Beiträge von Vibius Valerius Victor

    Das Mahl beginnt


    Die Götterstatuen und damit auch die Götter liegen und sitzen noch immer wartend auf den Klinen. Natürlich wird es bei der Götterspeisung kaum jemals anders sein und wenn doch, so würde wohl jeder Septemvir von seinem Glauben abfallen - bis auf Victor vielleicht - und trotzdem ist es beruhigend, dass sie noch da sind. Man hatte ihnen zwischenzeitlich die Füße gewaschen (den Statuen, nicht den Septemviri) und mit Balsam eingerieben, und ihnen Servietten über die Brust gelegt.


    Die Vorspeise beginnt. Die Septemviri tragen Platten mit gefüllten Eiern auf, Melonen, die in fein geschnittenen Schinken gewickelt sind, angedünstete Pilze über Gemüse, Schalen mit gefüllten Oliven, gedünstete Aprikosen, Käse mit Kräutern, Linsen mit Kastanien, Zucchini auf alexandrinische Art, Weinbrötchen, Crepimettes, Omlette mit Mandel und Honig, kleine Mettwürste mit Pinienkernen und Kräutern und einige Köstlichkeiten mehr.


    Vic steht neben der Statue der Iuno, er ist heute sozusagen für ihr persönliches Wohl zuständig. Er nimmt den kostbaren Teller in die Hand und blickt die Statue fragend an. Mit der Götterbewirtung hat er beim lectisternium der Ludi Apollinares schon Erfahrung gesammelt, dennoch hat er ein etwas seltsames Gefühl. "Ein paar Melonen?" fragt er die Statue leise und packt die Früchte auf den Teller. "Auch Eier? Nein? Doch?" Einige Eier wandern auf den Teller. "Pilze? Aprikosen? Oliven? Käse? Omlette? Würste? Linsen? Gemüse? Crepimettes? Obst?" Eigentlich kann sich Vic keine Frau vorstellen, die sich ihren Teller so volladen und ausgiebig schlemmen würde, aber Iuno ist immerhin keine normale Frau, sondern einfach göttlich. Außerdem hat er nicht das Gefühl, als würde sie ihm irgendwie mitteilen wollen, dass er innehalten soll. Er stellt den gefüllten Teller ab und flüstert so leise, dass es nichteinmal die anderen Septemviri hören können: "Wenn Du noch einen Nachschlag möchtest, dann sag es mir. Und was Du nicht willst, kannst Du einfach stehen lassen, ich räum es dann weg." Irgendwie merkwürdig. Ob das von den Göttern nicht angerührte Essen am Ende wohl anders schmeckt, als das verspeiste? Vic hat schon viele Opfergaben gegessen, aber noch nie einen Unterschied bemerkt. Doch er hat auchnoch nie darauf geachtet oder den direkten Vergleich gezogen.

    Hulc verschwindet kurz neben dem Türrahmen und nimmt eine Tabula von einem kleinen Regal. Er löscht den Inhalt aus, es ist sowieso nur eine Einkaufsliste, und reicht die Tafel dem Besucher. "Bitte sehr." In Gedanken prägt er sich schon einmal den Namen und Ort der Casa ein.

    Viel zu sehen gibt es nicht in der Casa Valeria - außer die Casa Valeria: Wände, Säulen, das impluvium, das Dach, den Boden. In einer Ecke des Atriums steht auf einer Säule eine Büste, allerdings weiß niemand der Bewohner, außer Flaccus vielleicht, wen der steinerne Kopf darstellt. Sie steht hier, seit Sev und Vic das Haus von Onkel Sev übernommen haben und bisher hat sie niemanden gestört. Ansonsten ist alles recht kahl, wenn auch sauber und ordentlich, Hulc sorgt dafür. Dinge, die ein Heim in den Augen einer Frau wohnlich machen gibt es nicht. Doch es gibt ein paar Klinen, einen Tisch, und solange darauf eine Kanne Wein steht ist es für Vic so wohnlich, wie es sein muss.


    Vic grummelt etwas, das sich wie "Trottels!" anhört, als eine Stimme ertönt, die ihm durch Mark und Bein geht. In einer einzigen Bewegung fliegt die Wachstafel auf den Tisch, Vic richtet sich auf und erhebt sich von der Kline. "Helena!" Obwohl sich Vic nie darüber Gedanken gemacht hat, weiß er in diesem Augenblick, was die ganze Zeit in diesem Atrium gefehlt hat, um es perfekt zu machen: Iulia Helena. Die Gefühle, die er in der letzten Zeit so erfolgreich verdrängt hat schwappen mit einem mal wieder über ihn, und es kostet ihn einiges an Beherrschung nicht direkt zu ihr zu gehen und sie sich hier und jetzt zu nehmen. Wer würde es schon je erfahren? Außer Hulc vielleicht, der immer noch mit einem dämlichen Grinsen hinter Helena steht und sich erst nach einem bösen Blick von Vic in die Küche verzieht.


    Vic räuspert sich. "Hoi. Setzt dich doch. Wie gehts dir?" Er deutet auf eine Kline direkt neben seiner. Stühle gibt es in diesem Atrium keine. "Du kommst sicher wegen des Opfers, nich wahr?" Er schaut auf den Tisch und kratzt sich am Hinterkopf. "Öhm, kleinen Moment, ja?" Er verschwindet schnell in die Küche und macht Hulc Dampf, dass der eine Kanne mit frischem Wasser füllt. Mit der und einem Becher kommt Vic dann zurück ins Atrium und setzt sich auf seine Kline. "Möchtest du was trinken? Wasser mit nem Schuss Wein?"

    Zitat

    Original von Iulia Helena
    Der noch recht junge Sklave an der Tür blickt mit einem kurzen, knappen Lächeln zu Hulc auf und meint dann: "Die Duumvir von Ostia möchte mit Deinem Herrn, Septemvir Valerius Victor, sprechen." Damit macht er eine leichte Geste in Richtung der Sänfte auf der Straße, die allerdings von blickdickten, weißen Schleiern verhüllt ist, sodass sich schwer erkennen lässt, wer sich darin befindet. Allenfalls Wonga dürfte einen Erkennungspunkt bieten, der hühnenhafte Nubier ist einfach unverwechselbar.


    "Aha." entfährt es Hulc und er verkneift sich ein Grinsen. Die förmlichsten Ankünfte weisen immer auf die größten Besäufnisse hin. Wozu sonst sollte ein Duumvir in die Casa Valeria kommen. "Dann möchte der Duumvir von Ostia mir doch bitte ins Atrium folgen. Mein Herr befindet sich dort."

    "Ououou." Vic streicht einen ganzen Satz auf einer Wachstafel durch und schreibt ein unleserliches 'Falsch!' hinten dran. Er hat ein paar Prüfungen mit nach Hause gekommen um sie am Abend noch zu korrigieren und sitzt mit den Wachstafeln, einer Kanne unverdünnten Wein und einem Becher im Atrium. Dass es an der Tür geklopft hat und Hulc durchs Atrium zum Eingang gelaufen ist, hat er nur nebenbei mitbekommen und sich nebenbei darüber geärgert, weil es so bis zum Abendessen noch länger dauern würde. Irgendwie läuft sowieso etwas mit der Priorisierung in dieser Casa falsch, zuerst bekommen die Oppas ihr Essen, dann die Hunde und Vic ist immer der letzte. Irgendwann sollte er das mal ändern, irgendwann wenn er mal dran denkt. Doch zwischenzeitlich ist er schon wieder bei den Aufgaben. "Mann, Junge, ohne nen Altar kannste einpacken. So nen Stümper." murmelt er vor sich hin.

    Das Opfer endet


    Die vitalia weisen keine Makel auf. 'Danke, Iuno!' schickt Vic sein Stoßgebet in den Äther und blickt dann über die Menge hinweg, um anzuzeigen, dass er bereit ist. Opimius Naso braucht etwas länger, bis er mit der Begutachtung fertig ist, doch als auch er seinen Blick hebt dauert es nicht lange, bis hinter den Menschen eine rote Taube aufsteigt. Dann eine zweite. Innbrünstig erklingen drei "Litatio!" über den Platz. Die Anspannung fällt von den Menschen ab, einige jublen und applaudieren. "Vivat Iove! Vivat Iuno! Vivat Minerva!" tönt es aus der Menge.


    Zu den Altären eilen die Opferdiener und sorgen für den Abtransport des Fleischs. Die drei Septemviri reinigen ihre Hände, dann drehen sie sich um und schreiten die Treppe zum Tempel hinauf, wobei Frugi und Victor etwas schneller gehen, um zu Naso in die Mitte aufzuschließen. Die Reihe der übrigen Septemviri teilt sich und sie bilden eine Gasse zur Cella des Iuppiter, durch welche die drei Opferherren treten und im Tempel verschwinden. Nun drehen sich auch die sieben weiteren Septemviri um und treten durch den Eingang. Hinter ihnen schließt sich die große Tür mit einem dumpfen Laut. Der öffentliche Teil der Götterspeisung ist damit beendet.

    Zitat

    Original von Ancius Duccius Munatianus
    Er hatte den Mann nicht vergessen, mit dem er mal vor ewigen Zeiten ganz kurz ins Gespräch bezüglich pferde gekommen war. Und nun wollte er ihm einen Besuch abstatten. Gespannt war er vor Allem darauf, ob er noch ein Gestüt hatte und ob seine lange Suche denn von Erfolg gekrönt sein würde, dass er überhaupt hier in Rom zugegen war.
    So kam er letztlich an der Casa, zu der ihn ein Junge für ein paar As gelotst hatte, an und klopfte an die Tür. Als diese geöffnet wurde, meinte er:
    "Salve, mein Name ist Ancius Duccius Munatianus. Ich suche Flavus Valerius Severus. Bin ich dazu hier richtig?"


    Hulc, der wie fast immer die Tür göffnet hat, nickt, schüttelt dann aber den Kopf. "Im Prinzip bist du schon richtig. Allerdings wohnt Severus in der Castra Praetoria und kommt nur selten hierher. Wenn du du mir sagst, wo du zu finden bist, dann werde ich es ihm ausrichten. Oder du kannst eine Nachricht da lassen, ich kann sie ihm morgen auch vorbei bringen. Brauchst du eine Tabula?"

    Zitat

    Original von Iulia Helena
    Die Abenddämmerung war schon hereingebrochen, als eine schlichte Sänfte in die Straße einbog, in der sich die Casa Valeria befand, bewacht nicht nur von einem ausgesprochen breitschultrigen, schwarzen Hühnen, sondern auch von zwei weiteren, ebenso kräftig wirkenden Männern. Im Rom dieser Tage schien man sich wohl nicht mehr so sicher zu fühlen wie einst, jedenfalls hatte die Person in der Sänfte sich wohl eher für Sicherheit denn für Leichtsinn entschieden. Vor der porta der Casa hielt die Sänfte an, während ein vierter Sklave sich aus dem kleinen Zug löste, zur Türe trat und kräftig anklopfte, um den ianitor auf sich aufmerksam zu machen.


    http://home.arcor.de/gensvaleria/hulc.jpg Zum Glück hallt das kräftige Klopfen durch die halbe Casa. Denn sowas wie einen Ianitor haben die Valerier nicht, schließlich haben sie Hulc. Der klopft sich seine Tunika ab, denn er ist gerade bei den Essensvorbereitungen für die beiden alten Herren und das Getreidemehl für den Puls staubt immer so, und macht dann auch die Tür auf. "Salve. Ja bitte?"

    Das Opfer nimmt seinen Lauf


    In der Ferne steigt eine rote Taube in den Himmel, kurz darauf eine weiße. "Agone?" tönt es dreifach von den Opferstätten vor dem großen Tempel der kapitolinischen Trias.
    "Age!" donnert Vic mit einer Stimme, die lange Opfererfahrung beweist und neben ihm donnern gleichzeitig Opimius Naso und Fulvius Frugi ihr "Age!", nicht weniger laut.


    Ein Beobachter, welcher seitlich, in einer Reihe mit den Altären und mit Blick auf die Rinder stehen würde, würde folgendes sehen: Drei Hämmer heben sich und fahren synchron mit voller Wucht auf die Tierköpfe hinab, während drei Äxte geschwungen werden und fast gleichzeitig in die Kehlen von drei Rindern schlagen. Blut spritzt zur Seite, womöglich würde auffallen, dass das der Kuh für Minerva am weitesten nach vorne in Richtung der Zuschauer spritzt, dann löst sich Iunos Kuh aus der Reihe und fällt, kurz darauf Minervas Kuh. Bevor beide jedoch den Boden erreichen, bricht auch Iuppiters Ochse in sich zusammen. Da die meisten Zuschauer jedoch vor dem Tempel stehen, sieht kaum einer wirklich genau, wie exakt alles aufeinander abgestimmt ist, auch wenn es den meisten aus den Augenwinkeln durchaus so erscheint.


    Vic schielt unauffällig zur Seite, traut sich aber nicht, zu Naso zu blicken. Statt dessen schaut er wieder in die Ferne hinter den Menschen und wartet auf die rote Taube, gefolgt von einer weißen, bevor er dem Popa mit einem unauffälligen Wink zu verstehen gibt, dass er das Tier öffnen und die vitalia herausholen soll. So geschieht es, die Schalen mit den Organen werden auf den Altar gestellt und Victor tritt heran.


    Im Grund ist es Betrug*, auch wenn der Magister es anders sieht. Doch Vic lässt sich nichts anmerken, er steht vor den Schüsseln und begutachtet die vitalia, so wie er es bei jedem anderen Opfer tun würde, und hofft, dass sie in Ordnung sind. Eine falsche litatio auszurufen wäre das Schlimmste, was er sich vorstellen kann, die Götter würden ihn sicher bis in alle Ewigkeit verfluchen. Doch er versucht sich seine Unruhe nicht anmerken zu lassen, dreht und wendet und untersucht die Organe der Kuh für Iuno pflichtbewusst.

    "Hrhr, wirst schon noch sehen, eines Tages werden wir die Grünen von der Bahn fegen und ganz vorne fahren. Bei den Ludi Consualia haben wirs schon geschafft und das wird jetzt kein Ende mehr nehmen, da bin ich sicher. Und dat is auch gut so, denn um die Siege geht es natürlich immer, hrhr." Leider sind die Lenker und die Ergebnisse aus Germania erst so spät nach Rom gekommen, dass die Veneta noch gar keine Möglichkeit hatte, groß zu feiern. Vic hofft nur, dass sie bei den Ludi Romani nicht wieder hinter die Grünen zurückfallen, sonst wäre der Sieg wieder ganz vergessen und das große Siegesgelage würde weiter auf sich warten lassen.


    "Ou ja, die aus Hispania ..." Vic wirkt auf einmal abwesend. "Mit den dunklen Haaren, so dunkel wie das Meer tief unten, Augen so braun wie eine handvoll fruchtbarer, hispanischer Erde, vollen Lippen die jeden Tag tausendmal geküsst werden wollen und einer gebärfreudigen Hüfte an der man sie anpacken kann." Die Erinnerung verblasst, als Crassus seinen Becher auf den Tisch knallt und ihm näher kommt. Vic schaut in seinen Becher rein und verzieht das Gesicht. "Hmm, so richtig rein zieht er nich. Aber ich hatte heut auch noch nich so viel." Er nimmt die Kanne und lässt ganz langsam etwas Wein in seinen Becher fließen, wobei er sich die Farbe der Flüssigkeit anschaut. "Schon hell. Aber beschwören würd ichs nich, vor allem nich bei dem Licht."

    Das Opfer beginnt


    Die große Porta der Cella des Iuppiter öffnet sich und drei Septemviri treten daraus hervor - der Magister Opimius Naso, Fulvius Frugi und Valerius Victor. Hinter ihnen folgen die übrigen sieben Septemviri, bleiben jedoch auf dem Podest des Tempels stehen, während die drei genannten die Treppe hinabgehen. Fulvius Frugi und Victor schwenken zur Seite, zu den beiden Kühen, während der Magister zum Ochsen am mittleren Altar tritt. Die drei Herolde, vor jeder Cella einer, stoßen ihren Stab wie einen einzigen auf den Stein unter sich und rufen mit lauter Stimme das "favete linguis!*" aus. Die Waschschüsseln werden gereicht, die drei Septemviri reinigen ihre Hände und trocknen sie mit dem malluium latum*.


    Vic atmet tief durch. Die Dimension des Epulum Iovis ist eine ganz andere, als die des 'normalen' öffentlichen Opfers. Im Grund hat er, hat das ganze Collegium nur aus diesem Ereignis seine Daseinsberechtigung. Seine Muskeln sind angespannt, sein Blick auf den Himmel hinter den Menschen gerichtet, dort, wo der Hügel im tarpeischen Felsen endet. Eine rote Taube erhebt sich von irgendwoher dort hinten, kurz darauf eine zweite, dieses mal jedoch eine weiße.


    Ein Stück weit links neben Victor beginnt der Magister Naso mit dem Gebet. "Dir zu Ehren, Iuppiter Optimus Maximus!"
    Dann ist Vic an der Reihe. "Dir zu Ehren, göttliche Iuno!"
    Noch ein Stück weiter links fährt Frugi fort. "Dir zu Ehren, göttliche Minerva!"
    Wieder Naso: "Ein Ochse zu Deinen Ehren, wie es Dir zusteht, durch die Gönner der Ludi Romani gegeben, Tiberius Vitamalacus, Artoria Medeia und Petronius Varus!"
    Victor: "Eine Kuh zu Deinen Ehren, wie es Dir zusteht, durch die Gönner der Ludi Romani gegeben, Artoria Medeia, Petronius Varus und Tiberius Vitamalacus." Vic achtet darauf, dass er den Namen des Tiberiers ein wenig lauter betont, immerhin hat der das ganze Geld für das Epulum Iovis gegeben.
    Und Frugi: "Eine Kuh zu Deinen Ehren, wie es Dir zusteht, durch die Gönner der Ludi Romani gegeben, Petronius Varus, Tiberius Vitamalacus und Artoria Medeia!"
    Dann vereinen sich die drei Stimmen der Septemviri zu einem gemeinsamen Teil: "Euch Göttlichen zu Ehren ein Mahl, wie es Euch zusteht, ein Dank für Vergangenes, wie Euch versprochen, eine Bitte an Euch mit versprochenem Dank!"


    An jeden Altar treten Ministri heran und reichen die mola salsa* und dann den Wein. Vic nimmt die Schale entgegen und streicht der Kuh mola salsa über die Stirn. Dann greift er nach der Kanne in stiller Hoffnung, dass er nicht aus dem Takt gerät. Als er den Wein über den Kopf des Tiers gießt und das "Der Iuno zur Ehre, wie es ihr zusteht!" verkündet, hört er mit halbem Ohr beruhigt wie die beiden anderen Priester gleichzeitig den Ochsen für Iuppiter und die zweite Kuh für Minerva weihen.


    Vic nimmt die infulae* vom Kopf der Opferkuh, reicht sie einem Helfer und zieht sein Opfermesser. Seit Wochen hat er sich auf diesen Tag gefreut, auch wenn ein Victimarius für die Schlachtung bereitsteht. Er zieht das Messer über den Rücken der Kuh und nimmt dabei die dorsule* ab, dann reicht er das Messer dem Popa. Es hat heute nur rituelle Bedeutung, denn der Opferhelfer steckt es weg und nimmt eine Axt in die Hand. Ein weiterer Helfer tritt mit einem Hammer hinter die Kuh.

    Vic nickt energisch. "Jo, richtig, dat kannste laut sagen! Und den Praefectus, den sollte ... man ..... öhm ....... ou ........." Selbst mit der Kanne Wein intus bemerkt Victor, dass er da eine essentielle Sache übersehen hat. "Jo." Er räuspert sich und greift nach dem Becher, trinkt aber nicht. "Kein Mensch is perfekt, oder?" Er grinst. "Aber bei der Veneta is immer nen Platz frei, falls du mal zu ner richtigen Factio wechseln willst, hrhr. Mal ehrlich, ich würd für kein Geld der Welt zu den Grünen und mein Herz wird immer für die Veneta schlagen, aber Rennsport is wie Politik. Auf der Bahn schlagen wir uns die Köppe ein, aber dat is noch lange kein Grund nich zusammen in der Taverne zu hocken. Obwohl es in letzter Zeit diese bedenklichen Tendenzen zu Todesgsängen aus den Reihen der A-Factiones gibt, aber die ticken meiner Ansicht nach eh nich richtig und verstehen auch nich, worums beim Rennsport geht."


    Nach so einem langen Text gönnt sich Vic wieder Wein. "Auf die Ala!" Nachdem er schon wieder fast den halben Becher geleert hat, grinst er noch breiter als vorher. "Also du kannst dich doch sicher nich über die Weiber beklagen. Wenns eines gibt, auf dass die doch mehr abfahren, als auf ne Rüstung, dann is dat ja wohl ne Prätorianerrüstung. Also erzähl mir nich, dass du nich jede Nacht ne andere haben könntest, hrhr. Auf die Weiber!"

    Die Ladung der Gäste


    Bald schiebt sich der Prozessionszug den Kapitolhügel hinauf und die Götterstatuen und die Septemviri verschwinden im Tempel. Während sich draußen die Menschen zum Opfer sammeln, wird die Statue des Iuppiters auf die gepolsterte Liegen gebettet, die der Iuno und der Minerva werden auf gepolsterten Sesseln platziert. Räucherunge werden überall im Tempelraum entzündet, dann wird den Göttern Wein ausgeschenkt und der Magister Septemvirorum Opimius Naso läd die Götter ein.


    "Iuppiter Optimus Maximus, göttliche Iuno, göttliche Minerva - dieses Mahl für Euch zu Euren Ehren. Gewährt uns die Gunst Eurer Anwesenheit, göttliche Trias, seid unsere Gäste und lasst Euch bewirten, wie es Euch zusteht!"
    Ein paar Blicke werden zwischen den Septemviri gewechselt, ein Nicken des Magisters folgt und alle zehn Mitglieder stellen sich hinter der geschlossenen Tür auf.


    Trotz der Tatsache, dass sie nicht am Opfer beteiligt werden, haben sich viele Menschen auf dem Kapitolshügel versammelt, um der Opferung für das Epulum Iovis beizuwohnen. Vor dem Tempel stehen die drei Rinder breit, der Ochse und die beiden Kühe, je an einem der Altäre vor den Cellae des Iuppiter, der Iuno und der Minerva.

    Die Prozession


    Es sind die Iden des Septembers, der Tag des Epulum Iovis, des Göttermahls zu Ehren Iuppiters, Iunos und Minervas, der kapitolinischen Trias. Das Epulum Iovis ist Teil der Ludi Romani, doch selbst wenn die Ludi nicht stattfinden würden, das Göttermahl würde ausgerichtet, solange es Septemviri gibt. In diesem Jahr gibt es sogar beides.


    Schon die Prozession zum Tempel auf dem Kapitol ist etwas besonderes, denn nicht nur die Statuen eines einzelnen Gottes werden mitgeführt, sondern gleich die von drei Göttern, eben Iuppiter, Iuno und Minerva. Es sind Statuen in der Größe eines Menschen, eigens für die Götterbewirtung geschaffen. Das Bildnis des Iuppiters ist in liegender Position, so dass er bequem auf einer Kline Platz nehmen kann, die Göttinen sitzen, um auf Sessel zu passen. Aus diesem Grund werden sie auf offenen Sänften getragen, von denen aus die Götter ihre Stadt begutachten können. Das Gesicht der Iuppiter-Statue ist mit Tierblut rot gefärbt worden, denn an diesem Tag ist er der Triumphator Roms, der Herrscher über das gesamte Reich. Vor den Statuen wird der Weg mit Blüten bestreut.


    Das Collegium der Septemviri folgt den Göttern. Jeder von den Priestern hat eine Falte seiner Toga schon jetzt über den Kopf gezogen und Victor fragt sich, warum der September nochmal so warm werden musste. Allerdings ist die Wärme wahrscheinlich besser als Regen. Dem Collegium nachfolgend werden drei Rinder geführt, ein Ochse und zwei Kühe, alle drei weiß gekalkt, mit goldenen Hörnern, rot-weißem Sitrnschmuck und den breiten dorsule über ihren Rücken. Der Ochse geht in der Mitte und ist damit sozusagen der Hahn im Korb, auch wenn er nicht viel von seinem Glück mitzubekommen scheint. Seine Augen sind glasig wie die der Kühe und alle drei setzen dumpf einen Fuß vor den anderen. Nach den Opfertieren folgen die Bürger Roms, dazwischen gehen immer wieder junge Ministri mit flachen Schalen, in denen Kohle glimmt über die sie Lorbeerblätter und getrocknete Blüten von Bisameibisch und Kassia streuen.

    "Wat? Wer hat mit den Wagenrennen nix mehr zu tun? Wie kommste jetzt darauf?" Vic kommt nicht mehr mit und versucht seine Gedankengänge mit etwas Wein in Schwung zu bringen. "Jo, wir werden schon wieder aufholen, diese Scheiße bei den Apollinares passiert kein zweites Mal! Erst dieser grüne Stümper da auf der Bahn und dann noch ne lahme Rennleitung, Mann, Mann, Mann, wir hätten die alle verklagen sollen! Oder diese grünen Nixkönner ordentlich zusammenschlagen, dass sie ma sehen, wat ne Harke is. Mann, Mann, Mann... Mars? Jo, sicher bleibt so ne Verbindung. Aber bei den öffentlichen Festen hab ich nix mehr zu melden, außer noch sie im Hintergrund zu organisieren und mir die Hacken abzulaufen. Mann, mal wieder so nen richtig großes Opfer machen, so nen richtigen Stier, mit der eigenen Klinge die Kehle durchschneiden, dat wärs. Aber dat geht sowieso nur beim privaten Opfer und wer kann sich schon ma eben so nen Stier vorm Tempel leisten?"


    Vic schielt auf Crassus Kanne und befürchtet, dass er in den Rückstand geraten ist. Schnell leert er den Rest aus seiner in seinen Becher und ordert zwei weitere Kannen. Dann kommt er schon wieder nicht mehr mit. "Wat? Du warst bei der Ala? Junge, erzähl nich. Also als der Sev und ich zur Zweiten gekommen sind, da war der Florus Decurio, öhm, der Annaeus Florus, und der Decimus Magnus war unser Ausbilder. Junge, dat waren noch Zeiten. Aber Recht haste, is ne Ewigkeit her."

    Am Ende des Tages sitzt Victor in seinem Officium bei einem Becher Wein und starrt die Tür an. "Verdammtes Federvieh!" grummelt er. Morgen findet das Epulum Iovis statt, das wichtigste Ereignis im Jahreskreis eines Septemvir, der Existenzgrund der Epulonen und dazu ein ausgekochter Schwindel. Drei Tage ist die Besprechung der Septemviri jetzt her, aber Vic kann es immer noch nicht glauben. Sein ganzes Weltbild ist ins Wanken geraten und bis er es wieder stabilisiert hätte, würden noch einige Amphoren Wein seine Kehle runterrinnen. Da nutzt es auch nichts, dass er eine tragende Rolle bei der Opferung spielen würde.


    "Was auch immer passiert," hatte der Magister Opimius Naso ihm eingeschärft, "Was auch immer passiert, Victor, die litatio wird ausgerufen, wenn die beiden roten Tauben zum Himmel steigen. Nur, und nur dann, wenn auf die erste keine zweite folgt, dann schweigst du."
    "Was ist, wenn die
    vitalia der Kuh nicht in Ordnung sind? Woher wissen die bei den Tauben das?" hatte Vic irritiert nachgefragt.
    Der Magister hatte ihn nur nachsichtig angeschaut, vielleicht sogar ein bisschen belächelt. "Sie müssen es nicht wissen, Victor, es kommt nicht darauf an, wie die vitalia aussehen. Es kommt nur auf die litatio an."
    "Aber..."
    "Nein, Victor. Hast du schon einemal davon gehört, dass die
    litatio beim Epulum Iovis scheitert? Was würden wohl die Zuschauer, die Bürger Roms tun? Glaubst du, sie würden zu den Ludi zurückkehren und sich weiter amüsieren, wie es ihr Recht ist, wie es ihnen zusteht?"
    "Aber..."
    "Bei den Göttern, Victor, sei nicht so naiv! Wie lange warst du Sacerdos? Es kommt nur auf die
    litatio an. Worauf kommt es an, Victor?"
    "Nur auf die
    litatio, Magister." hatte Vic kleinlaut geantwortet.
    "Sehr gut. Und wann kommt die litatio, Victor?"
    "Nach den zwei Tauben, Magister."


    An diesem Abend hatte er sich mit vier Amphoren Wein und einer starken Räucherung in den Schlaf gedröht und im Grund ist ihm am heutigen Tag auch danach, aber mit Blick auf das Epulum Iovis ist das keine gute Idee. Vic leer seinen Becher und steht auf, um nach Hause zu gehen.

    Nach der Pleite bei den Ludi Apollinares und dem guten Abschneiden bei den Ludi Consualia bleibt die Spannung, wie die Veneta heute abschneiden würde. Als Vic im Circus ankommt ist die Stimmung schon bestens. Er verzichtet auf den Ehrenplatz bei seinen netten Mit-Septemviri und schlägt sich in der Südkurve bis nach vorne durch. Schon dringen von irgendwoher Fängesänge gegen die Blauen an seine Ohren und Vic fragt sich wieder einmal, wie tief man eigentlich schon gesunken sein muss, wenn man nicht mehr den Sinn hinter den Wagenrennen erkennen kann und einer Factio den Tod und die Pest wünscht. Im Prinzip können das nur Aurata oder Albata sein, denn tiefer kann man nicht sinken. 8)


    Vic, natürlich blau, stumpt seinen Nachbarn an. "Hoi, ham sie schon gesagt, wer im ersten Rennen startet?" Der Typ schüttelt verneinend den Kopf und Vics Blick wendet sich nach vorn auf die Bahn, als auch schon ziemlich schräge Fanfaren einsetzen. Da ist er wohl gerade rechtzeitig gekommen.





    http://home.arcor.de/gensvaleria/venetaSig.gif

    Es ist wieder mal einer der Tage, an denen Vic Dienst als Prüfer hat. Mal wieder steht nur ein Name auf seiner Liste, aber immerhin kein unbekannter. Er betritt den Raum und grinst schief. "Salve, Aurelia Antonia. Alles klar in Mantua? Oder warst du noch gar nicht dort?" Er stellt seinen Wachstafelnstapel ab. Neben den Tafeln für die Prüfung hat er sich selbst auch noch ein paar zum Durcharbeiten mitgenommen.