Beiträge von Iunia Matidia

    Böse Blicke. Leidende Laute. Sichtbar werdende Schmerzen im hübschen Hinterteil. Nichts half. Der sadistische Scriba ließ den verwöhnten Spross aus dem fernen Rom hier gnadenlos auflaufen, und es gab wenig, was Matidia mehr zur Weißglut brachte als so eine demonstrativ zur Schau getragene Gleichgültigkeit. Hätte er sich ihr entgegen gestellt (wie ein echter Mann aus ihrer Sicht), ergäbe sich zumindest ein unterhaltsames Wortgefecht, so aber fühlte sie sich ignoriert und es blieb ihr am Ende wenig, als einen Schmollmund zu zeigen.


    Dies änderte sich dann tatsächlich erst, als ein wenig Bewegung ins Officium kam. Jemand kehrte zurück, und ein erster Anblick zeigte schnell, dass es sich nur um einen handeln konnte. Dafür war sie hier!

    "Oh, dies könnte sich bald ändern!" lächelte sie gekonnt und erhob sich. Denn schließlich wollte sie hier bald ein und aus gehen. "Mein Name ist Iunia Matidia. Sisenna Iunius Scato sendet beste Grüße. Ich bin auf der Suche nach einer Unterkunft für mich und meine invalide Mutter." Sie fiel mit der Tür ins Haus aber ihr war auch klar, dass sie nicht viel Zeit hatte bei so einem Mann. Der passende düstere Gesichtsausdruck fand sich.




    Ein Soldat mit Leib und Seele. Das zumindest verstand Matidia. Die Worte des Mannes klangen natürlich eindrucksvoll, allerdings kam es sehr darauf an, wer diese aussprach. Nicht jedem nahm man so etwas so leicht ab, denn oft genug war das nur heiße Luft oder etwas, was man sich selbst gerne einredete. Jeder war doch gerne von festem Willen und selbstsicher genug, diesen auch zu vertreten und durchzusetzen. Sie selbst sah sich beispielsweise gerne so.

    Ein Hüne wie Sabaco aber, dem glaubte sie, dass er das ernst meinte und lebte. Sie schmunzelte ihn an.

    "So etwas trifft man nicht so oft. Es gibt viele von der anderen Sorte." Jene mit den honigtriefenden Fingern. "Aber ich schätze, dann weiß man bei dir auch direkt, woran man ist." Was das nun für diese Begegnung hieß, war unklar, aber da er es weder bei seinem Schal, noch bei dem nun im Anschluss freundlicherweise organisierten Tuch, beließ, sondern weiterhin stehen blieb und mit ihr sprach, wollte er sie wohl kennenlernen. Was ihr gefiel. So etwas gefiel ihr immer.


    Er sprach aber zunächst weiter. Sie nickte bei seiner Vermutung. "Den meine ich." Natürlich kannte er ihr, Militär eben. Vermutlich kannten sie sich alle, da sie ja auch im Kampf aufeinander vertrauen mussten. Oder so ähnlich, aber das war das typisch männliche Geschwätz, was ja Frauen anscheinend ohnehin nicht verstehen konnten. Matidia war sich sicher, dass sie das hätte nachvollziehen können, wenn sie denn gewollt hätte. Wollte sie aber nicht.

    Zunächst aber starrte sie auf seine ramponierten Zähne. Es ließ sich nicht vermeiden, dass diese Ruinen ihre Aufmerksamkeit kurz fingen, bevor sie sich wieder auf seine Augen konzentrierte. Was war da geschehen? Hatte er sich geprügelt? Sie hatte keine Ahnung, wie man so etwas zuordnen könnte.

    Es blitzte aber zunächst erneut in ihren Augen. Sie verstand die Worte sehr gut, die er da sagte. Sie schnaubte herausgefordert. "So kannst du es sehen. Vielleicht sieht es auch danach aus, aber ich übernehme jede Verantwortung für meine Familie. Das domus wird wieder hergerichtet, und wir werden es mit einem Fest feiern. Und bei der Villa geht es nicht um mich.", log sie, nur ein wenig. "Wir wurden überfallen, nicht weit von hier. Meine Mutter ist verletzt und braucht einen Ort, an dem sie sich auskurieren kann." Und das Lager zweier grillbegeisterter Junggesellen war kein Ort dafür. Zudem wollte sie wissen, dass ihre Mutter sich an einem sicheren Ort befand.


    Der Sklave kehrte indes eifrig und eilig zurück, zeigte Matidia ein Tuch und legte es ihr dann nach deren Nicken um, dann hielt er Sabaco die Münzen hin. "Von der Herrin.", sagte er unterwürfig, aber bestimmt. Die Unterbrechung ließ der jungen Römerin Zeit, den Soldaten weiter anzufunkeln. Wenn er keine Ahnung hatte, sollte er sich nicht anmaßen, über sie zu urteilen!

    Geschäftig eiligen Schrittes betrat die junge Frau das Büro. Sie schaute sich kurz um, ob sie hier auch richtig war und ob sie hier wirklich ihren Brieg aufgeben wollte, egal, was Scato gesagt hatte. Vertrauen war gut, Kontrolle aber besser. Zumindest zufrieden legte sie dann ihre Nachricht auf den Tresen. "Salve. Das hier muss schleunigst nach Roma. Es handelt sich um eine wichtige Familienangelegenheit." Sie schloss kurz die Augen, schlug sie dann mit einem halb traurigen, halb eindringlichen Blick wieder auf. "Eine Notlage, sozusagen.", hauchte sie noch dazu.


    Ad

    Aulus Iunius Tacitus

    Domus Iunia

    Roma


    De

    Iunia Matidia

    Domus Iunia

    Mogontiacum

    Provincia Germania Superior



    Salve, liebster Bruder,


    In Deinem letzten Brief hattest Du mir berichtet, dass Du wieder in Deine Heimat zurückkehren möchtest. Wie schön es doch gewesen wäre, hätten wir uns wieder einmal gesehen, statt immer nur diese Briefe zu schreiben. Leider kam es anders, wie Du vermutlich bereits gemerkt hast, und ich machte mich, zusammen mit Mutter, auf dem Weg nach Germania Inferior, um meinen schwer verletzten Verlobten zu besuchen. Eine vielleicht etwas wenig durchdachte Entscheidung, aber nach Vaters Tod war Mutter davon nicht abzubringen. Du kennst diese Willensstärke von uns beiden ja ganz gut.


    Eigentlich wollte ich mich nun als eine glückliche, mit ihrem Verlobten vereinte, Frau, die womöglich bereits sogar verheiratet wäre, bei Dir melden. Die Welt könnte soviel einfacher sein! Aber bedauerlicherweise meinte Fortuna es wieder nicht gut mit uns. Noch bevor wir Colonia Claudia Ara Agrippinensium erreichten, verstarb mein Zukünftiger, und wir waren letztlich vollkommen umsonst so weit gereist! Du kannst Dir unsere Enttäuschung vorstellen, und ich will nicht bestreiten, dass ich Mutter gegenüber recht laut wurde. Dabei meinte sie es doch nur gut, und inzwischen tut es mir leid.


    Denn ich komme zum eigentlichen Anlass meiner Nachricht. Wir machten uns recht umgehend auf den Rückweg, doch kurz vor Mogontiacum wurden wir überfallen. Zwar konnten die Wachen den Angriff zurückschlagen und es wurden nur Kleinigkeiten entwendet, aber Mutter wurde verletzt. Zum Glück kamen wir bald in die Stadt, wo ihr geholfen werden konnte, aber sie wird sicherlich den Winter hier verbringen müssen. Und ich mit ihr, in dieser schrecklich kalten Provinz. Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich sie Dir natürlich mitteilen, aber es geht ihr täglich besser. Wir sind hier gut untergebracht und haben auch entfernte Verwandte hier, Sorgen musst Du Dir also keine machen. Höchstens, dass ich zu einem grobschlächtigen Landei werde. Ich vermisse Roma!


    Ich hoffe, Du hast Dich in dort wieder gut eingelebt? Es wird Zeit, dass wieder bessere Zeiten für unsere Familie anbrechen.


    Deine Schwester,

    Matidia

    Auf dem Weg von der Porta schaute Matidia sich interessiert um. So ein Lager hatte sie noch nie von innen gesehen, die Gelegenheit ergab sich für eine junge römische Frau dann doch eher selten. Viel zu schauen gab es aber durchaus, eine Menge junger, kräftiger Männer, die sie mehr oder minder intensiv musterte. Ihren Mantel zog sie aber doch lieber ein wenig enger um ihre Schultern. Allerdings konnte sie sich auch nicht länger als nötig aufhalten und folgte dem Soldaten zur Principia, wo man schließlich in besagtem Vorzimmer landete.


    Der dort arbeitende Mann wirkte nicht gerade begeistert oder gastfreundlich, daher blieb auch die Iunierin reserviert. Den Wunsch des Soldaten kommentierte sie mit einem selbstbewussten "Hm!", dann setzte sie sich. Wackelte kurz auf dem Stuhl umher und seufzte dann vernehmlich. "Wie lange wird es dauern?", verlangte sie zu wissen. Das war ja nicht auszuhalten. Man könnte ihr wenigstens etwas zu trinken anbieten!

    Nachdem Scato ihr von seinem Onkel, welcher eine Villa in einem Militärlager bewohnte, erzählt hatte, verlor Matidia nicht allzu viel Zeit, um dort einmal vorbeizuschauen. Die domus iunia war zwar eigentlich ein schönes Gebäude, aber leider in keinem Zustand, der ihren Ansprüchen genügte, auch wenn man mit gar nicht einmal so viel Aufwand sicher viel daraus machen konnte. Die bewohnte Villa war dennoch erst einmal die bessere Option auf den ersten Blick, auch wenn sie sich gar nicht mehr so sicher war, je näher sie dem Militärlager kam. Umständlich wäre das hier irgendwie schon! Und auch wenn es sich erst einmal sicher anfühlte, zogen Schwerter auch gerne einmal feindliche Schwerter an, oder?

    Wie auch immer. Jetzt war sie schon einmal hier...

    "Salve! Mein Name ist Iunia Matidia und ich möchte zu Galeo Seius Ravilla.", sagte sie zu einem der Soldaten an der Porta. "Sisenna Iunius Scato schickt mich." Dabei hob sie ihre feingliedrige Hand mit dem Siegelring, der ihre Worte unterstrich. Ob so ein Soldat damit etwas anfangen konnte, war natürlich eine andere Frage.

    Matidia war sich ohnehin sehr sicher, wem hier die Aufmerksamkeit des Mannes galt, auch ohne, dass dieser sie mit seinem Tuch hätte markieren brauchen.

    Natürlich war die junge Duccierin bei ihr eine Bewohnerin des Hauses und damit nicht gänzlich zu ignorieren, aber Matidia war es nicht nur gewöhnt, Aufmerksamkeit zu bekommen, sie sorgte auch dafür, dass dies so blieb. Und wenn es dazu nötig war, eine sich an ihre Haut schmiegende Tunika und keinen weiteren Schal oder Mantel zu tragen, dann machte sie das eben auch. Es war nicht so unschicklich, dass man sie nicht mehr als ehrbare Frau ansehen konnte, aber eben sehr unpraktisch. Dafür erfüllte es ja seinen Zweck, denn der Decurio wäre wohl sonst kaum auf sie zugekommen. Und auch wenn sie sich jetzt unnahbar gab, gefiel ihr das selbstverständlich.


    Seine Erklärung, weshalb er sie nicht gefragt oder gewarnt hatte, war ungewöhnlich. Er hatte also auf ihre Empörung gehofft? Die Augenbraue blieb weiterhin oben, als ihr einer Mundwinkel kurz einmal nach oben zuckte, bevor sie sich wieder fangen konnte. Der Mann mochte wohl die Gefahr ebenso wie Herausforderungen. Und er wollte sich nicht von Blendereien wie den feinen Umgangsformen hinters Licht führen lassen.

    Das gefiel ihr.

    Es erinnerte sie an sich selbst, wie sie gerne tat und ließ, was sie wollte und höchstens später einmal um Entschuldigung bat. Wie sie Rom erkundete und dabei nicht viele Berührungsängste kannte. Wie sie ihre Neugier auslebte, weil das Leben in den Villen so eintönig sein konnte.

    Abgesehen davon war Sabaco ein zweifellos beeindruckender Mann. Groß, muskulös, kampferprobt, soweit sie das beurteilen konnte. Ihr Verlobter war deutlich älter gewesen, ebenfalls bei der Armee, aber sie könnte sich den Mann vor ihr nicht siechend auf einem Krankenlager vorstellen.

    "Du magst es also, den Unmut einer Frau zu erregen? Sollte ein Mann nicht andere ehrliche Emotionen hervorrufen wollen?" Die meisten Männer wollten ihr gefallen und verhielten sich entsprechend. Auf diese Weise hatte sich noch nie jemand vorgestellt, aber sorgte für ein Alleinstellungsmerkmal. "Willst du mir nicht ein etwas feineres Tuch bringen? Das wäre ein Anfang!" Die andere Braue hob sich ebenfalls und sie sah ihn herausfordernd an, während sie ihren Becher hob. "Dann könnten wir zusammen einen Wein trinken."

    Ein wenig ihrer kostbaren Zeit un Aufmerksamkeit als Lohn für seine Mühen war vermutlich sehr verlockend.


    "Rupa kenne ich noch nicht. Aber Scato hat mir die Domus gezeigt. Eventuell werde ich aber bei seinem Onkel unterkommen." Ihr wurde klar, dass sich diese Villa ja in einem Militärlager befand. Also vermutlich dort, wo Sabaco stationiert war. Sie war sich noch nicht sicher, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war.

    Die ersten Worte des Mannes ließen vermuten, dass er nicht aus Germanien stammte, er wirkte deutlich wie ein Römer, wenn auch nicht wie einer, der aus der ewigen Stadt selbst kam. Letztlich war auch klar ersichtlich, was er getan hatte und warum, er hatte, das meinte er wohl, gesehen, wie sie fror und ihr ein Tuch oder so etwas in der Art um die Schultern gelegt. Das war im Grunde löblich, da würde sie ihm recht geben, aber er hatte sie eben nicht zuerst gefragt oder auch nur kurz auf seine Anwesenheit hingewiesen, und die junge Frau war gerne Herrin der Lage.


    Das empörte Funkeln ihrer Augen schwankte zwischen einer gewissen ziellosen Bockigkeit, weil sie nicht bereit war, zuzugeben dass der Mann und Camelia eventuell doch nicht so falsch lagen, einer bemühten Unnahbarkeit und einem Anflug von Unsicherheit, da der Mann mit dem Schal so groß und beeindruckend auf sie wirkte. Wenn er mit dem Feuer spielen wollte, hatte er sich auf jeden Fall die Richtige ausgesucht! Sie konnte sich nur ausmalen, dass es sich vermutlich um einen Soldaten handelte, darauf ließ auch die Narbe im Gesicht wirken, welche seine Erscheinung aber eher noch unterstrich. Ob sie sich unter anderen Umständen zweimal nach ihm umgedreht hätte, wie sie das gerne einmal bei anderen Männern tat, die ihr gefielen? Unwahrscheinlich, aber nun hatte er natürlich ihre Aufmerksamkeit. Und dass er eigentlich nur die Intention gehabt hatte, für ihr Wohlergehen zu sorgen, schrieb sie ihm insgeheim ebenfalls gut. So wollte sie ja im Grunde auch behandelt werden!


    Dass sie sich mit ihrer eigentlich ablehnenden Körperhaltung ihm eventuell sogar noch ein wenig mehr präsentierte als sie wollte, kam ihr nicht in den Sinn. Stattdessen interessierte sie vielmehr, wie der Mann hieß. Ein Decurio also, die Vermutung war also richtig. Und ein Matinier, das war eine nicht minder wichtige Information. Er stammte also aus einer guten Familie, nur schienen seine Sitten durch den Dienst in der Armee ein wenig abgeschliffen. Oder vielleicht war das hier im Norden auch einfach so üblich, egal was er sagte? Die Nähe zu den Barbaren vielleicht? Matidia ließ ihren Blick einmal demonstrativ an ihm hinunter und wieder hinauf gleiten. “Salve, Publius Matinius Sabaco. Iunia Matidia. Aus Roma.” Sie hob eine fein gezupfte Braue. “Eine Warnung wäre dennoch nicht verkehrt gewesen. Ich danke für die Absicht, aber…” Sie rieb sich mit der freien Hand über einen Oberarm und hob das Näschen ein wenig mehr. “...ich bevorzuge feinere Stoffe.” Dennoch hielt sie den Blick auf den beeindruckenden Augen, die sie nicht so ganz los ließen. Da spielten feine Sitten manchmal eine ganz untergeordnete Rolle.

    Mogontiacum und Rom zu vergleichen war natürlich eher schwierig. Natürlich gab es auch hier alte Gebäude, wichtige Bewohner, und die Stadt war für das Reich natürlich auch alles andere als unwichtig. Aber alles war eben eine Nummer kleiner als in Rom, man war nicht ganz so nah am Zentrum der Macht und das fühlte sich für jemanden wie Matidia eben nicht so an, als wäre es der Ort, an dem sie sein wollte. Das Fest hier stand allerdings einem beliebigen Anlass in Rom, abgesehen von der Temperatur, in nichts nach, daher ließ es sich natürlich dennoch aushalten. Sie hatte sich das alles hier schlimmer vorgestellt!

    Von Camelias nächster Aussage wurde sie dann aber kalt erwischt. Wie bitte? Wie meinte sie denn das? Irritiert starrte Matidia die Jüngere an und legte ihre Stirn in Falten. Dass man hier sicher war, setzte sie voraus, auch wenn es nach ihrer Meinung momentan gar nicht genug Wachen geben konnte. Der Überfall auf der Reise hatte ihr gereicht, sie brauchte keine weitere solche Erfahrung. Wie lange dieses Erlebnis ihre Neugier eindämmen würde, war sicher eine interessante Frage, die sie sich aber auch nicht stellte.

    “Wie meinst du das? Zu Gast bei Germanen?” Das Konzept, dass sich die Völker derart vermischten, war ihr nicht geläufig, und sie hatte eigentlich den Eindruck gehabt, dass sie hier bei Römern war. Was auch sonst?

    Für die Schönheiten der Natur hatte die Römerin hin und wieder tatsächlich Augen, aber für mehr als einen hübschen Anblick war diese dann doch nicht gut. Immerhin sagte es ja viel aus, wenn die Natur drumherum schöner war als die Stadt, und diese schätzte sie weitaus mehr. Ein paar Händler waren da wenigstens ein Lichtblick. “Ich bin gespannt. Wie es aussieht, werden wir wohl wenigstens den Winter hier verbringen.” Sie verkniff sich ein ‘müssen’, dafür war sie der Anderen zu dankbar, dass sie sie derart freundlich begrüßte.

    “Ich habe einen Verwandten in der Domus Iunia angetroffen. Iunius Scato? Er hat mir von dem Fest erzählt. Ich kannte ihn aber vorher nicht.” Zählte das als die Familie, die sie meinte? Man fühlte sich verbunden, aber es war zu einen guten Teil zunächst auch einmal Pflichtgefühl, wie sie fand. Vergleichen mit ihren Eltern oder ihrem Bruder wollte sie es nicht.


    “Oh, das werde ich gerne tun! Sie ist sicher auch hier…?”

    Jedweder Kontakt war ihr recht, aber sie kam nicht weiter, über Camelias Mutter nachzudenken, denn plötzlich geschah etwas hinter ihr. Eine behutsame Bewegung, dann spürte sie, wie etwas ihre Schulter berührte. Für einen Moment war sie irritiert, zuckte gar zusammen, dann merkte sie, dass es sich um etwas Warmes handelte, was ihr bei der Kälte dann doch unerwartet, aber willkommen war. Hatte sich etwa ein Haussklave ihrer angenommen und ihr ein Tuch gebracht? Nun, es war nicht üblich, das unangekündigt zu tun, aber womöglich hatte die junge Duccierin das in die Wege geleitet.

    Der Gedankengang wurde abrupt gestoppt, als Matidia merkte, dass sich da kein feines Tuch aus orientalischer Seide über ihre zarten Schultern und in den Nacken legte, sondern ein kratziges, bestenfalls zweckmäßiges und sehr getragen riechendes Stück Stoff. Sie nahm die freie Hand zur Hilfe und zog es wieder von sich herunter. “Was soll denn das?!” kam es empört und sie drehte sich herum, um zu sehen, wer sich da erdreistete, ihr einen solchen Lumpen umzulegen.


    Halb herumgedreht und sich damit noch ein wenig mehr dem Stoff entziehend, sah sie dann bereits, wer da halb hinter ihr stand. Sie musste ihren Blick, eben noch zu Camelia etwas hinunter gesenkt, nun deutlich heben um das Gesicht des großen und breiten Mannes erkennen zu können. “Ich hatte um kein…” Die Römerin stockte kurz mitten im Satz, als sie die vom Feuer beschienenen eisblauen Augen betrachtete, die ein amüsierter Ausdruck umspielte. Für einen Herzschlag starrte sie dort hinein und ließ den Mund dabei wenig damenhaft offen stehen. Venus’ Werk verirrte sich offenbar manchmal an die ungewöhnlichsten Orte. Der Mann wirkte wie ein Römer, von der Aufmachung und dem bartlosen Gesicht, aber die Augen und die Dreistigkeit deuteten eher auf einen Barbaren hin. Sie fing sich wieder. “...Tuch gebeten!” Ihre feinen Brauen zogen sich wieder zusammen und sie mühte sich um einen empörten Ausdruck im Gesicht. “Oder ist diese Frech… ist das hier etwa so üblich?” Sie trat endgültig seitlich von dem Schal fort und verschränkte die Arme vor der Brust, dabei den Becher balancierend. Erst erzählte Camelia etwas von Germanen, bei denen sie zu Gast wäre, und nun so etwas!

    Es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis die Jüngere sich auch für potenzielle Verlobte interessieren würde. Matidia zumindest hatte ab einem gewissen Alter die Männer um sich herum in einem ganz anderen Licht gesehen und durchaus auch für den einen oder anderen schneidigen Soldaten oder eingeölten Gladiatoren - sogar hin und wieder für Haussklaven - geschwärmt. Manche Anblicke gefielen ihr einfach und regten ihre Fantasie an. Ob dies bei einer arrangierten Hochzeit irgendwie half, blieb dahingestellt, ihr siechender, deutlich älterer Beinaheehemann wäre zumindest keiner gewesen, nachdem die junge Römerin sich zweimal umgeschaut hätte. Insofern spielte es vielleicht auch keine Rolle, ob Camelia sich dafür interessierte. Das Los der römischen Frau!

    Rom war da ein viel schöneres Thema. "Rom... Rom ist groß. Viel größer als Mogontiacum. Es gibt dort wunderbare große und alte Gebäude, Villen und Tempel. Viele sind sehr beeindruckend, auch für mich noch. Natürlich leben dort fast alle, die etwas zu sagen haben, und das bekommt man hin und wieder sogar mit. Und natürlich gibt es auch noch das restliche Volk, unten in Subura." Sie zuckte mit den Schultern. Mit denen hatte sie ja selten etwas zu tun, auch wenn das Leben der Leute sie manchmal doch interessierte. "Wärmer ist es auch.", grinste sie. "Und wie es hier? Mit den Germanen so nah?" Das war nun ein Thema, welches sie wirklich interessierte. Es war aufregend, spannend, aber irgendwie auch bedrohlich, wie sie fand.

    "Ah, sehr gut, danke. Ich werde dann für meine Mutter und mich eine Unterkunft in der Villa organisieren. Und ... sobald sich die Dinge ein wenig geklärt haben, vielleicht ja doch noch hier einziehen." Zumindest ihrer Mutter sollte wohl wirklich bis zu ihrer Genesung nicht hier bleiben. Ein einziger Sklave wäre da doch viel zu wenig für eine angemessene Versorgung! Zugegeben, die Vorstellung, sich aber gleichzeitig von ihrer Mutter ein wenig zu emanzipieren, indem sie auf eigene Faust in einem anderen Gebäude, wenn auch in derselben Stadt, wohnte, gefiel ihr auch irgendwie.


    Die Idee mit dem Fest war dabei sogar eine willkommene Gelegenheit! Sie hob ihr hübsches Näschen ein wenig höher, als Scato zwischen den Zeilen andeutete, dass sie sich so etwas nicht zutraute. Sie traute sich sogar zu, es gut zu organisieren! "Selbstverständlich! Wieso sollte ich das nicht können?" Fast wirkte sie ein wenig empört. Sie war doch exakt auf das Leben als römische Matrone hin ausgebildet worden, und wenn die Götter ihr nicht einen kranken und sterbenden zukünftigen Ehemann zugeschoben hätten, dann würde sie doch schon längst solche Feste geben. Zu jedem Götterfest ein anderes, wenn es nach ihr ging! "Natürlich sollte ich zunächst die Stadt ein wenig kennenlernen. Und wissen, auf wen es hier so ankommt." Sie lächelte nun wieder versöhnlicher. Sollte sie wirklich ein Fest organisieren, dann müsste sie hier nächtigen. Alleine schon, um diesem Lotterleben in der Exedra Einhalt zu gebieten!

    Matidia wollte den Sklaven eigentlich wie üblich nicht weiter beachten, allerdings starrte sie ihn dann doch aus zwei Gründen an. Erstens war er derjenige, der hier eigentlich für Ordnung sorgen sollte und damit nicht nachkam, was ihr missfiel, zweitens war das fehlende Ohr ein doch eher ungewöhnlicher Anblick. Die Römerin zog missbilligend die Brauen zusammen, wenn es nach ihr ging, sollte so ein Sklave wenigstens optisch etwas hermachen. Zumindest nicht so ein gruseliger Anblick sein. Aber vermutlich hatte man hier in der Provinz einfach nicht die Möglichkeiten, an gutes Material zu kommen. Aber sagte man nicht, dass diese Germanen alle groß und stark waren? Warum nicht so einer? Sie würde sich darum kümmern müssen!

    Mit dem Wein in der Hand wandte sie sich wieder an Scato. "Wo kann ich hier einen Brief aufgeben, dass er auch wirklich und schnell nach Rom kommt? Ich sollte meinen Bruder informieren." Vielleicht könnte Tacitus, sofern er sich bereits in Rom eingelebt hatte, ja sogar bereits nach einem neuen Ehemann für sie schauen!

    Matidia wäre kaum so offen gewesen, wenn sie nicht herausgehört hätte, dass Camelia in einer ähnlichen Situation war. Auch wenn sie die Trauer alles andere als sichtbar vor sich her trug, war da dann doch eine gewisse Verbindung, die sie auch ansprechen konnte. So traurig der Anlass auch war! "Danke. Auch mein Beileid.", erwiderte sie nachdenklich lächelnd zu der Jüngeren. Die Mutter der Anderen hatte daher auch das Fest organisiert, und eigentlich sollte die Stimmung nicht direkt durch so ein Thema gedrückt werden, wie sie fand. Das war ein wenig unglücklich, auch wenn es ein Gesprächsthema lieferte.

    Sie verzog den Mund ein wenig, als der Grund ihrer Reise angesprochen wurde. Ein weiteres schwieriges Thema! "Nun, ich bin zu meinem Verlobten gereist." Sie seufzte vernehmlich und ein wenig theatralisch. "Leider verstarb auch er." Das ging ihr weit weniger nahe als der Tod ihres Vaters, aber es war ein unwahrscheinliches Ärgernis. Denn schließlich war sie nun immer noch nicht verheiratet und nicht einmal mehr versprochen. Zudem saß sie in Germania fest. Es lief alles ganz und gar nicht nach ihrem Kopf! "Und daher sind wir - eigentlich - auf dem Rückweg." Sie zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck vom Wein.

    Zumindest deutlich genug war ihre Reaktion offensichtlich gewesen, denn das Mädchen unternahm nicht noch einen Versuch, ihr weitere Kleidung anzudrehen. Das war auch nicht nötig, denn das Angebot war gemacht und bestand sicherlich auch, und sobald Matidia dann doch einmal zu kalt wäre – und sie bereit war, das zuzugeben – konnte sie darauf zurückkommen. Tatsächlich war das nicht unwahrscheinlich, denn früher oder später machte die Kälte sie sicherlich mürbe. Zunächst einmal hielt sie es aber für wichtiger, sich hier eben so zu präsentieren, wie sie es tat, mit nicht viel mehr als einer leichten Tunika bekleidet eben. Hier am Feuer ging es auf jeden Fall ganz gut.

    "Oh, ich verstehe! Dann danke ich für die Einladung.", erwiderte sie mit einem dankbaren Lächeln und meinte das auch ernst. Es gab ja kaum eine bessere Gelegenheit als diese, um die Stadt und die entsprechende Schicht kennenzulernen. Ohne ihre Mutter und deren Expertise in gesellschaftlichen Dingen war sie da, allein in der Fremde, ein wenig aufgeschmissen. Und Scato wirkte nun auch nicht gerade so, als könne er sie hier großartig bekannt machen, auch wenn sie ihren Verwandten eigentlich ganz umgänglich befand.

    "Ich bin erst seit einigen Tagen hier. Wir sind auf dem Rückweg von Germania Inferior nach Rom, wurden aber überfallen und nun muss meine Mutter erst einmal genesen." Das klang so einfach, aber Matidia wurde bei diesen Worten ein wenig nachdenklicher und starrte ins Feuer. Sie hoffte wirklich, dass ihre Mutter bald wieder auf den Beinen war, denn sie wollte nicht allein sein auf dieser Welt. Nicht einmal verheiratet war sie! "Mein Vater ist auch vor kurzem erst gestorben.", sagte sie dann, plötzlich unerwartet offen. Camelias Worte ließen den Rückschluss zu, dass es ihr da ähnlich ergangen war, auch wenn Matidia nicht wusste, wie lange das in ihrem Fall schon her war.

    ...

    Kurz, nachdem sie das wärmende Feuer erreicht hatte und es ihr dort auch wirklich ein wenig wärmer wurde, wenn auch längst nicht wirklich angenehm warm, kam auch schon jemand auf sie zu. Matidia hatte kaum Gelegenheit gehabt, sich umzuschauen und an ihrem Becher zu nippen. Ein wenig weiter unterhielt sich eine Gruppe von zwei Männern und einer Frau, doch es war ein Mädchen, welches wohl bald, in ein paar Jahren zumindest, auch ins heiratsfähige Alter kommen würde. Natürlich kannte die Iunierin sie nicht, woher denn auch? Die Andere wurde dennoch interessiert gemustert.

    Ihr Ratschlag mit dem Mantel ließ Matidias Blick unwillkürlich ein wenig düsterer werden. Sie bekam nur sehr ungern Ratschläge, und so direkt schon gar nicht. Es war schwierig mit ihr, da sie es gewohnt war, dass man die Dinge für sie in hübschen Verpackungen servierte, damit es leichter fiel, sich darauf einzulassen. "Ein Mantel? Das wäre wohl kaum angebracht.", stellte sie fest. Sie hatte nicht umsonst eine so feine Robe gewählt, sie wollte auch, dass sie darin gesehen wurde. Ob das nun bedeutete, dass sie ein wenig fror, war nebensächlich. Auch, wenn man bereits sehen konnte, dass sie eine leichte Gänsehaut an den Armen hatte und sich ihr Körper unangemessen unter der Tunika abzeichnete.

    "Ein Tuch wäre wohl möglich.", fügte sie dann aber etwas versöhnlicher an. Das wäre wohl ein guter Kompromiss. "Freut mich, Duccia Camelia. Ich bin Iunia Matidia." Sie lächelte. "Du gehörst zur Familie.", stellte sie fest. "Ein schönes Fest.", sagte sie, obwohl sie noch gar nicht viel davon gesehen hatte.

    Es musste auch seine Vorteile haben, wenn man, um seinen kranken und siechenden Verlobten im fernen Germanien zu besuchen, einen halben Hausstand mit sich brachte. Selbst, wenn dieser Verlobte dann letztlich doch verstarb und man auf dem Rückweg gen Süden kurz vor Mogontiacum überfallen wurde und Matidia nun erst einmal hier fest saß die Reise pausieren musste, bis es ihrer Mutter wieder besser ging.

    Im Gepäck der jungen Römerin befanden sich nämlich dank dieser, größeren und langfristig angelegten, Reise nicht nur praktische Dinge, sondern eben auch sehr gute Kleidung und alles, was eine junge Frau brauchte, um ihrem Zukünftigen zu gefallen und allgemein eine gute Figur abzugeben. Natürlich war das nicht unbedingt selbstverständlich und auch nicht sinnvoll, doch Matidia hatte daheim in Rom eine große Szene gemacht, bis ihre Mutter zugestimmt hatte, den zusätzlichen Aufwand zu betreiben, da der verwöhnte Spross der Iunier ansonsten die Reise entweder nicht angetreten hätte oder bis nach Germania Inferior geschmollt und in ihrer bockigen Wut am Ende noch die anstehende Hochzeit gefährdet hätte, und man diese realistische Gefahr wohl nicht eingehen wollte.


    Letztlich zahlte sich der Aufwand also nun doch aus, denn nachdem sie von ihrem Verwandten Scato von dem Fest erfahren hatte, freute sich sich schon auf den Anlass. Sie hatte für den heutigen Abend eine viel zu leichte, dafür eng fallende und aus feinem Stoff geschnittene, Tunika angelegt, sie hatte ihre ornatrix lange mit ihrer komplizierten Frisur beschäftigt und sich sogar passend schminken lassen. Ehrlich gesagt wusste sie nicht sonderlich viel über die gehobene Gesellschaft hier in Mogontiacum, aber da dies hier ihr erster Auftritt sein würde, wollte sie auch, dass man den richtigen Eindruck von ihr hatte.


    Am Anwesen angekommen ließ sie sich von dem sie begleitenden Bewaffneten ihren Mantel abnehmen, und teilte ihm sogleich mit, dass er sich doch bitte in der Nähe des Eingangs aufhalten sollte. Der Mann war schon seit Rom mit ihr gereist und kannte die junge Dame bereits, daher wusste er, dass er sich wohl tatsächlich am Besten im Hintergrund halten sollte, wenn er keinen Ärger wollte. Eigentlich war ihm das sogar ganz recht, so würde der Abend ruhig werden und vielleicht fiel sogar ein wenig Met oder Wein für ihn ab.

    Matidia indes merkte fast sofort, dass die Tunika etwas zu leicht und frisch gewählt war, und es fröstelte ihr, weshalb sie sich einen Becher mit Wein nahm, bevor sie den Weg zu einem der Feuer antrat. Sie kannte niemanden hier, daher bemühte sie sich um einen möglichst gefassten Gesichtsausdruck, der zeigen sollte, dass es sich hier um eine weitgereiste junge Dame aus Rom selbst handelte. Und wer wusste schon, ob sie nicht hier jemanden treffen würde, der die Nachfolge ihres verstorbenen Verlobten antreten würde? Selbst, wenn das unwahrscheinlich war, sollten hier die wichtigsten Persönlichkeiten der Stadt anwesend sein, mit denen sie sich bekannt machen wollte.

    "Lieblich soll er sein.", verfügte die junge Frau. Es war ja noch früh am Tag und sie mochte die schweren Gesöffe der alten Herren ohnehin nicht sonderlich.

    Sie lauschte seiner Erklärung, die tatsächlich ebenfalls Sinn ergab. Umgeben von einer Menge Soldaten, würde man sie sicherlich nicht ein weiteres Mal ausrauben wollen. Letztlich war es das, was den Ausschlag gab, auch wenn sie sich diesem Haus und ihrer entfernten Verwandtschaft ebenfalls verpflichtet fühlte.

    "Ich denke, dass die Villa im Lager die beste Wahl für uns ist." Es blieb bei diesem Gedanken nicht aus, dass ihr ihre Mutter wieder einfiel. Der letzte Mensch, der ihr geblieben war, den sie nun nicht einmal für einen endlich angetrauten Mann verließ, sondern um den sie sich nun auch noch zu kümmern hatte. Was selbstverständlich war, sogar für jemanden wie sie. Sie wünschte sich wirklich, dass es ihr bald wieder besser ging!


    Für einen Augenblick schürzte sie die Lippen und starrte ins Leere. Vielleicht sah man ihr so wirklich kurz an, dass sie ein paar Dinge beschäftigten, die über ein angemessenes Nachtlager hinaus gingen. Doch der Moment verflog wieder, und eine Träne ließ sie ohnehin nicht zu, auch wenn sie, tatsächlich, neben ihrer Mutter geweint hatte, bis es ihr endlich wieder besser gegangen war.

    "Ein Fest!?", wiederholte sie und hob die Brauen. "Das klingt gut!" Und besser als bei Wein und Fleisch vor einer Feuerschale zu sitzen, so wie das hier anscheinend praktiziert wurde. "Ich werde es mir nicht entgehen lassen."

    Matidia machte einen Schritt zur Seite und sah sich demonstrativ ein wenig um. "Vielleicht können wir das hier alles in Ordnung bringen und auch einmal ein paar Leute einladen?" Ihr Blick fiel wieder auf Scato und sie lächelte. Die Vorstellung gefiel ihr, und was sprach dagegen, das Haus hier wieder mit Leben zu füllen? So hätte man wenigstens ein Ziel vor Augen!

    Bei Scatos Einwand verzog Matidia kurz die Lippen. Er hatte recht, das konnte man nicht abstreiten, aber andererseits wollte sie auch nicht zugeben, dass das hier, trotz aller Unordnung, die bessere Wahl wäre.


    „Ein Militärlager?“ Sie starrte ihn entgeistert an. „Ist das nicht gefährlich? Ich meine, wegen der Barbaren und so?“ Andererseits… spannend klang es dann doch! Vielleicht gab es da mehr zu sehen als zwei faule Herren an einem Feuer, eventuell sogar hübsche Soldaten. Matidia war nicht abgeneigt. „Eine Villa klingt nicht so schlecht….“, wägte sie ab.


    Sie hob die Hände. „Aber ich fände es natürlich auch großartig, wenn diese domus hier auch wieder erblühen könnte.“ Und nicht so heruntergekommen aussähe. War ja irgendwie nicht gerade ansprechend. „Leider werden wir sicher nicht so lange hier bleiben können.“, meinte sie entschuldigend. Wobei es ihr gar nicht so leid tat, in Anbetracht der Situation hier.

    „Oh! Ein Theatrum? Und eine Therme? Die werde ich mir anschauen!“ Nun wirkte die junge Iunierin deutlich begeisterter.

    Sie schaute zu den Krügen. „Sag, Scato. Hast du etwas Wein für mich?“ Die letzten Tage waren doch sehr anstrengend. Sie wünschte sich ein wenig Entspannung, und die Therme klang da sehr verlockend.

    Matidias Augen wurden groß. Natürlich war ihr bewusst, dass es versehrte Sklaven gab, manchmal geriet man eben nicht unbedingt sanft in die Unfreiheit, aber warum, bei Venus, machte man so jemanden zu einem Haussklaven? War diesem entfernten Teil ihrer Familie wirklich ganz egal, wie man hauste, inmitten von Krügen und umgeben von einem einohrigen, überforderten Sklaven? Sie starrte Scato einen Moment abschätzend an. Er war hilfsbereit, keine Frage, und er stellte ihr ja auch gerade dieses Haus hier als Unterkunft zur Verfügung. Das war nett, aber ... "Nein, Danke." Sie überlegte kurz und kam zum Schluss, dass diese Antwort nicht gerade eindeutig war. "Also. Ich habe selbstverständlich Sklaven bei mir. Aber sie werden diesen S... Dieses Haus wohl kaum bis zu unserer Abreise wieder in Ordnung bringen können." Tatsache gab es da eine Ornatrix, die ihr behilflich war, aber nach diesem Anblick hier wäre es ihr lieber, in einer Taberna zu übernachten, wo sie die Tür auch sicher verriegeln konnte.

    "Ich denke, ich wähle das Zimmer in der Stadt." Das sagte sie ohne Groll, es war einfach naheliegend. Dann aber deutete sie auf die Feuerstelle und das drumherum. "Wer haust denn hier? Und was gibt es denn noch zu sehen in der Stadt?" Die eben noch sichtbare Enttäuschung über die domus war verflogen und einer Neugier gewichen. Die noch junge Frau wollte tatsächlich wissen, wie sie sich die Zeit hier vertreiben konnte, offensichtlich war die Verletzung der Mutter entweder nicht so schlimm, oder sie kümmerte sich nicht weiter darum.