Es folgte noch ein weiteres Dutzend Sklaven, die innerhalb der nächsten Minuten eintrafen. Schließlich betrat Araros den Raum. Der schmächtige alte Mann war zwar als Sklave zu erkennen, strahlte als Maiordomus aber zugleich eine gewisse Autorität aus. Kurz räusperte er sich, um die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu ziehen. Er sprach dann mit seiner angenehmen Stimme. "Salvete. Ich grüße euch alle und freue mich, dass eure Herren dem Herrn Tacitus helfen. In den nächsten Wochen werdet ihr in den nötigen Sitten unterwiesen, um den Herrn als Diener bei einer Audienz zu unterstützen. Wie ihr sicher erkennen könnt, seid ihr deutlich mehr als zwölf. Es werden aber nur zwölf Sklaven benötigt. Das bedeutet, dass nur die besten von euch an der Audienz teilnehmen werden. Gebt euer Bestes, dass werdet ihr unseren Kaiser sehen dürfen. Und jetzt stellt euch bitte in zwei Reihen auf. Lasst einen passus zwischen der hinteren und der vorderen Reihe Platz. Größere Sklaven nach hinten, kleinere nach vorne. Es soll ja schließlich jeder und jede gesehen werden." Araros wartete, bis alle sich passend aufgestellt hatten, bevor er weitersprach. "Gut. Wenn ich es euch sage, werdet ihr euch verbeugen. Ich erkläre euch, wie. Nehmt die rechte Hand vor den Bauchnabel. Handfläche nach innen, Finger ausgestreckt und zusammen. Danach legt ihr die linke Hand genauso auf die rechte Hand. Und dann einfach nach vorne beugen, bis der Oberkörper parallel zum Boden ist. Das heißt, dass der Oberkörper am besten an jeder Stelle gleich weit vom Boden weg ist. Wenn ihr euch verbeugt, schaut ihr nach unten. Egal, was passiert, der Blick bleibt nach unten gerichtet. erst, wenn euch jemand etwas anderes sagt, dürft ihr nach oben blicken. Alles verstanden?" Dabei schweifte sein Blick über die Anwesenden. Da er den einen oder anderen fragenden Blick sah, nahm er das als Frage an. "Ich meine das so." Er führte die Verbeugung vor. Dann drehte er sich zur Seite und führte die Verbeugung noch einmal vor. "Alles klar? Gut so."
Nachdem er mit seinen Ausführungen fertig war, wartete er kurz und sah Begoas, der ihm ein Zeichen gab. "Alle verbeugen!" rief er deutlich vernehmbar.
Kurz darauf betrat ich den Raum. Begoas war von mir angewiesen worden, Araros zu signalisieren, dass ich auf dem Weg war. Natürlich war ich in der seidenen Gelehrtengewandung aus Serica gekleidet. Das schwarze Obergewand wehte leicht, während ich schnellen und doch leisen Schrittes ins Atrium ging. Ich sah mir die Gruppe an und nickte Araros kurz zu. Dann Schritt ich die Reihen ab. Vor jeder Sklavin oder Sklaven blieb ich kurz stehen, bevor ich weiterging. Schließlich schritt ich auch die zweite Reihe ab. Danach ging ich wieder nach vorne und blieb in drei Schritt Abstand stehen. "Erhebt euch." Ich zeigte auf zwei der Anwesenden Sklaven. "Du und du. Ihr habt mich angesehen, als ich vor euch stand. Ich danke euch für eure Anwesenheit, doch kann ich mit euch nicht arbeiten, wenn ihr selbst eine so einfache Anweisung nicht fehlerfrei ausführen könnt. Meldet euch bei der Porta ab. Dort werdet ihr die zwei Denare für eure Herren erhalten und aus der Liste gestrichen. Valete bene." Ich blieb regungslos und sehr gerade stehen, während die beiden Sklaven das Atrium verließen. Nachdem sie gegangen waren, sprach ich weiter. Meine Stimme war sanft, aber ich hatte in Serica gelernt, trotz sanfter Sprache mit Autorität aufzutreten. "Liebe Sklavinnen und Sklaven, ich stehe vor euch als Gesandter des Reiches Hàn. Das ist der Name, den Serica bei seinen Einheimischen trägt. Da ich hier als Gesandter auftrete, werdet ihr mich so ansprechen, wie es mir in Hàn zusteht. Ihr nennt mich entweder Yúnshǐ, was 'Gesandter Yún' bedeutet, oder Yúnzǐ, was 'Meister Yún' bedeutet. In Hàn wurde mein nomen gentile zu Yún verkürzt. Wenn ihr Probleme mit der Aussprache habt, ist das erst einmal nicht schlimm. Das muss nicht auf Anhieb klappen. Damit alles reibungslos funktioniert, werden wir ein paar Regeln benötigen, an die sich alle halten. Wenn jemand eine Frage an mich hat oder sonst etwas sagen möchte, wird sich diese Person kurz verbeugen und dann darauf warten, dass ich ihn oder sie bitte, zu sprechen. Dann wird kurz vorgetragen, worum es geht. Ich werde danach entscheiden, wie weiter verfahren wird. Wenn ich eine Pause verkünde, könnt ihr euch im Atrium frei bewegen und miteinander unterhalten. Wenn ich das Ende der Pause verkünde, werdet ihr euch wieder hier aufstellen, wie gerade jetzt, und dann kurz verbeugen. Haben das alle verstanden?" Meine Stimme war weiterhin sanft, doch zeigte ich keine Emotionen. Ich stand kerzengerade da, die Arme in meinen weiten Ärmeln verschränkt, und wartete auf Fragen.