Beiträge von Aulus Herminius Gurges

    Wie immer stand Optio Herminius mit den ersten Sonnenstrahlen im Innenhof und erwartete die Tirones. Die Arme vor der Brust verschränkt, die Beine wie gewohnt auseinandergestellt, beobachtete er das Eintrudeln der Männer, was deutlich geordneter verlief als zu Beginn der Ausbildung. Auch das Bilden einer Linie klappte bestens, weil inzwischen jeder auf die korrekte Ausrichtung achtete.

    "Salve, Tirones!", begrüßte er den Trupp. Er sah von einem zum anderen und ließ zunächst offen, was der Ausbildungstag bringen würde. Stattdessen musterte er den Zustand der Ausrüstung, achtete auf das äußere Erscheinungsbild der Tirones und überprüfte die Ernsthaftigkeit der Männer, die noch vor Wochen teils undiszipliniert und ohne den nötigen Biss für die Ausbildung vor ihm standen.


    "Dieser Tag ist ein besonderer, denn heute findet eure Abschlussprüfung statt. Besteht ihr den Test, ist eure Ausbildung abgeschlossen." Er blickte in die Runde, um sich davon zu überzeugen, wem er noch immer einen Schreck bei der Übertragung von Aufgaben oder dem Konfrontieren mit Problemsituationen einjagen konnte. Die Kontrolle fiel zu seiner Zufriedenheit aus, also sprach er weiter. "Die Abschlussprüfung findet auf dem euch bekannten Übungsgelände statt. Das Szenario kennt ihr: Es wird ein Übungshaus in Brand gesteckt und ihr müsst euer Können beweisen. Ich werde beim Löschversuch jeden Einzelnen ins Visier nehmen und seine Leistungen begutachten, aber ich erwarte außerdem ein koordiniertes Zusammenarbeiten aller." Fragen sollten zu diesem Zeitpunkt der Ausbildung keine mehr auftauchen.

    "Tirones, ad dextram! Aequatis passibus! Pergite!

    Die Tirones Milon und Bas bleiben hier!"

    Optio Herminius wartete, bis die Tirones aus dem Innenhof herausmarschierten, bevor er sich an Milon und Bas wandte.

    "Tiro Milon, Tiro Bas, ich erkenne euren Löscheinsatz von gestern als Abschlussprüfung an. Ihr habt in einer viel schwierigeren Lage, nämlich einer unerwarteten Situation mit der Konfrontation eines realen Feuerausbruchs die Nerven behalten und angewendet, was ihr gelernt habt. Ich konnte mich davon überzeugen. Der Brandherd wurde gelöscht. Mehr kann ein Übungsfeuer nicht bieten, daher ist eure Ausbildung in diesem Moment abgeschlossen. Herzlichen Glückwunsch

    Vigil Milon, Vigil Bas!

    Ich habt den heutigen Tag - wie alle anderen Tirones nach ihrer Prüfung frei. Am Abend beginnt euer erster Einsatz auf den Straßen Roms. Euer Streifendienst beginnt zur Hora quarta, secunda vigilia. Wegtreten!"

    Optio Herminius hielt sich nicht länger auf, er folgte den anderen Tirones zum Übungsplatz und ihrer Abschlussprüfung.

    Optio Herminius sah die Situation unter Kontrolle und nickte mehrmals anerkennend, als er von Tiro Milon die Meldung erhielt.

    "Ich habe hier geraume Zeit gestanden und mir ein Bild von eurem Einsatz gemacht. Im Zusammenspiel habt ihr die Situation gut gemeistert. Für euch beide, Milon und Bas, endet hiermit die heutige Brandschutzkontrolle, ihr habt für den Rest des Tages frei. Die anderen kehren zurück in die ihnen zugewiesenen Insulae und setzen den unterbrochenen Kontrollgang fort.

    Für euch", er sah zu Milon und Bas, "geht es morgen wie gewohnt mit dem Antreten im Innenhof der Castra weiter. Abite."

    Die Endkontrolle der Brandstelle nahm Optio Herminius selbst vor, während die einen seiner Schützlinge in die benachbarten Insulae gingen und die anderen der heimischen Castra zustrebten. Ein abschließendes Gespräch mit den Bewohnern der Wohneinheit beinhaltete keine Vorwürfe, sondern Tipps und die Erwartungshaltung der Vigiles, was Brandschutz und Löschgerätschaften betraf. Alle Bewohner - vor allem die der angrenzenden Wohneinheiten - waren mehr als glimpflich davongekommen, denn ohne die zufällige Brandschutzkontrolle und die damit verbundene Anwesenheit von Vigiles im Block, hätte das Feuer um sich greifen können und größeren Schaden verursacht.

    Als der Ruf 'Feuer' ertönte, ruckte Gurges' Kopf herum. Mit Blick und Ohr erfasste er, aus welcher Insula die Hilferufe erschollen, bevor erste Bewohner auf die Straße gelaufen kamen. Da er die Tirones seiner Gruppe in verschiedene Insulae geschickt hatte, stand niemand einsatzbereit neben ihm. Er befand sich außerdem auf einem Kontrollgang in Sachen Feuerschutz und führte keine ausgebildeten Vigiles mit. Blieb also nur er selbst, der eilig zur betroffenen Insula rannte und auf dem Weg dorthin in zwei Hauseingänge rief.

    "Verstärkung, alle Mann auf die Straße, wir haben einen Einsatz! Tempo!"

    Seine Stimme hallte in den Treppenhäusern wider und veranlasste die Tiro-Duos die jeweiligen Treppen hinunterzurasen, sich auf der Straße zu orientieren und schnellstmöglich dem bis zuletzt wartenden Optio in die Insula zu folgen, in der Tumult aufkam. Zuvor schnappte sich jeder einen von Anwohnern bereits gefüllten Wassereimer. Sie drängelten sich an weiteren Bewohnern vorbei, die allerdings auf sie jenseits von Panik wirkten. Offensichtlich handelte es sich nicht um einen größeren Brandherd, und weil seine Männer schon bei Ausbruch des Feuers vor Ort waren, sollte auch kein Großband daraus erwachsen.


    Gurges und die vier Tirones trafen im betroffenen Stockwerk ein und mit einem Handzeichen ließ der Optio die jungen Männer warten. Er sah Milon und Bas an einer Wohnungstür hantieren, die sich soeben öffnete. Rauch drang in den Gang, aber weder Hitze noch Funkenflug ließen auf eine besorgniserregende Situation schließen. Gurges blieb abwartend, denn ganz gleich, was in dieser Wohnung vor sich ging, seine Tirones besaßen genügend Kenntnisse, um die Situation allein zu beherrschen, sofern hier kein Inferno drohte. Er legte den Zeigefinger über die Lippen und gab den anderen Tirones zu verstehen, dass sie auf die Entscheidung und Anweisungen von Milon und Bas warten würden.

    Während die beiden Tirones gemütlich saßen, kreischte eine junge Mutter zwei Etagen unter ihnen auf. Die Mitbewohner dieser Wohneinheit fuhren zusammen und lauschten. Nur eine ältere Frau handelte, indem sie aus ihrem Zimmer lugte, um den Grund des Schreckenschreis zu erfahren. Sie musste nicht nachfragen, sondern erkannte den Grund.
    "Feuer!" Ratlos stand sie da, weil sie die Größe des Brandherdes nicht einschätzen konnte. Eine Tür versperrte den Blick. Sekunden wertvoller Zeit verstrichen, bis die Bewohner aus der Starre erwachten. Einige rannten nach Eimern, andere flüchteten, einzelne sammelten Haushaltsgegenstände ein.

    Der Schein des Feuers verriet dessen Größe. Bei schnellem Eingreifen konnte ein Großbrand verhindert werden, denn die Gefahr wurde bereits beim ersten Züngeln der Flammen entdeckt.

    Die Frage fand Herminius nicht unberechtigt und ihm wurde bewusst, dass er möglicherweise zu viel voraussetzte. Andererseits erhöhte Eigenverantwortung die Motivation.

    "Ihr müsst damit rechnen, fortlaufend auf Unzulänglichkeiten zu treffen. Deswegen können wir es uns nicht leisten, Verstöße nur zu erfassen, weil das einen Schwanz an Nachbearbeitung nach sich zieht. Es fällt bei der Erfassung Verwaltungsarbeit an, eine weitere Streife müsste zum Ort der Verstöße zurück, was doppelte Wege bedeuten würde, so würden wir gar nicht mehr zum Löschen von Bränden kommen. Also direkt ansprechen, wenn ihr fehlende Löschutensilien feststellt, wenn unvorsichtig mit offenem Feuer umgegangen wird, und sagt, dass es eine Nachkontrolle geben wird. So werdet ihr ernst genommen, und jetzt los!"

    Optio Herminius schritt an der Spitze. Ein gleichmäßiges Tempo lag nicht im Bereich des Möglichen, stattdessen mussten sie Wagen passieren lassen, oder sie selbst blockierten den Menschenfluss, aber er achtete darauf, dass die Gruppe zusammenblieb. Nach einer Straßenkreuzung ließ er anhalten.

    "Ihr kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften. Das bedeutet, ihr überprüft, ob alle notwendigen Löschgeräte vorhanden sind, ob sie griffbereit stehen oder zugestellt sind, ob die Bewohner sorgfältig oder leichtsinnig im Umgang mit den Feuerstellen sind usw. Die ersten beiden ganz nach oben, die nächsten in das darunter liegende Stockwerk usw. Bei der nächsten Insula tauschen wir die Reihenfolge. Arbeitet weitgehend selbstständig. Hinterher erstattet ihr Bericht und wir klären Fragen, soweit es welche gibt. Los geht es!"

    "Antreten!", erscholl es im Innenhof. Optio Hermines trieb die Nachzügler an, sich zu beeilen. "Los, los, los! Schlafen könnt ihr heute am Abend!" Die Tirones wussten, welche Ausbildungseinheit auf dem Programm stand, und da Herminius ein weitläufiges, aber gleichzeitig dicht besiedeltes Gebiet für die Kontrollen ausgesucht hatte, galt es, keine Zeit zu vertrödeln. Seine Erfahrung besagte, dass die Tirones im Laufe des Tages immer langsamer wurden, weil die ungewohnten Wege sie entweder ermüdeten oder die Füße aufrieben. Er wartete, bis alle vor ihm standen, dann begann er mit einer Einweisung.

    "Unser Ziel wird Region IV sein, auch Subura genannt. Wir treffen dort ausschließlich Insulae an, daher werden bei jedem Objekt andere in die obersten Stockwerke gehen. Rechnet damit, dass euch beizeiten die Beine schwer werden, aber ich möchte niemand klagen hören! Bildet eine Zweierreihe und haltet auf den Straßen den Anschluss an eure Vordermänner. Die Straßen sind voll, wir müssen zuweilen ausweichen und ich möchte niemand erleben, der mit der Brechstange vorgeht. Wir laufen nicht auf einer Parade, wir verrichten unsere Arbeit inmitten Roms Alltag, aber wie eine wilde Kinderhorde soll unsere Streife auch nicht aussehen. Findet das Maß! Los geht es!"

    "Gut, beenden wir das Löschtraining für heute. Morgen in der Frühe Antreten im Innenhof. Wir werden den gesamten Tag die Einhaltung der Brandschutzvorschriften kontrollieren und ihr werdet bei der Gelegenheit einige Positionen von Löschbrunnen kennenlernen. Es empfiehlt sich, im Kopf eine Karte anzulegen. Das heißt, seid morgen ausgeschlafen und aufnahmebereit. Abite!"

    Herminius winkte Helfer heran und beaufsichtigte die Aufräumarbeiten. Das Gelände musste für kommende Übungszwecke einsatzbereit sein. Nach einer reichlichen Stunde, in der auch eine Ersatzholzhütte gezimmert wurde, machte er sich mit den Helfern ebenfalls auf den Heimweg.

    Herminius ließ den Tirones Zeit zum Verschnaufen, dann trommelte er sie zusammen.

    "Insgesamt besser, überlegter, koordinierter", resümierte er. "Aber noch nicht perfekt. Immer zu zweit zum Brandherd und nie ohne Atemschutz. Was nehmen wir dafür?" Er blickte in die Runde, wartete die Antwort ab und sprach weiter. "Du da." Er wies auf Bas. "Sicherlich hast du gehört, dass die Person im Obergeschoss gerettet wurde, weil du dich nach dem Abschluss deiner Aufgabe bequem hingelegt hast." Ironie schwang in den Worten. "Ich jedenfalls habe die Meldung nicht gehört. Jemand anders?"

    Der Optio nickte bei den meisten Antworten. Sämtliche Tirones schienen aus dem Training etwas mitgenommen zu haben, auch wenn der erste Löschversuch in die Hose ging.

    "Wir ersticken, ja, und zwar mit Sand." Er wies zum Fass. "Richtig vermutete, dort lagern wir den Sand. In Rom stehen keine Sandfässer rum, wir haben bei jedem Einsatz Sand in Säcken dabei." Er schritt einige Doppelfuß, dann hielt er an.

    "Löschübung zwei: Ihr seht das Haus mit Obergeschoss." Er wies zu einem Steinbau mit provisorischem Holzdach. Die Wände wiesen Rußspuren auf, weil das Gebäude schon häufiger zu Übungszwecken diente. "Ihr seht, Gruppen vor euch haben das Haus gerettet, bevor es unbrauchbar wurde. Wollen wir hoffen, dass euch das auch gelingt. Ich lege im Anschluss einen Brand vor der Wohnungstür im Obergeschoss. Wir simulieren eine bewohnte Wohnung. Es befindet sich ein Mensch in ihr, der nicht mehr über das Treppenhaus nach draußen gelangt. Vielleicht traut er sich auch nicht, wir wissen das nicht. Findet eine Lösung!"

    Optio Herminius schritt auf das Haus zu und verschwand darin. Als er wiederkehrte, konnte von außen noch kein Feuerschein gesehen werden, was sicherlich nicht lange so blieb.

    "Am Fenster im Obergeschoss steht eine fiktive Person." Das Szenario stand und er trat zurück. "Los geht es!"

    Das Feuer griff um sich und erfasste Teile der hölzernen Außenwand. Erstes Wasser traf durch die vom Feuer geschaffenen Lücken in der Holzverkleidung ins Innere der Bude.

    "Zurücktreten!" Der Optio brüllte den Befehl, damit er bei den erhitzten Gemütern ankam. Keinen Moment zu früh, denn eine Wasserdampfwolke platzte aus dem Innern des Holzverschlages heraus. Ihr folgte eine Stichflamme, die nach oben schoss, während diejenigen Fetttröpfchen, die sich nicht entzündeten, durch die Gegend spritzten. Wer jetzt nicht freiwillig zurücksprang, fing sich ein bleibende Muster auf Haut und Kleidung ein.


    Nachdem keine weiteren Eruptionen zu erwarten waren, ließ Optio Herminius die Tirones dem niederbrennenden Holzhaus zusehen, bevor er sich an sie wandte.

    "So, was ist alles falsch gelaufen?" Er blickte von einem Tiro zum nächsten, bis er wieder zum ersten sah. "Punkt eins: Ihr habt euch nicht umgesehen, keinen Plan besprochen, sondern einfach draufzu gelöscht. Das zeugt zwar von Engagement, wird euer Leben aber vermutlich zeitig beenden." Kopfloses Löschen brachte im günstigsten Fall der Fälle Erfahrung, im ungünstigsten kostete es das Leben.


    "Wir haben hier auf dem Platz in bester Reichweite zu den Häusern einen Brunnen. Reicht unsere Schlauchlänge nicht, dann müssen wir Eimer schleppen, aber jeder von uns freut sich über einen ausreichend nahen Brunnen.

    Dass jemand von euch eine Einteilung vorgenommen hat, war gut! Es braucht einen, der das Kommando übernimmt, um die Kräfte zu bündeln und damit nicht jeder einer eigenen Strategie folgt." Er nickte anerkennend Richtung Milon.

    "Punkt zwei: Fett lässt sich nicht mit Wasser löschen, weil sich Fett und Wasser nicht mischen können. Das Wasser verdampft stattdessen und wie das ausgeht, habt ihr erlebt. Das bedeutet: Erst nachsehen, was brennt, dann Strategie entwickeln, absprechen und anschließend agieren."

    Der Optio hatte immerhin vor aller Augen eine Öllampe in die Bretterbude geschmissen.

    "Wie könnte man brennendes Fett oder Öl löschen?"

    Am Folgetag standen Übungen an Ballista und den Spritzen auf dem Plan, sowie ein operativer Einsatz. Optio Herminius ließ nach Sonnenaufgang antreten und führte die Gruppe Tirones aus der Castra, über viele Straßen, hinaus aus der Stadt zu einem Übungsgelände.

    "Consistite!", rief er, als sie angekommen waren. Das Übungsgelände bestand aus einem Platz, auf dem neben hölzerne Häuserattrappen, die wie Bruchbuden aussahen, ein Brunnen und mehrere Mauerfragmente standen. Sämtliche Löschgerätschaften standen ebenso bereit wie Wurfgeschosse.

    "Die Mauern kommen zum Schluss. Wir beginnen mit der Simulation eines Häuserbrandes. Ihr müsst selbstständig entscheiden, wie ihr vorgeht."

    Der Optio griff zur mitgebrachten Öllampe und schritt zu einem einstöckigem hausähnlichen Gebilde. Er holte aus und warf die Lampe durch eine Öffnung, die ein Fenster darstellen sollte. Eine Tür besaß das Bauwerk nicht. Bretter vernagelten alles, was Eintritt versprach. Es dauerte nicht lange, da drang eine feine Rauchfahne aus der Fensteröffnung.

    "Rettet von der Bude, so viel ihr könnt! Los geht es !"

    "Einmal durchtauschen!", brüllte Herminius über den Hof. "Diejenigen an den Pumpen müssen auf einen gleichmäßigen Rhythmus achten. Das muss flüssig laufen, sonst verändert sich ständig der Wasserstrahl samt Druck und ein Zielen wird unmöglich!"

    Anfänger stellten sich immer ungeschickt an und es bedurfte der Übung. Die Tirones würden in den kommenden Wochen genug Möglichkeit zum Üben bekommen, wenn sie auf das Trainingsgelände wechselten. Wieder ließ der Optio die Positionen wechseln, damit jeder einmal an der Spritze stand, Wasser holte und pumpen übte. Beim letzten Durchgang ließ er von Helfern eine Gerät herbeischaffen, das neben ihm abgestellt wurde, bevor er die Pumpübung beendete.


    "Alle mal herkommen!" Er wartete, bis die Letzten eintrafen. Das in Linie aufstellen sparte er sich. "Heute lernt ihr noch ein wichtiges Instrument kennen, das wir nicht selten bei Löscheinsätzen verwenden. Diese Wurfmaschine, Ballista genannt, kommt immer dann zum Einsatz, wenn Brände außer Kontrolle geraten. Eigentlich ist es eine Artilleriewaffe, die zur Belagerung eingesetzt wird. Bei uns werden die Steine mit einem Gewicht von mehreren Libra (Pfund) gegen Hauswände geschleudert, um Brandschneisen zu schaffen. Das erzeugt jede Menge Lärm und Dreckschwaden, aber es hindert das Feuer an der weiteren Ausbreitung."

    Er blickte in die Runde, um zu erkunden, wie angetan oder abgestoßen sich die Einzelnen von dem Torsionsgeschütz zeigten.


    "Die Handhabung erkläre ich auf dem Übungsplatz. Unsere Castra wollen wir schließlich nicht abreißen. Wir treffen uns morgen in der Frühe hier und marschieren zum Übungsgelände. Die Kommandos vom Formaltraining sitzen noch?" Das würde sich erweisen. Wer patzte, würde mehr Hilfs- als Übungsarbeiten zugewiesen bekommen. "Wegtreten!"

    Die Pause neigte sich dem Ende, daher trat Optio Herminius wieder auf den Platz. Am heutigen Training nahmen Tirones aus verschiedenen Centurien teil. Er wartete, bis alle korrekt standen und Ruhe herrschte.

    "Wie angekündigt, kommen wir jetzt zum Löschtraining und zwar zu den Gerätschaften, die wir für die Bekämpfung größerer Brände, oder von Bränden im Obergeschoss eines Hauses benutzen. Dafür haben wir unsere Siphones. Eine kleine Auswahl dieser Geräte seht ihr hier vor euch. Zur Bedienung wird eine Mannschaft zusammengestellt, vorzugsweise vier bis sechs Mann. Das ist abhängig von der Größe der Spritze. Große Spritze, große Reichweite, großer Wasserbedarf, viel Pumparbeit."

    Der Zusammenhang leuchtete gewiss jedem ein, also fuhr er fort.

    "Die Spritzen werden in einen Behälter mit Wasser gestellt. Dann beginnt die Arbeit, bei der ihr schwitzen werdet. Anfangs werden die Arme vom Pumpen schnell schlapp, also muss ein gut abgestimmter Wechsel innerhalb der Mannschaft vorstatten gehen. Sprecht euch vorher ab, welche Reihenfolge ihr wählt und welche Zeichen ihr benutzt."


    Herminius winkte die Tirones heran.


    "Wir beginnen mit einer relativ kleinen Spritze. Dafür finden sich fünf Mann zu jeweils einer Gruppe zusammen. Ihr klärt vorher, in welcher Reihenfolge ihr pumpt und einigt euch auf Zeichen. Durch das Bewegen der hier sichtbaren Schwenkarme erzeugt ihr einen beachtlichen Wasserstrahl. Derjenige, der die Spritze hält und zielt, sollte ordentlich zufassen. Der Strahl ist in der Lage, größere Flammen zu löschen und mit dem kombinierten Einsatz mehrer dieser Siphones ist auch die erfolgreiche Bekämpfung größerer Brände möglich. Wichtig ist, das der Wasserbehälter hier, in den die Siphones gesetzt werden, immer wieder nachgefüllt wird. Ich empfehle, einer spritzt, zwei pumpen, zwei laufen, um Wasser zu holen. Wir üben hier und heute ausschließlich eure Koordination. Erstens könnt ihr für einen längeren Betrieb nicht so viel Wasser heranschaffen und zweitens wollen wir den Hof auch nicht unter Wasser setzen. Der eigentliche Anwendung findet auf einem ausgelagerten Übungsgelände statt. Also dann: Wasser marsch!"

    Er kniff die Augen zusammen, als einer der Tirones ausspuckte, weil er nicht wusste, wie er die Aktion bewerten sollte. Ihr wohnte etwas Abfälliges inne. Da die Reaktion aber nicht in seine Richtung ging, nahm er nur kurz Notiz und fuhr mit der Ausbildung fort.

    "Die gegenseitige Verletzungsgefahr ist bei einem Speer deutlich höher, also Konzentration bei der Ausführung der Befehle. Rückt ein Stück auseinander, damit ihr Armfreiheit habt." Er wartete, bis die Gruppe zur Ruhe kam. "Achtung! Pila sursum!" Er hoffte auf möglichst wenig Gehakel. "Pila inclinite!" Sein Blick glitt über die Linie. Bei manchen Männern verweilte er länger, andere führten die Befehle korrekt aus.

    "Der folgende Befehl bringt die Waffe in Abschussposition, aber ohne dass der Sperr jetzt abgesetzt wird. Wir simulieren! Außerdem habe ich vorhin erklärt, dass es für den Abwurf ein separates Kommando gibt. Aber zunächst: Pila sursum!" Wer jetzt nicht aufpasste, würde sich Ärger einhandeln. Trotzdem ging der Optio zur Sicherheit aus der Wurfrichtung.

    "Tollite pila!" Solange der Optio den Winkel des Wurfarmes bei jedem einzelnen korrigierte, mussten alle anderen ihren Speer in der Höhe halten. Die verweichlichten Ärmchen benötigten ohnehin Muskelzuwachs.


    In der Folge übte er die am heutigen Tag erlernten Befehle in schnellerem Tempo und so lange, bis sie weitgehend sicher saßen. Bei guter Ausführung wartete eine Verschnaufpause auf die Tirones. Jedes Murren quittierte er mit der Verlängerung der Trainingseinheit, aber schließlich zeigte er sich zufrieden.

    "Das Waffentraining ist für heute beendet. Ihr bringt alle Ausrüstungsgegenstände weg und erscheint pünktlich eine halbe Stunde später zum Löschtraining. Abite!"

    Der Tag fing vielversprechend an, denn entgegen seiner Vermutung monierte niemand das Marschieren, um warm zu werden. Es passierten keine Missgeschicke und auch keine absichtlichen Rempler, denn dafür besaß der Optio ein geschultes Auge. Herminius ließ die Gruppe zehn Runden im Hof marschieren, dann hob er die Stimme.

    "Consistite!" Er beobachtete, mit welcher Verzögerung die Einzelnen das Kommando umsetzten. Der Hörtest ergab keine Beanstandungen, also konnte es sich nur um Unaufmerksamkeit handeln.

    "So, jetzt nehmen wir das Schwert dazu. Hasta ablegen, erneut aufreihen uuuuund..." Er wartete, bis alle wieder korrekt standen.

    "Aequatis passibus pergite!" Nach wenigen Schritten rief er "Ad sinistram!" Nach der Reihe sollte sich jetzt wieder eine Linie gebildet haben und niemand konnte seinen Vordermann mit dem Schwert verletzen. "Consistite! Gladios stringite! Ausfallschritt nach vorn, zurück und Gladios condite!" Mit dem Ausfallschritt beabsichtigte der Optio, den Tirones das sichere Gefühl für den Platz der Scheide zu nehmen, denn im Einsatz würden sie auch nicht stillstehen und trotzdem mussten sie zielsicher das Schwert wegstecken können. Die Kommandos wiederholten sich so lange, bis auch der letzte halbwegs koordiniert wirkte.

    Er stoppte schließlich bei "Gladios condite!" und fügte an "Hasta aufnehmen und in aciem venite!" Er hoffte auf ein zügiges Antreten in einer Linie, nachdem zusätzlich die Speere geholt wurden.

    Am zweiten Tag verlief das Antreten nahezu komplikationslos. Herminius zeigte sich zufrieden, wäre es aber nicht gewesen, wenn er das Tuscheln bei den Tirones bemerkt hätte. Er glaubte, alles sei in bester Ordnung und den Befehl zum Strammstehen musste er nicht geben. Die Gruppe stand. Das angedrohte Kontrollieren der Kleidung sparte er sich, denn am zweiten Tag sollte es noch keine Ausfälle geben. Selbst an Schwert und Speer hatten alle gedacht.


    "Neuer Tag, neue Befehle. Das Schwert, Gladios, tragt ihr rechts. Der Speer, Pila, wird bei uns auch Hasta genannt, aber beim Befehl heißt es grundsätzlich Pila, denn wenn wir zu Kampfeinsätzen angefordert werden, erzeugen verschiedene Bezeichnungen Durcheinander, also machen wir es einheitlich."

    Er ging zwei Schritte, hielt inne und fuhr fort.

    "Wenn ich später sage 'gladios stringite!', dann zieht ihr blank. Wenn ich sage 'gladios condite!', steckt ihr das Schwert in die Scheide." Er sah sich um, ob alle den Eindruck machten, verstanden zu haben.

    "Die Speere senkt ihr bei 'pila inclinite!', ihr haltet sie hoch bei 'pila sursum!' und ab mit ihnen bei 'pila dorsum!'. Wir marschieren anfangs ein paar Runden, danach trainieren wir an Übungswaffen. Die eigentlichen Waffen sind erstens scharf und zweitens zu schade für Anfängerstümpereien."

    Er stellte sich zurück an seinen Platz und straffte sich.

    "Ad dextram!" Die Gruppe drehte sich und alle standen hintereinander aufgereiht. "Aequatis passibus pergite!"

    Wie angekündigt, erwartete Optio Herminius die Tirones am Folgetag zur gleichen Stunde. Sie sollten in voller Ausrüstung kommen und er hoffte, dieses Mal weniger Anlass zur Kritik zu bekommen. Vor ihnen lag ein straffes Programm. Die Vigiles brauchten nachrückende Einsatzkräfte, wobei viele die Ausbildung nicht bestanden. Herminius plante, zügig auszusieben, um seine Zeit nicht an Versager zu verschwenden. Er sah voraus, dass Bas durchfiel und Milon ein guter Feuerwehrmann werden würde.

    Wie immer wartete er breitbeinig in der Mitte des Hofes, die Arme vor der Brust verschränkt, die Zeit im Blick, denn heute erlaubte ein wolkenloser Himmel den ungetrübten Blick auf den Sonnenstand.

    Während Milon und Bas diskutierten, entfernte sich Optio Herminius von ihnen. Er suchte den Stapel an Löschutensilien auf, die heute Gegenstand der Ausbildung sein sollten, bückte sich und zog eine Wachstafel hervor. In seine Notizen vertieft, bemerkte er Milon erst, als der vor ihm stand. Er klappte die Wachstafel zu und hörte sich die Erklärungen an. Er fand die Begründung des wiederholt geäußerten Hungers anfangs fragwürdig, weil Milon nicht aussah, als sei er unterernährt, aber er schätzte dessen Einsatz für seinen Freund, der es in den Augen des Optio nicht verdiente.


    "Ich honoriere deine Entschuldigung", antwortete er. "Entschuldigungen kommen nicht allzu oft vor. Stattdessen erlebe ich tagtäglich Ausflüchte und Rechtfertigungen." Er überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. "Die Meisten kommen aus ärmlichen Verhältnissen und es braucht Zeit, um sich an die Verlässlichkeit der Mahlzeiten und die sichere Bleibe zu gewöhnen. Viele schrecken nach Monaten noch schweißgebadet aus dem Schlaf, weil sie Erinnerungen an Vergangenes quälen. Insofern kann ich das verstehen. Ich kann aber aus Prinzip kein Chaos während der Ausbildung dulden." Das Verhalten musste Konsequenzen haben, um einen Lerneffekt zu erzielen.

    "Die Ausbildung ist für heute beendet. Schnapp dir deinen Freund, wenn er deiner ist, und reinigt am Nachmittag die Latrinen. Dann will ich den heutigen Vorfall vergessen und wir beginnen morgen noch einmal von vorn. Gleiche Stunde hier im Hof, aber dann mit der vollen Ausrüstung. Wegtreten Tiro."

    Sim-Off:

    Eine Strafe musste sein und beim Latrinenreinigen fällt es dem Optio nicht auf, dass Bas kaum belastbar ist. Macht das einfach und bis zur Heilung müsst ihr eben improvisieren.


    Optio Herminius hatte sein Urteil über beide Tirones gefällt: Während er Milon für anständig hielt, sah er in Bas einen Störenfried und Lustlosen. Mit dieser Erkenntnis schnappte er sich die Löschutensilien und brachte sie zurück ins Lager.

    Herminius runzelte die Stirn.

    "Warum hast du dich eigentlich rekrutieren lassen", fuhr er Bas an. "Du passt nicht auf, störst die Ausbildung mit Reden und führst Befehle unzureichend aus. Wenn du keine Lust hast, dort ist der Ausgang!" Sein Arm wies Richtung Wachposten. "Vorher gib aber alle Ausrüstungsgegenstände wieder ab. Abzahlung ohne Anstellung und Verdienst wird ja kaum möglich sein."

    Anders als mit Lustlosigkeit konnte Herminius das Benehmen beider nicht deuten. Der eine sprach ständig vom Essen, was am ersten Tag noch verständlich war, aber der andere ließ Fleiß, Willen und Einsatz vermissen.

    "Feuerwehrleute mit deiner Arbeitshaltung bringen eher ihre Kameraden in Gefahr, als dass sie hilfreich bei der Brandbekämpfung sind. Am Ende muss man sie noch retten anstatt die eigentlichen Opfer." Er kannte Vigiles dieser Art und viele von ihnen lebten nicht mehr.

    "Mal im Ernst, würdet ihr euch einem Kameraden, den ihr nicht kennt und der sich so verhält wie ihr, euer Leben anvertrauen?" Er sah von Bas zu Milon und wieder zurück. "Oder anders herum: Was glaubt ihr, wie euch Brandopfer sehen, wenn sie erleben, dass ihr mitten im Einsatz plötzlich essen wollt oder aufhört, eurem Auftrag nachzugehen?" Auf die Antworten zu seinen Fragen wartete Herminius gespannt.