwand, die Tür hinter sich schloss, sich dagegen lehnte, sich auf die Unterlippe biss und die Augen schloss. Was für ein Abend. Und nun? Eine Woche? Wie dumm war sie nur! Wie konnte sie nur auf eine Woche kommen? Was sollte sie morgen, was sollte sie bis dahin nur machen?

  • Die Ohrfeige blieb aus, dafür erntete er eine zarte Rüge. Er sah ihr an, dass er sie verunsichert hatte, und in der Tat war das nicht höflich gewesen. Bereute er es? So wenig, wie er den Brand der Taberna Silva Nigra bereute, der die Nacht zum Tag gemacht hatte. Die Rüge nahm er dennoch mit einer Reduktion seines Grinsens entgegen, ihr zeigend, dass ihre Worte nicht ungehört an seinen Ohren vorbei rauschten. "Nein, das war nicht erlaubt. Gute Nacht, Matidia."


    Er sah ihr nach, in warmen Träumen schwelgend, während sie den Weg zur Tür zurücklegte. Mit jedem zauberhaften Schritt, den sie zurücklegte, festigte sie ohne es zu merken seine Entschlossenheit. Die Sache war klar. Sie wollte mit ihm eine Hochzeitsreise nach Rom unternehmen, das war ein Ja gewesen. Nun musste er nur noch den ihr nahestehendsten männlichen Verwandten überzeugen. In einer Woche würde er herausfinden, wer das war.


    Erst, als Matidia die Tür hinter sich schloss, wandte Sabaco sich zum Gehen.

  • Die Woche war quälend gewesen. So hatte Sabaco sie mit Arbeit vollgestopft. Als sie vorüber war, stand er vor der Tür - und zwar nicht nur auf den Tag, sondern sogar auf die Stunde genau, was bedeutete, dass es extrem zeitig in der Früh war und noch kalt und finster.


    Sabaco trug etwas unter dem Arm, das er das letzte Mal noch nicht bei sich getragen hatte, ein Geschenk für Iunia Matidia. Er verspürte Nervosität, weil er wollte, dass es ihr gefiel, aber sie noch zu wenig kannte, um sie wirklich einschätzen zu können. Aber ein Allerweltsgeschenk, mit dem man garantiert nicht aneckte, das aber auch keine Seele besaß, wollte er ihr auch nicht machen.


    Seine Hand betätigte entschlossen den Türklopfer, woraufhin der Pfau im Garten ein schauerliches Heulen von sich gab, das wie eine Mischung aus Käuzchen und Taube klang. Sabaco starrte die Tür an, lauschte auf das Betätigen einer Türklinke, auf Stimmen oder Schritte, während sein Herz ungewohnt stark schlug.

  • Arbeit war ein Luxus, den Matidia nicht hatte, und hier im hohen Norden hatte die junge Frau auch sonst nur sehr wenig Beschäftigung oder soziale Kontakte. Nachdem sie sich also ausreichend, natürlich nur für sich selbst, über ihre eigene Dummheit geärgert hatte, bis sie zu dem Schluss gekommen war, dass sie durchaus das Richtige getan hatte, und nun eben durchhalten musste, sorgte sie dafür, dass sich um die Casa Iunia und ihre Mutter in dieser Woche wirklich äußerst gut gekümmert wurde. Ein ausreichender Zeitvertreib, auch wenn sie auf dem Weg ins Lager der Soldaten immer wieder nach Sabaco Ausschau hielt, auch wenn sie nicht wirklich wusste, wo sie nach ihm zu suchen hatte. Er war ein Soldat, da war er doch sicher dort irgendwo in der Nähe, oder?


    Sonderlich erfolgreich war sie damit nicht, also bereitete sie sich auf das Treffen vor, ließ sich in der Therme die Körperbehaarung schmerzhaft zupfen, schlief viel und war am entsprechenden Tag dann doch sehr aufgeregt. Für den Mittag hatte sie eine ornatrix bestellt, die ihr eine Frisur machen sollte, denn sie wollte ja für den Abend gerüstet sein. Denn natürlich würde das Treffen mit dem Mann am Abend stattfinden. Oder? Wie denn sonst? Klar, man hatte keine Stunde vereinbart, woran Sabaco selbst schuld war, mit seinem Kuss, aber Matidia war einfach davon ausgegangen, dass er erneut abends vorbeischauen würde. Eventuell im Laufe des Tages. Aber keinesfalls schon morgens, in der Früh.


    Das große Leid war, dass die Dienerschaft hier in Mogontiacum nicht denselben Standard hatte, wie daheim in Rom. Ihre Mutter war ebenso nicht hier, und auch sonst anscheinend niemand, so klar war das nicht, als an diesem Morgen jemand an die Tür klopfte. "Macht mal jemand auf?", rief sie unmotiviert und leicht genervt von ihrem Lager, obwohl sie nun ja ohnehin schon wach war. Doch nichts rührte sich, sodass die junge Dame sich erhob und sich eine warme Tunika überwarf. Es war kalt in Germanien, und sogar sie lernte dazu.


    Es dauerte dann nicht mehr lange, bis sie an der Porta war und die Tür recht zügig aufriss. Kalte Luft strömte schnell hinein, und dennoch hatte sie keine Zeit, ihre relative Blöße, dank der Kälte noch exponierter, zu bedecken, denn ihre Augen wurden groß, als sie den Mann dort sah. "Sabaco! Du? Jetzt?", stieß sie hervor, lächelte dann aber, mehr als nur erfreut.

  • Sabaco grinste, als er Iunia Matidia sah. Wie niedlich sie aussah so frisch aus dem Bett aufgestanden. So gefiel sie ihm fast noch besser, als wenn sie sich hübsch gemacht hatte, denn das war die echte, unmaskierte Matidia. "Eine Woche ist vorüber, auf die Stunde genau. Ich wollte keine Zeit verschwenden."


    Natürlich war ihm klar, dass die Zeit unmöglich war, doch er wollte keine Stunde länger warten als nötig. Diesmal überrumpelte er sie nicht mit einem Kuss, ließ es sich jedoch nicht nehmen, sie glücklich zu umarmen. Die aus den Fugen geratene Welt rückte sich wieder ins Lot. Alles war richtig, alles war gut. Iunia Matidia war hier und Sabaco auch, so wie es sein sollte.


    "Kalt fühlst du dich an ... dann habe ich hoffentlich das Richtige für dich. Ich habe mich beraten lassen. Wenn es ein Griff in die Latrine war, muss leider ein Kopf rollen." Er zwinkerte ihr zu, um anzuzeigen, dass er das nicht ernst meinte, ehe er ihr das weiche große Paket in die Hände drückte.


    Wenn Matidia die schützende Hülle aus einfachem Stoff aufschlug, würde sie darin ein weiches großes Tuch finden, wie man es sich um die Schultern, über den Kopf und den Hals schlingen konnte. Es lag schwer in ihren Händen, die Qualität der gewebten Wolle war augenscheinlich sehr hoch. Das Tuch würde im Winter gute Dienste leisten können, dabei war es ganz weich und kratzte nicht. Das Besondere daran war allerdings die Farbe, denn dieses Tuch war dunkelgrau und schwarz marmoriert, mit flammend orangerot bestickten Rändern, so wie Sabaco es eigens bestellt hatte, noch am gleichen Tag, an dem er sich das erste Mal mit Matidia getroffen hatte. So etwas bekam man nicht von der Stange, es handelte sich um ein Einzelstück und das sah man diesem Tuch an. Der Verkäufer hatte es auf Sabacos Bitte hin außerdem parfumiert, um den säuerlichen Farbgeruch zu übertünchen, wie er für neue Ware üblich war. Dem Tuch entströmte nun ein kraftvoller, aber süßer Duft mit einer kaum wahrnehmbaren Rauchnote und Sabaco fand, genau dieser Geruch passte zu der Frau, für die das Tuch bestimmt war. Falls Iunia Matidia der Geruch misfiel, würde die erste Wäsche sie davon erlösen, aber Sabaco fand ihn wunderbar.


    Nervös wartete er, was sie zu dem eigenwilligen Tuch sagen würde. Dann fiel ihm ein, dass er ihr vielleicht besser angeboten hätte, dazu nach drinnen zu gehen, und das Paket dort zu öffnen. Aber vielleicht lud sie ihn ja selber kurz ein, anstatt dass er sich selbst einladen musste. Er war etwas durcheinander.

  • Tatsächlich war der Anblick, der sich dem Soldaten bot, keiner, der für seine Augen gedacht war. Natürlich war Matidia nicht unbedingt unschicklich gekleidet, und sicher sah sie so vielleicht sogar noch ein wenig natürlicher und besser aus, als nach einer Stunde bei der ornatrix und in sorgsam gelegter Kleidung, aber es war eben unerwartet und zu spontan. Sie lächelte dennoch, denn sie freute sich, ihn zu sehen. Es war definitiv ein Glücksfall, Sabaco hier getroffen zu haben, denn er machte das Leben nördlich der Alpen erträglich und ließ sie ihre eigentlich eher missliche Lage vergessen. Vermutlich könnte er ihr sogar helfen, was den weiteren Transport und die Sicherheit ihrer Mutter anbelangte? Es wäre auf jeden Fall etwas, was ihr nochmals imponieren würde.

    Sie ließ sich umarmen und schlang auch ihre Arme um ihn, drückte ihn an sich. So groß und stark, er fühlte sich gut an, auch, wenn ihr wirklich kalt war, so früh am morgen. Es bestand natürlich die Möglichkeit, ihn an ihr Lager einzuladen, aber das wäre wohl selbst in Mogontiacium ein kleiner Skandal. Die Idee gefiel ihr trotzdem und sie sah ihn nachdenklich an, als er sprach, mit den Gedanken gänzlich anderswo.


    „Es ist auch schrecklich kalt in diesem Land!“, stellte sie leicht wütend fest, und niemand würde das bei ihrem Ton leugnen, selbst wenn die Sonne den Rhenus austrocknen würde. Warum konnten diese Barbaren nicht einfach im Süden wohnen? Es würde alles einfacher machen und dann wären sie sicher auch weniger … barbarisch? Vermutlich waren sie einfach nicht schlau genug, um das zu verstehen.

    Sie öffnete das Paket und entfaltete dann das Tuch. Zunächst war der Blick fragend, aber nicht kritisch, doch schnell war sie begeistert. Natürlich hatte sie ähnliche Stoffe schon gesehen, allerdings machte dieses Wissen das Tuch nicht schlechter, sondern es ließ sie eher zu schätzen wissen, welchen Wert es hatte. Matidia ließ den einfachen Verpackungsstoff fallen, nahm das Tuch in beide Hände und fühlte es, roch daran und legte es sich dann probeweise einmal um die Schultern, wobei sie sich vorher einmal vor dem Mann vor sich strecken musste, was sie aber gar nicht so wahrnahm. Das Tuch war wunderbar weich, warm und ja, der Geruch gefiel ihr ebenfalls.

    Ihre Augen leuchteten. „Ich danke dir, Sabaco! Es ist wunderschön. Möchtest du mich darin durch die Stadt führen?“, fragte sie mit leicht weichen Knien und wäre ihm überallhin gefolgt.

  • Sabaco stellte sich vor, wie wunderbar es wäre, jeden Morgen aufzuwachen und Iunia Matidia zu sehen, wie sie jetzt war, mit ihrem ungemachten Haar und dem leichten Nachthemd. Als sie ihn umarmte, hielt er sie fest an sich gedrückt, vergrub die Nase in ihr Haar. Ihr kurzes Schimpfen auf die Kälte quittierte er mit einem Grinsen, das sie nicht sah, aber vielleicht spürte. "Kälte lässt Menschen näher zusammenrutschen", philosophierte er, dann gab er sie frei, damit sie sein Geschenk betrachten konnte.


    Als sie sich das Tuch umlegte und dabei reckte, betrachtete er ihre Brüste, die sich vielversprechend unter dem Stoff wölbten und ihn lockten. Als sie das Tuch schließlich ganz umlegte, sah sie dabei so niedlich aus, dass Sabaco einen Stich in seinem Inneren spürte, den er entsetzt als Verliebtheit identifizierte. Zuneigung, klar! Sympathie - jederzeit. Aber Verliebtheit bedeutete einen gewissen Kontrollverlust, den er besorgt registrierte. Oder vermisste er es nicht einfach, bei einer Frau zu liegen? Das hätte er jederzeit tun können - tat es aber nicht. Er wollte nicht irgendeine, er wollte genau diese.


    "Ich führe dich überallhin, wo du willst", raunte er in einem Anfall von Schnulzigkeit. Die Hitze in seinen Lenden war nicht leicht zu ignorieren, oder jetzt einfach möglichst normal dazustehen, doch er hatte etwas für Iunia Matidia vorbereitet. "Du siehst bezaubernd aus, so wie du jetzt bist", stellte er überglücklich fest. "Aber wir reiten gemeinsam ein Stückchen aus und du würdest frieren." Ein Kamerad, dem er in jeder Hinsicht vertraute, wartete mit Sabacos Pferd außer Sicht- und Hörweite. Für das Liebesglück eines Kameraden schlug man sich auch schon mal die Nacht um die Ohren.

  • Falls Sabaco plante, sie jeden Morgen zu so einer unmenschlichen Zeit zu wecken, würde er sich wohl recht bald etwas anderes wünschen. Nun, natürlich konnte Matidia sich auch die gewissen Vorzüge, die so etwas mit sich brachte, recht gut vorstellen, aber sicherlich wollte sie nicht jeden Morgen zu einer Zeit aufstehen, zu der sich eigentlich nur Sklaven von ihren Schlafstätten erhoben haben sollten, um ihr einen möglichst angenehmen Vormittag zu bescheren. Zumindest war dies das Leben, welches die junge Frau im Grunde wollte und kannte.


    Entsprechend schaute sie auch eher skeptisch, als er einen zweifelhaften Vorzug der Kälte pries. Wollte man denn wirklich, dass die Menschen zusammenrutschten? Mit jedem? Nein, sicher nicht. Klar, sie drückte sich gerne an die starke Brust des Mannes vor ihr, aber es gab soviel Gesindel… Nein, Danke. Es war aber zu früh und nicht der richtige Moment, um sich dabei auf eine Diskussion einzulassen, die ihm am Ende nur seinen falschen Gedankengang zeigen würde. In einem Anfall von Milde verzichtete sie gerne darauf und legte sich stattdessen das Tuch um.



    Es war Sabaco anzusehen, was er dachte und wollte. Immerhin war auch ihr klar, dass er nicht ohne triftigen Grund so früh hier sein mochte, es drängte ihn vermutlich. Das war ein gutes, wenn auch vorhersehbares Zeichen, immerhin war er ein Mann. Alles Andere hätte sie wohl enttäuschen sollen.


    Sie schmunzelte daher wissend und warf sich noch einmal kurz in Pose, da immerhin dieser Moment ihnen gehörte und er gerne sehen durfte, was ihn erwartete. Immerhin wusste sie selbst das nicht direkt, aber das musste er wiederum nicht wissen.


    „Natürlich. Ich ziehe mich um.“ Sie verabschiedete sich vorerst mit einem Nicken und kehrte in ihre Kammer zurück, wo sie eine Sklavin herbeirief, die ihr behilflich war, ihre Frisur eilig zu richten und mit einem Mantel zu Sabaco zurück zu kehren, nachdem er gebührend gewartet hatte.


    „Ich bin soweit.“

  • Sabaco übte sich in Geduld. Während er wartete, gingen ihm allerlei Gedanken durch den Kopf, mehr oder weniger sinnvoll, und meist beinhalteten sie den herrlichen Anblick, der sich ihm zu so früher Stunde geboten hatte. Sein Plan für heute blieb davon unberührt. Alles musste seine Ordnung haben.


    Als Iunia Matidia zurückkehrte, hielt Sabaco den Zügel seines Grauschimmels in der Hand, ein großes und muskulöses Tier mit schwarzer Stehmähne und gestutztem Schweif, augenscheinlich Sabacos Kriegspferd. Es war ein prächtiges Tier und entstammte augenscheinlich einer guten Zucht, wie man an den stabilen Beinen und dem kräftigen Hals sah. Das war keines der unförmigen, aber dennoch nicht immer schlechten Landpferde. "Gymir", stellte er den ansehnlichen Grauschimmelhengst vor. "Das ist der Name des germanischen Gottes der Meere, und er ist diesem Namen würdig. Bist du schon einmal geritten?"


    Matidia hatte inzwischen ihre Frisur richten lassen und warm angezogen. Auch jetzt sah sie wundervoll aus, aber Sabaco würde vermutlich in den nächsten Tagen nicht ihren Anblick im Nachthemd vergessen können. Er ließ dem Hengst Spielraum mit den Zügeln, damit Iunia Matidia sich mit dem großen Tier bekanntmachen konnte.

  • Das, was Matidia hauptsächlich durch den Kopf ging, während sie sich umkleidete, war, dass sie gespannt war. Der Ausritt, es war spannend, wohin es gehen würde, und vor allem ob Sabaco nun eines oder zwei Pferde hätte. Das machte durchaus einen Unterschied, denn erstens konnte sie zwar ein wenig reiten, aber es war eher etwas, was sie als junges Mädchen des Spaßes halber getan hatte, als dass eine römische Frau so etwas üblicherweise tat, und zweitens mochte es dann wiederum sein, dass man zu zweit auf einem Pferd säße. Was ihre Gedanken in ganz andere Richtungen lenkte, die mit dem Anstand einer römischen Frau wenig zu tun hatten, sie aber auch ein wenig nervös machten.


    Sie hatte keine Angst, aber natürlich Respekt vor Pferden, so, wie es auch vernünftig war. So ein großes, starkes Tier mochte ruhig erscheinen, aber man wusste nie, wozu es fähig war oder womit man es reizte. Im Grunde erinnerte es sie ein wenig an Sabaco, weshalb sie zwar zu dem Pferd hinüber ging und ihm nach kurzem Beschnuppern eine Hand auf den Hals legte, aber dabei auch den Mann musterte.

    Als er den germanischen Gott erwähnte, wurde sie deutlich skeptischer. "Hoffentlich reitet uns dieser Barbarengott nicht in den Rhenus.", meinte sie, nicht einmal ganz unernst, schaute dann aber wieder zu Sabaco. "Als Kind ein paar Male. Aber länger nicht mehr. Du wirst die Zügel übernehmen müssen.", antwortete sie ihm dann, und war sich keiner Doppeldeutigkeit bewusst.

  • "Gymir ist ein zuverlässiger Kamerad", erklärte Sabaco, während er Matidia Zeit ließ, sich mit dem imposanten Hengst bekannt zu machen. "Sonst würde er nicht mein Schlachtross sein, sondern in der Wurst enden", fügte er mit einem Grinsen hinzu. Es verbreiterte sich, bis sich die Narben um seinen Mund spannten, als Matidia ihm sagte, er müsse die Zügel übernehmen. Das würde er, in jeder Hinsicht, so wie es gut und richtig war.


    Nicht ganz zufällig hatte er bei einem Stein auf Matidias Rückkehr gewartet, wie sie an Römerstraßen manchmal bewusst platziert waren, um das Aufsteigen eines Pferdes ohne helfenden Reitknecht zu ermöglichen. Da die Gens Iunia wohlhabend war und manchmal Besuch zu Pferd empfing oder selbst ausritt, war dieser Stein vielleicht nicht zufällig in der Nähe der Porta ihres Wohnhauses platziert. Sabaco hielt Matidia die Hand hin, um ihr beim Aufsteigen zu helfen.


    Gymir war heute nicht mit dem schweren Ledersattel, sondern nur mit einer dicken Wolldecke gesattelt, was wohl schon verriet, dass Sabaco nicht vorhatte, zu Fuß vorweg zu trotten. Nichts geschah zufällig an diesem Abend ... oder an den Tagen zuvor. Alles hatte seine Richtigkeit.

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