Sie hielt ihn fest, so fest sie konnte, und flehte lautlos zu den Göttern, dass Faustus irgendwo in sich einen Funken Lebenswillen finden würde, etwas, was ihn dazu bringen würde weiter zu machen. Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Sie wollte nicht, dass das hier womöglich das letzte Treffen war. Und wenn er sich selbst schon aufgegeben hatte, dann wusste sie wirklich nicht ob es noch eine Chance gab ihn zu retten. Sie würden ihn befragen, spätestens wenn der Cornelier hier eintraf, da hatte er Recht. Und was auch immer dann auf ihn zukam... es war wichtig, dass er dann den richtigen Eindruck machte. Nicht überheblich, nicht trotzig, nicht feindselig... aber auch nicht so, als hätte er längst mit allem abgeschlossen.
Seiana hätte nicht sagen können, wie lange sie so blieben, sich gegenseitig umarmend, aber als von ihm schließlich ein na gut kam, fiel ihr ein so schwerer Brocken vom Herzen, dass sie fast meinte man müsste es hören. „Ich und tapfer? Du hast ja keine Ahnung.“ Ihre Stimme war eine Mischung aus Schluchzen und der Andeutung eines erleichterten Lachens. Sie neigte ihren Kopf zu seiner Hand, als er sie berührte, aber er zog sie schon wieder zurück. Seiana griff stattdessen wieder mit ihrer danach und verschränkte ihre Finger mit seinen. So wie er sich gegeben hatte bisher, hatte sie fast schon nicht mehr damit gerechnet, dass er ihr zustimmte, dass er es versuchen würde, und obwohl ein Teil von ihr immer noch ein schlechtes Gewissen hatte und sie selbstsüchtig schimpfte, war der weitaus größere Teil doch einfach nur froh. Faustus versuchte durchzuhalten, das war die Voraussetzung dafür, ihn überhaupt retten zu können. Und dass er sich tatsächlich dazu entschlossen hatte durchzuhalten, wusste sie spätestens als er nun selbst anfing Ideen einzubringen. „Ja, an ihn habe ich auch schon gedacht“, antwortete sie, ohne daran zu denken, dass Faustus gar nicht wusste, dass sie über Aton, seinen Aufenthalt bei ihnen und vor allem seine wahre Identität mittlerweile Bescheid wusste. „Ich konnte nicht mit ihm reden, seit sie Rom eingenommen haben, ich...“ Sie hatte ihm vorhin nicht bestätigen wollen, dass sie auch gefangen war, und sie wollte es auch jetzt nicht. Also versuchte sie erneut, das Thema zu umgehen. „Ich habe zwei meiner Sklaven zu ihm geschickt, an dem Tag, damit sie bei ihm bleiben, um ihn zu schützen. Unsere Casa war an dem Tag wohl nicht allzu sicher...“