[Subura] Schmierige Spelunke am Kanal

  • Tiberios ging vor Sulamith in die Hocke, versuchte ihren Blick zu fassen.


    Er wechselte von Latein ins Griechische, als könne er die junge Hebräerin damit besser erreichen , aber seine Absicht war auch, dass nicht jeder von dem Treffpunkt der cristiani hörte.
    Dass die domina Iulia Graecina vermutlich jedes Wort verstand, konnte er nicht vermeiden.


    Er sagte:
    " Chaire Sulamith , ich werde in zwei Nächten zur Nekropole nahe der Ruinen des alten Circus Gai et Neronis kommen, wie du es mir gesagt hast . * Das verspreche ich dir bei allen Göttern , auch bei
    Ha- Schem, wie ihr ihn nennt, nicht wahr. * * Ich bitte dich darum und wäre dankbar, dass auch du anwesend bist, denn bestimmt werde ich nicht alles verstehen und Fragen an dich haben."


    Der junge Alexandriner sprach respektvoll, aber nicht wie ein Sklave zu einer domina, sondern wie ein Schüler der Philosophie zu einer Lehrerin sprechen mochte.


    Der griechische Philosoph Platon hatte gesagt, dass jedes Lebewesen nur das Abbild einer perfekten Idee war, und Tiberios war von diesem Gedanken überzeugt:
    Sulamith war mehr als das, was in dieser Nacht geschehen war, auch mehr als dieser unsägliche Verbrecher Titus.
    Ein Teil des innersten Wesens von Sulamith war frei, perfekt und ohne Makel.


    Der Philosoph hatte aber auch gesagt, dass man diesen Teil des Wesens nur über die Vernunft erreichen konnte, und das war es, was Tiberios gerade versuchte.


    Dabei wußte er nicht einmal, ob Sulamith ihn verstehen oder auch nur hören konnte.



    Als der furische Sklave sein Versprechen gegeben hatte, den Versammlungsort aufzusuchen, erhob er sich und trat einige Schritte zurück.



  • Graecina war hier bei ihr. Ihre Berührung gab ihr ein wenig Halt zurück, an dem sie sich festkrallen konnte. Sie hatte auch ihre sanfte Stimme erkannt, nachdem sie sich wieder beruhigen konnte. Auch wenn sie für die Hebräerin dumpf klang, als befände sie sich unter Wasser. Auch Tiberios war da. Er hatte sie hierher gebracht. Trotz allem hatte er sie nicht verlassen obwohl sie seine Warnungen ausgeschlagen hatte. Auch wenn er ihr nicht hatte helfen können, so war er jetzt ihre Zunge und berichtete ihrer Freundin, was geschehen war. Auch wenn sie seinen Worten nicht richtig folgen konnte, so wusste sie doch, wovon er sprach. Stille Tränen kullerten dabei über ihre Wangen, denn sie konnte nichts dagegen tun, dass sich in ihrem Kopf immer wieder die gleichen Bilder abzeichneten. Der Mann, den sie Titus nannten, er würde sie auch noch weiterhin quälen. Wenn nicht mehr physisch dann doch psychisch. Nichts war mehr so, wie es einmal war. Nichts würde je wieder gut werden.


    Während sie auf dem Boden kauerte und ins Nichts starrte, nahm sie plötzlich eine Gestalt wahr, die vor ihr in die Hocke gegangen war. Es war Tiberios Stimme, der nun griechisch mit ihr sprach. Ihre Augen versuchten ihn zu fokussieren. Er gab ihr ein Versprechen ab, auch bei Ha-Schem. Er sprach von dem geheimen Treffen, wozu sie ihn eingeladen hatte. Als er das Wort für den Ewigen aussprach, schienen ihre Augen ein wenig lebendiger und wacher zu wirken. „HaShem“, hauchte sie fast unhörbar. Doch Tiberios mochte es vernommen haben. Zu mehr war sie Augenblick nicht im Stande. Doch zumindest konnte der junge Grieche hoffen, dass seine Worte zu ihr vorgedrungen waren.


    Als mehrere Herzschläge später ein paar starke Arme sich ihrer annehmen wollten, ergriff sie wieder die Panik. Wieder begann sie zu zittern und zu wimmern. Titus war in diesem Moment wieder da und wollte sie davontragen.

  • Ich hielt mich dezent im Hintergrund und sah gespannt dem ganzen Geschehen zu. die Domina hatte zwei Aurei aus ihrer Palla gezaubert und gab sie dem Schankmädchen. Zwi Aurei! Ich dachte, mich trifft der Schlag! Verdammt viel für eine kleine Kröte, die kurz vorm abnibbeln war! Mal ganz zu schweigen, was sie hier mit ihrer Sklavin angestellt hatten. Das Schankmädchen freute sich wie Bolle, nahm die Münzen und ließ sie zwischen ihrem Busen verschwinden.


    Eigentlich war es mir ganz recht, dass die Domina entschieden hatte, nun endlich zu gehen. Natürlich oblag es mir, ihre Sklavin nach Hause zu tragen. Bevor ich jedoch zu ihr gehen konnte, um ihr aufzuhelfen, mischte sich der Hänfling wieder ein. Nachdem er die Erlaubnis der Domina eingeheimst hatte, mit ihrer Sklavin zu sprechen, kauerte er sich vor Sulamith hin und sprach mit ihr in einer seltsamen Sprache. Ich verstand kein Wort davon. Wahrscheinlich entschuldigte er sich nochmal bei ihr, weil er sie im Stich gelassen hatte. Die Kleine sah ziemlich fertig aus und hatte wahrscheinlich nur noch darauf gewartet, dass dieser Halbzwerg ihr in einem Kauderwelsch etwas ins Ohr flüsterte.
    Als er endlich fertig war, schob ich mich an ihm vorbei und zog die Kleine hoch. Sulamith war völlig verängstigt und begann zu zittern und zu wimmern. „Hey, alles gut Kleine! Ich tu dir nichts. Ich bringe dich nur nach Hause!“, redete ich sanft auf sie ein. Als ich sie in der richtigen Position hatte, nickte ich der Iulierin zu, um ihr zu zeigen, dass ich bereit war. Dann verließen wir endlich dieses Drecksloch.

  • Schuld. Schande. Schuld.
    Immer wieder geisterten Eireann diese Worte durch den Kopf. Ja. Denn wenn man ehrlich war, dann war die Keltin in gewisser Weise schuld am Zustand der iulischen Sklavin. Schließlich hatte s i e die kleine Ancilla in die Domus Iulia gebracht und Domina Iulia Graecina darüber informiert, wo sich ihre Dienerin befand. Bei diesem gedanklichen Zwiegespräch pressten sich die Lippen der Dunkelhaarigen zu einem blutleeren Strich zusammen. Während ihr Blick unstet durch das Innere der Spelunke geisterte. Wann würde die Iulierin denn endlich das Zeichen zum Aufbruch geben?


    Da. Endlich. Es wechselten Münzen den Besitzer und Angus hob die verstörte Sulamith auf seine starken Arme. Später. In der Domus Iulia würde sie sich bei ihrer Mitsklavin entschuldigen. Entschuldigen müssen. Denn bei ihrem Anblick presste es ihr Herz zusammen und Eireann wäre am liebsten im Erdboden versunken. Schließlich wartete Eireann, bis sie sich der Iulierin anschließen könnte.


    Als Eireann dann von dem furischen Sklaven angesprochen wurde, kehrte sie aus ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. Ein bitteres Lächeln huschte dabei über die Lippen der Silurerin.
    “Mach es gut Tiberios. Und ... pass auf dich auf.“
    Mehr Worte wagte Eireann nicht auszusprechen. Doch ihr Blick, der sanft über das Gesicht des furischen Sklaven glitt, sprach Bände. Und Tiberios würde verstehen, nicht wahr?

  • Graecina wandte sich von Sulamith und dem griechischen Sklaven ab, da sie deren Privatsphäre wahren wollte. Einige griechische Wortfetzen drangen trotzdem an ihr Ohr, doch sie versuchte, sie zu ignorieren und begab sich zu den beiden anderen Sklaven. In Kürze würden sie endlich diesen üblen Ort verlassen.


    Als der junge Grieche sich wieder erhob, gab sie dem Custos ein Zeichen, der ihrer Freundin dann aufhalf. Da sie kaum selbst laufen konnte, trug er sie. Dem furischen Sklaven nichte sie noch einmal zu. Dann verließen Graecina und die drei iulischen Sklaven die Taberna und machten sich auf den Nachhauseweg.

  • Sic transit gloria mundi

    Tief in den dreckigen Eingeweiden der Subura, am Ende einer zugemüllten Gasse, lag diese schäbige Kaschemme. Das windschiefe Haus war umgeben von halbverfallenen Insulae, und direkt daneben plätscherten die unappetitlichen Fluten eines Abwasserkanals. Ständig lag ein fauliger Geruch in der Luft.
    Über dem verzogenen Holz der Eingangstüre schaukelte quietschend ein rostzerfressenes Metallschild. Darauf war mit groben Strichen das Bild einer haarigen schwarzen Spinne gepinselt.
    Wer an Dulcius, dem pockennarbigen Messerstecher an der Türe vorbei kam, gelangte in einen langen und düsteren Gang, strich dann einen muffigen Vorhang zur Seite und befand sich im Schankraum. Da war es finster und verwinkelt. Nur einige flackernde Öllampen hingen an Ketten von der Decke. Ihr Qualm hatte die Wände schon längst schwarz gefärbt. Der Boden war mit matschigem Stroh bestreut. Darin standen kreuz und quer die klobigen Holztische und Bänke, die sich immer leicht klebrig anfühlten.


    Allabendlich versammelte sich dort ein lichtscheues Publikum von Trunkenbolden, Bettlern und Vagabunden, Zuhältern und Dirnen, Lumpensammlern und Rattenfängern. Hin und wieder gesellten sich abenteuerlustige Sprößlinge aus gutem Hause dazu, die mal richtig was erleben wollten.
    Hier gab es keine Teller, nur Mulden in der Tischplatte, in die die Suppe mit einer großen Kelle hineingegossen wurde, und die Löffel waren mit Ketten am Tisch befestigt. Aber das Bier war erstaunlich gut und dabei billig, und abends ging es immer hoch her. Da wurde gesoffen, gegrölt, getanzt, gelacht und Geschäfte gemacht.



    Ich wusste nicht, was mich geritten hatte. Vielleicht gehörte ich auch zu diesen Sprösslingen aus gutem Haus, die etwas erleben wollten, vielleicht planten die Götter mein Verderben, vielleicht war es einer dieser Tage, an denen ein Mensch sein eigenes Leben zerstört, aus keinem bestimmten Grund, mehr so wie ein übellauniges Kind seine Puppen zerschlug. Ich war alleine unterwegs, nicht einmal Diocles hatte ich mitgenommen.

    Noch im Tageslicht hatte ich ein paar Griechen aus Parthenope kennen gelernt und mich mit ihnen quasi verbrüdert, da sie aus der Heimat meiner Jugend stammten, war mit ihnen mitgezogen und schließlich in dieser Kaschemme gelandet.

    Die Umgebung war schmutzig, die Huren von ausgesuchter Hässlichkeit, aber die Cervisia war von astringierender Qualität, und ich leerte recht schnell einige Becher.

    Es war ein Moment des Atemholens, bevor morgen schon meine Taten zum Ruhm der Patria beitragen würden. Alles lag vor mir im hellsten Schein: Ich würde heiraten, ich würde Söhne und Töchter haben, ich würde dem nächsten Schritt in meiner Karriere, dem Eques Romanus näher kommen, zumindest war mir das angedeutet worden: „Auf die lieblichste Frau unter Romas Sonne: Meine Annaea Crispina.“, sprach ich: „Auf den Caesar Augustus,auf unser großartiges Imperium und auf die Götter. Auf meine Karriere. Die nächste Runde geht auf mich.“

    Einige Runden gingen an mich. Das Bier kratzte mich auf. Ich hoffte, dass es rein war, im Osten versetzte man es zuweilen mit Bilsenkraut.

    Irgendwann einmal begann das bleierne Zwielicht, das den Morgen ankündigte, die mittlerweile weit weniger munteren Griechen wollten zu ihrem Gastfreund aufbrechen, ein Stück noch begleiteten sie mich und schworen mir lallend Freundschaft bis in den Tod und in Richtung des Esquilinus trennten sich unsere Wege.

    Ich winkte ihnen zu: „Valete! Chairete!“, und dann wankte ich alleine nach Hause.

    Und nach ein paar Meter hörte ich fremde Stimmen im Dunkeln, und fremde Hände gierten nach meinem Beutel, ich drehte mich um und erblickte ein paar widerliche Visagen. Sie waren zu dritt, nun eigentlich zu viert, doch das bekam ich zu spät mit. Als sie mich angriffen, kämpfte ich, da ich die Hoffnung hatte, einen außer Gefecht zu setzen und mir einen Fluchtweg zu schaffen. Ja, ich schlug zu, erwischte den ersten am Solarplexus, und er krümmte sich, einem zweiten schlug ich so ins Gesicht, dass er sich die Hände vors Gesicht hielt und wimmerte, als mich der Dritte dann packten, versetzte ich ihm einen Kopfstoß, dass der Kiefer wohl brach, doch dann bekam ich von einem weiteren Komplizen von hinten mit einem Knüppel einen Schlag gegen die Beine, dann weitere Schläge, und während ich spürte,dass Knochen zersplitterten und es erst weh tat und dann seltsamerweise nicht mehr und dann zuckte vor meinen Augen ein greller Blitz auf, bevor ich in Dunkelheit versank, und dann wusste ich nichts mehr.

    Ich wusste nicht, wer mich angegriffen hatte. Vermutlich „Gäste“,die beobachtet hatten, wie der junge Furius, also ich, allzu freigiebig mit seinem Geld war, Räuber, die gerne Betrunkenen auflauerten.

    Ich war übel zugerichtet, doch ich atmete noch. In diesem Zustand fand mich eine der Huren der Spelunke, mein Geld war zwar fort, aber man wusste, wer ich war, schließlich hatte ich meinen Namen in jener Nacht einige Male herausgebrüllt, und die Sklaven meines Haushalts brachten mich nach Hause, in die Casa Furia.

    admimp-primiceriusabepistul.png furia3.gif

    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!