Zuhause zu Gast: die Zelle des Faustus Decimus Serapio

  • Sie hielt ihn fest, so fest sie konnte, und flehte lautlos zu den Göttern, dass Faustus irgendwo in sich einen Funken Lebenswillen finden würde, etwas, was ihn dazu bringen würde weiter zu machen. Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Sie wollte nicht, dass das hier womöglich das letzte Treffen war. Und wenn er sich selbst schon aufgegeben hatte, dann wusste sie wirklich nicht ob es noch eine Chance gab ihn zu retten. Sie würden ihn befragen, spätestens wenn der Cornelier hier eintraf, da hatte er Recht. Und was auch immer dann auf ihn zukam... es war wichtig, dass er dann den richtigen Eindruck machte. Nicht überheblich, nicht trotzig, nicht feindselig... aber auch nicht so, als hätte er längst mit allem abgeschlossen.


    Seiana hätte nicht sagen können, wie lange sie so blieben, sich gegenseitig umarmend, aber als von ihm schließlich ein na gut kam, fiel ihr ein so schwerer Brocken vom Herzen, dass sie fast meinte man müsste es hören. „Ich und tapfer? Du hast ja keine Ahnung.“ Ihre Stimme war eine Mischung aus Schluchzen und der Andeutung eines erleichterten Lachens. Sie neigte ihren Kopf zu seiner Hand, als er sie berührte, aber er zog sie schon wieder zurück. Seiana griff stattdessen wieder mit ihrer danach und verschränkte ihre Finger mit seinen. So wie er sich gegeben hatte bisher, hatte sie fast schon nicht mehr damit gerechnet, dass er ihr zustimmte, dass er es versuchen würde, und obwohl ein Teil von ihr immer noch ein schlechtes Gewissen hatte und sie selbstsüchtig schimpfte, war der weitaus größere Teil doch einfach nur froh. Faustus versuchte durchzuhalten, das war die Voraussetzung dafür, ihn überhaupt retten zu können. Und dass er sich tatsächlich dazu entschlossen hatte durchzuhalten, wusste sie spätestens als er nun selbst anfing Ideen einzubringen. „Ja, an ihn habe ich auch schon gedacht“, antwortete sie, ohne daran zu denken, dass Faustus gar nicht wusste, dass sie über Aton, seinen Aufenthalt bei ihnen und vor allem seine wahre Identität mittlerweile Bescheid wusste. „Ich konnte nicht mit ihm reden, seit sie Rom eingenommen haben, ich...“ Sie hatte ihm vorhin nicht bestätigen wollen, dass sie auch gefangen war, und sie wollte es auch jetzt nicht. Also versuchte sie erneut, das Thema zu umgehen. „Ich habe zwei meiner Sklaven zu ihm geschickt, an dem Tag, damit sie bei ihm bleiben, um ihn zu schützen. Unsere Casa war an dem Tag wohl nicht allzu sicher...“

  • "....... Du weißt wer er ist?" fragte ich verblüfft (aber nur als leises Flüstern, denn ich, wäre ich an Stelle meiner Kerkerwächter, hätte zu so einer Gelegenheit auf jeden Fall einen Lauscher postiert.) "Woher...?"
    Ravdushara war der einzige, der notgedrungen eingeweiht war... hatte er sich um Hilfe an meine Schwester gewandt? Meine Gedanken schweiften hinaus aus diesen Mauern, zu Aton... sehnsüchtig erinnerte ich mich an die selig süßen Stunden, die wir, vor der Welt verschanzt, zusammen verbracht hatten.... aber zugleich erhob auch das bittere Mißtrauen wieder sein Haupt, denn es ließ sich nun mal leider nicht leugnen, dass er zu den Verschwörern gehörte, und dass er nur zu mir gekommen war, um mich als Werkzeug für ihre abscheulichen Zwecke zu manipulieren. Ich hatte so viel Zeit gehabt, über seine Geschichte nachzudenken, und sie wurde aus der Ferne betrachtet auch nicht glaubwürdiger. Trotzdem... und obgleich ich mich in Gedanken ungefähr tausendmal von ihm losgesagt hatte... lief es mir kalt den Rücken hinunter bei der Vorstellung, ihm könne in den Kriegswirren etwas zugestoßen sein.
    Dass die Stadt eingenommen war, das war, nach Seianas Auftauchen, jetzt nicht mehr wirklich überraschend, aber es ausgesprochen zu hören war... schmerzhaft.
    "Mhm. Wie sind die Schweine reingekommen? - Und... steht das Haus noch?" fragte ich leise, versuchte mich irgendwie zu wappnen gegen noch mehr Unglücksschläge. Zumindest müsste die Gefahr für Manius damit vorbei sein... es sei denn, der Cornelier beschloß, sich erst mal der Mitwisser seines Verbrechens zu entledigen. - "Und was ist mit der Familie?"

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  • Seiana nickte leicht, bevor ihr auffiel, dass das vermutlich kaum zu sehen war. „Ich habe ihn getroffen, in der Bibliothek, kurz nachdem...“ Sie ließ den Satz unvollendet, als ihr aufging, dass Faustus noch einiges mehr nicht wusste: dass sie geschieden war, beispielsweise. Wie die Trennung gelaufen war. Oder dass sie schwanger gewesen war – auch wenn das etwas war, worüber sie nicht mehr sprechen wollte, mit niemandem, sehnte sich ein Teil von ihr dennoch danach, wenigstens Faustus die Wahrheit zu erzählen, die ganze Wahrheit. Sie sehnte sich danach, endlich mit jemandem sprechen zu können... aber sie war sich nicht so sicher, ob das klug war, und so oder so war das hier nicht der richtige Ort oder die richtige Zeit dafür. Trotzdem dachte sie zum ersten Mal seit Tagen wieder an das Kind. Das sie geboren hatte. Das noch immer keinen Namen hatte, keinen richtigen jedenfalls, keinen, das es nicht von Sklaven bekommen hatte, sondern von seinen Eltern. Seinem Vater.
    „Ich hab ihn erkannt“, sagte sie übergangslos, ohne auch nur zu versuchen ein Ende für ihren vorigen Satz zu finden, und für Momente ein wenig abwesend, während sie sich fragte, was die Amme wohl damit anfangen würde, dass sie nun schon seit Wochen nicht erreichbar war. Vielleicht hatte sie einfach beschlossen, dem ursprünglichen Plan zu folgen, und Rom zu verlassen, sobald das Kind stabil genug war... aber war es das? Mit zwei, drei Monaten? Seiana hatte keine Ahnung.


    Faustus' Fragen holten sie schließlich wieder in die Realität zurück, und sie bemühte sich, die Gedanken zu verdrängen. Es hatte keinen Sinn, sie hatte ohnehin keine Möglichkeit, herauszufinden was los war. Bei allem anderen was ihre Familie betraf könnte sie den Duccius vielleicht fragen, ob er ihr den Gefallen tat und jemanden schickte, um sich zu erkundigen... aber nicht dabei. Was ihr Bruder fragte, war allerdings nicht dazu angetan, dass sie sich sonderlich besser fühlte. Sie wusste nicht, was genau passiert war, sie konnte ihm das nicht beantworten, und obwohl sie ihn nicht anlügen wollte, wollte sie ihm eigentlich auch nicht die Wahrheit sagen... aber spätestens jetzt hatte sie nur noch die Wahl zwischen dem einen und dem anderen. Sie rieb sich kurz über ihre Stirn und zögerte noch einen Moment, dann gestand sie: „Ich weiß es nicht. Varenus ist wohl auch hier, aber sonst... weiß ich nicht, was passiert ist.“ Seiana wich seinem Blick aus, sah nach unten auf ihre ineinander verschlungenen Finger, die sie in dem düsteren Zwielicht heller schimmern sehen konnte. „Aber an dem Tag war einiges los. Nicht nur wegen der Soldaten, es haben sich auch so Menschen zusammen gerottet und versucht zu plündern. Ich mach mir da keine Hoffnungen, dass sie ausgerechnet unser Haus verschont haben.“ Ein bitteres Lachen entfuhr ihr, und dann erinnerte sie sich daran, was sie eigentlich wollte: ihm Mut machen. Damit er einen Sinn darin sah, durchzuhalten. Also fügte sie schnell an: „Aber ich habe Klienten unserer Familie angeheuert, das Haus zu schützen, falls das möglich ist... und wenn schon das nicht, dann alle darin in Sicherheit zu bringen. Unser Vermögen und die wichtigsten Wertsachen habe ich schon Wochen vorher fortbringen lassen.“

  • Varenus? Welcher Volltonto hatte denn befohlen, Varenus einzukerkern, der war doch nur ein ganz kleines Licht. - Aufruhr in den Straßen, Plünderungen....
    "Scheiße." Mehr gab´s dazu nicht zu sagen. Ich sah vor mir die ein oder andere unschöne Szene von damals, als wir Soldaten der Prima die Stadt Circesium eingenommen hatten... und sah wieder den blutrünstigen Wahnsinn, der damals in Alexandria den Mob in Rhakotis befallen hatte.... Und sowas auf dem heiligen Boden der Ewigen Stadt!!! Dass die Götter diesen unglaublichen Frevel nicht auf das strengste bestraften, dass dieser Tabubruch sie einen Dreck interessierte, wollte mir noch immer nicht in den Kopf. Aber vielleicht kam die Vergeltung später.
    "Mhm." Immerhin. Natürlich hatte meine umsichtige Schwester vorgesorgt. Aber was waren schon Geld und Gut. Wenn nur unseren Verwandten nichts passiert war.
    Ich fuhr mir über die Stirn, folgte Seianas Blick und sah, in mich zusammengesunken, grübelnd auf unsere sich fest haltenden Hände.
    Schon bald wird sie dich wieder allein lassen müssen, Faustus.
    Ich war doch ein Narr, mich hier von ihr beschwatzen zu lassen. Die Türe würde sich hinter ihr schließen... und die Finsternis würde erneut über mir zusammenschlagen.
    "Aton... ist aber auch... " ergriff ich schließlich stockend wieder das Wort, "...ich sag mal so, er stand nicht ohne Grund auf der Liste... und ich weiß eben nicht ob... wir ihm wirklich trauen können... Uns hat früher... sehr viel verbunden, aber ich weiß nicht ob das jetzt... wo ich ihm nichts mehr nütze... im Gegenteil, wo diese Verbindung ihm nur schaden könnte... ob das noch so ist...." Ich schluckte und starrte trübe, ganz desillusioniert so vor mich. Eigentlich müsste ich Seiana ja nun die ganze Geschichte erklären, wie er in die Casa gekommen war und alles, und ihre Verzeihung erheischen für den ungeheuerlichen Entschluß, ihn bei uns zu verstecken, aber... sie hatte es wohl schon ganz alleine durchblickt, und ich war zu ausgelaugt, und dies alles zu kompliziert, mein Wille zu ermattet und und meine Gedanken zu wirr.... wie durchscheinende, ziellos dahindriftende Wolkenfetzen waren meine Gedanken. Vielleicht sollte ich was essen... Aber mein Hungergefühl war schon lange verflogen, und der Gedanke, etwas von dem miesen Fraß runterzuwürgen widerstrebte mir.

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  • Seiana presste die Lippen aufeinander, als Faustus so einsilbig reagierte. Es gab eigentlich kaum etwas zu sagen, und trotzdem... diese ganze Situation zerrte an ihren Nerven. Sie hätte ihm gerne irgendetwas erzählt, was ihn aufrichten würde, wirklich aufmuntern. Aber da fiel ihr beim besten Willen nichts ein. Sie wusste ja noch nicht einmal, dass irgendjemand aus ihrer Familie sicher war, außer Messalina, deren Schreiben sie gesehen hatte – und sie war Vestalin. Dass ein solcher Frevel begangen werden und eine Vestalin angegriffen würde, glaubte wohl keiner von ihnen.
    Sie verlagerte ihre Position ein bisschen, als ihre Beine einzuschlafen drohten, und blinzelte ein paar Mal, um ihre vor Müdigkeit und der Anstrengung im Halbdunkel etwas sehen zu wollen brennenden Augen zu entlasten. Die ganze Zeit allerdings ließ sie Faustus' Hand nicht los, während sie wieder eine Weile einfach nur schweigend beieinander saßen, legte schließlich auch ihre Stirn auf seinen Handrücken – nur um den Kopf wieder zu heben, als er erneut anfing zu sprechen. Sie presste die Lippen aufeinander bei dem, was sie hörte. Er musste aufhören, so zu reden... von Gründen zu sprechen, anzudeuten der Vescularier könnte im Recht gewesen sein. Wenn er so redete, hatten sie von vornherein keine Chance. Aber Seiana wusste auch nicht, wie sie ihn dazu bringen konnte eben das nicht zu tun, weil es nichts anderes hieß als von ihm zu verlangen seine Ideale zu verraten. Und trotzdem war es das, wovon sie glaubte dass er das tun musste... wenn er das alles lebend überstehen wollte. Es würde nicht einmal reichen, dass er Stillschweigen bewahrte – nein, der neue Kaiser würde erwarten, dass er sich zu ihm bekannte, dass er behauptete im Unrecht gewesen und von Salinators Machenschaften getäuscht worden zu sein wie so viele, und das wohl in aller Öffentlichkeit.


    „Wir haben keine Wahl, als ihm zu trauen“, erwiderte sie traurig. „Es gibt ohnehin nicht allzu viele, an die wir uns jetzt wenden können... wir müssen es wenigstens versuchen. Und... hör zu, du hast ihm das Leben gerettet, als du ihm Obdach geboten hast. Er wird das sicher nicht vergessen.“ Seiana klammerte sich fest an diesen Gedanken. Wenn all das stimmte, was Faustus glaubte herausgefunden zu haben, und wenn der flavische Senator tatsächlich nicht ohne Grund auf der Liste der Proskribierten war, wie es viele andere zweifellos waren... dann gehörte er zum engsten Kreis der Verschwörer. Sein Wort würde zumindest etwas an Gewicht haben beim Cornelius. „Was ist mit deinen alten Kameraden bei der Prima? Irgendjemand... irgendjemand, der einflussreich genug ist, dass sein Wort etwas zählen könnte?“

  • Einen Tag, nachdem Cornelius Palma in Rom eingezogen war, erschienen zwei Männer an der Zelle des Decimus Serapio und ließen sie öffnen.


    "Decimus Serapio, ehemals Praefectus Praetorio unter Vescularius Salinator?", fragte sie den Insassen? "Cornelius Palma wünscht dich zu sprechen", eröffneten sie ihm dann. An die Wache gewandt erklärten sie dann noch, dass der Mann sich waschen und angemessen kleiden solle, wenn er wollte und die Umstände es ermöglichten, dann begleiteten sie ihn ins kaiserliche Arbeitszimmer.

  • Zitat

    Original von Decima Seiana


    Keine Wahl. Und was wenn Manius mir, seitdem er so unerwartet wieder aufgetaucht war, die ganze Zeit nur was vorgemacht hatte, erst um mich zu manipulieren, und dann damit ich ihn verbarg... Was, wenn er mich schon lange nicht mehr liebte... mich abgeschrieben hatte? Ich dachte an die Nacht oben auf dem Clivus Cinnae, als ich vergeblich auf ihn gewartet hatte... Als er dann versuchte, mich zum Verrat zu überreden, da hatte er mir mit vielen wundervollen süßen Worten versichert, meinen Brief viel zu spät erst erhalten zu haben... und ich hatte das geschluckt, weil ich mir natürlich wünschte dass es wirklich so gewesen wäre... Ich verzog das Gesicht, versuchte mich aus dieser scheußlichen Vorstellung herauszureissen.
    "Keine Wahl. Er wird das nicht vergessen."
    "Ja." antworte ich mühsam. Ich spürte ja, dass meine Schwester am Ende ihrer Kräfte war, und dass auch sie nicht länger für uns beide stark sein konnte. "Bestimmt."


    Sacht drückte ich ihre Hand... wie ein Vergewissern, dass sie noch da war. Die nächste Frage, harmlos wie sie war, öffnete einen neuen Quell von Bitterkeit und Enttäuschung...
    "Nein." schnappte ich. "Ich hatte einen Freund bei der Prima, einen richtig guten Freund... Waffenbruder damals in Parthien... und auch als ich zu den Stadtkohorten ging sind wir enge Freunde geblieben, und später hab ich ihn unterstützt damit er auch Ritter werden kann – naja, hat nicht geklappt, statt dessen wurde er dann Primus Pilus, aber das Land hat er immer noch – " Der Husten unterbrach mich, krümmte mich, ich biss die Zähne zusammen... "...Und ich hätte ihm echt blind vertraut und meine Hand für ihn ins Feuer gelegt... aber er hat sich zu der Verbrecherbande gesellt, und ist gegen Rom gezogen, obwohl er durch mich sehr genau wußte was Sache war." Soviel zu wahrer Freundschaft. Höhnisch stieß ich die Luft aus. "Nein, Licinus werd ich ganz sicher nicht um Hilfe anflehen! Der ist für mich gestorben!!"
    Ob er überhaupt Vicentia überlebt hatte? Centurionen fielen doch ständig... Aber was kümmerte mich das... ob tot auf die eine oder tot auf die andere Weise... Mein Ausbruch war so schnell vorüber wie er gekommen war, der Zorn verflackert, darunter die tiefe Trauer um den Verlust des Freundes.
    Immerzu sind wir allein. Freundschaft, Liebe, Treue... Eigentlich sind wir nur... Figuren, die in einer Landschaft eine Zeitlang nebeneinander stehen.
    Wegwerfend schüttelte ich den Kopf.
    "Entschuldige Seiana..." Das half ihr...uns... ja auch nicht. Ich dämpfte wieder die Stimme. "Ehrlich gesagt... glaube ich, es ist... weniger hoffnungslos... einen der Wächter zu bestechen, damit er im richtigen Augenblick woanders hinguckt..... als Fürsprecher in dieser Schlangengrube zu suchen... das sind doch alles Hyänen..."
    Ich rieb mir die Stirn, raufte mir die schmierigen Haare, wiederholte flüsternd: "Hyänen... die hoffen, dass auch für sie ein bisschen Aas abfällt. - Und du, du gehörst einfach nicht hierher, ich will nicht dass du... du bist auch verwundet, und sie haben Blut geleckt, die Hyänen, die Keren... Und in den leeren Straßen geh ich frierend/ Es weht der Keren böses Heulen mit dem Wind -/ Des Krieges grause Töchter, nach dem Blute gierend/In dieser Schwärze, die kein Mond, kein Stern durchdringt. " deklamierte ich nervös. "... habe ich doch von Anfang an... einen Unterschied macht es aber nicht, darf es ja nicht machen... - Lass mir etwas da wenn du gehst, bitte, irgendwas... kleines, ja?" Fahrig zog ich die Decke um mich, fixierte Seiana, versuchte das andere auszublenden, füllte die lauernde Stille hastig wieder mit meiner Stimme. "Wie behandeln sie dich, Seiana? Wie ist es dir überhaupt gelungen, zu mir zu kommen? Ich war immer allein, bis auf die verfluchten Verräter, und selbst da weiß ich nicht ob... " Meine Hand irrte unwillkürlich zu der verkrusteten Wunde. Nein, es war nicht nur ein Albtraum gewesen. Es sei denn, ich war noch immer in demselben gefangen...

  • Bestimmt, hörte sie. Faustus glaubte also auch daran, dass der Flavier ihnen helfen würde. Seiana wusste nicht, ob er das nur sagte weil sie es hören wollte, oder weil er sich so sehr daran klammerte wie sie – aber das war ihr auch egal. Sie wollte es gar nicht wissen. Es konnte, es durfte nicht anders als wahr sein. Gemeinsam mit dem Duccius, was auch immer der tun konnte oder würde, war Flavius Gracchus die hochkarätigste Unterstützung für Faustus, die sie kriegen konnten. Das durfte sich einfach nicht als trügerische Hoffnung herausstellen. „Bestimmt“, wiederholte sie also nur bekräftigend und versuchte zu lächeln, was ihr allerdings ziemlich misslang. Sie sah wieder auf ihre Hände hinunter und zuckte dann zusammen, als Faustus auf ihre nächste Frage plötzlich heftig reagierte – und wurde noch besorgter, als sie seine Worte hörte. Da war es schon wieder. Verbrecherbane. Gegen Rom gezogen. Was Sache war. Seiana spürte Verzweiflung in sich aufkeimen. Er durfte so einfach nicht reden – aber wenn er sogar die Hilfe eines alten Freunds nicht in Anspruch nehmen wollte deswegen, wie um alles in der Welt konnte sie ihn dann davon überzeugen, dass er diese Ansichten in Zukunft für sich behalten sollte? „Faustus...“ Ihre Stimme erstarb wieder, während ihre Gedanken rasten. Sie wusste einfach nicht, wie sie das ansprechen sollte... stattdessen stürzte sie sich also auf das, was er ihr an Informationen gegeben hatte. Licinus. Guter Freund, Waffenbruder, hatte Land bekommen von ihm. War der Primus Pilus. Das war immerhin etwas. Faustus würde den Mann vielleicht nicht um Hilfe bitten, aber bei allen Göttern, sie würde es tun.


    „Denk dir nichts“, murmelte sie leise und strich erneut über seine Haare. „Der Husten klingt furchtbar...“ Sie versuchte immer noch Worte zu finden, mit denen sie ihn überzeugen könnte, still zu sein. Nichts mehr zu sagen über das, was er herausgefunden hatte. Entsprechend unvorbereitet erwischte es sie, als ihr Bruder, eben noch heftig aufbegehrend, nun mit einem Mal in ein düsteres Loch zu stürzen schien. Des Krieges grause Töchter... Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, und es fröstelte sie noch mehr, als seine Worte danach keinen Sinn mehr zu geben schienen. Plötzlich hatte sie Angst – nicht Angst um sein Leben, sondern Angst davor, dass er in irgendwelche Abgründe des Wahnsinns abrutschte. Sie zog sich das Tuch von den Schultern, in das sie sich eingewickelt hatte als sie geholt worden war von dem Scriba. „Hier.“ Sie hob die Decke an, die er gerade erst festgezogen hatte, und legte ihm das Tuch auf die Brust, bevor sie ihn wieder zudeckte. „Ich hab nichts anderes dabei.“ Ihre Stimme hatte einen leicht entschuldigenden Klang, aber sie hoffte einfach, dass das genug für ihn war, genug, um ihn hier zu halten, in der Realität, fern von irgendwelchen Vorstellungen der Keren, während sie zugleich ein weiteres Frösteln unterdrückte, das sie jetzt in dem dünnen Nachtgewand überkam. „Gut. Ich bin...“ Und ein weiteres Mal: verfluchte Verräter. „Der Tribun der VIII, Duccius Vala... er ist ein Verwandter von Venusia. Er... hilft uns, wo ihm das möglich ist. Er hat mich oberirdisch untergebracht.“ Sie war eine Frau, da ließ sich das leichter erklären als bei anderen, warum er sie nicht im Carcer ließ. „Hör zu, Faustus, du... du musst aufhören so zu reden. Bitte...“ Jetzt war in ihrem Tonfall ein deutliches Flehen zu hören.

  • "Danke." Das Tuch, erfüllt von Wärme, war ein fester Halt im schwindeleregenden Schwinden der Dinge, war ein Talisman gegen das ... das Lauernde...
    "...Der? Du... darfst dem auf keinen Fall vertrauen!" forderte ich eindringlich. Ein stumpfes Schwert, und grausiger Hohn – hastig fuhr ich mit der Hand über meine Schulter, die Grube hinter dem Schlüsselbein... - oder doch nur einer der Fieberträume...? "Nicht ein Deut darfst du dem vertrauen, der... weiß gar nicht was Ehre überhaupt ist... der ist nichts anderes als ein... widerlicher... Spieler...eine aasfressende Hyäne...!"
    "So zu reden"... wie zu reden? Ihr drängender Tonfall machte mir schon klar, dass es hier um etwas ging, dass ihr ungeheuer wichtig war, und langsam sickerte es zu mir durch: "Du meinst... Ich soll die Dinge nicht mehr beim Namen nennen?" fragte ich, aber kaum mehr sarkastisch. Ich schloß die Augen, ich hatte nicht die geringste Kraft mehr für diesen Kampf.
    "Ich soll also... einstimmen in den Chor der verlogenen Opportunisten... der geschmeidigen Wendehälse... "
    Fast unmerklich schüttelte ich den Kopf... vergrub meine Finger in dem tröstlich warmen Tuch. Es tat mir unendlich leid, meiner Schwester gegenüber. Und der Familie. Und nicht zuletzt auch...mir selbst.....
    Manchmal wünschte ich mir, ich hätte keine Ermittlungen angestellt, und nichts herausgefunden, und wüßte nicht, was ich wußte, und könnte mich reinen Gewissens in die treudoofe Herde der Palma-Anhänger gesellen... aber egal, oder so, ich wußte nun mal was ich wußte.
    "Nein." flüsterte ich traurig. "Das geht nicht."

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  • Verblüfft über die Heftigkeit, mit der Faustus den Duccius ablehnte, starrte Seiana ihn für Momente nur stumm an. Dass die beiden sich schon getroffen hatten, hatte sie vom Tribun ja schon erfahren, und dass das Gespräch nicht so gelaufen war, wie der Duccius sich das vorgestellt hatte, auch – deswegen hatte er ja sie dann rufen lassen, jedenfalls meinte sie sich daran zu erinnern, dass das die Quintessenz ihres ersten Treffens in der Castra gewesen war, sah man mal von seiner Forderung ab. Dass Faustus allerdings so reagieren würde, damit hatte sie dann doch nicht gerechnet. „Ich muss ihm auch nicht vertrauen, um seine Hilfe anzunehmen“, erwiderte sie leise. Ein Spieler. Natürlich war der Duccius ein Spieler. Aber sie war es auch, oder zumindest versuchte sie es zu sein – um irgendwie das Beste für ihre Familie herauszuholen. Natürlich hieß es vorsichtig sein, aber solange die möglichen Vorteile ihrer Abmachung für den Duccius überwogen, war Seiana sich eigentlich recht sicher, dass er sich an seinen Part halten würde. Sie im Gegenzug würde sich auch an ihren Part halten... und für Augenblicke saß sie jetzt einfach nur fröstelnd da und fragte sich, ob sie das auch zu einer Hyäne machte. Und was Faustus von ihr halten würde, wenn er das wüsste, wenn er in vollem Umfang wüsste, wie sie über die ganze Sache dachte und was sie alles bereit war zu tun, wenn dabei am Ende nur eine Sache herauskam: dass ihre Familie, allen voran ihr Bruder, sicher war. Aber Faustus dachte anders, und obwohl er vorhin noch zugestimmt hatte, nicht aufzugeben, wurde spätestens jetzt klar, dass sie kaum darauf würde zählen können, dass er mitspielte, irgendwie, um sich zu retten.


    Seiana schloss die Augen, und ihre Hand umklammerte seine. Irgendjemand musste die Leichen im Keller haben... und sie hatte im Moment gar keine Wahl, als dass sie das war. Aber wenn sie irgendwie die Hoffnung gehegt hatte, Faustus könnte vielleicht etwas davon mit ihr teilen, erlosch sie in diesem Augenblick. Er konnte das nicht. Er war nicht der Mensch dafür. Er konnte nicht gegen seine Prinzipien handeln, es würde ihn kaputt machen, mehr als sie, wenn er das tat – vorausgesetzt sie schaffte es überhaupt, ihn dazu zu überreden, was sie bezweifelte. Sie war sich in diesem Moment nicht einmal mehr sicher, ob er auch nur ansatzweise davon erfahren sollte, wozu sie bereit war. Und das hieß nichts anderes, als dass sie irgendeinen Weg finden musste, bei dem er sich wenigstens halbwegs treu blieb, genug, dass er damit leben konnte – und trotzdem heil aus der Sache herauskam. Als ob es nicht schon schwierig genug werden würde... Ihre Finger strichen über seine Stirn, bevor sie weiter durch seine Haare fuhren. „Nicht einstimmen“, murmelte sie. „Nur... meinst du, du kannst einfach... still sein? Einfach nichts sagen.“ Wenn er wenigstens das tat... vielleicht würde es dann reichen, wenn sie nur genug andere Fürsprecher für ihn auftreiben konnte. Zumindest dass er am Leben blieb...


  • Den Hocker hatte sie bekommen. Allerdings schien ihr Neffe nicht in der Lage zu sein mit ihr zu sprechen. Eine Weile saß sie einfach da, erzählte ihm was ihr passiert war, was mit ihren Kindern war und wo sie sie hingeschickt hatte. Auch wenn es keine wirkliche Unterhaltung war, hoffte sie dass er ihre Anwesenheit hatte spüren können. Nach einer Weile erhob sie sich und verließ den Carcer wieder und sie war sehr froh, dass sie es konnte. Lange würde sie es hier nicht aushalten und sie bemitleidete die vielen Gefangenen, die hier ausharren mussten. Noch nie war sie so froh gewesen wieder frische Luft atmen zu können.

  • Zitat

    Original von Decima Seiana
    Verblüfft über die Heftigkeit, mit der Faustus den Duccius ablehnte, starrte Seiana ihn für Momente nur stumm an. Dass die beiden sich schon getroffen hatten, hatte sie vom Tribun ja schon erfahren, und dass das Gespräch nicht so gelaufen war, wie der Duccius sich das vorgestellt hatte, auch – deswegen hatte er ja sie dann rufen lassen, jedenfalls meinte sie sich daran zu erinnern, dass das die Quintessenz ihres ersten Treffens in der Castra gewesen war, sah man mal von seiner Forderung ab. Dass Faustus allerdings so reagieren würde, damit hatte sie dann doch nicht gerechnet. „Ich muss ihm auch nicht vertrauen, um seine Hilfe anzunehmen“, erwiderte sie leise. Ein Spieler. Natürlich war der Duccius ein Spieler. Aber sie war es auch, oder zumindest versuchte sie es zu sein – um irgendwie das Beste für ihre Familie herauszuholen. Natürlich hieß es vorsichtig sein, aber solange die möglichen Vorteile ihrer Abmachung für den Duccius überwogen, war Seiana sich eigentlich recht sicher, dass er sich an seinen Part halten würde. Sie im Gegenzug würde sich auch an ihren Part halten... und für Augenblicke saß sie jetzt einfach nur fröstelnd da und fragte sich, ob sie das auch zu einer Hyäne machte. Und was Faustus von ihr halten würde, wenn er das wüsste, wenn er in vollem Umfang wüsste, wie sie über die ganze Sache dachte und was sie alles bereit war zu tun, wenn dabei am Ende nur eine Sache herauskam: dass ihre Familie, allen voran ihr Bruder, sicher war. Aber Faustus dachte anders, und obwohl er vorhin noch zugestimmt hatte, nicht aufzugeben, wurde spätestens jetzt klar, dass sie kaum darauf würde zählen können, dass er mitspielte, irgendwie, um sich zu retten.


    Seiana schloss die Augen, und ihre Hand umklammerte seine. Irgendjemand musste die Leichen im Keller haben... und sie hatte im Moment gar keine Wahl, als dass sie das war. Aber wenn sie irgendwie die Hoffnung gehegt hatte, Faustus könnte vielleicht etwas davon mit ihr teilen, erlosch sie in diesem Augenblick. Er konnte das nicht. Er war nicht der Mensch dafür. Er konnte nicht gegen seine Prinzipien handeln, es würde ihn kaputt machen, mehr als sie, wenn er das tat – vorausgesetzt sie schaffte es überhaupt, ihn dazu zu überreden, was sie bezweifelte. Sie war sich in diesem Moment nicht einmal mehr sicher, ob er auch nur ansatzweise davon erfahren sollte, wozu sie bereit war. Und das hieß nichts anderes, als dass sie irgendeinen Weg finden musste, bei dem er sich wenigstens halbwegs treu blieb, genug, dass er damit leben konnte – und trotzdem heil aus der Sache herauskam. Als ob es nicht schon schwierig genug werden würde... Ihre Finger strichen über seine Stirn, bevor sie weiter durch seine Haare fuhren. „Nicht einstimmen“, murmelte sie. „Nur... meinst du, du kannst einfach... still sein? Einfach nichts sagen.“ Wenn er wenigstens das tat... vielleicht würde es dann reichen, wenn sie nur genug andere Fürsprecher für ihn auftreiben konnte. Zumindest dass er am Leben blieb...



    Still sein. Ihre Finger, sanft auf meiner Stirn. Ihr Stimme, Zuversicht murmelnd. Meine Lider zuckten, blieben geschlossen. Bleierne Erschöpfung... einfach nur still sein. Still sein wie die Fische. Still sein wie ein Stein im kühlen Moos. So still wie all die Mitläufer, die um das Verbrechen gewußt, und dem Kaisermörder trotzdem hinterhergetrabt waren. Still wie ein Leichnam.
    Einfach nur still sein. Nicht mehr kämpfen. Vielleicht überleben... Wen kümmerte schon die Wahrheit, was sollte ich mich vernichten lassen, um einer Wahrheit willen, die den Römern doch längst bekannt war, und die kein Schwein kümmerte.
    Hatten nicht alle Soldaten einmal einen feierlichen Schwur im Fahnenheiligtum geleistet?
    Hatten sich in der Vergangenheit nicht alle Gentes ihrer unverbrüchlichen Treue zum Haus der Ulpier gerühmt...?
    Und wer von ihnen erinnerte sich jetzt noch an diese Schwüre, jetzt wo der Wind des Sieges sich gedreht hatte? Sie kannten die Wahrheit doch sowieso schon längst. Aber es spielte keine Rolle. Die Wahrheit war zu unbequem. Wer die Herrschaft an sich gerissen hatte, das allein spielte noch eine Rolle... dem leckten sie jetzt die Füße, die stolzen Römer.


    Meine Kehle war eng vor Bitterkeit und Ekel. Ich hörte die Keren lachen, ich sah ihre scharfen Zähne und die Klauen von denen das römischen Blut troff, und ich presste die Augen zusammen, klammerte mich schaudernd an Seianas Hand fest, bis das Gelächter wieder leiser wurde.
    "...Ich weiß nicht." flüsterte ich.


    Still sein.
    Ich hustete, dann war ich still. Lehnte meinen Kopf in ihre Hand.
    Manius wird uns helfen... Oder er wird... mich verleugnen.... Ich war... ich bin nur noch eine brüchige Hülle. Er darf mich nie so sehen. Ich sollte längst tot sein... Vielleicht ist sie gar nicht hier... vielleicht bin ich schon längst... und bilde mir nur ein sie wäre hier... Seiana...
    Doch. Ihre Hand an meiner Stirn, in meinem Haar, war das einzige was noch wirklich war. Aber auch schon sehr weit weg.
    Sie darf ihm nicht vertrauen... sie darf nicht... sie sagt sie muß nicht... um welchen Preis... Was bedeutet das, dass sie nach Licinus gefragt hat...? Er war doch auch... dort in dem Garten... Ich hasse alle Verräter, ich hasse und verachte Licinus ebenso wie alle anderen Verräter... und noch mehr weil ich an ihn geglaubt habe... Wie bei allen Göttern können sie einen so anständigen Menschen so... umgedreht haben... - Warum sagen sie immer alle, sie hätten meine Briefe nicht bekommen...? ich glaube Manius nicht... aber wird er...? Wie kann ich auf jemanden hoffen den ich hasse... Und Massa hat meinen Brief nicht mal gelesen, schnöder Hund... aber mir wäre das Zerwürfnis so egal, wenn er nur noch am Leben ist...
    Vielleicht hat Licinus meinen Brief auch nicht... Unsinn... Aber Licinus war auch dabei... in dem furchtbaren Traum... er steht neben mir, in diesem... Garten, als... es... beginnt... warum hab ich das vorher nicht gewußt... aber jetzt weiß ich es... ich darf es nicht vergessen...... Seiana... Seianas Hand... ich kann nicht mehr... ich kann einfach nicht mehr... ein Ende machen... ein Ende zu machen ist meine letzte Pflicht... zum Pluto mit der Pflicht hat sie gesagt... ich habs ihr versprochen..... sie ist immer noch da..... gut.....

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    Klient - Decima Lucilla

  • Seiana war fort, und ich war wieder allein. Allein in der Zelle. Der Zelle, deren Mauern immer enger zusammenrückten. Zusammenrückten um mich zwischen ihnen zu zermalmen. Zermalmen, zerquetschen, vernichten. Vernichten, ein krankes Nichts, Husten, Schmerzen, und die Kälte, die mir bis ins Mark hineingesickert war, klamme modrige Kälte die jede Regung erstickte und jedes Haschen nach einem Rest von Hoffnung als das bloßstellte was es war – jämmerliches Seelentheater...
    Ich sollte längst tot sein. Ich hätte Seiana nicht nachgeben dürfen. Ich würde sie nur mit hinabreissen..... bei meinem bodenlosen Fall. Ich fiel......


    Zitat

    Original von Duccia Venusia
    Den Hocker hatte sie bekommen. Allerdings schien ihr Neffe nicht in der Lage zu sein mit ihr zu sprechen. Eine Weile saß sie einfach da, erzählte ihm was ihr passiert war, was mit ihren Kindern war und wo sie sie hingeschickt hatte. Auch wenn es keine wirkliche Unterhaltung war, hoffte sie dass er ihre Anwesenheit hatte spüren können. Nach einer Weile erhob sie sich und verließ den Carcer wieder und sie war sehr froh, dass sie es konnte. Lange würde sie es hier nicht aushalten und sie bemitleidete die vielen Gefangenen, die hier ausharren mussten. Noch nie war sie so froh gewesen wieder frische Luft atmen zu können.


    Albtraumbilder verfolgten mich im Schlaf wie im Wachen. Dann war da Venusia – hier? Was hatte das zu bedeuten? Ich traute meinen Sinnen nicht... und wenn sie wirklich hier wäre... traute ich ihr nicht... Früher wäre das anders gewesen... früher hatte ich mein Vertrauen allzu freigiebig verschenkt... bevor ich gesehen hatte, wie verrottet die Menschen, an die ich geglaubt hatte, innendrin waren... bevor die Welt mich verraten hatte.
    Sie war eine Duccia, wahrscheinlich hatte der duccische Tribun sich ein neues Spielchen ausgedacht, und ich gedachte nicht, noch einmal mitzuspielen. Ich ließ sie reden... ohne innere Beteiligung... es waren auffällig "harmlose" Dinge über die sie sprach... anscheinend wollte sie mein Vertrauen gewinnen... was meinen Argwohn bestätigte. Ich sprach kein Wort. Sie ging und ich war wieder allein.


    Allein. Allein mit der Leere. Leer... besiegt war all das woran ich geglaubt hatte. Woran ich geglaubt hatte, und wofür ich alles gegeben hatte. Alles gegeben... alles verloren. Verloren, verirrt war ich, irrte zage über die Asphodelenwiese, wünschte nur dass es endete. Ein Ende... ich sollte ein Ende machen. Ich hätte mich nicht von Seiana bequatschen lassen dürfen. Apathisch lag ich auf der Pritsche und zerfleischte mich mit den Gedanken was ihr nun widerfahren würde.


    Zitat

    Original von Narrator Italiae
    Einen Tag, nachdem Cornelius Palma in Rom eingezogen war, erschienen zwei Männer an der Zelle des Decimus Serapio und ließen sie öffnen.
    "Decimus Serapio, ehemals Praefectus Praetorio unter Vescularius Salinator?", fragte sie den Insassen? "Cornelius Palma wünscht dich zu sprechen", eröffneten sie ihm dann. An die Wache gewandt erklärten sie dann noch, dass der Mann sich waschen und angemessen kleiden solle, wenn er wollte und die Umstände es ermöglichten, dann begleiteten sie ihn ins kaiserliche Arbeitszimmer.


    Und da zog es herauf: das Ende. Verkündet von zwei gesichtslosen Boten. Ich nahm das Tuch, das meine Schwester mir dagelassen hatte, legte es mir ums Handgelenk, band die Enden zusammen, dann richtete ich mich langsam auf... Zorn? Furcht? Erleichterung? Nichts in der Art... ich war ausgebrannt,teilnahmslos. Aber mein ausgezehrter Körper verweigerte mir den Dienst, mir schwindelte und meine Beine waren wie aus Wasser, ich knickte schon nach ein paar Schritten ein, taumelte, hielt mich irgendwo fest, fand mich auf dem Boden des Ganges zwischen den Zellen wieder.... Und dann ein weiterer Versuch. Irgendwie wieder hoch, halb gestützt, halb geschleift, die Treppen... Mir war kalt bis auf die Knochen. Auf dem Weg durch die Castra sah ich unter den Besatzern so einige Männer der Garde, Männer die unter mir gedient und mich verraten hatten. Manche hatten zumindest den Anstand, den Blick zu senken.
    Langes hin und her folgte. Notdürftig konnte ich mich waschen (was gegen den Kerkerdreck von Monaten jetzt nicht so wirklich half), und meine stinkenden Lumpen wurden gegen eine Tunica Militaris vertauscht. All diese... Ereignisse zogen fern an mir vorbei. Schließlich verfrachteten mich in einen Reisewagen, am Rande nahm ich als ausgesprochen merkwürdig wahr, dass diese angeblich vom Cornelier gesandten Männer eine soldatische Wache offenbar nicht für nötig hielten.
    Entkräftet sank ich in mich zusammen, starrte ins Leere. Die Leere starrte zurück. Der Wagen rumpelte durch Rom...


    >>

  • Faustus reagierte kaum noch auf ihre Worte... Seiana lief ein Schauer nach dem anderen über den Rücken, und sie konnte noch nicht mal so genau sagen, ob das nun daran lag, wie ihr Bruder so teilnahmslos da lag, oder daran dass ihr Nachtgewand ohne das Tuch einfach zu dünn war. In jedem Fall fror sie... und sie wünschte sich so sehr, Faustus wäre wieder er selbst, so wie sie ihn kannte. So wie sie ihn brauchte, damit sie stark sein konnte, damit es auch ihr gut ging. Sie würde so gerne etwas tun, irgendetwas, um dafür zu sorgen, dass es ihm besser ging... aber sie wusste nicht mehr was. Was ihr einfiel, hatte sie gesagt, und davon abgesehen... gab es nichts mehr. Und sie hasste es, sich so hilflos zu fühlen. Nicht mehr tun zu können, als irgendwie einfach nur seine Hand zu halten und sein Gesicht zu streicheln, aber mehr nicht. So wie damals bei ihrer Mutter... und auch da war sie fast daran verzweifelt, weil sie es kaum ausgehalten hatte nichts sonst tun zu können. „Mach dir keine Gedanken“, flüsterte sie nur, bemüht, ihre Tränen zurückzuhalten. „Wir kriegen das schon irgendwie hin.“ Sie strich weiter sachte über seine Stirn, seine Wangen, seine Haare. „Wir kriegen das hin.“ Sinnlos wiederholt, einfach um irgendetwas zu sagen, viel mehr dazu gedacht, sich selbst dessen zu versichern als ihren Bruder – der ohnehin nun immer weiter weg zu driften schien. Was vielleicht auch besser so war... sie hätte nicht mehr gewusst, was sie noch hätte sagen sollen ohne sich zu wiederholen. Also blieb sie einfach nur bei ihm, halb auf dem Boden sitzend, halb kniend, hielt weiter seine Hand mit einer der ihren und strich ihm mit der anderen kontinuierlich weiter über Stirn und Haare, nutzte die Zeit, die sie noch hatte, um einfach bei ihm zu sein.

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