Seiana bedeutete dem Sklaven mit einem Wink, der Iunia das Gewünschte zu geben, während sie es mit der gleichen Handbewegung ablehnte, selbst etwas zu nehmen. Ihr Herz klopfte in ihrer Brust stetig und ruhig, als sie in sich hinein horchte. Unter einer Eisschicht, aber es war da, schlug, sandte seinen Rhythmus beständig in ihren Körper hinein. Keine Unruhe. Keine Aufregung. Seianas Blick lag auf Axilla, und unwillkürlich dachte sie an den Kuss, den die Iunia ihr gegeben hatte. Es schien wie eine Ewigkeit her zu sein. Sie schien sich nicht einmal mehr richtig erinnern zu können. Und dann tauchte ein weiteres Bild auf vor ihrem inneren Auge, ein Bild, wie Axilla sich an Caius schmiegte, wie er sie streichelte, wie sie wohlige Laute von sich gab… während alle zusehen konnten. Schlampe, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, während ihr Blick unbewegt blieb. Seiana wusste noch, wie sie sie empfangen hatte, als Axilla eigentlich zu Livianus wollte und dieser nicht hier gewesen war. Wusste noch, wie sie ihr angeboten hatte, ihr bei der Suche nach einem geeigneten Mann behilflich zu sein. Sie hätte nie gedacht, dass sie ihr auf diese Art behilflich sein würde. Dass Axilla sich auf ihrer Suche nach einem Ehemann Seianas Verlobten aussuchen würde.
„Sicher“, antwortete sie. Dass die Iunia ihrem Blick auswich, bemerkte sie, aber sie konnte es nicht so ganz einordnen. Schlechtes Gewissen, vermutete sie. Natürlich. Sie ist mehr. Mehr. Das Mädchen vor ihr, das so unsicher und nervös wirkte, schien ihr nicht mehr zu sein. Nicht mehr als sie. Ganz sicher nicht mehr als eine Decima. Seiana sah sie an, und die Eisschicht in ihrem Inneren begann plötzlich zu wachsen, nicht weil Seiana es nicht verhindern konnte, sondern weil sie es wollte. „Wie kann ich dir behilflich sein?“ wiederholte sie, beinahe schon unnatürlich ruhig.