"Ja, das Thema ist interessant. Vielleicht können wir zu einem späteren Zeitpunkt einmal darüber diskutieren, vielleicht an einem gemütlicheren Ort."
Ich sammelte kurz meine Gedanken, um geordnet fortzufahren.
"Kommen wir nun zu weiteren Regeln der Auslegung, die wichtig sind. Manchmal kann es vorkommen, dass ein Fall nicht gesetzlich geregelt ist. Wir sprechen dann von einer Gesetzeslücke. Wenn wir auf eine Gesetzeslücke treffen, müssen wir zuerst ermitteln, ob sie möglicherweise beabsichtigt ist. Eine beabsichtigte Gesetzeslücke hat der Gesetzgeber deshalb offen gelassen, weil er diesen Sachverhalt für nicht regelungsbedürftig hielt. In diesem Fall sollen die Betroffenen eigenständig eine Regelung finden. Das kann auch vor Gericht sein. In diesem Fall muss der Richter eine Regelung finden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass ein vernünftiger Ausgleich der Interessen der Betroffenen gefunden wird. Gerne wird gesagt, dass mit einem solchen Ausgleich alle zufrieden sein sollen. Realistisch liegt ein fairer Ausgleich dann vor, wenn alle Betroffenen unzufrieden sind."
Ich grinste kurz.
"Allerdings sind solche beabsichtigten Lücken eher selten. Meistens sind Gesetzeslücken unbeabsichtigt. Dann sollten wir uns zuerst unsere Traditionen, vor allem den Mos Maiorum, ansehen. Wenn sich die Lücke so nicht schließen lässt, muss man sich in allen Gesetzen umsehen. Wenn es einen ähnlichen Sachverhalt gibt, der in einem anderen Gesetz geregelt ist, dann können wir eine Analogie herstellen. Aus dieser Analogie wird dann auch die Regelung abgeleitet. Am besten übernimmt man die analoge Regelung komplett. Wenn es weder nach Mos Maiorum, noch nach Analogie eine Regelung gibt, können wir uns noch die gesammelten Urteile der Prätoren ansehen. Dort könnte es einen, wenigstens analogen, Präzedenzfall geben. Falls es den auch nicht gibt, bleibt als letzte Möglichkeit die Füllung der Lücke im Sinne des Zwecks des Gesetzes, in dem die Lücke ist. Gibt es Fragen zu Gesetzeslücken?"