Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Begoas führte die Neuankömmlinge ins Atrium. Gut ein Dutzend Sklavinnen und Sklaven war bereits versammelt, die in kleinen Grüppchen zusammen standen. Malachi, der ehemalige Gladiator und Custos Corporis stand in der Nähe des Tablinums und passte auf, dass sich alle benahmen. Am Rand des Atriums stand ein Tisch mit Tonbechern und Wasserkrügen. Die Sklaven konnten sich daran bedienen, worauf sie hingewiesen wurden, wenn Begoas sie hineinführte. Ansonsten gab es zunächst keine Befehle oder Regeln, die den Sklaven mitgeteilt wurden. Ein paar der anwesenden Sklaven nutzten das, um sich miteinander über ihre Herren auszutauschen, andere standen etwas verloren da und versuchten, aus der Situation das Beste zu machen.

    Aias hatte Dienst an der Porta und öffnete die Tür. Er musterte die beiden einen Moment lang mit seinen Blicken. "Seid ihr Sklaven und meldet euch zur Unterweisung an? Wenn ja, wie lauten eure Namen und wer ist euer Herr?" Dabei öffnete er eine Wachstafel, ließ die beiden aber nicht aus den Augen.

    "Mit fremdem Eigentum gehe ich immer besonders pfleglich um." Das Augenzwinkern und hämische Grinsen ignorierte ich. Mit einem kräftigen Händedruck besiegelte ich das Geschäft, während ich im Kopf durchzählte, auf wie viele Sklaven ich jetzt kam. Mehr als zwanzig, das musste reichen, um noch ein wenig aussieben zu können. "Deine Sklaven sollen sich am nächsten dies Iovis in der Domus Iunia einfinden." Ich wartete, ob Pinus noch etwas sagen wollte. Falls nicht, würde ich mich höflich verabschieden.

    Den Sklaven beachtete ich nicht weiter, sondern sprach zu Pinus. "Nun, wie ich bereits erwähnte, hat mich der Kaiser von Serica zu seinem Gesandten gemacht und mich damit beauftragt, unserem Imperator Caesar Augustus Grüße und Geschenke zu überbringen. Als serischer Gesandter bin ich aber daran gebunden, diese Übergabe gemäß den Riten von Serica zu vollziehen. Das bedeutet vor allem, dass ich als serischer Beamter des dritten Ranges - das ist ein sehr hoher Rang - auf gar keinen Fall Geschenke herumtragen werde oder diese von ihrem Aufstellort bei der Audienz zu dem Ort, an dem ich zu stehen habe, bewegen werde. Dazu benötige ich die Sklaven - für jedes Geschenk genau einen Sklaven. Die Sklaven müssen vorzeigbar sein, schnell lernen können und eine gewisse Eleganz an den Tag legen. Die Gens Iunia verfügt nicht über genügend Sklaven mit diesen Eigenschaften, deshalb bin ich unter anderem bei dir, werter Aurelius. Ich benötige Sklaven, die mich zur Audienz begleiten."


    Natürlich war das noch nicht alles. "Damit die Sklaven mir aber keine Schande bereiten, muss ich sie zuvor in den Riten - damit meine ich die serischen Riten - für eine Audienz angemessen unterweisen. Das wird etwas Zeit in Anspruch nehmen. Aktuell plane ich mit fünfzehn Tagen. An jedem dieser Tage haben die Sklaven von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Domus Iunia zu sein, um unter meiner Aufsicht zu üben. Dazu müssen die Sklaven natürlich so weit ausgeschlafen sein, dass die meine Anweisungen schnell verstehen. Hinzu kommt der Tag der Audienz. An diesem Tag müssen die Sklaven absolut fit sein." Hier würde ich auch keine Kompromisse machen.


    "Was den Preis für die Miete anbetrifft, habe ich mir genau überlegt, bis wohin es sich noch lohnt, Sklaven zu mieten, und ab wann sich freie Peregrini eher lohnen. Ein einfacher Lehrer für Kinder kostet 50 Denare monatlich. Wir wären also in etwa bei zwei Denaren je Tag, die ich als Referenz nehme. Weil ich ein großzügiger Mensch bin, biete ich deshalb einen Aureus, somit 25 Denare, für die 15 Tage je Sklave biete. Darüber hinaus werden die Sklaven bei mir und auf meine Kosten verpflegt. Die Zahlung erfolgt am zweiten Tag der Unterweisung und müssen nicht zurückerstattet werden, wenn sich der Sklave als unfähig erweisen sollte. Sollte sich das am ersten Tag erweisen, werden lediglich zwei Denare gezahlt. Darüber hinaus ist der volle Aureus zu erstatten, wenn der Sklave durch eine zu starke Beanspruchung deinerseits nicht mehr fähig ist, ordentlich zu lernen." Das waren schon einmal die grundlegenden Bedingungen. Und nun kam das besondere Extra. "Die Sklaven, die ich für geeignet halte, an der Audienz teilzunehmen, werden von mir entsprechend eingekleidet. Die Kleidung verbleibt ihnen anschließend als Peculium." Natürlich war mir klar, dass das Peculium Eigentum des Herrn war, auch wenn die meisten gegenüber ihren Sklaven großzügig waren. "Hinzu kommt ein Bonus in höhe von einem Aureus je Sklaven für den Herrn, in dem Fall also dich. Und, da man es den Sklaven nicht effektiv verbieten kann, wirst du auch Informationen zur Audienz aus erster Hand erhalten. Wobei ich dich darauf hinweisen muss, dass noch kein Termin für die Audienz feststeht."


    Nachdem mir der Sklave mein Getränk gebracht hatte und ich einen Schluck genommen hatte - sehr guter Essig als Basis - sprach ich weiter. "Trifft das deine Erwartungen? Oder hast du Fragen oder Einwände?"

    "Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Aurelius. Die Reise nach Serica war lang, gefährlich, teils lebensgefährlich, und mit großen Entbehrungen verbunden." Das war eine recht gute Beschreibung des Hinwegs nach Serica, fand ich. "Aber das war es wert. Ich habe Wunder der Natur gesehen, die mich in Erstaunen versetzt haben. Die höchsten Berge, die ich je erblicken durfte. Dann das Tal des Huáng Hé und die fruchtbaren Ebenen des östlichen Serica. Ich sah die alte und die neue Hauptstadt von Serica, weitere große Städte, mir unbekannte Architektur. Waren, die für uns exotisch sind, sind dort alltäglich. Und umgekehrt. Vor allem aber hatte ich das Glück, neue Freunde in der Ferne zu finden und neue Philosophien zu erlernen. Und schließlich eine Audienz beim Kaiser von Serica erhalten, der mich zu seinem Gesandten machte. Wie war also die Reise? Interessant, manchmal entbehrungsreich, doch zugleich unglaublich lehrreich." Ob er damit etwas anfangen konnte, wusste ich nicht. Auch wenn ich dabei nicht lächelte, konnte man das Leuchten in meinen Augen sehen.


    "Ein Glas Posca würde mich erfreuen," beantwortete ich die Frage nach Getränk oder Speise. Natürlich war Posca ein unglaublich simples Getränk, und doch genügte es mir. Durch die Wahl des Essigs konnte man auch aus diesem etwas besonderes machen. "Doch wenn du gestattest, würde ich mich zunächst dem geschäftlichen Teil widmen." Das musste Pinus natürlich nicht, daher hatte ich es höflich vorgetragen.

    Von der Porta kommend folgte ich dem Sklaven in diesen Raum. Da meine Sohlen nicht benagelt waren und ich in Serica gelernt hatte, möglichst kein Geräusch zu machen, waren meine Schritte fast lautlos. Der Raum, in den ich geführt wurde, war definitiv kein Tablinum. Das war ungewöhnlich. Aber gut, das war die persönliche Entscheidung des Aureliers. Ich glaubte, noch den Schatten einer Person zu sehen, die den Raum verließ, doch konnte ich mich darin auch getäuscht haben.


    Im Raum sah ich einen jungen Mann, jünger, als ich erwartet hätte. Er war kleiner als ich, athletisch gebaut und elegant gekleidet. Er musste wohlhabend sein. Das ließ nur die Folgerung zu, dass es sich um den Hausherrn handelte. Da ich als Gast hier war, erwartete ich, dass entweder der Sklave uns einander vorstellte, oder der Hausherr sich selbst vorstellen würde. So oder so, es war nicht an mir, die ersten Worte zu sprechen.

    Eine so tiefe Verbeugung vor mir hatte ich zuletzt in Serica erlebt. Ich selbst erwiderte sie durch ein leichtes Neigen meines Hauptes. "Richte dem edlen Herrn Aulus Aurelius Pinus aus, dass Aulus Iunius Tactitus in seiner Eigenschaft als serischer Gesandter hier ist, um mit ihm, wie in unserem Briefwechsel besprochen, Möglichkeiten und Details einer temporären Überlassung von Sklaven an mich zu diskutieren. Und richte ihm ferner aus, dass ich bedaure, diesen Termin nicht angekündigt zu haben und es verstünde, wenn der edle Aurelius Pinus im Moment keine Zeit für mich haben sollte. In diesem Fall ersuche ich um zwei, drei Terminvorschläge."

    Einige Tage, nachdem ich die Antwort auf meinen Brief erhalten hatte, fand ich die Zeit, bei Aurelius Pinus vorbeizuschauen, um über die Details der möglichen Leihe - oder eher Miete - von Sklaven zu sprechen. Da ich mich aktuell noch immer als Gesandter des Reiches Hàn sah, hatte ich mich entsprechend gekleidet. Nicht in Hofkleidung, weil das zu viel gewesen wäre, aber in die Kleidung eines serischen Gelehrten. Von der Unterkleidung aus weißer Seide sah man nur die Enden der Hosenbeine und die Strümpfe. Der Rest war aus schwarzer Seide. Das lange Gewand mit den weiten Ärmeln, der handbreite schwarze Gürtel, an dem ein Siegel aus grüner Jade hing, die geschlossenen, viereckigen Schuhe und die typische schwarze Kopfbedeckung. In Hàn würde man mir dafür sofort höchsten Respekt zollen, hier hingegen war ich damit wohl eher ein sehr dekadenter Fremder.


    Komplett wurde das Bild durch den Spazierstock aus Teakholz mit bronzenem Knauf und bronzener Spitze. Und genau mit diesem Stock, genauer gesagt, mit seinem Knauf, klopfte ich nun gut vernehmbar an die Tür. Denn warum sollte ich den Türklopfer verwenden, den wohl schon tausende Menschen mit ihren Händen berührt hatten?

    Ein iunischer Sklave warf einen Brief ein. Dieser war weder auf eine Wachstafel, noch auf Pergament oder Papyrus geschrieben, sondern auf chinesischem Papier.


    Aulus Iunius Tacitus

    Aulo Aurelio Pino


    Salve Aurelius Pinus,


    Wir sind uns noch nicht begegnet, daher erlaube mir, mich zunächst vorzustellen. Ich bin Iunius Tacitus und ich habe vor einigen Jahren als Jurist deinen Verwandten Titus Aurelius Romanus beraten. Mein Vater hatte deine Gens ebenfalls öfter mit seinem juristischen Sachverstand gedient. Allerdings schreibe ich dir nicht als Jurist oder als Mensch, der eine Anstellung sucht.


    Um mich kurz zu halten, will ich nur erwähnen, dass ich in den letzten Jahren nach Serica gereist bin und vom dortigen Kaiser zum Gesandten ernannt wurde mit dem Befehl, dem Imperator Caesar Augustus Grüße und Geschenke zu überbringen. In Ermangelung von eigenem fähigen Personal in hinreichender Menge frage ich nun jene, die über herausragendes Personal verfügen, ob sie mir für die mit meiner Aufgabe verbundene Audienz einen oder einige ihrer Sklaven zur Verfügung stellen können. Ich verfüge über hinreichende Mittel, um diese zu mieten. Allerdings sollte sich die Miete im marktüblichen Rahmen bewegen.


    Falls du gewillt sein solltest, einen oder einige deiner Sklaven für ein paar Tage zu vermieten, bitte ich dich, mir einen Termin für ein Treffen in deiner Villa vorzuschlagen und mir eine entsprechende Nachricht in der Domus Iunia zukommen zu lassen. Bei dem Treffen können wir alle weiteren Details besprechen.


    Vale


    Siegel Aulus Iunius Tacitus - Gesandter des Reiches Han

    "Die Möglichkeit besteht durchaus. Reisen eröffnen neue Horizonte. Nicht nur, was den physischen Horizont anbetrifft. Sobald wir uns einige Meilen bewegt haben, ändert sich die Landschaft und der Horizont sieht anders aus. Nein, auch der geistige Horizont ändert sich. Bereits innerhalb des Imperiums merkt man, dass die Menschen, ihre Traditionen und Werte sich ändern. Im Norden, an der Grenze zu Germanien, ist ein ordentlicher Einschlag der germanischen Kultur bemerkbar. Im Osten hat man vor allem die griechischen Kulturen präsent, während im Süden noch das Ägyptische dazu kommt. Aber jenseits der Grenzen, wo es keinen kulturellen Einfluss von Rom mehr gibt, da sind die Kulturen teilweise sehr unterschiedlich. Diese Kulturen und Länder zu erleben und sich mit ihnen auszutauschen, erweitert den eigenen geistigen Horizont stark. Und wenn man dem gegenüber offen ist, lernt man viel und ja, vielleicht wird man dadurch zu einem weisen Meister." Ich pausierte kurz, fügte dann aber noch etwas hinzu. "Ich musste selbst lernen, dass Wissen aus Büchern zwar hilft, man aber am meisten von Menschen anderer Kulturen lernt."


    Inzwischen kam Begoas und stellte uns Schüsseln aus serischer Keramik hin. Sie waren fast weiß und außen mit einem roten Drachen bemalt, der sich um die Schale schlängelte. Hinzu kamen ein Paar bronzener Stäbchen für jeden. Dann stellten Küchensklaven mehrere römische Keramikschüsseln mit Essen auf den Tisch. In einer Schüssel war ein weißes Getreide, das hier noch unbekannt war. Reis. In vier Schüsseln befanden sich heimische Gemüse, vor allem Möhren und Pastinaken, gekocht und in mundgerechte Stücke geschnitten und in exotisch duftenden Soßen eingelegt. Zum Schluss wurde noch je eine Schüssel mit mundgerechten Stückchen Schweinefleisch in süß-scharfer Soße und Rindfleisch in süß-saurer Soße hingestellt. In allen Schüsseln waren Löffel, um das Essen in die noch leeren serischen Schüsseln, die vor uns standen, zu befördern.


    Ich nahm meine Stäbchen mit der rechten Hand, so dass ich mit ihnen problemlos Essen greifen konnte. "In Serica isst man mit Stäbchen. Wenn du sie so nimmst, wie ich, kannst du damit das Essen greifen. Die Soßen sind serisch und unterschiedlich gewürzt. Das Gemüse dort ist in einer pikanten Soße," dabei zeigte ich auf eine Schüssel mit einer tiefbraunen Soße, "das dort ist eine sehr fruchtige, leicht scharfe Soße," dabei zeigte ich auf die nächste Schüssel, "und die anderen beiden haben die gleichen Soßen, wie das Fleisch. Das Schwein ist in süß-scharfer Soße, das Rind in süß-saurer Soße. Ich hoffe, dass es dir schmecken wird. Und noch ein Tipp zum Reis. Normalerweise isst man ihn mit der Hand, aber da er klebt hat man auch eine Chance, ihn mit Stäbchen zu essen."

    "Magier? Nicht, dass ich wüsste." Nein, davon war mir nichts bekannt. "Aber zum Partherreich kann ich etwas sagen. Es ist zwar geschwächt, aber immer noch gefährlich. Im Osten grenzt es an die Kuschana, die ich zwar als friedlich erlebt habe, die aber auch kriegerisch sein können. Jedenfalls haben sie ein großes Gebiet erobert, das vorher von den Nachfahren der Griechen, die mit Alexander dem Großen nach Osten gezogen sind, beherrscht wurde."


    Zu Indien konnte ich weniger sagen. "Was Indien anbetrifft, so kenne ich nur die vorgelagerte Insel Taprobana, die aber von den Einwohnern Lanka genannt wird. Und dann kenne ich noch Muziris an der Südspitze Indiens. Ich weiß nicht, ob das Reich dort nun Chera oder Tamilakam heißt. Vielleicht ist eins von beiden der Name des Herrschers. Ihre Sprache beherrsche ich nicht, deshalb konnte ich niemanden fragen. Ich weiß auch nicht, ob sie über ganz Indien herrschen oder nicht. Sie treiben auf jeden Fall Handel mit uns und von Dort kommen Pfeffer, Nelken, Zimt und viele andere Gewürze. Auch Edelsteine gibt es dort reichlich. Es ist ein reiches Land."




    Sim-Off:

    Das Mogulreich gab es erst seit 1526. Allerdings leitet sich der Name wohl von "Mongole" her. Ob die sich bereits im 2. Jh. n. Chr. so bezeichneten, weiß man nicht. Die großen Eroberungen der Mongolen waren aber erst im Mittelalter. Die Kuschana kamen aber wohl auch aus der zentralasiatischen Steppe, waren aber indogermanischen Ursprungs und vermutlich mit den Skythen verwandt oder ein Teilstamm der Skythen.

    "Nun, das kann ich so ganz nicht stehen lassen. Beide Reiche haben Dinge, die im anderen Reich fehlen oder zumindest nicht so weit entwickelt sind. Diese Ummantelung der Tasse zum Beispiel haben wir hier nicht. Ebenso fertigt man dort Keramik, die feiner ist, als unsere, und fast weiß. Aber dafür gibt es in Serica keine Thermen, wie bei uns. Und es gibt dort auch nichts, was mit römischen Aquädukten vergleichbar wäre. Unsere Straßen sind besser, aber die serischen Kanäle sind unseren überlegen. Die Verwaltungen sind ähnlich effizient, aber doch anders aufgebaut. Ich denke, dass beide Reiche ebenbürtig sind." Ich nahm einen Schluck von meinem Tee, der inzwischen leider fast schon kalt war. Aber er stand ja auch schon auf dem Tisch, bevor Paullus hier ankam. "Die Reiche zwischen Rom und Serica aber, die erscheinen mir etwas unterhalb unserer Entwicklungsstufe zu sein. Ja, Parthien ist ein mächtiges Reich mit großen Schätzen. Ebenso Indien. Aber doch fehlt ihnen das letzte Stück Zivilisation, das Rom und Serica auszeichnet. Die Serer nennen unser Reich übrigens Dàqín, was 'großes Qín' bedeutet. Qín war der Name des Königreichs, dessen Herrscher vor den jetzt herrschenden Hàn über Serica geherrscht haben. Und sie nennen ihr Land offiziell nach der Herkunft ihrer Herrscherdynastie. In vielen Gegenden der Welt wird Serica aber immer noch nach den Qín benannt, weshalb man es auch gerne einmal als 'China' bezeichnet. Oder 'Sina'. Damit haben wir nach der Philosphie der Serer zwei Reiche, die das Gleichgewicht der Welt garantieren. Rom im Westen der bekannten Welt und Serica im Osten der bekannten Welt. Beide Reiche sind von gleicher Bedeutung für das kosmische Gleichgewicht."

    "Nun, du hast mich nicht gestört. Schließlich habe ich dich eingeladen, die Tage einmal abends vorbeizukommen, und du hast die Einladung angenommen. Da war es erwartbar," sagte ich freundlich lächelnd. "Ich lasse Zeit nur ungern ungenutzt, deshalb übe ich, wann immer es geht, serische Texte zu schreiben. Es gibt ziemlich viele serische Schriftzeichen. Um die neuntausend sollte ich beherrschen, aber aktuell sind es vielleicht viertausend, die ich ohne viel nachzudenken schreiben kann. Die serische Sprache ist zwar recht leicht zu lernen, aber sehr schwer zu schreiben."


    Ich beendete noch den Satz, den ich zu schreiben angefangen hatte, und legte dann den Pinsel beiseite. Währenddessen kam Begoas mit einer Tasse, die ein aromatisch riechendes, klares, gelblich-grünes Getränk enthielt, welches dampfte. Grüner Tee. Die Tasse war aus mit serischem Lack verziertem Holz. Sie glänzte so, dass man sich fast darin spiegeln konnte. Von der Maserung des Holzes war nichts mehr zu sehen.


    "Die Serer nutzen das Harz eines Baumes, um Dinge mit dieser dekorativen, glänzenden Schickt zu verzieren. Mir gefällt, dass dieses Material eine gewisse Wärme ausstrahlt. Das Getränk wird von den Serern gerne getrunken. Es wirkt belebend, auch wenn es ein wenig bitter schmeckt." Ich hob meine Tasse.

    "Der ehrenwerte Paullus." Araros öffnete die Tür und ließ den Gast hinein, wobei er zuvor noch ein Glöckchen läutete. "Der Herr wird sich freuen, Euch zu sehen."


    Kurz darauf betrat ein junger Sklave die Fauces und verbeugte sich.


    "Das ist Begoas, er wird Euch zum Herrn bringen," erklärte Araros.


    "Bitte, Herr, folgt mir," sagte Begoas und führte Paullus ins Tablinum.

    So lange ich der einzige Iunier vor Ort war und zudem noch vor allem als serischer Gesandter unterwegs war, hatte ich veranlasst, die Möbel aus dem Tablinum in einen Vorratsraum zu bringen und stattdessen das Tablinum so einzurichten, wie ich es als Gesandter für richtig hielt. So befand sich im Tablinum ein niedriger, gerade einmal kniehoher Tisch mit großer Fläche. An der dem Atrium abgewandten Seite, an der ich zu sitzen pflegte, war eine mit roter Seide überzogenes Sitzkissen. Auf der gegenüberliegenden Seite, die zum Atrium hin zeigte, befanden sich zwei mit blauer Seide überzogene Sitzkissen. Auf dem Tisch befanden sich sowohl Bögen serischen Papiers, als auch aus ägyptischem Papyrus, sowie eine Tuscheschale, ein Tintenfässchen, und zwei feine Pinsel. Das waren meine üblichen Schreibutensilien.


    Als mein Gast hereingeführt wurde, saß ich auf den Knien, so wie es in Serica üblich war, auf meinem Sitzkissen und kalligraphierte mit dicker Tinte einen serischen Text auf Papyrus. Auf dem Tisch stand noch eine Tasse mit grünem Tee aus Serica.


    "Der ehrenwerte Paullus ist hier, Herr," kündigte Begoas an, während er sich nach serischer Art tief verbeugte.


    Ich sah den jungen Sklaven und meinen Gast kurz an und deutete mit der rechten Hand auf die blauen Sitzkissen. "Paullus, ich danke, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Bitte setz dich doch." Dann sah ich wieder zu Begoas. "Lass das besprochene Essen anrichten. Und bring eine Tasse lǜchá für meinen Gast. Danke." Danach hatte Paullus meine volle Aufmerksamkeit. "Hast du gut hergefunden?"


    Begoas verneigte sich noch einmal tief und verließ das Tablinum in Richtung der Küche.

    "Das ist interessant. Andererseits würde ich als freier Mann auch lieber meine eigenen Waffen nutzen. Da weiß man, dass die Qualität stimmt." Das schien mir jedenfalls recht logisch. Ich nahm den letzten Schluck aus meinem Becher. "Wir sehen uns dann in den nächsten Tagen in der Domus Iunia." Ich nickte ihm zu und stand aus dem Sessel auf, wobei ich in der gleichen Bewegung meinen Spazierstock aufnahm.


    Die Bedienung kam auf uns zu, wobei ich ihr zu verstehen gab, dass ich bezahlte. Wie immer, zeigte ich mich mit dem Trinkgeld großzügig. Bevor ich ging, sprach ich Paullus noch einmal an. "Du solltest übrigens noch nichts gegessen haben, wenn du zur Domus Iunia kommst. Ich werde etwas Serisches machen lassen." Dann nickte ich ihm noch einmal zu und verließ die Taberna.