• Als Alvaro zum Schiff ging, wichen Messalina Gedanken in eine ganz andere Richtung ab. Sie dachte nämlich daran, wie es in ihrer Heimat war, wie sehr sie ihre Eltern vermissen wird, und auch irgendwie ihren Haussklaven Almos, auch wenn dieser ein Mann war. Denn Männer konnte sie absolut nicht ausstehen. Es brachte auch nichts, wenn sie nett und höflich waren, - Mann bleibt Mann. Für sie hatte ein Mann genauso die gleiche Stellung wie ein Sklave, nicht mehr und nicht weniger. Nur ihr Vater war eine Ausnahme, wie könnte sie auch anders, er ist eben ihr Vater und das immer mit Leidenschaft gewesen, ohne sie zu schlagen, zu misshandeln oder andere negative Dinge auszuüben, wie es sooft in anderen Familien war. Ganz im Gegenteil, Messalina wurde regelrecht von ihren Eltern, besonders ihrem Vater verwöhnt. Jeden Donnerstag wurde für sie ihre Lieblingsspeise zubereitet, ganz liebevoll auf jedes Detail geachtet.


    Als sich eine Polle auf ihre Nasenspitze nieder lies, kitzelte es ihr, rieb sich die Nase und ihre abschweifenden Gedanken waren verflogen. Sie blickte zu Alvaro, der gerade dabei war, Männer Münzen zu überreichen. Ob er diese bestach, sie kaufte oder gar Schutzgeld ablieferte, konnte sie nicht erkennen, zu weit stand sie entfernt, sie hoffe aber dass Alvaro einfach nur die Seemänner benutzte, um das Gepäck zu verladen. Dabei fiel ihr seine Art und Weise des Bewegens auf, er ging sehr aufrecht, nicht verklemmt, als hätte er ein Stock im Rücken, das zeigte wie sehr er gesund sein müsste. Ihr fiel nämlich im Laufe der Zeit häufiger auf, das immer mehr Menschen, besonders Sklaven, eine nicht senkrechte Haltung aufwiesen, vielleicht weil sie sich zu oft verneigten? In diesem Moment musste sie schmunzeln, wie lustig es aussehen würde, wenn Alvaro einen Katzenbuckel hätte, mit einem Stock zur Rechten und seinem Kopf zur Linken geneigt.


    Alvaro war zurückgekehrt, Messalina hatte die Informationen nicht wahrgenommen, da sie schon den nächsten Streich ausheckte. "Wärst du nicht zu faul, hätten wir die Sesterzen für etwas Sinnvolles ausgeben können, zum Beispiel für einen schicken Kopfschmuck." Messalina erhoffe sich, dass er durch diese Aussage etwas abgelenkt sein werde. Da er wie bereits festgestellt, in ihren Augen, nicht besonders schlau war, die Aussage von seinem Ohr zum Gehirn und deren Verständnis ein wenig Zeit in Anspruch nehmen würde. Sie war keine Marathonläuferin, aber ihre kleinen Füße würden sie trotzdem in Windeseile fortbewegen. Somit drehte sie sich um, rannte so schnell wie ihre Füße sie tragen konnten. - In Nähe der stehenden Häuser am Hafen, suchte sie nach einer Versteckmöglichkeit, fand aber keine, sie verlor leicht die Kontrolle, wäre fast gestolpert und eckte deswegen an einer ihr fremden Frau an, diese bruppelte ihr nichts Verständliches hinterher. Dann sah sie einen großen Korb an der Hafentaverne stehen, drehte ihn um und schlüpfte darunter, ein kleines Stück ihrer Tunika blickte unten zwischen Sand und Korböffnung hervor, nichts merkend linste sie zwischen den Korbflechtenlücken durch.

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    Álvaro schwankte, ob er auf den jüngsten Kommentar eingehen sollte – aber noch bevor er sich hätte entscheiden können, flitzte die Kleine plötzlich weg. Der Iberer unterdrückte ein Fluchen, als sie seiner zupackenden Hand um Haaresbreite entging, setzte sich aber dann zunächst langsam in Bewegung. Als Leibwächter war er trainiert – und selbst wenn nicht wäre er wohl mit Sicherheit schneller als ein 12jähriges Mädchen. Zuerst gestikulierte er also zu den Seeleuten hinüber, damit die Bescheid wussten und sich nicht wunderten, dann beschleunigte er und lief Messalina hinterher, verfolgte sie über den Anlegeplatz hinweg bis in den Hafen hinein, und sah, wie sie sich schließlich unter einem Korb versteckte. Und da blieb Álvaro erst mal stehen, um sich darüber klar zu werden, was um alles in der Welt er mit der kleinen Rotznase anstellen sollte. Offensichtlich schien sie zu glauben, sie könnte sich alles erlauben, weil er ein Sklave war – und wenn er nicht einige Dinge jetzt am Anfang klar stellte, würde sie ihm weiter auf der Nase herumtanzen, so viel war klar. Das an sich konnte er wohl noch aushalten, nur: er hatte die Verantwortung für sie. Wenn sie ihm wieder davon lief und ihr irgendetwas zustieß, wäre es seine Schuld. Und das allein berechtigte ihn dazu, durchzugreifen und dafür zu sorgen, dass sie ihm eben nicht mehr davonlief.


    Mit ein paar raschen Schritten also ging er dann zum Korb, hob ihn mit einem Ruck hoch und schnappte sich die Kleine an den Armen, zog sie bestimmt – aber nicht so sehr, dass es ihr weh tun könnte – vom Boden hoch und hielt sie weiterhin fest. Fest genug, dass sie sich ihm nicht so einfach würde entwinden können, falls sie den Versuch startete. Und Álvaro blieb wachsam, jederzeit bereit, seinen Griff zu verstärken, sollte das Mädchen beginnen sich heftiger zu wehren. „Ich werd dir mal verraten, wie das hier weiter laufen wird“, begann Álvaro in scharfem Tonfall. „Du läufst mir nicht noch mal davon. Die Helvetier haben in Ostia eine Casa, dort können wir heute Nacht schlafen. Wir werden da hingehen, und morgen Früh werden wir nach Rom reisen, und bis ich dich wohlbehalten bei Domina Seiana abgeliefert habe, wirst dich an das halten, was ich dir sage. Haben wir uns verstanden?“





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

  • Messalina atmete sehr leise, wie ein Mäuschen in einem Mauseloch saß sie innerhalb des Korbes. Draußen zog zur gleichen Zeit eine dicke dunkle Wolke auf, daher war es für sie schwer etwas zu erkennen somit bekam sie nicht mit, dass Álvaro bereits vor dem Korb stand und nur darauf gewartet hatte, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, um sich zu packen. Langsam macht sie sich sorgen, was wäre wenn sie nicht mehr gefunden werde, sie allein in Ostia herumeilte und niemand kannte bei denen sie hätte übernachten können, was wäre wenn Banditen aufkreuzten und sie entführten, mit ihr sonst was anstellten. Sie machten nicht einmal vor einem kleinen Mädchen halt, sie würde dann nie mehr Vestalinnen werden können. Ihre Eltern wären bestimmt sehr enttäuscht gewesen und Messalina wollte das nicht. Also schloss sie ihre Augen und dachte daran, dass die Göttin Abeona sie beschützen würde.


    Der Korb wurde über ihr weggezogen, immer noch mit geschlossenen Augen hoffte sie es wäre niemand anderes als Álvaro gewesen, der sie nun endlich gefunden hatte. Als Alvaro sie packte war sie zu Eis erstarrt, nun ist es um ihr geschehen, sie würde nie mehr das Licht der Welt erblicken. Langsam öffnete sie ihre Augen und war froh ihrem Leibwächter zu sehen. Sie hätte ihm am Liebsten gedrückt, war aber innerlicher blockiert, durcheinander, sie konnte nicht zwei Dinge gleichzeitig tun, daher blieb sie bei ihrer bisherigen Ausgangslage, hart und verachtet gegenüber ihm. Allmählich lies Alvaro Messalina los, hielt seine warnende Ansage ab und wollte mit ihr in die Casa Helvetier gehen. Messalina sagte mit leicht gesenkten Kopf: "Ja, ich habe verstanden." Ihr war es nicht wert, nun ihre Meinung zu vertreten, da sie die letzten Minuten verstanden hatte, dass sie ohne ihn nicht weit käme, und sich irgendwann an ihn rächen werde, aber nicht heute "Die Casa Helvetier? Weißt du mein Großvater wohnte dort bis er verstorben ist. Ich habe ihn nur einmal mit meinen Eltern besucht, aber er hat mir immer geschrieben." Eine Träne entwich ihr aus ihrem linken Auge. Gerne wäre sie nun umarmt worden, umarmt von ihrem Großvater, nicht aber von jemanden ihr Fremdes, vielleicht hätte sie es doch zugelassen, wenn es Alvaro getan hätte.

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    Und wieder runzelte Álvaro flüchtig die Stirn. Er hätte eher damit gerechnet, dass sie wieder irgendeine freche Antwort gab, oder vielleicht sogar versuchte sich aus seinem Griff zu winden – nicht damit, dass sie nachgab. „Gut...“ antwortete er und lockerte seinen Griff etwas, nahm sich allerdings vor wachsam zu bleiben. „Ich weiß“, erwiderte er auf ihre nächsten Worte ruhig. „Domina Seiana hat die Familie deiner Mutter darum gebeten, uns dort übernachten zu lassen, falls wir eine Unterkunft benötigen.“ Noch während er sprach, setzte Álvaro sich bereits in Bewegung, sah aber immer wieder mal zu der Decima hinunter – und stellte plötzlich fest, dass sie weinte. „Uh“, machte er, ein wenig hilflos und unschlüssig, was er tun sollte. Warum passierte ihm so was? Er hatte keine Ahnung, wie er mit Kindern umgehen sollte – vor allem mit Mädchen. Die große Frage war: warum hatte sie nun Tränen in den Augen? Sie hatte doch gesagt, dass sie ihren Großvater nur einmal gesehen hatte. Konnte sie ihn bei diesem einen Mal so sehr ins Herz geschlossen haben, dass sie jetzt um ihn weinte? Auf die Idee, dass sie vielleicht einfach nur Heimweh hatte, und Sehnsucht nach ihren Eltern, kam Álvaro nicht. „Du...“ Er räusperte sich und drückte ihre Hand, die er immer noch seiner hielt, ein wenig fester, um ihr so Halt zu geben. „Habt ihr euch nahe gestanden?“ Klar. Bei einem Besuch. Aber Álvaro wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

  • Messalina hatte ihren Großvater wirklich nicht fest in ihrem Herz schließen können. Sie weinte gerade deshalb, weil sie keine Möglichkeit mehr dazu hatte ihren Großvater besser kennenzulernen. Ihr Großvater hatte in seinen Briefen immer über Geschichten, die er erlebt hat, berichtet. Ganz Interessant fand sie immer seine Anekdote. Sie erinnerte sich wieder, dass sie immer dabei gelacht und vor Freude Tränen geheult hatte. Nun aber, waren es Tränen der Traurigkeit, einen Menschen nicht mehr kennen zu lernen. Als Álvaro sie wegen der Übernachtung ansprach, sagte sie wieder nur ein leises. "Ja." Und wich sich dabei die Träne von der Wange. Sie war so sehr in sich gekehrt, dass sie den Händedruck gar nicht spürte. Schade, das Verhältnis zwischen den beiden hätte sich bestimmt verbessern können. So blieb es bei der gleichen Ausgangslage und Messalina löste sich ein wenig von Álvaro. "Ja, das haben wir. Aber das geht dich nichts an." Sie versuchte den Schmerz zu überstehen, aber wieder einmal gelang es ihr nicht, sie hatte wirklich Probleme damit ihre Gefühle zu äußern und saugte alles in sich auf, irgendwann würde sie aber platzen. Bei den Göttern würde das dann schrecklich werden. Ihr war noch gar nicht bewusst was die beiden vor hatten, das Haus der Familie aufsuchen, das Haus indem die Familie wohnten. Würden ihre Erlebnisse verstärkt werden oder war es sogar eine gute Idee, sich direkt damit zu beschäftigen? Sie wartete nun darauf, dass Álvaro weiter schritt, der Weg war ihr nämlich nicht in Erinnerung geblieben.

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    Álvaro wusste nicht genau, ob das nun gut oder schlecht war, dass das Mädchen sich nun einsilbig und abweisend gab – aber er tendierte dazu, froh darüber zu sein. Einfach weil es hieß, dass er dann seine Ruhe hatte und sie nicht etwa auf die Idee kam, ihm etwas vorzuweinen. Nicht dass es ihm an Mitgefühl gemangelt hätte... aber in der Rolle des Trösters sah er sich dann auch wieder nicht. „Verzeih, wenn ich zu aufdringlich war“, antwortete er nur höflich, legte ihr eine Hand auf die Schulter und brachte sie zur Casa Helvetia.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

  • Nach Erhalt des neuen Auftrags, der erhöhten Eigenverantwortung und Begüterung fasste Pitholaus den Entschluss, die in Italia ansässigen Betriebe und Anwesen zu besichtigen. Es galt herauszufinden, ob in der Zwischenzeit von außen eingegriffen wurde. Falls nicht, konnte die Bewirtschaftung weiterlaufen, nur unter anderem Namen. Als er in Ostia an Land ging, kam ihm nichts verändert vor. Warum sollte es auch, dachte er bei sich. Die Sonne strahlte, der Wind zerrte an Kleidung, Flaggen und Segeln und keiner der Menschen achtete auf den anderen. Den Kai im Rücken orientierte er sich.

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    MAGISTER NAVIS - HERIUS CLAUDIUS MENECTRATES

    VILICUS - HERIUS CLAUDIUS MENECTRATES

  • Es war ein lauer Sommerabend, kurz nachdem die Sonne gesunken war, am großen Hafen von Ostia, dem Tor zur Welt. Wie immer war ein geschäftiges Treiben an den Anlegestellen: Schiffe wurden beladen und entladen. Sklaven rannten durch die Gegend, einer schneller als der andere, also ob die Peitschen ihrer Herren direkt hinter ihnen her wären.
    Gerade mit den letzte Sonnenstrahlen lege ein weiteres Schiff an eins der unzähligen Docks an. Es war 4 Tage und 3 Nächte her, seit dieses Schiff im Hafen von Athenae in der Provincia Achaia ausgelaufen war. An Bord befand sich so vor allem Güter wie Wein, Töpferarbeiten im typischen Stil sowie Luxusmöbel, die nach Rom geliefert werden sollten.
    Neben all diesen Waren befanden sich aber auch einige Passagiere auf dem Schiff, die sich für eigentlich viel zu viel Geld eine Überfahrt nach Ostia erkauft hatten.
    Unter ihnen war auch ein junger römische Sprössling aus dem Geschlecht der Octavier. Sein Name war Marcus Octavius, genannt Avianus. Seit seinem zwölften Lebensjahr musste er sich auf Anweisung seinen Vaters zu Studienzwecken im fernen Osten aufhalten. Mit der Vollendung des 15 Lebensjahres hatte er er das Mannesalter erreicht und fasste den Entschluss nach Beendigung seines Studiums der griechischen Sprache und der Schriften alter Größen in Philosophie und Logik in seine Heimat zurückzukehren.
    Nun waren sie also angekommen. Von seinen beiden Sklaven begleitet betrat der junge Octavier seit vielen Jahren wieder den Boden Italias, als er über eine hölzerne Treppe das Schiff verließ.
    Er richtete seine Tunika, die aus Leinen gefertigt und hellblau gefärbt war, und blickte sich um, auf der Suche nach der Kutsche die ihn und sein kleines Gefolge bis an die Tore Roms bringen sollte.
    Als er sie schließlich entdeckte gab er seinen Sklaven ein Zeichen, worauf hin diese das Gepäck in Richtung des Wagens, hinter dem Octavier her schleppten.
    "Salve mein Junger Herr. Es freut mich dich wohlbehalten zu sehen. Ich hoffe die Überfahrt war nicht allzu beschwerlich, Herr?" erklärte der Sklave mit säuselnder Stimme. "Ich werde dich nach Rom in das Stadthaus bringen. Mein Name ist übrigens Ti..." Dann wurde er schon von dem schlecht aufgelegten Octavier zischend unterbrochen. "Rede nicht so viel Sklave. Fahr lieber los. Wir wollen noch ankommen, bevor der Abschaum der Herr der Straßen wird." Der Sklave nickte nur und verfluchte seinen Herrn leise und nicht das letzte mal auf der Fahrt nach Rom.
    Als das Gepäck verladen war ging es langsam los in Richtung der Urbs...

  • Zwei riesige Schiffe der Cybaea-Klasse erschienen am Horizont. Vollgeladen mit diversen Allerlei wie Früchte, Kleidung aus Hispania steuerte sie auf den Hafen von Ostia zu. An Bord befand sich nicht nur das Schiffspersonal, sondern eben auch Musa mit ihrem Gefolge, 25 Personen an der Zahl. Zusätzlich reichlich Gepäck und einiges an wertvollen Gegenständen wie Skulpturen, Mosaiks und so weiter. Musa war so dermaßen vermögend, ihrem geliebten Großvater verdankend, dass sie die Stadt Ostia samt Bewohner hätte aufkaufen können. Doch stellte sie ihr Reichtum ungern zur Schau, somit ihre eigene Kleidung zum Missfallen ihrer Familie oft schlicht aussah und man sie nicht sofort der Nobilitas zugerechnet hatte.


    Ihr geliebtes Tagebuch in den Händen haltend trat sie ans Deck und blickte über die Reling in Richtung Ostia, wie erfreut sich doch war, dass die Reise nun endlich ein Ende hatte. Aber auch, dass kein Sturm sie auf dem Mare Tyrrhenum überraschte, gar schlimmer die Feinde des Imperators sie enterten und Musa eventuell der Sklaverei zum Opfer fiel. Die Familie Matinia hatte sich offiziell nicht vom derzeitigen Imperator abgesagt, somit bei den Göttern niemand auf der Proskription stand. Trotzdem war die Familie auf keinen Fall Anhänger diesem. Sie hielt gute Beziehungen zu der Familie Aelia, die Familie, die mit dem Vorgänger eng verbunden war. Den Verschwörern war es wahrscheinlich egal, solange sie die Familie nicht offiziell gegen den amtieren Imperator stellte.


    Langsam wurde der Meereswind und die See ruhiger, die Wellen schlugen nicht mehr so hoch. Die Mannschaft jedoch war alles andere als gelassen, eher hektisch am Gange. Auf Nachfrage von Callias ihrem Lehrer bekam sie zu hören, dass die beiden Schiffe nicht anlegen konnten. Denn der Hafen war mit militärischen Schiffen übersät worden. Im ersten Moment dachte Musa, dass Ostia bereits erobert wurde, doch schnell wurde sie beruhigt, als einer der Seeleute schrie: "Die kaiserliche Classis, sendet ein Signal!" Die Schiffe kamen schließlich zum Stillstand und ankerten zwei Meilen vor dem Hafen. Der Kapitän versuchte Auskunft zu erhalten, welchen Pier sie anfahren konnten oder aber gar mit Beibooten abgeholt werden mussten.


    Etwas ängstlich stand sie nun da, war doch Hispania nach den vielen Jahren des Krieges, seit Jahren um so friedlicher geworden, nun aber. Oh weh! Sie ging zu Phila und griff ihre rechte Hand, drückte sie fest.

  • | Nero Sulpicius Cornuntus


    Na endlich! Diese zwei Schiffe aus Hispania - hoffentlich waren das auch tatsächlich ebenjene - hatte der Hafenverwalter bereits vor drei Tagen erwartet! Aber Reisezeiten waren ja bekanntlich so kalkulierbar wie das Wetter - nämlich praktisch gar nicht. Insofern war es also vielmehr erfreulich, dass die Schiffe nun überhaupt angekommen waren und nicht von Neptun in die schier unendlichen Tiefen des Meeres gesogen worden waren.
    Sodann ließ der Sulpicier dem Kapitän mitteilen, dass aufgrund der aktuellen Lage derzeit leider nur für eins der Schiffe Platz zum Anlegen wäre. Das andere könnte entweder über kleinere Beiboote entladen werden oder müsste eben warten, bis das erste Schiff fertig wäre. Wie der Botenjunge, dem er dies mitteilte, diese Nachricht letztlich zum Kapitän transportierte, darum kümmerte sich Cornuntus nicht weiter. Irgendwie hatte der das schließlich schon unzählige Male zuvor geschafft; da würde der es auch diesmal packen. Fakt war: Die Worte des Hafenverwalters würden den Kapitän mit Sicherheit erreichen - auf welchem Weg auch immer.


    Von der hochrangigen Consularsenkelin, die sich an Bord eines der Cybaeae befand, ahnte der Sulpicier bislang nichts. Vielmehr ließ er sich Listen bringen, auf denen verzeichnet war, welche Waren mit den Schiffen ankommen sollten: Tuniken, diverses Obst, Mäntel, ... uff. Cornuntus sah noch einmal zu den beiden Schiffen und vor seinem inneren Augen zog sich der Tag bereits immer weiter in die Länge...




    HAFENVERWALTER - PORTUS ROMAE

    ir-senator.png Iulia2.png

    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Der Kapitän des ersten Schiffes, auf dem sich auch Musa samt Gefolge befand, empfang die Nachricht vom Sulpicier, gezielt gab er diese Auskunft an seinem ersten Offizier weiter, der dann das zweite Schiff signalisierte vorerst zu warten. Wichtiger war es eben nun die Passagiere an Land gehen zu lassen, immerhin befand sich unter ihnen eine Enkelin eines censor wieder. Dieser Titel des cursus honorum wurde seit Jahren nicht mehr an andere außer dem jeweiligen Imperator höchstpersönlich verliehen, sodass es außergewöhnlich war, fast unfassbar, göttlich eben. Auch wird kein Normalsterblicher mehr diesen Rang erklimmen können.


    Dass die Besatzung mit Musa so würdevoll umging, gefiel ihr überhaupt nicht, ja, sie war es gewohnt, doch nur weil sie es musste. Könnte sie wählen, wäre sie wohl lieber eine einfache Schriftstellerin geworden ohne irgendwelchen Rang und Stand. Zumal sie sich in der Politik überhaupt nicht auskannte, doch den Aufbau des cursus honorum kannte auch sie, unterrichtet wurde sie nämlich ausgiebig und das in vielen Gebieten. Daher verstand sie schon, dass die Menschen oft ins Staunen kamen und ihr jeweiliges Kinn bis fast zum Boden herab ragte.


    Langsam näherte sich das Schiff dem zugewiesenen Pier. Einige der Seeleuten bereiteten sich für die Löschung vor, andere griffen bereits zu den Taus, um das Schiff später zu befestigen. Musa hingegen blieb weiterhin an der Reling stehen und sah einen Mann eine Liste lesen. "Phila, das ist so aufregend. Guck da! Ostia, wie schön doch die Stadt von Weiten aussieht. Schnell was zu zeichnen, den Eindruck muss ich mir auf jeden Fall verewigen."

  • Guten Freunden oder Bekannten musste man gute Nachrichten natürlich persönlich überbringen. Da er den Hafenverwalter Sulpicius darüber hinaus schon recht lange nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, hatte sich Dives heute höchst selbst aufgemacht um ihm einen Besuch abzustatten. Dabei wurde der Duumvir, der selbst nicht nur Enkel des bereits verstorbenen Censoriers Octavius Anton sondern auch Großneffe des Censoriers Matinius Agrippa war, natürlich ganz gewöhnlich von seinen vier Liktoren begleitet. Aus den Censor-Titeln seiner beiden Verwandten machte sich der Iulier dabei jedoch nicht übermäßig viel. Unter dem vergöttlichten Iulianus mochten es noch besondere Auszeichnungen gewesen sein; heutzutage war es wohl unterm Strich nicht viel mehr als ein zweites Consulat vom Ansehen her. Auch das war, klar, eine gewisse Ehre, doch von Göttlichkeit weit entfernt. Wie weit entfernt, das zeigte sich spätestens damit, dass sich selbst so ein scheußlicher crassissimus problemlos einfach so zum censor perpetuus ernennen konnte. Der Fettsack gehörte schließlich noch nichtmal zur Nobilität (wenngleich sich das durchaus nach der aktuellen Wahl ändern mochte). Da stellte sich doch klar die Frage: Könnte man einer Censur noch unwürdiger sein?


    "Cornuntus, Salve!", grüßte Dives bereits aus einigen Schritten Entfernung, nachdem er den Sulpicier an einem wohl gerade anlegenden Schiff entdeckt hatte.
    "Vor dir steht der scheidende... aber gleichzeitig auch der frisch gewählte Duumvir von Ostia! - Na, was sagst du?", verkündete der Iulier stolz. Aber er fand, dass er darauf auch durchaus stolz sein durfte, da er nicht nur eine schlaflose Nacht deswegen gehabt hatte. Gerade wenn er an die Sache mit dem Herennier dachte, der es glücklicherweise unterlassen hatte Gerüchte über Dives und seine Liebe zum gleichen Geschlecht zu verbreiten. Zumindest waren dem Iulier derlei Dinge bislang nicht zu Ohren gekommen und man könnte wohl davon ausgehen, dass sie dies getan hätten, wenn jemand so ein Gerücht einigermaßen glaubhaft in die Welt gesetzt hätte. Doch noch war der Duumvir keiner ihn auslachenden Person begegnet oder jemandem, der in seiner Gegenwart zu kichern begann oder gar irgendwelche blöden Kommentare vom Stapel ließ...


    | Nero Sulpicius Cornuntus
    HAFENVERWALTER - PORTUS ROMAE


    "Was soll ich sagen? - Glückwunsch!", meinte der Sulpicier, nachdem er kurz aufgesehen hatte. Doch sogleich kümmerte er sich wieder um seine Listen. Ganz offensichtlich hatte er gerade viel zu tun und wenig Zeit.
    "Glückwunsch? Ist das alles? ... Ich dachte, wir gehen vielleicht... naja, wir könnten doch mindestens darauf anstoßen, oder?!" - "Tut mir Leid, aber du siehst, ich habe viel zu tun..." - "Ich geb dir auch einen aus!" - "Ich sagte: NEIN." Damit wandte sich der Sulpicier, der hoffentlich wirklich nur etwas gestresst war, leicht genervt von Dives ab. Letzterer drehte sich bereits zum Gehen, als er aus den Augenwinkeln jemanden an der Reling stehen sah. Zunächst nun selbst etwas enerviert davon, dass diese Abfuhr auch noch jemand beobachtet und wahrscheinlich auch noch komplett mitgehört hatte, blickte er nach oben.


    "My fair Lady...", grüßte er sodann in galantem griechisch mit lächelnden Lippen. Irgendeinen Seemann hätte er wohl schlicht angeranzt; aber so eine Frau, deren Aufmachung doch selbst auf diese kleine Distanz verriet, dass sie weder Peregrina noch Sklavin war? Nein, da war Dives vorsichtig. Schließlich musste man auch bedenken, dass der 'normale' Menschenstrom stets weg vom Krieg, raus aus Italia ging. Wer jetzt also in entgegengesetzte Richtung reiste, war mitunter ja eventuell sogar ein Freund des crassissimus, der sich auf dem Palatium wahrscheinlich gerade seinen breiten Hintern noch ein wenig breiter saß...

    ir-senator.png Iulia2.png

    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

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    An Deck eines der ersten Schiffe sitzend, die nach dem Bürgerkrieg von Alexandria aus nach Ostia fuhren, und an dessen Reling gelehnt träumte ich gerade einmal mehr von meinem neuen Leben in Rom, als mich meine treue Dienerin Callisto unsanft aus dem Schlaf riss. "Herrin! Herrin! Domina Fausta!" Mit diesen Worten rüttelte sie an mir, als wäre ich ein Apfelbaum, dessen Äpfel sie herunterzuschütteln versuchte! Kurz bevor ich im Traume die Casa Sergia, mein hoffentlich bald neues Zuhause erblicken konnte, erwachte ich und zog sofort meinen Arm aus den Krallen meiner Leibsklavin, die mir mein Vater kurz vor seinem Tod geschenkt hatte. "Ich bin keine Puppe, Serva!", giftete ich sie sogleich scharf an, denn sie hatte mich nicht nur in diesem Moment beim Träumen gestört, sondern sie störte mich beinahe permanent. Das begann schon damit, dass mein geliebter Vater sie Callisto nach der "schönsten" Nymphe Callisto aus der römischen Mythologie benannt hatte. Ich war feslsenfest davon überzeugt, dass sie ihm diesen Affront gegen meine Mutter irgendwie eingeimpft hatte. Dafür hasste ich sie! Wenn sie doch nur nicht gleichzeitig eine der wenigen Sachen wäre, die mir mein Vater hinterlassen hatte.
    "Domina Sergi...", begann Callisto dann, bevor ich ihr nach Kräften eine scheuerte. "Fausta! Domina Fausta! Ist das so schwer zu verstehen?!", fauchte ich wütend. Wie oft hatte ich ihr vor unserer Abreise eingetrichtert, dass wir anonym reisen würden? Ich hatte irgendwann aufgehört zu zählen. Sie hatte mich auf der Reise gefälligst bei meinem Cognomen zu nennen und nicht beim Nomen gentile, das verriet, dass ich aus der Gens Sergia stammte. Dieser Tage war der Einfluss meiner Gens zwar nicht mehr so groß, wie noch zu Zeiten des patrizischen Catilina, aber ich hatte trotzdem kein Interesse daran als Geisel für einige Talente Gold zu enden! "Hmpf. Wir - hmpf - sind da.", erklärte mir das dumme Dinge schluchzend und versuchte Tränen zu unterdrücken. Aber was soll ich sagen? Sie war nur eine Sklavin und als solche natürlich zu römischen Verhalten nicht in der Lage.


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    Der Kapitän des Schiffes persönlich stieß anschließend zu uns und lächelte mich mit seiner peregrinen Aegypter-Fratze blöd an."Darf ic' dir auf'elfen, sc'one Madc'en? Wir 'aben unser Ziel erreic't. Wir sind in Ostia.", sprach er in hörbarem Dialekt. Es kostete mich einige Überwindung, seine Hand zu nehmen und mir von ihm aufhelfen zu lassen. "Vielen Dank, kräftiger Mann.", flirtete ich ein kleines bisschen mit ihm, der er allem Anschein nach ein verweichlichter Eunuch war, der sich die Reise über eher als Vater, denn als echter Mann aufgespielt hatte. "Komm, meine liebe Callisto, jetzt müssen wir noch unser schweres, schweres Gepäck aus dem Laderaum holen.", wandte ich mich dann übertrieben freundlich an meine noch immer mit glasigen Augen schluchzende Leibsklavin. Wahrscheinlich müsste ich einfach ganz allgemein härter mit ihr umspringen. Dann würde sie den Tränen bei einem kleinen Klapps auf die Wange auch nicht gleich so nah sein. "Nein, 'alt. Warte. Ic' werde mic' fur sc'one Gaste kummer lassen.", versprach der Kapitän zuvorkommend. Nach einem nahezu begeisterten "Willkommen in Ostia!" ließ er seinen Worten dann auch Taten folgen und verschwand, um den Wunsch seiner Gäste weiterzugeben.
    "Stell dich nicht so an und steh auf! Ich will von dem Schiff runter sein, bevor es wieder ablegt!", raunte ich mit bösem Blick zu der noch immer knienden Callisto und wenig später setzte ich meinen ersten Schirtt auf italischen Boden. Dass sich der Boden dabei nicht groß von dem im Hafen Alexandrias unterschied und die Welt nicht wenigstens einen Wimpernschlag lang anhielt, trug dabei nicht gerade zur Besserung meiner Laune bei. Jeden Tag kamen Leute hier an und legten hier ab. Das war nichts Besonderes. Ich war nichts Besonderes - noch nicht. Es würde der Tag kommen, da würde man mir als angesehene Ehefrau (oder vielleicht auch Witwe) die Füße küssen, stellte ich mir übertrieben vor. Zwei Schiffsjungen mit unserem, das hieß natürlich vor allem meinem Gepäck holten mich in die Realität zurück. Sie stellten die große Kleidertruhe mit dem tief darin verborgenen Schmuckkästchen - meinem Allerheiligsten - stumm neben mir und meiner Sklavin ab und machten sich wieder auf den Weg, um auch den Rest der Ladung, die wirkliche Handelsfracht, abzuladen. Mir blieb keine Gelegenheit, um auch nur zu versuchen meinen Charme spielen zu lassen. Diese Witzfiguren von Seemännern verschwanden einfach wieder!


    "Auf, auf! Wir müssen heute noch eine vorübergehende Bleibe finden, bevor wir morgen nach Rom weiterreisen.", meinte ich selbstbewusst zu Callisto und deutete auf meine einst weinrote Kleidertruhe. Mittlerweile war diese von der Seite, von der in Alexandria immer die heiße Sonne in mein Zimmer schien, etwas ausgeblichen. Aber da auch sie ein Geschenk meines Vaters war, konnte ich mich auch von ihr einfach nicht trennen. "Na mach schon!", zickte ich nach einigen Schritten, als ich merkte, dass mir meine Sklavin nicht folgte. Ich vergas natürlich, dass dieses Ding nicht nur meinte die Schönste zu sein meinte, sondern auch noch faul wie sonstwas war. Dass meine schönen, leichten Kleider aus den geschmeidigsten Stoffen, die die Märkte Alexandrias zu bieten hatten, so viel wogen, konnte ich mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen. "Nun, komm! Das sind doch nur ein paar Kleider!", zeigte ich sehr deutlich mein Unverständnis und meine Ungeduld.
    Da kam der Kapitän auf dem Weg zur Hafenverwaltung vorbei und gekonnt hielt ich ihn einen Augenblick lang auf, indem ich mich ihm "ganz zufällig" mitten in den Weg stellte. "Entschuldigung. Ich habe dich nicht gesehen. Aber meine Dienerin schafft die Truhe einfach nicht allein zu tragen. Ich bin so verzweifelt und weiß einfach nicht, was ich nun tun soll.", seufzte ich ihm Mitleid erregend vor und ließ meinen verzweifelten Blick gekonnt zwischen ihm und meiner Sklavin wechseln. "Dann fass doc' einfac' selbst mal mit an.", zwinkerte der Kerl mir nach einem kurzen Blick zu Callisto zu und ließ mich dann einfach so stehen, um seine Waren anzumelden."Blöder, eingebildeter, peregriner... grr... Eunuch!", fluchte ich ihm leise hinterher und blickte anschließend zurück auf die etwa zehn Schirtte entfernt noch immer hilflos an der Kleidertruhe ziehend und zerrend stehende Callisto. Ein bisschen Hilfe könnte ich jetzt gut gebrauchen und hätte ich überdurchschnittlich an Götter geglaubt, hätte ich nun wahrscheinlich angefangen zu beten...

  • Wie an jedem Hafen gab es natürlich auch hier in Ostia Männer, die sich etwas Geld dazu verdienen wollten und deswegen beim Abladen der Schiffe halfen. So kamen auch hier direkt einige Männer angelaufen und boten dem Kapitän ihre Hilfe an. Die meisten waren grobe Kerle, unehrenhaft ausgeschlossene Soldaten der Legionen oder der Classis, ehemalige Vigiles; doch es gab auch den einen oder anderen Mann darunter, der aufgrund seiner Schulden oder eines unuzureichenden Ersteinkommens so viel Geld wie möglich verdienen wollten.


    Einer von der zweiteren Sorte war der Peregrinus Tolumnius. Als ehemaliger Fischer nach Ostia gekommen, gehörte ihm ein Fischstand auf dem Markt von Ostia. Doch die Geschäfte liefen schleppend und seine Lieferanten waren unzuverlässig, sodass er sich immer mehr in Schulden schmiss, um seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Nachdem er sein Geschäfte wieder einigermaßen in Ordnung gebracht und die Lieferanten gewechselt hatte, blieben allerdings die Schulden. So stellte sich der robuste Mann außerhalb der Marktzeiten regelmäßig an den Hafen, um beim Abladen der Schiffe zu helfen.


    Wenn man Tolumnius auch bei manchen Fragen Naivität vorwerfen konnte, so roch er doch ein Geschäft auf hundert Meter Entfernung. Und die junge Frau da vorne, brauchte offensichtlich Hilfe und würde wohl auch etwas dafür bezahlen, wenn man es klug anstellte. So ging Agetas auf die junge Dame und ihre Sklavin zu, setzte ein freundliches Lächeln auf und sprach die Frau an.


    Herrin, wenn du erlaubst würde ich dir gerne meine Hilfe anbieten. Außerdem benötigst du bestimmt einen Führer für die Stadt, damit dich durch die Wirren der Hafenstadt führen kann.

  • ... Aber ich war von dem ganzen Götterglauben nunmal nicht so übermäßig überzeugt, sodass ich mir die Mühen irgendwelcher Anrufungen schlichtweg klemmte. Zudem, oh Wunder, dauerte es auch so nicht lange, bis sich auch ohne göttliche Fügung jemand fand, der mir und meiner Sklavin unter die Arme greifen wollte. Er bot mir seine Hilfe sogar nicht nur beim Tragen, sondern gleich auch noch beim Kennenlernen der Stadt an. Dennoch oder vielleicht auch gerade genau aus diesem Grund blieb ich zunächst kritisch. Man konnte einem Fremden ja von einem Blick nicht gleich ansehen, was der dachte und welche Intention zu helfen er wirklich hatte. "Gesetzt den Fall ich würde dir erlauben mir deine Hilfe anzubieten, wüsstest du dann überhaupt, ob es hier in Ostia eine Villa, Domus oder Casa der Gens Helvetia gibt und könntest mich gegebenenfalls dorthin führen?" Soweit ich wusste, hatte meine Mutter mir nämlich stets davon erzählt, dass sie dem Ostia-Stamm der helvetischen Gens entstammte. Da war es nur naheliegend, dass ihre Verwandten hier auch irgendwo ein größeres Domizil bewohnten. Und wenn dem so wäre, dann würde ich natürlich den Luxus genießen wollen und dort standesgemäß nächtigen, statt in irgendeiner billigen Taverne abzusteigen.
    Noch bevor mir der Unbekannte nun antworten konnte, startete ich mein gezieltes Ablenkungsmanöver: Ich begann damit eine meiner Locken ganz verspielt ein bisschen um den rechten Zeigefinger zu drehen, während mein zuvor kritischer Blick eine Nuance verführerischer wurde. "Und was würde es mich denn kosten, wenn du mir helfen würdest?", fragte ich und hoffte fast schon ein wenig auf ein unmoralisches Preisangebot. Welcher Mann würde mich nicht gerne haben wollen? Zudem trug ich, für das Auge des Betrachters jedoch unter meinem rubinroten Dress verborgen, mein feines Silberkettchen mit der Pfauenfeder, von der meine Mutter meinte, dass sie meine persönliche Iuno - in diesem Fall sicher zweifellos eine Iuno Regina, zumal auch mein Geburtstag so günstig fiel - unterstützte. Und so wenig ich von der Einmischung der Götter in das irdische Leben überzeugt war, so sehr hatte ich in der Vergangenheit bereits feststellen müssen, dass am Genius eines Mannes und der persönlichen Iuno einer Frau durchaus etwas dran zu sein schien.

  • Natürlich regte sich was bei Tolumnius. Bei so einer hübschen jungen Frau. Aber was würde sie schon von einem peregrinen Fischhändler und Gelegenheitsarbeiter wollen. Vor allem da sie - dem Gepäck nach zu schließen - schon zur oberen Gesellschaft gehören musste. Natürlich würde er seinen Spaß haben, aber auf so eine Geschichte wollte er sich gar nicht erst einlassen. Sowas führte immer nur zu Problemen. Und die brauchte Tolumnius nun mal überhaupt nicht.


    Ich würde sagen, dass zehn Sesterzen angemessen wären. Dafür bekämst du einen Gepäckträger und einen Stadtführer in einem. Wie ich finde ein gutes Angebot.


    Schließlich musste er das Gepäck ja auch durch die gesamte Stadt tragen, denn das Ziel der jungen Frau, die Casa Helvetia befand sie auf der anderen Seite der Stadt Richtung Porta Romana.


    Und was die Casa Helvetia betrifft, die kennt hier in der großen Marktstadt Ostia mittlerweile jeder. Denn der amtierende Aedilis Mercatuum, Helvetius Ocella, wohnt dort. Allerdings ist es bis dahin ein gutes Stück zu laufen.


    Da sich der Aedil auch regelmäßig auf dem Markt sehen ließ, kannte Tolumnius ihn. Zwar nicht persönlich, aber doch vom Sehen. Auch hatte der Aedil bislang noch nicht an seinem Stand Halt gemacht, aber dass würde sich hoffentlich bald ändern. Denn so ein Besuch führte immer dazu, dass die Geschäfte sprunghaft anstiegen.

  • ZEHN Sesterzen??? Der Typ hatte sie ja wohl nicht mehr alle! Der glaubte wohl, dass er mich aufgrund meines Alters und weil ich eine Frau war einfach so über den nicht vorhandenen Tisch ziehen könnte. Da hatte er sich aber gewaltig geschnitten. Nicht mit mir! Aber ich ließ den Kerl trotzdem erst einmal ausreden und erfuhr auf diese Weise völlig kostenfrei, dass ich meine Annahme als bestätigt betrachten konnte. Es gab also eine hübsche Casa Helvetia in der Stadt, die nur noch gefunden werden wollte. Als ich dann auch noch erfuhr, dass einer meiner vermeintlichen Verwandten ein Aedil von Ostia war, packte ich den Fremden verbal dort, wo es weh tat: "Du willst mich veralbern, oder? Was meinst du, was passiert, wenn dem Aedil zu Ohren kommt, dass Du für ein bisschen Tragen und eine Auskunft, die mir hier sicher jeder geben könnte, mehr verlangst, als ein Optio in einer Legion verdient, hm?", pokerte ich selbstbewusst und lächelte spitz. Wieviel genau die beim Militär verdienten, wusste ich natürlich nicht, aber auf den Tag gerechnet bekam so ein einfacher Unteroffizier bestimmt keine zehn Sesterzen, vielleicht mal gerade so.
    Da mein Vater als Magister Officiorum immer satt verdient hatte, fiel mir jedoch auf der anderen Seite ein tatsächlich angemessener Preis auch nicht gleich ein. Ich wusste nur Pi mal Daumen, dass ein Kleinbetrieb so etwa einen Denarius am Tag erwirtschaften konnte, wenn er erfolgreich lief. Aber musste ich dem Typ jetzt wirklich erst ein Gegenangebot machen? Ich hatte da eine bessere Idee: "Was hälst du davon, wenn du mein Gepäck zur Casa Helvetia bringst und wir dort im Angesicht des Aedils entscheiden, was was du für deine Dienste bekommst?" Das schien mir gerecht und innerlich freute ich mich bereits jetzt auf die sicherlich bitterböse Miene des Helvetius.


    Aber das hatte sich dieser angeblich so hilfsbereite Fremde auch wirklich selbst zuzuschreiben! Da machte ich ihm so ein Angebot und er griff nicht zu! Das fand ich fast schon beleidigend, obwohl ich natürlich nie vorgehabt hatte, den Kerl näher als eine Handbreite an mich heran kommen zu lassen. Abgeblitzt wäre er, direkt vor der Casa Helvetia, und zur Not hätte ich laut um Hilfe gerufen. Aber gut. "Und für dein Wucherangebot, mit dem du mich zuerst schamlos ausnehmen wolltest, denke ich, dass du mir die Stadtführung gratis oben drauf gibst.", erklärte ich überzeugt und winkte vorsichtshalber Callisto zu mir. Ich hatte ja keine Ahnung, wie der Kerl, von dem ich noch nicht einmal den Namen wusste, darauf reagieren würde. Eilig, das klappte nach einem vorherigen Klapps nämlich immer ausgezeichnet, setzte sich meine Leibsklavin gleich in Bewegung. Keine zwei oder drei Wimpernschläge würde es dauern und sie stünde direkt neben mir...

  • Gnarf... Da hatte er das Mädchen doch glatt unterschätzt, dachte sich Tolumnius. Vielleicht hätte er doch auf das Angebot eingehen sollen und hätte dann vielleicht etwas mehr bekommen? Und jetzt müsste er auch noch vor den Aedil treten. Aber der würde sicherlich einen fairen Preis festsetzen, mit dem sowohl Tolumnius, als auch die junge Frau leben könnten. Hoffentlich. So nickte Tolumnius zu dem Vorschlag der Frau.


    Also gut. Der Aedil legt den Preis fest und die Stadtführung kommt umsonst drauf. Haben wir dann eine Einigung?


    In jedem Fall würde das Gepäcktragen mehr bringen, als die Aushilfsjobs im Hafen. Und das würde ihm wieder die Möglichkeit geben, seinen Stand am Laufen zu halten. Doch da fiel dem Händler auf, dass er sich noch gar nicht vorgestellt hatte.


    Und bevor ich es vergesse: Dein Stadtführer für den heutigen Tag heißt Tolumnius.


    verkündete er daraufhin mit einem breiten Lächeln, in der Hoffnung, dass ihm das Angebot nicht aus den Fingern gleiten würde. Auch schaute er sich die große blassrote Truhe an und überlegte, wie er sie am besten tragen sollte. Die angenehmste Möglichkeit was es wohl, sie über den Rücken zu nehmen, wobei er dann natürlich immer schauen musste, dass sie nicht beschädigt würde. Denn das würde den letztendlichen Betrag nur noch weiter schmälern.

  • Einmal mehr hatte ich nun also meinen Willen bekommen - ganz wie ich es gewohnt war. Denn nicht nur, dass ich ohne größeren Aufwand herausgefunden hatte, dass die Verwandten meiner Mutter hier in Ostia eine Casa besaßen, hatte ich mir darüber hinaus eine kostenlose Stadtführung gesichert und diesen Gepäckträger bereits ein erstes Mal heruntergehandelt. Auf seine Nachfrage hin blickte ich ihn stumm einen Moment lang an. "Na los, was ist nun? Meine Kleidertruhe bewegt sich nicht von allein hierher.", meinte ich hochnäsig und bestätigte die Übereinkunft damit. Dann wartete ich mit kritischem Blick darauf, dass der Träger ging und mit meinen Sachen beladen die etwa zehn Schritte wieder zu mir und meiner Sklavin zurück kam. "Pass auf, dass er nichts kaputt macht und dass nicht die Hälfte rausfällt.", tuschelte ich dann abschätzig zu Callisto. Sie nickte. Ich hatte ja keinen Schimmer, ob dieser Typ "Tolumnius, tze." nicht vielleicht nur ein lächerlicher Stümper in diesem Job wäre. Aufs schnelle Geld war er ja auch aus gewesen.
    Während ich so wartete, beschaute ich mir mir kurz meine Hände. Für eine Dame aus dem Ritterstand waren meine Fingernägel eine Katastrophe, stellte ich fest. Der Nagel am linken Ringfinger war sogar etwas eingerissen! Das musste während der anstrengenden Überfahrt passiert sein. Hoffentlich hatten die Verwandten meiner Mutter entsprechendes Personal dafür in ihrer Casa. "So? In welche Richtung müssen wir?", ließ ich von meinen Frauenproblemen ab, als ich Tolumnius zurück erwartete.


    Anschließend befand ich, dass Zeit Geld war und mein Gepäckträger in diesem Sinne mit seiner Stadtführung beginnen sollte. "Erzähl mir was über Ostia! Was ist das da für ein Gebäude? Ist das wichtig?", zeigte ich mit dem Finger auf eine der umstehenden Bauten ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben. "Und wo ist der ganze Marmor? In Alexandria gab es viel mehr Marmor!", stellte ich etwas brüskiert fest. Ich dachte, dass ich ins Herz des Römischen Reiches gereist war! Wo war nun also der ganze Prunk, von dem mein Vater mir immer so begeistert erzählt hatte?
    Ich schüttelte kurz verständnislos meinen Kopf, bevor eine weitere Frage meine Gedanken durchkreuzte: "Und erzähl mir mehr über den Aedil von den Helvetiern. Wie ist der so und wann wird er Praetor und Consul von Ostia?", erkundigte ich mich erwartungsvoll. In Alexandria war ich mit den vielen verschiedenen Bezeichnungen nie so ganz klar gekommen. Hier in Italia sollte das einfacher sein: Vigintivir, Quaestor, Aedil, Praetor und Consul. Das hatte ich gelernt. Mein Großvater Marcus sollte sogar mal Quaestor Consulum von Rom gewesen sein, erinnerte ich mich.

  • Ok, sehr gut. Der Auftrag war gesichert. Tolumnius schulterte die Kleidertruhe und ächzte kurz unter deren Gewicht. Was hatte sie da drin? Steine? Metallstatuen?! Doch schnell gewöhnte er sich an das Gewicht der Truhe und ging wieder an den beiden Frauen vorbei, um ihnen den Weg durch die Stadt zu weisen.


    Zuerst Richtung Norden, da vorne durch das Hafentor und dann den Decumanus Maximus entlang: Die große und breite Hauptstraße der Hafenstadt.


    beantworte Tolumnius die Frage nach der Richtung. Sie musste ja die gesamte Straße entlag gehen, um auf die andere Seite der Stadt zu kommen. Das war ein ganze Stück und Tolumnius, der sich zwar einer guten Kondition rühmte, hoffte, dass sich der Weg nicht als zu lang herausstellen würde.


    Auf der rechten Seite siehst du das Hafenforum, wo bereits einige Händler ihre Frischwaren außerhalb der Stadt anbieten. Im Moment ist aber keine Verkaufszeit dort. Und nun gehen wir auf das Hafentor zu. Eines der vier Tore Ostias. Die Stadt selbst ist seit jeher DIE Hafenstadt Roms und ist wichtiger Umschlagplatz für Waren aus allen Provinzen des Reiches. Diese werden mit Booten über den Tiber und spezielle Kanäle nach Rom transportiert, wo sie dann auf den Märkten verkauft werden. Neben dem Flusshafen im Norden und dem kleineren Hafen im Süden, wo du angekommen bist, hat Ostia auch für den großen Portus Romanus im nördlich der Stadt selbst Sorge zu tragen.


    fasste Tolumnius dann erstmal die wichtigsten Informationen über die Stadt zusammen. So richtig viel wusste er nicht. Aber das, was er wusste, müsste wohl reichen, um wenigstens den Weg zu Casa Helvetia rumzukriegen.


    Als sie das Hafentor passierten, wo zwei Liktoren aufpassten, dass keine Störenfriede in die Stadt kamen - und wie Störenfriede sahen die beiden Frauen und der Träger nun wirklich nicht aus - nickten dem Händler kurz zu, dass sie die Stadt betreten durften und schon befanden sie sich im Inneren der Stadtmauern. Zur linken und rechten waren vorwiegend Lagerhäuse und Insulae gruppiert, die zugegebenermaßen keinen schönen Anblick boten. Der würde aber noch kommen, sobald sie das Forum erreicht hätten.


    Wir befinden uns hier in einer vielbelebten Wohngegend.


    beantwortete Tolumnius dann die Frage nach dem Marmor eher indirekt. Marmor war wahrscheinlich einfach zu teuer, aber er wollte hier ja auch nicht als Klugscheißer auftreten, der glaubte, eine junge Frau aus dem Ritterstand belehren zu können. Das würde diese selbstbewusste Frau wohl auch alles andere als wohlwollend aufnehmen.


    Der Aedil Helvetius wird von den Händler sehr geschätzt. Das mag auch daran liegen, dass er als Junge oft noch selbst an den Ständen ausgeholfen hatte, wenn sie Freunden seines Vaters oder Großvaters gehörten. Vor allem nach dem letzten Aedil, einem gewissen Herennius, einem üblen Kerl, brachte der Aedil Helvetius den Händlern auch wieder eine gewisse Sicherheit für ihre Geschäfte. Deswegen besucht er wohl auch regelmäßig den Markt. Leider kann ich dir nicht sagen, wann er weitergehende Ämter übernehmen kann oder wird.


    erklärte Tolumnius und verbreitete damit vor allem die Geschichten, die er selbst nur aus zweiter Hand hatte. Das Problem mit der weiteten Karriere kommentierte nur kleinlaut, fand aber sofort die Möglichkeit das Problem zu übergehen, da sie bald zur Linken den eindrucksvollen Kreuzungsschrein erreichten.


    Auf der linken Seite seht ihr gleich den Kreuzungsschrein Ostias. Aus dem schönsten Marmor wurde er gebaut zumindest hatte Tolumnius den Schrein immer als sehr eindrucksvoll wahrgenommen und er ist den Lares Compitales geweiht.


    Bald hätten sie das Forum erreicht und der halbe Weg wäre geschafft.

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