Beiträge von Narrator Aegypti

    Zum Glück war der Park, den ich jetzt auf der anderen Seite verließ, mit Lampinions geschmückt und gut erhellt, denn normalerweise sollte man dunkle Parks in Städten zu einer solchen Zeit eigentlich meiden.


    Aber hier war immer noch ein geschäftiges Treiben, noch mehr eigentlich als am Tage, wo die meisten Menschen noch ihrer Arbeit nachgingen. Jetzt stellten hier auch Gaukler im Spiel der Straßenmusikanten ihre Feuerkünste zur Schau, spuckten Stichflammen, jonglierten mit Feuerbällen und tanzten mit flammenden Behältern wundersame Pirouetten. Und zwischen den Parkbesuchern liefen Wasserträger und Leute, die Limonaden, Weine, Bier und allerlei Naschwerk verkauften. Auch ich rüstete mich mit irgendeinen Gebäck aus und genoss den spätabendlichen Troubel.


    Dabei warf ich immer wieder einen Blick auf die Käfige am Wegesrand, aus denen Gezwitscher, Gebrüll und Geschrei erklang. In den Käfigen befanden sich alle möglichen Raubkatzen, Bären, Wölfe und andere wilde Tiere. In Weihern gab es Nilpferde und schlafende Krokodile, in Volieren zwitscherten prächtige und exotische Vögel. Auch zahlreiche Eulen sah ich. Sogar Elefanten, Rhinocerosse und sogar Robben vom Kaspischem Meer waren in dieser Sammlung vorhanden. Die Schlangen und Echsen in ihren Terrarien schliefen schon, aber in gläsernen Aquarien tummelten sich immer noch allerlei See- und Meerestiere, Fische, Kraken, Krabben, Muscheln und Seesterne.


    In was für eine Zauberwelt war ich hier hineingeraten? Ich weiß nicht, wie lange ich im zoologischem Garten, der sicherlich auch ein Institut des Museions war, verbrachte aber ich beschloss, es hatte sich definitiv gelohnt...

    Endlich hatte ich die Serpentinenwege des großen Hügels erkommen und kam auf der Plattform an. Der Tempel in der Mitte der Plattform war eigentlich nicht besonders spektakulär. Er war zwar durchaus hübsch anzusehen, aber dennoch klein und irgendwie nicht besonders. Dennoch erkannte ich gleich, welch Wunder diese Anlage war, als ich den Rand der Plattform entlang schlenderte.


    Ich setzte mich dann an den zum Meer blickenden Rand des Rundes, wo sich bereits einige Liebespaare niedergelassen hatten, um die Aussicht zu genießen. Und auch ich verfluchte den Umstand, dass ich das Paneion noch nicht kannte, als ich die Frau im Gymnasion getroffen hatte. Dies wäre eigentlich der ideale Platz für ein Stelldichein gewesen.


    Rot spiegelte sich die untergehende Sonne im wogenden Meer und der Himmel war ein wahres Feuerwerk aus rot, gelb und dem dunklen Violett der vereinzelten Wolken.
    Das Land darunter war weit. Wirklich alles konnte man sehen: Die Hafenanlagen mit den tausenden von Schiffen, die breiten Magistralen und die zahllosen Häuser der Stadt. Und alles wirkte von hier oben ganz ruhig und harmlos, wie ein großes Miniaturmodell, das irgendein Künstler von der Stadt gemacht hatte. Und zwar das genaueste Miniaturmodell, das jemals gebaut wurde: Winzig kleine Menschen und Tiere liefen durch die Straßen, verschwanden ab und an in den beschmückten Gebäuden, kauften etwas an einen kleinen Stand oder hielten kurz an, um eine Inschrift an einem Brunnen oder einer Statue zu lesen. Es war wirklich wunderschön.


    Ich schritt das Rondell weiter ab und sah, dass auch die Gegenseite zum Mareotissee hin reich besetzt war: Kein Wunder: Auch hier erstreckte sich das Wasser bis zum Horizont. Man konnte durchaus den Eindruck gewinnen, Alexandria sei auf einer kleinen Insel im Ozean errichtet worden. Aber hier spielte sich ein atemberaubendes Schauspiel ab: Tausende, Millionen von Flamingos lebten am See und hin und wieder stoben die Vögel in Schwärmen in die luftige Höhe und tanzten in kunstvollen Figuren und Formationen durch die Luft.


    Total gefesselt setzte ich mich, zündete mir eine Pfeife mit einer süßlichen Kräutermischung aus Baktrien, die ich mir auf dem Fremdenmarkt gekauft hatte an und schaute auf dieses Schauspiel, bis die Sonne unterging und des dunkel wurde.


    Der Einbruch der Nacht verminderte die Aussicht aber keineswegs: Jetzt funkelten und flackerten überall in der Stadt myriaden kleiner Lichter, Herdfeuer und Straßenlaternen, die zusammen mit den Sternen um die Schönheit wetteiferten. So saß ich da, bis mir etwas kühl wurde.


    Als ich ging, drehte ich mich noch einmal dem Meer zu und sah erneut das riesige Leuchtfeuer des Pharos, der alles andere in den Schatten stellte.

    Ich wanderte also durch die Parkanlage. Sie war wirklich wunderschön angelegt. Man hatte fast den Eindruck, einen naturbelassenen Hain aufzusuchen, ein wahres Idyll und ein herrlicher Rückzugsort vom lauten und hektischem Stadtleben. Anscheinend sah das nicht nur ich so: Viele Alexandriner schlenderten ebenso über die Wege und genossen unter dem munteren Gezwitscher der Vögel ihre freie Zeit zusammen mit Freunden, Partnern oder der Familie.


    Auf meinem Weg zum Paneion, so hieß der Turm, auf dem sich das eigentliche Heiligtum befand, betrat ich nun einen Bereich des Parks, der über und über bedeckt war mit den verschiedensten Pflanzen: Oliven, Zypressen, Eichen, Zedern, Pinien standen hier in verschiedensten Arten und Formen, dazwischen Bäume, die ich noch niemals gesehen hatte. Neben den Bäumen gab es Sträucher und Blumenbeete und bunte, exotische Blüten lockten mit den verschiedensten Düften. Auf einen Teich wuchsen Dutzende von verschiedenen Seerosen. Auch Bereiche mit künstlichen Wüsten, Sümpfen oder Berglandschaften gab es. Und eine Armee von Gärtnern war unterwegs, schnitten und gossen die Pflanzen, prüften die Erde und wühlten sie um.


    Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Vielfalt an Pflanzen, von denen die wenigsten aussahen, als würden sie gewöhnlich in diesen Regionen wachsen, nur zum Spaß so angelegt wurde. Deswegen fragte ich einen der Gärtner.


    Dieser lachte. Es stellte sich heraus, dass er gar kein Gärtner war, sondern ein Botaniker. Nein, meinte er, das sei nicht nur ein gewöhnlicher Park. Hier ließen die Nachfolger Alexanders alle Pflanzen ansiedeln, die sie während der Eroberungszüge aus aller Welt gesammelt hatten. Neben dem Erholungswert diente dieser Teil des Gartens also vor allem einen wissenschaftlichen Zweck. Er deutete mir dabei auf ein Gebäude, das von einigen Gewächshäusern umgeben war, das sich als botanisches Institut des Museions herausstellte.


    Alexandria war wirklich eine interessante Stadt: Noch nie habe ich in meinem Leben einen Ort gesehen, an dem das Nützliche mit dem Schönen in derartiger Weise miteinander verbunden wurde.

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    Erneut schlenderte ich, diesmal vom Westen her kommend, den Meson Pedion entlang. Es war schon später, die Sonne zeige Ermüdungserscheinungen und bewegte sich langsam aber sicher ihrem Bestimmungsort im Westen zu. Die Sonne war müde und ich war es auch. Außerdem hatte ich an diesem Tag schon wirklich viel erlebt. Deswegen beschloss ich, zu Hegesias heimzukehren.


    Allerdings: Aus meinem Plan wurde nichts: Wie ich nämlich so den Meson Pedion entlang ging, fiel mir auf einmal ein gigantischer Park ins Auge, der von einem riesigen Tum bekrönt wurde.


    Dieser Turm hatte etwas wirklich seltsames an sich: Er wirkte wie aus Erde gemacht und war gleich einem Berg mit Pflanzen überwachsen. Aber er war definitiv kein echter Berg: Dazu war er zu symmetrisch gebaut: Es war ein riesiger Kegel, dessen Spitze abgeschnitten war und einer Plattform Platz machte. Und den künstlichen Berg herum schlängelte sich deutlich ein begehbarer Weg.


    Ich war wirklich erstaunt: Noch nie hatte ich bisher von diesen künstlichen Berg gehört! Er sah so fremd und gänzlich ungriechisch aus, weswegen ich vermutete, dass ihn vielleicht die alten Ägypter errichteten. Allerdings wusste ich, dass auch die Ägypter nicht einen solchen Baustil pflegten. Vielleicht hatten ihn die Götter dorthin gestellt? Oder irgendeine mythologische Rasse von Riesen? Ich fragte einen Passanten:


    "Sag, was ist das für ein Gebäude?"


    Der Passant schaute mich nur verwundert an: "Das ist das Paneion, ein heiliger Hain des Pan. Man kann dort hinaufgehen und hat eine gute Sicht über die Stadt und das Umland." so als wäre das ganz selbstverständlich. Ich dankte und der Mann ging weiter. Wahrscheinlich dachte er sich seinen Teil über die komischen Touristen. Mich aber lies dieser künstliche Berg nicht los. Meine Müdigkeit war verflogen. Ich beschloss, ihn zu erklimmen und betrat den Park...

    Auch meiner nahm sich jetzt endlich einer der Kosmeten (Trainer und Schiedsrichter) an. Er nahm seine Amphore mit dem Olivenöl und rieb mich von oben bis unten ordentlich ein. Dann fragte er, in welcher Sportart ich mich üben wolle. Ich meinte, dass ich noch rüstig genug sei für einen Ringkampf. Als Kind war ich der beste Ringer der Region. Da schmunzelte der Kosmet und meinte nur: so soll es denn sein.


    Voller Mut betrat ich den Kampfplatz. Ich war schon sehr gespannt, gegen wem ich denn antreten würde. Aber als ich meinen Gegner sah, staunte ich nicht schlecht: Der Gegner war vielmehr eine Gegnerin!


    Siegessicher und herausfordernd schaute mir das vollkommen nackte und eingeölte Mädchen in die Augen. Ich hingegen wusste nicht genau, wie ich reagieren sollte: Sicher hatte ich schon davon gehört, dass es Gymnasien gab, in denen auch Frauen bei der Ephebie und dem Sport teilnahmen. Aber gegen eine Frau gekämpft hatte ich noch nie!


    An dieser Stelle sei mit einem weiteren weit verbreiteten Vorurteil über uns Griechen Schluss gemacht: Die Art und Weise, wie wir unsere Frauen behandelten. Die Zeiten, in denen die Frau tagein tagaus in ihren eigenen, abgeschlossenen Zimmerchen sitzen musste, sind nämlich schon lange vorbei. Mit dem Kontakt mit den Kulturen des Ostens durch die Feldzüge Alexanders lernten wir Griechen nämlich viele Vorzüge anderer Kulturen kennen. Und in vielen dieser Kulturen galten die Frauen als normale Menschen. Zum Glück für die Frauen haben wir diese Sitten auch übernommen. In vielen Städten können Frauen heute in der Volksversammlung mitbestimmen und sogar Ämter bekleiden.


    Dies gilt vor allem und ganz besonders auch für Ägypten. Hier hatte die Frau nämlich schon immer eine hohe Stellung in der Gesellschaft inne. Sie durfte frei entscheiden, wen sie heiratete und sich scheiden lassen, außerdem konnte sie Grund und Eigentum besitzen und war auch in allen anderen Dingen rechtsfähig.


    Und man stelle sich vor, wie das für die ersten Alexandriner wirken musste, zu sehen, dass die Frauen der Unterworfenen und Fellachen mehr Rechte hatten, als ihre Eigenen! In Ägypten hat sich dem entsprechend auch schnell der Brauch durchgesetzt, dass die Königinnen zusammen mit den Königen regierten. Die Münzen und Inschriften der Ptolemäer stellten immer das Königspaar dar. Und Frauen wie Arsinoé, Berenike II. und Kleopatra VII. leiteten die Staatsgeschäfte ganz alleine mit großem Geschick.


    Aber zurück zu meinem Kampf: Ich war heillos überfordert. Zuerst beschloss ich, sanft anzupacken, da ich Angst hatte, dem Mädchen weh zu tun. Ein schwerer Fehler: Kaum war der Kampf begonnen, lag ich schon am Boden, meine triumphierende Partnerin über mir. In den nächsten Kämpfen gab ich mir dann mehr Mühe: Vergebens! Jedes Mal warf sie mich in den Sand! Ich war eben auch nicht mehr der Jüngste.


    Die Geschichte hatte dann noch ein nettes Nachspiel, denn nach dem Kampfe plauderte ich noch ein wenig mit ihr und wir verabredeten uns für den Abend. Alles weitere bleibt mein Geheimnis, aber man kann sich seinen Teil denken. Nur so viel: Eintönig wäre die Welt, wäre die Ästhetik des Sportes nur auf Männer beschränkt. Und für manche Dinge wird man eben nie zu alt...


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    Splitternackt und vegnügt betrat ich das eigentliche Gymnasion, einen riesigen, von Säulenhallen umstellten und mit feinem Sand ausgelegten Platz, auf welchem bereits mehrere Athleten, ebenfalls nackt und bereits eingeölt verschiedenen Sportarten nachgingen. Ich sah Jungen beim Speer- und Diskuswerfen, beim Bogenschießen, Weitspringen und verschiedenen Arten von Zweikämpfen.


    Die körperliche Ertüchtigung war eine der urältesten Traditionen des Griechentums. Wie ich bereits erwähnte, entstammte sie der alten Zeit, in der die Bürger sich im Waffentraining übten. Heute jedoch hat der Sport andere Bedeutung: Zum einen zeigt er die Verbundenheit der Griechen in aller Welt, was sich vor allem in den Panhellenischen Spielen, von denen die Olympischen Spiele die Wichtigsten sind, zeigt. Aber auch sonst veranstaltet jede Polis ab und zu einem friedlichen Kräftemessen und alle Städte zwischen Indus und Gallien schicken ihre Athlethen.


    Um die besten Athleten der griechischen Welt hat sich mit der Zeit auch ein regelrechter Kult gebildet. Die Namen der größten Sieger sind überall bekannt und es gibt Vasen und Statuetten von den größten Athlethen zum Spielen und Sammeln. Alexandria hat schon lange keinen berühmten Athleten hervorgebracht. Zur Zeit gewinnt aber eh alles Orodes von Chalchedon, von dem auch ich ein großer Fan bin.


    Zum zweiten geht den Griechen schon lange nicht mehr um den blutigen Wettkampf oder die Gewalt des Spektakels sondern vielmehr um die Ästhetik des Sports. Ja, die Ästhetik: Es war auch mir eine wahre Freude, den jungen Körpern beim Kräftemessen zuzusehen.


    Ein Blick zu den Säulenhallen verriet mir, dass ich damit nicht allein war. Einige Männer, ungefähr so alt wie ich oder noch älter, umstreichelten das junge Fleisch mit ihren lüsternen Blicken. Und nachdem einer der jungen Athleten mit seinem Kampfe fertig war, löste sich einer der Alten aus ihren Reihen und ging auf den Kämpfer zu. Sie redeten kurz und verschwanden eng umschlungen aus dem Stadion.


    Vor allem von Seiten der Römer wird uns Griechen dieser erotische Brauch oft zur Last gelegt. Und obwohl viele Gymnasien die öffentliche Ausübung der Knabenliebe mittlerweile verbieten, kann ich nicht nachvollziehen, was denn verwerflich daran sein soll, dass man am Anblick eines nackten, jungen Körpers Freude findet. Warum das verdrängen, was die Natur einen befiehlt?


    Außerdem werden von den Römern oft immer zwei Dinge vergessen: Erstens dient der Paidophilos, der Knabenliebende, dem Jüngling auch als Lehrer in vielen Dingen und trägt Verantwortung über diesen, zweitens gehen die Jungen nicht unfreiwillig mit den Alten. Sie sind keine Kinder mehr und alt genug, um selbst zu entscheiden, ob sie dem Alten folgen oder nicht...


    Sim-Off:

    Hier sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der obrige Text die Meinung Plutarchs widerspiegelt und das Denken eines Griechen veranschaulichen soll. Der Autor hinter Plutarch hat mit Pädophilie nix am Hut.

    Nachdem der Unterricht vorbei war, besuchte ich den Gymnasiarchen. Dieser war ganz begeistert von meiner Idee und wir machten einen Abend in einer Woche aus. Dann plauderten wir noch eine Weile.


    Mir war während meiner Beobachtung aufgefallen, dass sich unter den Epheben nicht nur griechische Kinder befanden. Auch Ägypter, Lybier und Äthiopier konnte ich unter den kleinen Köpfen erkennen. Neugierig fragte ich, was es sich damit auf sich hatte.


    Der Gymnasiarch schmunzelte und antwortete mir:


    "Alexandria ist eine große Stadt und groß ist die Herkunft der Menschen, die sie bevölkern. Nur ein kleiner Teil der Bewohner sind auch Bürger. Nun kannst du dir natürlich vorstellen, dass es für viele Menschen in der Stadt, vor allem für die, die wohlhabend sind oder wollen, dass ihre Kinder einmal etwas besseres werden sollen wie sie selbst, unzufrieden damit sind, dass sie an den Rechten des Bürgers nicht teilhaben können.


    Und wie du weißt, ist das, was den Hellenen und wahren Menschen vom Barbaren unterscheidet, nicht angeboren oder abhängig von seiner Herkunft. Nein, die Kultur ist es und diese kann man erlernen oder auch verlieren. Aus diesen Gedanken heraus ist es nur konsequent, wenn wir hier den vielen Nichtgriechen erlauben, die Ephebie abzuschließen. Denn wer sind wir denn, dass wir den Menschen sein Streben nach Höherem und Besseren verwehrten? Das tun nur die Barbaren. Jeder soll bei uns die Möglichkeit haben, Grieche zu werden."


    Dann schaute er mich vertraulich an und meinte zwinkernd: "Meine Eltern zum Beispiel kommen aus einem kleinen unterägyptischen Dorf am Nil. Die wenigsten Griechen hier sind aus der alten Heimat gekommen. Wenn in Alexandria nur "echte" Griechen leben würden, wäre Achaia ja menschenleer wegen der vielen Auswanderer."


    Da musste ich natürlich lachen. Sass ich darauf nicht selbst gekommen bin! Alexandria war eben keine der kleinen, provinziellen Städte meiner Heimat. Und die zahlreichen Einflüsse der Stadt, die ägyptischen Götter und fremden Gewänder sprachen natürlich Bände. Ich dankte den Gymnasiarchen, verabschiedete mich und schickte mich an, mich für den Sport tauglich zu machen.

    So beobachtete ich das Lernen eine Zeit lang und sinnierte. Da kam mir eine Idee: Wenn ich mich gerade in der Stadt aufhielt, dann könnte ich doch den Unterricht hier genauso gut unterstützen und ebenfalls einen kleinen Beitrag hier halten. Ich beschloss diesbezüglich, gleich nach dem Unterricht den Gymnasiarchen zu konsultieren.


    Im Geiste rückte ich mir schon eine Rede zurecht: Zu den griechischen Tugenden werde ich die jungen Epheben auf jeden Fall anhalten, dachte ich mir. Und ihnen natürlich von den richtigen Sitten erzählen. Das war das Grobgerüst, das auf keinen Fall fehlen durfte. Denn einzig und allein das war der Zweck des Gymnasions: Nicht ein gesunder Geist im gesunden Körper, wie der Römer vielleicht glauben mag. Bildung und Sport waren nur nebensächlich. Worum es eigentlich ging, war die Erziehung des jungen, unbedarften Menschen zum echten und vollwertigen Griechen.


    Die Kinder sollten Werte erhalten! Sie sollten lernen, wie man richtig spricht und wie man sich richtig verhält. Welche Kleidung wie wo angemessen ist und was man wo sagen darf und was nicht. Darüber hinaus wurden sie mit allen Bereichen des öffentlichen Lebens vertraut gemacht.


    Deswegen war die Ausbildung im Gymnasion immer nur ein Teil der Ephebie. Außerhalb des Gymnasions ging die Ausbildung weiter: Die Epheben wurden verschiedenen Amtsträgern zugeteilt, denen sie bei ihrer täglichen Arbeit ministrieren mussten. Sie begleiteten den Archonten überall hin und lernten so, was es bedeutete, ein Amt auszuführen und Verantwortung für die Bürger zu tragen. Denn der Ephebe muss den späteren Anforderungen der Politik gewachsen sein.


    Aber nicht nur den Archonten dienten die Epheben. Auch bei den Tempeldiensten, bei der Ausführung der Riten und Feste spielten sie eine wichtige Rolle. Denn der Dienst für die Götter ist mindestens ebenso wichtig wie der politische Einsatz für die Stadt.

    Die Schüler im Raum waren allesamt Heranwachsende, so zwischen 14 und 19 Jahren. Neben dem Pädagogen gab es noch mehrere Paidiotriben, Angestellte, die darauf achteten, dass die Schüler wirklich aufmerksam folgten. Taten sie es nicht, wurden sie von den Paidiotriben angemessen, also mit Rügen, kleinen Stupsern mit dem Stock, Aufgaben oder Arrest, bestraft.


    Man muss allerdings noch einmal erwähnen, dass der Unterricht, welcher von den Griechen Ephebie genannt wird, nicht an allen Gymnasien gleich verläuft. Auch die einzelnen Gymnasien kennen keinen festen Lehrplan oder so. Das alles ist davon abhängig, wieviel Personal zur Verfügung steht und was der Gymnasiarch, der die Spesen zahlt, sich alles leisten kann. So stellt der Gymnasiarch für jeden Tag einen neuen Lehrplan zusammen.


    Neben der Grundausbildung durch die Pädagogen versucht ein guter Gymnasiarch aber auch, ab und zu andere, speziellere Lehrmeister einzuladen, um den Unterricht abwechslungsreicher zu gestalten. Je nach Lage und Größe der Polis können das Wandergelehrte, umherreisende Dichter und Philosophen, gerade in der Stadt weilende Musiker oder Athleten sein.


    Diese Sondervorstellungen sind meist gut besucht, denn auch die erwachsenen Bürger der Polis sind angehalten, so oft wie möglich ins Gymnasion zu kommen um die Kinder mit ihrem Rat und ihrer Erfahrung zu unterstützen. Und es ist klar, dass das Interesse am Beisein im Unterricht besonders groß ist, wenn sich ein weit bekannter weiser Mann oder ein berühmter Athlet im Gymnasion die Ehre gibt. Die Schüler mögen diese Stunden in der Regel auch gerne, denn für sie hieß es meistens: nur Schweigen und Zuhören und nicht Lernen und: kein Ärger von Seiten der Lehrer. Außerdem sorgt so ein Auftritt immer für Abwechslung im tristen Schulalltag.


    In einer so großen und berühmten Stadt wie Alexandria kann man dem entsprechend natürlich annehmen, dass solche Sondervorstellungen besonders oft an der Tagesordnung sind und der Unterricht auch sonst herausragend verläuft.


    Nicht nur die Art des Unterrichts ist verschieden, auch das Alter der Epheben und die Dauer der Ephebie sind nicht genau festgehalten. Im Prinzip kann jeder kommen und teilnehmen. Es gibt keine formelle Aufnahme und keinen formellen Abschluss. Aber wer die Ephebie durchgemacht hat, wird von allen Griechen der Welt als gleichwertig anerkannt, egal wie lange und egal, in welcher Stadt.

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    Nach einiger Zeit des Wanderns über den Meson Pedion erreichte ich eine weite Gebäudewand, die ich sofort als Gymnasion erkannte.


    Zwar war ich nicht mehr unbedingt der Jüngste, aber als alter Grieche interessierte mich von den vier Gebäuden des Zentrums natürlich das Gymnasion. Ein kritischer Blick auf meine Wasseruhr iüberzeugte mich davon, dass noch genug Zeit sei, um vor dem Treffen mit Hegesias, mit dem ich zu Mittag verabredet war, mich noch ein wenig sportlich zu betätigen. Ich ging zum Eingang und studierte erst einmal gründlich die aushängenden Regelungen der hiesigen Schule. Denn obwohl es in jeder Stadt zumindest ein Gymnasion gab, hatte jedes einzelne einen eigenen Regel- und Verhaltenskatalog. Und was in der einen Stadt erwünscht war, konnte schon ein paar Kilometer weiter streng verboten sein.

    Nachdem ich meinte, mich ausgehend informiert zu haben, (Musik stand hier zum Glück nicht auf dem Unterrichtsplan) betrat ich die Palästra, das Hauptgebäude des Gymnasions. Hier gab es um einen zentralen Raum gruppiert unzählige verschiedene Räume. Zum Beispiel das Büro des Gymnasiarchen, den obersten Beamten der Stadt, der ähnliche Aufgaben hatte wie der römische Tribunus Plebis, sich aber auch um die Einhaltung der Geschäftsordnung und die Pflege des Gymnasions kümmerte. Das allein zeigt schon, wie wichtig das Gymnasion den Griechen ist.
    Aber auch eine großzügige Thermenanlage konnte ich sehen, die die Römer erbaut hatten. Damit musste ich mir auch keine Sorgen mehr machen, total verschwitzt und stinkend vor Hegesias zu erscheinen.


    Bevor ich mich der Leibesertüchtigung widmete, wollte ich mich aber dennoch ein wenig im Gebäude umschauen. Gymnasien hatten wirklich eine magische Anziehungskraft für mich. Schließlich war das Gymnasion nichts geringeres als die öffentliche Lehranstalt einer Stadt. Hier lernten die Kinder alles, was man so im Leben brauchte: Lesen, Schreiben, das Rezitieren der Klassiker, Musik und natürlich Sport. Diese Tradition hat sich aus der Vorzeit unseres Volkes erhalten, als die einzelne Polis sich noch selbst militärisch verteidigen musste.


    Ich betrat zuerst die große Halle der Palästra. Dort lasen die Schüler gerade zusammen mit einem Paidagoigos Homer. Ich stellte mich an den Rand des Peristyls und hörte gespannt zu, wie sich die jungen Knaben so machten...

    Da ich noch nicht gefrühstückt hatte, beschloss ich auf halber Strecke des Argeus Boulevard, an einer kleinen Garküche Rast zu machen und mir ein kleines Frühstück zu bestellen, das aus Brot, Obst, frischem Fruchtsaft und aus einem für meinen Geschmack sonderbar gewürzten Glas Wein bestand. Hier im Schatten der Arkade, an den marmornen Tresen gelehnt, wurde mein Dasein zu einen Punkt der Muße und Ruhe im geschäftigen Treiben dieses Vormittags. So nahm ich mir ein wenig Zeit, die Menschen um mich herum genauer zu betrachten. Ich brauchte diese Ruhe dringend, denn die Stadt machte mich bereits ganz konfus. So sammelte ich mich und beobachtete:


    Die Menschen des Brucheions waren hauptsächlich Griechen, das fiel sofort auf. Obwohl sich auch einige Ausländer unter den Leuten befanden, dominierte der griechische Stil. Allerdings bemerkte ich, dass den Griechen Alexandrias ihre Verwandtschaft zu den Barbaren anzusehen war: Ihre Haut war durchgehend sehr dunkel und die Gesichter hatten orientalischere Schnitte. Das Griechische und das Orientalische mischte sich hier zu einen sehr schön anzusehenden Menschenschlag, wie ich fand.


    Wie bereits erwähnt, schienen die Menschen hier zu versuchen, sich in ihrer Vielfältigkeit der Kleidung und des Verhaltens gegenseitig auszustechen. Dennoch fielen mir einige Gemeinsamkeiten ein: Der Grundtenor der Kleidung hier war griechisch. Man trug immer noch Tunika, Chiton, den weiten, wallenden Himation oder vielleicht einen Chlamis, ein weites Cape, obwohl bei diesem Klima eher selten. Die Handwerker und Bediensteten trugen die Exomis, eine leichte Tunika für grobe Arbeiten.
    Und ich konnte eine formenreiche Vielzahl verschiedenster Hüte aus Filz und Stroh ausmachen. Neben dem Pilos, einer konisch geschnittenen Mütze, dominierten vor allem Hüte mit breiten Krempen, die vor der Sonne schützten wie der Mazedonische Kausia.
    Doch in diesen Dingen hörte die Ähnlichkeit auf. Jeder hatte in das Grundkostüm seine Eigenheiten einfließen lassen und Faltungen und Windungen des Stoffes durch individuelle Anwendung von Gürteln und Bändern nach Bedarf unterschiedlich betont. Dazu die bereits erwähnte Schminke und der Schmuck.


    Als Grieche aus Achaia konnte man sich kaum des Eindrucks entwehren, die Alexandriner seien besonders verweiblicht. Wobei mir einfällt, dass ein Gesamtbild der Stadt nicht vollständig ist, wenn ich die Alexandrinerinnen vergesse:


    Diese waren nämlich besonders kunstvoll ausgestattet: Sie trugen in oft gefärbten Locken und Strähnen hochdrappierte und getürmte Frisuren, bunte und mit zahlreichen Ornamenten verzierte Röcke und den fast schon obligatorischen Peplos, ein traditionelles Kleidungsstück der Frau, das über der Tunika getragen wurde. Aber auch orientalische Gewänder, Schnitte aus Nordafrika, Ägypten, Syrien, Arabien oder gar Indien kamen vor und mischten sich geschmackvoll mit dem Griechischen. Die Kleidung wurde durch verschiedene Bänder und Gurte festgehalten, auch um trotz der wallenden, weiten Stoffe die Figur der Trägerinnen zu betonen. Auch sie waren prachtvoll geschminkt, entweder im ägyptischen Stil, afrikanisch oder griechisch mit Pflanzenmustern, die das Gesicht verzierten. Daneben trugen sie eine Vielzahl von Schmuck, kunstvoll und individuell geschnittene, breite Hüte und oft fein gewebte Gesichtsschleier afrikanischer Machart, die das Gesicht mehr zieren als verhüllen sollten. Ja, die Alexandrinerinnen verstanden es aufs Beste, ihre Reize zu betonen und Männern wie mir zu gefallen.


    Daneben sei natürlich noch erwähnt, dass es auch unter den Griechen gewaltige Unterschiede gab: Die vornehmen Bürger, die Landbesitzer, Reeder und Fernhändler, hatten andere Gewänder an als die vielen Handwerker oder Bauern, die die Früchte ihrer Arbeit mit Hilfe von Lasttieren und Karren zu den Tagesmärkten brachten. Während in der Mitte der Straße zwei Diven fröhlich tratschend lustwandelten, sah ich gleich neben mir zwei Bauern stehen, die schon um diese Urzeit betrunken von Bier und Wein derbe Sprüche klopften.


    Und überall gab es wieder die Bettler im Lumpengewand, die die betuchteren Leute grob anredeten, verfolgten, betatschten und belästigten. Ein wahrhaft furchtbares Bettlerheer: Krüppel, Aussätzige und Verwachsene, dürre Kinder und zahnlose Alte. Ein grausamer Anblick. Auch hier fiel mir wieder auf, dass sich unter den Bettlern vor allem Ägypter befanden.


    Angewidert stellte ich fest, dass ich mich in das Leben dieser Stadt noch nicht ganz eingewöhnt hatte. Ich beendete mein Mahl und machte mich auf dem Weg zur Agorà.


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    Doch Caesar, der Königin hoffnungslos verfallen, zögerte nicht lange: Er würde seiner Angebetenen helfen, ihre Stadt wieder zu dem zu machen, was sie immer gewesen war. Die Legionen machten sich ans Werk und räumten Schutt und Asche weg. Neue Häuser wurden errichtet, die alten Tempel und Paläste wieder aufgebaut und Kleopatra ließ zu Ehren ihres Retters einen Tempel errichten: Das Caesareum.


    Und die Alexandriner dankten den römischen Erneuerer und ihrer Pharaonin, die nun nach ägyptischem Brauch mit ihrem anderen Bruder Ptolemaios XIV. Theos Philopator II. verheiratet wurde. Der junge Ptolemaios jedoch war viel zu klein, um schon die Regierunsgeschäfte zu tätigen und Kleopatra hatte ihren Willen durchgesetzt: Jetzt war sie unangefochtene Herrin über Ägypten. Sein Nachfolger wurde der Sohn Caesars und Kleopatras, Ptolemaios XV. Kaisareion.


    Caesar lies das neue Viertel "Neapolis" taufen, das heißt: "Neustadt". Aber dieser Name konnte sich niemals im Gedächtnis der Bürger einprägen. Schon bald wurde das neue Viertel mit den alten Funktionen von den stets spottsüchtigen Bürgern "Brucheion" genannt, was "Weizenspeicher" heißt, ein Wort, in dem die Unterstellung mitschwingt, Caesar habe das Viertel nur wieder aufbauen lassen, um einen Hafen für die Weizenernte zu haben. War Alpha das Zentrum des griechischen Ägypten, so ist Brucheion das des römischen Ägyptens geworden. Augustus und seine Nachfolger kümmerten sich wieder um die Stadt, sodass sie und besonders das Viertel eine neue Blütezeit erlangten. Augustus vollendete das Werk Caesars, errichtete neue Gebäude und stockte den Bestand der Museionsbibliothek um die Werke der Bibliothek von Pergamon auf. Daneben brach er noch dem Leichnahm Alexanders des Großen die Nase ab, aber das ist eine andere Geschichte, auf die ich beizeiten zurückkommen werde...

    Nun saßen also Caesar und der König Ptolemaios XIII. Theos Philopator mit seinem Eunuchen Pothenios im Palast zu Alexandria fest. Caesar ließ einen Boten zu Kleopatra schicken, der sie ebenfalls zu dieser ohnehin schon sehr ungleichen Runde einlud. Sein Plan war es nämlich, die Vormundschaft über das Königspaar zu übernehmen, aber bekannltlich passierte es anders:


    Kleopatra kam. Und unzählige Legenden und Mythen erzählen uns, was dann geschah: Kleopatra traf auf Caesar und dieser verfiel der jungen Schönheit und dem orientalischen Reiz dieser klugen Frau, die ihre ganz eigenen Pläne verfolgte: Sie wollte sich nicht damit zufrieden geben, Regentin an Seite ihres Bruders und abhängig vom Ratgeber Pothenios und dem Römer zu sein, sondern selbst und alleine über das Reich herrschen.


    Und Caesar ließ sich in ihre Pläne einspannen: Er ordnete an, Pothenios hinzurichten, Arsinoe VI., die verhasste Schwester Kleopatras wurde verbannt und Ptolemaios XIII. zu seinem Heer aus der Stadt geschickt. Allerdings verbündeten sich die beiden gegen Caesar und Kleopatra und es kam erneut zum Bürgerkrieg.


    Alexandria wurde mit Unterstützung der Alexandriner, denen der Römer zutiefst verhasst war, von der ägyptischen Armee eingenommen. Caesar, der keine Legionen in Ägypten stationiert hatte, konnte sich gerade noch im Theater verschanzen und so kam es zu einem gewaltigen Kampf um die Stadt, Soldaten stürmten und plünderten die Häuser des reichen Bürgerviertels und die auf den Schiffen stationierte Artillerie im Hafenbecken riss massenweise Gebäude ein. Es kam zu verheerenden Stadtbränden, die ganze Häuserblocks in Schutt und Asche legten. Endlich kam Caesars Nachschub und Ptolemaios XIII. starb in der Entscheidungsschlacht bei Menuthis.


    Caesar und Kleopatra waren jetzt wieder die Herren der Stadt und ihren Zielen nahe. Allerdings: Welche Stadt? Der Krieg hatte ganze Viertel zerstört, die Dörfer der Insel Pharos, in diesen Zeiten Sitz gesetzloser Piratenbanden, die die den Hafen anlaufenden Schiffe enterten, waren allesamt ausgeslöscht, das Heptastadion zerstört und vor allem der Bezirk Alpha ein Trümmerfeld. Zwischen eingestürzten Hausruinen und verbrannten Holzbalken tummelte sich ein Heer von Heimatlosen, die einst die stolzen Bürger der Stadt waren...

    Das Brucheion ist das zentrale Viertel der Stadt und die eigentliche Polis. Hier siedelten sich die griechischen und makedonischen Neusiedler an und hier war schon immer das Zentrum des urbanen Lebens. Die wichtigsten Gebäude der Stadt liegen hier.


    Trotzdem ist die Geschichte des heutigen Brucheions relativ kurz. Es existiert seit gerade einmal 130 Jahren und kaum ein Wohn- oder Geschäftsgebäude hier stammt aus der Zeit vor Cäsar oder Augustus.


    Vor der römischen Eroberung lag hier das Alpha-Viertel, ebenfalls bereits in der Zeit der Ptolemäer Zentrum des öffentlichen Lebens. Die gut durchgeplante Schönheit Alphas war in der gesamten Welt legendär, denn die ersten Ptolemäer waren kluge, weise und weitsichtige Herrscher und gestalteten ihre Hauptstadt mit Liebe zum Ruhme ihrer Herrschaft und voller Zuneigung zu den Bewohnern.


    Dies sollte allerdings nicht lange so bleiben. Mit der Zeit verkamen die Sprösslinge der Dynastie immer mehr, ein eitler, fauler und dekadenter Herrscher folgte dem nächsten. Bürgerkriege, Elend und große Zerstörungen waren die Folge. Rivalisierende Thronanwärter belagerten und eroberten die Stadt und der Wegfall der weisen Führung verursachte Hass und Zwiespalt zwischen den Alexandrinern. Blut tränkte den Marmor der Stadt und die hilflosen Herrscher suchten Schutz bei einem neuen Stern am politischen Himmel, der vom Westen aus seine Fühler in die Ägäis ausstreckte: Rom. Ptolemaius XII. Neos Dyonisos, genannt Auletes (Flötenspieler), fuhr nach Italien und vermachte der Republik testamentarisch sein Reich, falls es keinen Thronfolger geben würde.


    So kam es zu einer Zeit, als einmal wieder Bürgerkrieg herrschte - Ptolemaios XIII., ein kleines Kind, gelenkt von dem intriganten und habgierigen Eunuchen Potheinos, kämpfte von Alexandria aus gegen seine Schwester und Mitregentin Kleopatra VII. Philopator, jener Frau, der es gelang, zwei der größten Feldherrn Roms zu umgarnen und die Römer eine Hexe, die Alexandriner hingegen eine Heldin nennen. Dies war zur Zeit des Bürgerkrieges zwischen Caius Iulius Caesar und Gnaeus Pompeius Magnus.


    Der junge König machte den Fehler, ein Schutz- und Freundschaftsbündnis mit Pompeius abzuschließen, weswegen Caesar nicht lange zögerte und erklärte, er würde den letzten Willen des Auletes nun ausführen und Ägypten unter römische Vormundschaft stellen. Er traf in der Stadt ein und der König überreichte ihm den Kopf des toten Pompeius, den er aus Angst vor Caesars Rache hatte meucheln lassen. Damit endete der Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Caesar. Doch in der Folge kam alles anders, als Caesar es geplant hatte...

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    Nachdem ich mich einigermaßen ausgeschlafen und frisch gemacht hatte, brach ich schon früh am Morgen auf, um mir die Stadt genauer anzusehen. Zwar war es am Morgen noch angenehm kühl, aber der Tag versprach, besonders in den Mittagstunden, heiß zu werden. Deshalb hatte ich nur eine Tunika und einen luftigen Chiton aus dünnem Stoff angezogen.
    Anderseits heißt es ja, dass die quadratisch angeordneten Staßenzüge der Stadt bewusst in einen solchen Winkel konstruiert wurden, dass der Wind die Straßen in diesen Breitengraden angenehm kühl hielt. Aber ich vertraute nicht zu sehr auf Legenden.


    Ich bewegte mich über die etwa sieben Meter breite Allee in der Hegesias Haus stand, hin zum Meson Pedion, der Ost-Westachse der Stadt, eine 14 Meter breite Prunkstraße, die sich, von Arkaden gesäumt und ausgestattet mit großen und wichtigen Bauten, Obelisken, Statuen, Tempeln und Heiligtümern vom Westtor zum Kanopischen Tor im Osten quer durch die Stadt zog.


    Doch all die Schönheit und Pracht dieser Stadt wirkte nicht so unwirklich und rein, so wie ich es zum Beispiel von einigen Gegenden Roms her kannte, sondern zeigte deutliche Abnutzungserscheinungen urbanen Lebens: Der Putz bröckelte von den Fassaden. Die einst bunten Wände waren Grau und von Schmierereien überdeckt. Statuen fehlten Finger oder hatten glattgerubbelte Nasen. Die Schreine am Wegesrand quellten über von Devotionalien und der Asche ausgebrannten Räucherzeuges. Überall türmte sich der Müll in den Ecken und jeder freie Fleck war zugepflastert mit irgendwelchen Erlässen der Stadt oder einfachen Webeschildern der ansässigen Händler. Der Glanz und die Schönheit wirkten gebraucht, Tag um Tag, Jahr um Jahr dem Leben der menschlichen Herde ausgesetzt.


    Kein Wunder: Das Leben, das zu dieser Urzeit auf dem Meson Pedion herrschte, erschlug mich nahezu. Millionen von Menschen rannten und hetzten um mich herum, hauptsächlich Griechen, aber ebenso wie Hegesias von einen Schlag, als die Griechen, die ich aus Athen oder meiner Heimat her kannte: Farbenprächtige Schminke, exotische Kleidung, Amulette, Armreifen, alle möglichen und unmöglichen Accessoires mischten sich bunt und führten einen Konkurrenzkampf um Individualität und Exzentrismus. Menschen schrien, Fuhrwerke klapperten, Pferde, Ochsen, Esel und Kamele muhten, wieherten und blökten. Kinder rasten im lustigen Spiel zwischen den Beinen der Großen umher, gefolgt von kläffenden Straßenhunden. Und auch hier überall die Bettler und Hausierer, die schon am Vortag den Hafen zu tausenden belagerten.


    Ich folgte der Straße weiter in östlicher Richtung, wo sie über den Schedia-Kanal ins Delta-Viertel führte, wo die zahlreichen Hebräer Alexandrias ihre Wohnungen hatten, ein Ort, den ich mir sicherlich nicht entgehen lassen würde.


    Dann wurde der Meson Pedion von einem riesigen, reich beschmücktem Platz durchbrochen: Dem Alexanderplatz. Dort kreuzten sich die beiden Hauptmagistralen der Stadt. Ich bog in Richtung des Argeus-Boulevards, der Nord-Südachse, benannt zu Ehren des mythologischen König von Argos, der sich zwischen Mond- und Sonnentor, dem Großen Hafen im Norden und der Stadt Iuliopolis mit dem Mareotishafen im Süden erstreckte und über welchen ich gestern zu meiner Unterkunft getragen worden war.


    Während ich ging, versuchte ich, mich zu erinnern, was ich über das Brucheion in Erfahrung gebracht hatte.

    Das Haus des Hegesias war sehr groß, geräumig und repräsentativ ausgestattet: Die Wände waren von offenkundigen Meistern ihres Faches mit lebhaften Bildern, Landschafts- Meeres- und Theaterszenen bemalt. Es gab große Hallen, Perystile, Brunnenspiele und Plastiken verschiedenster Art. Um den Oikos herum erhob sich der dreistöckige Bau.


    Das Erdgeschoß beherbergte vor allem die Werkstatt eines Schusters und eine Taverne, die die von Hegesias gepachtet wurde. Hegesias selbst verdiente kein Geld mit Handwerk, denn solche Berufe schickten sich nicht für einen vornehmen Bürger. Ansonsten beherbergten die Räume die Familiengemächer wie den Speisesaal, die Küche, das Bad und die Quartiere der wenigen Sklaven. Im ersten Stock lebten die männlichen Mitglieder der Familie und der zweite Stock war für die Frauen reserviert. Im dritten Stock hatten ein Maler und ein Bildhauer ein Atelier.


    Einen Römer hätte es wahrscheinlich verwundert, wie wenige Menschen in diesem großen Haus wohnten. Im Gegensatz zum römerischen Gegenstück war das Haus nämlich nicht öffentlicher Treffpunkt und Lebensraum der gesamten Großfamilie mit Sklaven, Bediensteten und Klientel, sondern ein Ort privater Abschottung vom öffentlichen Leben. Hier wohnten nur Hegesias, seine Frau Kassandra, seine vier Kinder und zwei Sklaven. Die Werkstätten im Erdgeschoß hatten keinen Zugang zum Rest des Hauses und auch die Künstler erreichten ihren Arbeitsplatz durch eine Freitreppe von außen.


    Es lohnt sich sicher, noch einen Blick auf Castor und Pollux, die beiden Sklaven zu werfen: Zwei Äthiopier mit anmutigen und schönen Körperformen. Sie trugen beide aufwändige und exotische Fantasiekleidung, die wohl afrikanisch wirken sollte, aber für den Kundigen eine wüste Mischung verschiedenster Trachten darstellte. So zierte zum Beispiel beide ein persischer Turban, weite Partherhosen und ägyptische Pantoffeln. Die in den Stoff gewebten golden schimmernden Muster hingegen waren eindeutig griechischen Ursprungs. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, sie wären neben den Bildern, Statuen und Mosaiken nur zwei weitere Kunstwerke im Haus. Zwar wurden Familie und Gäste von ihnen bedient, ansonsten hatten sie aber nicht viel zu tun, fast als wollte man ihre Schönheit nicht zerstören. Die Familienmitglieder legten viel mehr selbst Hand an oder leisten sich Bedienstete, die nach Verrichten der Arbeit wieder in ihre eigenen Häuser zurückkehrten.


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    Dann öffnete mir der Hausherr höchstpersönlich die Türe. Etwas irritiert musterte er mich zuerst. Dann schien er sich wieder zu erinnern und sein Gesicht erhellte sich:


    "Nein! Plutarchos! Chairon, alter Freund! Das ist aber eine Überraschung! Komm nur rein! Was führt dich nach Alexandria?"


    Er umarmte mich und küsste mich von allen Seiten ab. Ich wurde sofort durch einen Flur in den Oikos des Hauses (so nennen die Griechen ihren Atriumshof) gedrängt und ausgefragt, was ich die ganze Zeit getrieben hatte und so weiter. Dann führte er mich durch das ganze Haus, in Umwegen, schien mir, denn wahrscheinlich wollte er mit seinem relativen Reichtum Eindruck schinden ins Speisezimmer geführt, wo ich mich auf eine Kline legte. Ohne Widerspruch ließ ich alles über mich ergehen. "Du brauchst sicherlich eine Stärkung, mein Lieber!" meinte Hegesias und ich wagte nicht, ihm zu erklären, dass ich schon am Hafen gegessen hatte.
    Man servierte uns Wein, Wasser und eine Mischung aus Honig, Harz und würzigen Kräutern, um den Wein nach Geschmack individuell zu verfeinern. Die Honigmischung war ein typisches Beispiel der von den Römern so verpönten dekadenten Lebensart der Griechen, welche für die Griechen selbst jedoch als Tugend gilt. Er erzählte mir, dass er jetzt Agoranom der Stadt sei und deshalb viel zu arbeiten hatte, weswegen er noch wach war.


    Hegesias war älter geworden, das fiel mir sofort auf. Älter und wohlhabender. Die Haare waren nicht mehr dicht und schwarz, dafür aber von einen Experten fein gelockt und drapiert. Die dick aufgetragene, ganz ungriechisch bunt gestaltete Schminke in seinen Gesicht konnte die Falten nicht ganz verbergen. Ja, die Schminke: Eine vornehme Römerin würde vor Neid erblassen. Er hatte sich auch einen Philosophenbart wachsen lassen um seine Bildung zu symbolisieren, ein prächtiger Vollbart, ebenso gut gepflegt wie die Haare. Unter seinen feinen Gewändern zeichnete sich eine Wohlstandswampe ab


    Gut ist, dass er an diesem Tage wohl viel Arbeit hatte und deshalb erst kurz vor mir nach Hause gekommen war, sodass ich gleich ein Exemplar eines Alexandriners in voller Parademontur begutachten konnte: Die Stirn schmückte ein weißer Haarreif. Er trug eine violette Tunika aus Seide, die reich mit Pflanzenornamenten bestickt war. Das Violett sollte wohl Purpur imitieren. Darüber trug er immer noch seinen weißen Chiton, die griechische Toga, die leichter anzulegen war als ihr römisches Gegenstück. Auch dieser war fein gewebt und mit schimmernden Mustern an den Rändern versehen.


    Unterschied ihn seine Kleidung eigentlich wenig von den meisten Männern Griechenlands, so setzte er sich vor allem durch seinen Körperschmuck ab: Die Finger waren überfüllt mit Ringen, Armreifen bedeckten seine Oberarme und Handgelenke und um den Hals hatte er ein wüstes Sammelsurium von Ketten, Amuletten, Glücksbringern und magischen Gegenständen verschiedenster Formen und Arten. Ich konnte auch ägyptische und persische Formen ausmachen. Manche der Amulette waren wirklich merkwürdig, zum Beispiel eine kleine Glasflasche an einen Lederband mit einer roten Flüssigkeit und ein anderer Behälter mit irgendeiner kleinen Papyrusrolle dahin, was mir sehr nach exotischem Zauberwerk aussah.


    Zu erwähnen wäre noch, dass er sehr penetrant nach irgendwelchen edlen Parfümen und Essenzen roch.

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    Nachdem ich mich durch die halbe nächtliche Stadt transportieren ließ (es dauerte ziemlich lange, da der Fahrer, ein ausgebufftes Schlitzohr, meine Ortsunkenntnis ausnutzte, um den Weg und damit das Fahrgeld künstlich zu erhöhen), erreichte ich endlich das Haus meines alten Freundes Hegesias, den ich noch aus Athen kannte.


    Hegesias hatte es im Laufe seines Lebens anscheinend zu Geld gebracht, denn das Stadthaus, in dem er wohnte, lag in einer der reicheren Gegenden des Brucheions, des alten Alpha-Bezirkes der Stadt, ganz in der Nähe des Stadtzentrums. Es handelte sich dabei um ein dreistöckiges, großes Haus, dass den anderen Häusern der Phratrie verblüffend ähnelte. - Phratrie ist die alexandrinische Bezeichnung für einen Häuserblock. 720 Phratrien bilden eine Deme (Gemeinde), 12 Demen eine Phyle (Stadtviertel) - Die Fassade des Hauses war reich durch Stuck und Arkaden verziert, die ein paar Läden beherbergten, welche um diese Uhrzeit allerdings alle schon geschlossen waren. Nur drei Häuer weiter schien noch Licht auf die Straße. Den Lauten dort nach zu urteilen, handelte es sich wahrscheinlich um eine Taverne.


    Trotz der gleichförmigen Architektur der Häuser - für die Griechen gilt ein einheitliches Stadtbild als die ästhetisch ansprechendste Form der Polisarchitektur- sahen diese Häuser im Inneren keineswegs alle gleich aus.
    Im Gegenteil: Das eigene Haus war ein wichtiges Statussymbol für den Alexandriner und jeder Hausbesitzer setzte alles daran, seinen Wohnraum so zu gestalten, wie er es am liebsten mochte. Deswegen ragten kleine Türmchen aus dem Block und die ursprünglich quadratischen Grundhäuser waren schon lange miteinander verschmolzen, die Wohnungen verteilten sich chaotisch und ohne Ordnung im Kern des Häuserblockes.
    Hegesias konnte es sich anscheinend sogar leisten, zwei nebeneinander liegende Häuser zu kaufen und hatte eine Wohnung daraus gemacht.


    Für die Hellenen ist das Haus übrigens im Gegensatz zu den Römern vor allem ein privater Raum. Das Atrium dient nicht dem öffentlichen Empfang und die Hausbesitzer haben ihre Arbeitsräume woanders in der Stadt. Gäste kommen nur auf Einladung hinein. Zum Glück hatte ich in diesem Fall eine solche per Post bekommen. Deshalb trat ich vor das Tor zum Innenhof und klopfte laut an. Eine andere Eigenart ist die, dass Männer und Frauen getrennte Wohnbereiche haben.

    Lange hielt meine Erleichterung aber nicht an, denn kaum, dass ich aus der Wache war, stürzten hunderte von Männern, Frauen und Kindern, wie mir schien, auf mich zu, betatschten mich und verfolgte mich mit jedem Schritt. Diese Meute schien nur auf mich gelauert zu haben, um mich in irgendeiner Form des Handelns um mein Geld zu erleichtern: Manche priesen ihre Dienste als Reiseführer, manche kannten eine gute Herberge oder ein gutes Lokal, manche hatten ein Fuhrwerk für mich, manche verkauften kleine Naschereien, Brot und Bier und wertlosen Tand, der in den vielen Manufakturen des Landes für die Massen an Touristen produziert wurde, damit diese sich zuhause ein Stück Ägypten in ihr Atrium stellen konnten. Dennoch beschloss ich, mir einen Moment Zeit zu nehmen um das Treiben am Hafen zu betrachten.


    Hier am Hafen schien sich die Situation nicht zu bessern: Egal wo ich hinging, überall priesen und lobten Händler im Schein ihrer kleinen Öllampen allerlei Nippes: Ketten, Amulette, Schutzzauber, schlecht gearbeitete Kopien ägyptischer und griechischer Kunstwerke, bunte Tücher und Teppiche. Dazwischen immer wieder Akrobaten, aber auch gewöhnliche Bettler, Verstümmelte und Kranke. Solche Art von Nepp kannte ich zur Genüge aus fast jeder größeren Stadt, in der ich jemals war.


    Die meisten Händler hier schienen auch keine Konzession zu haben, denn sobald eine Patrouille erschien, waren die Sachen eingepackt, die Stände abgebaut und die Besitzer verschwunden, als wären sie nie da gewesen, nur um einen Moment später wieder am gleichen Ort zu sitzen und zu schreien, als wäre nichts geschehen.


    Obwohl mich der Lärm und das Geschrei der vielen Leute betäubte und meine Sinne trübte, versuchte ich, Ruhe zu bewahren und ging gelassen weiter. Ich schaute die Gesichter der Verkäufer genauer an: Meistens waren es Ägypter, aber auch Äthiopier und andere waren darunter, ausgemergelte Körper, Dreck verkrustet, Kinder bis zu alten Greisen. Allesamt krakeelten sie ein gebrochenes Griechisch. Zweifellos die Ärmsten der Stadt, die sich hier an den Reisenden ihr bescheidenes Einkommen verdienten. Und immer wieder sah ich auch Reisende, die die Waren begutachteten und für einen Spottpreis kauften, um ein gutes Schnäppchen zu machen. Die Händler ließen sich einfach herunter bieten, die meisten waren wohl froh, irgendwas zu verkaufen.


    Dennoch wechselte ich ein wenig Geld bei einen zwielichten Geldwechsler und kaufte mir einen kleinen Imbiss, denn ich war sehr hungrig von der Reise. Dann ging ich weiter und suchte mir einen mietbaren Sänftenträger, der mich zur Haus eines Freundes bringen sollte, ein kluger Mann sorgt nämlich vor, wo er im Ausland schläft. Nur so kann er nämlich unbequeme und gefährliche Schlafsäle, harte Strohmatten, Wanzen, Flöhe und Läuse vermeiden.


    Die Sänfte erhob sich und durch das Mondtor, eines der vier Tore der Stadt, welches sich im Norden am Hafen befand, hindurch bewegte sich mein Gefährt über den Argeus-Boulevard hin zu meinem Bestimmungsort.


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    Einige Zeit des Wartens auf dem Schiff verging. Die Waren wurden ausgeladen und von den Soldaten kontrolliert, einige Reisende durchsucht und der Rest, zu dem auch ich gehörte, stand einfach nur sinnlos und dumm auf dem Deck herum. Endlich brüllte ein Centurio:


    "Alle Passagiere mitkommen zur Hafenkommandantur!"


    und die Soldaten machten sich daran, die Passagiere zu ordnen, es begann ein Geschubse und Gedränge. Unser Reisegepäck durften wir nicht Ich hatte schon von dem seltsamen Brauch gehört, dass in Alexandria alle Schriftrollen beschlagnahmt und kopiert wurden. Die Originale wurden der Bibliothek des Museions übergeben, die Kopien konnte man, wenn man lange genug in der Stadt verweilte wieder zurück kriegen. Als Freund der schönen Künste hatte ich natürlich daran gedacht, auch einige Werke aus meinem Besitz mitzunehmen, denn die Bereicherung der Bibliothek erschien mir als ehrenvoll. Lächelnd nickte ich dem Sarmather zu. "Na dann ist ja alles klar.", meinte der.


    Langsam bewegte sich die Schlange vom Schiff weg über den endlos langen Hafenkai. Das Gehen auf festem Boden war etwas ungewohnt nach so langer Zeit auf See. Dann stand ich auf einmal in einer Schlange.


    "Jetzt kommt die Personenkontrolle.", meinte der Sarmather. "Die fragen jeden ganz genau. Das kann dauern." Das wiederum ärgerte mich, denn langsam war ich echt erschöpft und wünschte mir nichts anderes als ein warmes, weiches Bett. Langsam, wirklich sehr langsam ging die Schlange voran, als ich endlich an die Reihe kam.


    Im Officium der Hafenkommandantur stand ich vor einem Legionär und einem Scriba mit Schreibpult.


    "Name?", schnauzte mich der Legionär an.


    "Plutarchos, Sohn des Autobulos."


    "Herkunft?"


    "Chaironeia in Böotien."


    Ich hatte gehofft, dass mein guter Name den Zöllner vielleicht etwas milder stimmen würde, aber dem war nicht so. Lange musste ich noch eine peinliche Befragung über mich ergehen lassen, was ich in der Stadt mache, wie lange ich bleiben wolle, ob ich vorhatte, mir in Ägypten eine Arbeit zu suchen, ob ich vorhatte, weiter zu reisen, ob ich römischer Bürger und Senator wäre, ob ich vorhatte, etwas gegen den Kaiser zu unternehmen, ob ich was zu verzollen hatte und dergleichen mehr.


    Irgendwann wurde ich dann doch raus gelassen. Erleichtert atmete ich die freie Luft Alexandrias ein!