Einweihung des Ulpianum | Gladiatorenspiele

  • Nachdem die beiden Kontrahenten die Arena verlassen hatten - die letzten Meter stützte Audax sogar den humpelnden Scorpio - trat zuerst eine kleine Musikkapelle auf, die ein heiteres Stück zum Besten gab.


    Dann legte sich wieder Stille über die Arena, als sich das Portal öffnete und erneut der Summa rudis ins Rund trat.
    "Bürger von Rom!
    Zu Ehren der Divi Ulpii folgt nun der Höhepunkt dieses Arenentages! Begrüßt Tigris, den Helden der Arena, fünffacher Sieger in den Arenen Roms!"

    Er hob den Arm und der Jubel schwoll an, während sich wie von Geisterhand das Tor öffnete und der strahlende Hoplomachus ins düstere Licht des wolkenverhangenen Tages trat. Er trug seinen kleinen, runden, aber prächtig bemalten Schild in der Hand, den er dem Volk stolz entgegenstreckte. Von dort grinste eine bärtige Grimasse dem Publikum entgegen, die wohl der Bartfrisur des Gladiators nachempfunden war. Auch sie war zu sehen, denn er trug seinen Helm mit dem leuchtend roten Federbusch noch in der Armbeuge. Sichtlich genoss er das Bad in der Menge, doch der Schiedsrichter fuhr fort:
    "Gegen ihn wird antreten Ferox von der Ludus Dacicus! Dem großen Tigris ebenbürtig, kampferprobt und selten besiegt! Applaus für Ferox!"
    Wieder öffnete sich eine Falltür und mit einem gewaltigen Satz sprang der Retiarius hinaus. Breitbeinig stellte er sich auf und ließ mit geschickten Handbewegungen sein Netz über dem Kopf aufschnappen und sich wieder zusammenziehen. Es war überdeutlich, dass beide Kämpfer erfahrene Schaukämpfer waren, die dem Publikum etwas bieten wollten.
    Als die beiden Kontrahenten sich trafen, wirbelte Ferox seinen Dreizack herum und ließ ihn kurz vor dem Gesicht des Hoplomachus zum Halten kommen. Die ersten Reihen mochten sehen, dass Tigris dafür nur ein spöttisches Lächeln übrig hatte. Er griff nach seinem Helm und setzte ihn auf. Dann deutete er eine leichte Verneigung vor seinem Gegner an und beide gingen Seite an Seite auf die Kaiserloge zu.
    "Ave Caesar! Morituri te salutant!" riefen sie wie aus einem Mund und präsentierten ihre Waffen.


    Diese wurden natürlich wieder geprüft - diesmal war der andere Consul an der Reihe, dann konnte der Kampf endlich beginnen. Die Wasserorgel spielte düstere Töne, während die beiden sich bereit machten und der Summa rudis endlich das Zeichen gab:
    Ferox zeigte sich gewohnt wendig - wo immer Tigris sich hinwandte, sprang er beiseite und täuschte mit seinem Dreizack Angriffe an. Bis Tigris seinen Schild gehoben hatte, war er aber schon wieder weiter gesprungen und begann von Neuem - eine zermürbende Taktik, doch Tigris war nicht umsonst einer der besten Gladiatoren Roms. Routiniert parierte er jeden Schlag ohne ein Anzeichen von Ermüdung.
    Dennoch unterlief ihm bald ein Routine-Fehler: Als Ferox etwas heftiger als zuvor zustieß, hielt der Hoplomachus seinen kleinen Schild nicht fest genug und der Dreizack glitt ab und traf ihn an der Brust. Zwar sprang Tigris geistesgegenwärtig zurück, doch hinterließ Ferox' Angriff drei Stiche auf seiner nackten, rasierten Brust. Aus der Ferne war nicht recht zu erkennen, wie schwer er getroffen war, doch immerhin zogen sich bald erste rote Linien in Richtung Sand.
    Davon unbeeindruckt fuhr Ferox mit seiner flinken Strategie fort und umschwirrte den schwer gepanzerten Hoplomachus wie ein Bienenschwarm. Immer wieder ließ er nun auch das Netz vorschnellen, doch Tigris wich jedes Mal zurück. Als er dann aber einen Stoß mit seinem Kurzschwert vorstieß, wickelte sich das Netz doch um seinen Helm mit der breiten Krempe. Sofort versuchte er sich zu befreien, und stolperte zurück - doch Ferox nutzte die Situation gnadenlos aus und versetzte ihm einen Stoß mit dem Dreizack, der Tigris im Bauchbereich traf.
    Sofort war der Stab des Summa rudis zwischen den beiden Kämpfern und unterbrach das Duell. Eilig kamen Sanitäter herbeigeeilt und verbanden die blutende Bauchwunde des Hoplomachus. Sie hatte wohl nicht die gut ausgebildete Muskulatur des Gladiatoren durchstoßen, doch blutete sie schon heftiger als der erste Treffer. Ferox wandte sich unterdessen der Menge zu und hob triumphierend seinen Dreizack, dessen Spitzen schon rot gefärbt waren.

  • Der letzte Kampf des Tages begann, ehe Sassia auf die Bemerkung des Gracchus Minor antworten konnte. Voller Spannung verfolgte sie den Kampf. Ja diesen kampf verfolgte sie tatsächlich ganz bewusst, schließlich ging es ja hier um etwas. Hin und wieder ließ sie sich tatsächlich dazu hinreißen „ihren“ Kämpfer anzufeuern. Doch alles Hoffen, Bangen und Anfeuern half nichts. Fortuna war eben eine launische Göttin. Der von Sassia erwählte Kämpfer verlor.Sie wand sich also von der Arena ab und dem Gracchus Minor zu. „Natürlich wird sie dir ebenso gute Dienste leisten. Ich beglückwünsche dich zu deinem Erfolg.“ Die Gratulation war höflich, auch wenn Sassia ungern verlor, würde sie sich davor drücken, eine Wettschuld einzulösen. So fragte sie also. „Wann soll ich sie zu dir bringen lassen?“

  • Aufmerksam folgte sie den Worten des beleibten Flavius, nickte abschließend zu jedem Satz und machte sich bereits ihre eigenen Gedanken zu dem Thema. Interessant war es, dass sie genau an diesem Ort des Spektakels jenen Mann gefunden hatte, der ihren Verstand ansprach. Sie war nicht nur römische Frau, sondern auch Denkerin, die etwas verschroben und mutig eigene Gedanken vertrat. Ihr Gespräch erinnerte sie ein wenig an das Gespräch mit dem Hauslehrer der Claudia über Vernunft und Leben. Es war erstaunlich, dass das Schicksal Silana erneut vor diese Frage stellte und dieses mal aber einen anderen Gesprächspartner präsentierte. Wenn sie es sich recht überlegte, war dies doch der richtige Ort, um über Leben und Tod zu sprechen. Dennoch wollte sie Minor widersprechen. "Denken wir uns die ganzen Sitten, Ahnen und Mächte fort, Flavius," erklärte sie und versuchte seine Gedanken auf einen anderen Punkt zu führen. Sie verstand, was er aussagen wollte aber sie selbst die Welt ein wenig anders. "Wenn Leben einfach nur Leben wäre, was wäre dann?" - fragte sie frech und wandte ihren hübschen Kopf zum Himmel hinauf, um nicht mehr in die Arena zu blicken. "Was ist die Wahrheit in den Dingen?" Silana selbst suchte stets einen gewissen Kern in den Dingen. Eine Wahrheit, die ihr glaubhaft erschien. Nichts, was festgesetzt war, hatte wirklich für sie Bestand. Nein, sie brach nicht mit den Sitten oder der Welt aber suchte an den Rändern jener Gesellschaft nach Antworten auf Fragen, die zu groß für einen menschlichen Geist waren. Eigentlich hatte sich eine Frau dafür nicht zu begeistern, doch tat sie es und in Minor schien ihr ein passender Gesprächspartner erschienen zu sein. In beiden Augen lag diese Suche. Jene naive Neugier, jene Sehnsucht nach etwas, was größer war als sie selbst. Beide waren träge gewesen und doch getrieben. An beiden zogen Mächte, die sich ihres Einflusses entzogen und doch waren beide freier als manche Seelen auf den Tribünen und auf den illustren Sitzen. Denn beide dachten offen über etwas nach, was für viele schlicht nicht sichtbar war: ein Sinn. Ein Sinn wurde niemals disktutiert, sondern Dinge hingenommen. Beide, diese Claudia, und dieser Flavius nahmen nicht einfach hin. Auch wenn sie durch ihre Umwelt in goldene Ketten geschlagen waren. Bei Silana durch jenes Geschmeide aus Gold am sichtbarsten. Beide waren Seelen, die immer wieder vor einem Hügel standen, hinauf rannten und dann wieder hinunter fielen; um erneut auf diesen zu stürmen. Doch bei dem Sturm erblickten sie einen anderen Himmel über sich. Flavius Gracchus Minor kämpfte mit sich, mit seinem Körper und seiner eigenen Vergangenheit und Claudia Silana kämpfte mit ihrem Verstand, ihrem Herzen und gegen eine intrigante Umwelt. Silana betrachtete das runde Gesicht des Flavius ausgiebig, fand darin eine süße Zärtlichkeit. Ihm mangelte es im Anschein an Bösartigkeit, was sie sehr schätzte. Sie hatte genug Gemeinheiten gestalten und ertragen, um zu wissen, dass ein Leben ohne diesen Fluch deutlich angenehmer sein konnte. Doch im claudischen Blut schien eine Hingabe zur Dominanz zu liegen; zur Gewalt und zur Herrschaft, welches auch Silana zu zweifelhaften Taten trieb. Nicht immer böse aber oft nicht gerecht. Doch in Minors Nähe schien sie tatsächlich Gerechtigkeit zu finden. Nicht mit sich, sondern mit ihrem Verstand, der Ansprache fand. "Im stimme zu, dass wir für unsere Leben eine eigene Verantwortung tragen. Ich vermute sogar, dass es die alleinige Verantwortung unserer Entscheidungen sind, die jene Welt ausmachen," vertrat sie ihre Ansicht nun offen. "Ich glaube, dass diese Welt sich in ständiger Veränderung befindet und wir stets wachsam sein sollten, ob wir selbst noch handlungsfähig sind oder selbst bereits Gefangene einer Zeit," erweiterte sie ihre Ausführung etwas verschwommen, da sie versuchte mehrere Gedankengänge zu kombinieren.


    Als sie ihn berührte hatte, reagierte er seltsam. Er schien aus Furcht oder Scham seinen Kopf abzuwenden, so dass Silana ebenso betreten dem Weg des Nüssleins mit den Augen folgte und indes beobachtete, wie Minor jenes in den Mund schob und ihren Blicken sehr drastisch auswich, während er hastig kaute, um das vermeintliche Beweismittel verschwinden zu lassen. Silana verstand nicht ganz aber ihr wurde schnell - wenn auch nicht ganz korrekt - klar, dass er die Berührung von Frauen nicht gewöhnt war und selbst eine flüchtige Berührung hatte bei ihm jene Reaktion ausgelöst, die sie schon bei anderen Männern gesehen hatte. Erst als die Dienerin mit Ersatzschnacks und Getränken aufgetaucht war, schien sich sein Gesicht wieder zu wandeln. Er strahlte in die Runde. Silana seufzte leise und und versuchte zu verstehen, warum einige Männer stets so verlegen waren. Die Welt war doch kein Gefängnis, was von bösen Seelen beaufsichtigt wurde. Menschlichkeit war doch keine Auswahlentscheidung, sondern wenn man lebte, dann lebte man eben. Nicht immer ganz so, wie man gerne wollte aber kleine menschliche Signale waren doch immer möglich. Aus angeborenem Trotz und auch Neugierde, wie Minor reagieren würde, legte sie nun bewusst ihre zärtliche Hand auf seinen Handrücken und ließ diese dort verweilen, um zu sehen, wie er reagieren würde, wenn eine Frau eine solche Geste zeigte. "In der Tat, Sassia," blickte sie nun mit ihm zu ihrer Schwester und grinste vielsagend.

  • Die Alternative, welche Silana offerierte, war dem jungen Flavius wohlbekannt, ja geradehin so vertraut wie keine zweite Philosophie, da sie doch in nuce nichts anderes repräsentierte als die Lehre des Epikur, die er so eifrig und mit Freude hatte studiert, dass er ihre Faszination für das Mädchen durchaus nachzuvollziehen vermochte. Doch deplorablerweise war sie ein kolossaler Irrtum, ein infantiles Hirngespinst jener, die vor den harten Realitäten des Lebens die Augen verschlossen und damit doch nichtlediglich der Gemeinschaft, sondern ebenso sich selbst schadeten.
    "Nun, in diesem Falle wäre unser gesamtes Leben gänzlich arbiträr, gleichhin sinnlos. In diesem Falle wäre das Leben nicht Leben, sondern nichts, eine kontingente Häufung von Atomen, deren Schicksal ohne jeden Belang wäre, für die Welt gleichwie für das Bewusstsein, das sie reflektiert."
    , erwiderte er somit mit unerwarteter Vehemenz ob der Gefahr, dass die liebreizende Claudia in denselben Irrtum würde verfallen wie er selbst, ja womöglich bereits die ersten Schritte hinab in den finsteren Tartaros getan hatte, ohne womöglich die Gnade zu erhalten, eines Tages von ihren Ahnen von jener sakrilegischen Lebensform geläutert zu werden.
    Denn sakrilegisch deuchten ihm bereits jene Reflexionen über die Welt und die Macht des Individuums in ihr, die zwar in jener Form nicht epikureisch, jedoch ebensowenig den Göttern gefällig sein konnte.
    "Ein Gefängnis ist das Leben fürwahr, denn jeder ist an seinen Platz gestellt.
    Er blickte zu Cara, die ihm offeriert worden war.
    "Dem Mädchen obliegt es, eine treue Dienerin zu sein."
    Er deutete auf die eintreffenden Lieferanten des Proviantes.
    "Ebenso sind sie bestimmt, unsere Bedürfnisse zu saturieren."
    Sogleich griff er in die Tüte und verschlang hastig, doch mit Genuss ein weiteres Nüsslein, ehe endlich er auf sich wies.
    "Scato und mir ist es hingegen bestimmt, den Cursus Honorum zu beschreiten."
    Er blickte ein wenig verlegen zu den beiden jungen Damen.
    "Und ihr müsst einen Gatten gewinnen und ihm kräftige Kinder gebären. So will es das Schicksal, dem wir nicht zu entrinnen vermögen. Denn ob wir sie respektieren oder nicht, bestimmen die Unsterblichen unsere Welt und die jenseitige. Spätestens im Angesicht Plutos werden wir Rechenschaft zu leisten haben, dies ist gewiss."
    Er seufzte, da doch jene Rede nicht lediglich intendierte Silana zu überzeugen, sondern ebenso ein Werk der Selbstvergewisserung, ja Selbstermahnung war, als ob die verführerischen Gedanken der Claudia ihn aufs Neue in die epikureische Narrheit zu ziehen.
    Er memorierte das triste Antlitz seiner geliebten Mutter, als sie ihn über ihre ewige Trennung in Kenntnis hatte gesetzt. Sein jenseitiges Schicksal war besiegelt, so er nicht das diesseitige akzeptierte, zu welchem Ende auch immer es ihn mochte führen.
    Jene trübseligen Gedanken wurden indessen disturbiert, als der finale Kampf seinen Anfang nahm, in welchem es ja um nichts geringeres als ihre Wette ging. Folglich unterbrach der Jüngling seinen philosophischen Disput und verfolgte fieberhaft das wechselnde Geschick der Kombattanten. Zu jedem der flinken Paraden seines Champions stieß er anerkennende Laute vernehmen, insonderheit als endlich Tigris seine ersten Wunden empfing. Sassia hingegen erschien untröstlich und glaubte sich schon verloren, obschon die Versorgung des Verwundeten noch inmitten der Arena vonstatten ging, was eine Fortsetzung des Kampfes erhoffen ließ.


    Auch Silana fühlte augenscheinlich sich genötigt ihm zu seinem Triumph zu gratulieren, wie er die Hand auf der seinen interpretierte.
    "Grämt euch nicht. Womöglich wird es eine zweite Runde geben. Dass Tigris noch hier ist, scheint mir dafür zu sprechen."
    Noch immer ruhte Silanas Hand auf der seinen, was ihm ein wenig inkommod war, zumal soeben er ja noch von ihrer Pflicht zur Ehe hatte gesprochen. Was sollte jene überaus undamenhafte Anzüglichkeit wohl bedeuten? War dies eine Neckerei, wie er sie von attraktiven, jungen Dingern wie seiner verstorbenen Schwester kannte? Oder eine direkte Avance, wie sie eher einem kecken Jüngling als einem keuschen Weibe anstand?

  • Der Kaiser war einigermaßen beeindruckt, wie flink der Retiarius seinen Gegner umschwirrte. Die Treffer waren absolut verdient, wie er fand. "Ich hoffe, unser Kind wird auch einmal mutig wie dieser Ferox." Er strich seiner Augusta sanft über den Bauch. Natürlich hoffte er, dass es ein Sohn wurde. Aber auch ein Töchterchen durfte ja gerne mutig sein.


    Offensichtlich war der Kampf aber noch nicht zu Ende. Denn Tigris hatte keineswegs aufgegeben!

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  • Als der Kampf endlich wieder freigegeben wurde, hatte Ferox seine Strategie offensichtlich geändert - auch ein Star-Gladiator konnte nicht ewig herumspringen, wie es schien. Die beiden Kämpfer umkreisten sich nun ähnlich wie ihre Vorgänger. Nun war es an Tigris zu fintieren und Ferox, der ja keinen Schild hatte, musste zurückweichen. Doch er gab sich keineswegs zaghaft - wieder machte er von seinem Netz Gebrauch und schleuderte es gegen seinen Feind. Doch er verfehlte und das Gebilde fiel erfolglos in den Sand - Ferox hatte losgelassen. Mit beiden Händen umklammerte er nun den Dreizack und versuchte, den Hoplomachus durch kräftige Stöße auf Distanz zu halten. Doch trotzs einer Wunde bewies auch Tigris beachtliche Wendigkeit: Geschmeidig tauchte er unter einem weiteren Stoß durch, der nur seinen Federbusch durchschlug, machte einen Schritt nach vorn und teilte einen kräftigen Seitenhieb aus, der zwar an der Armschiene des Retiarius abglitt, aber oben über die flache Schutzplatte weitersauste und endlich Ferox' Kopf traf. Durch die Ablenkung war die Wucht gebremst, doch prallte die Waffe offensichtlich am Wangenknochen des Retiarius ab, der getroffen aufschrie.

  • Der junge Flavius glaubte sich bereits siegesgewiss, dessenungeachtet evozierte die Hand der Claudia auf der Seinen doch nicht lediglich Furcht, sondern ebenso ein partikuläres Kribbeln, ja freudige Erregung, welche durch das Jubilieren seines Favoriten sich umso mehr exaltierte.


    Doch sogleich wurde, wie der Jüngling es antizipiert hatte, der Kampf aufs Neue freigegeben und diesmalig verströmte Ferox weitaus bescheideneren Glanz als beim ersten Male. Selbst seines Netzes ging er verlustig, sodass mit dem Dreizack allein er nun gegen den schwer bewaffneten Hoplomachus stand. Diesen hingegen schien seine Wunde nicht immobiler, sondern umso wendiger gemacht zu haben, denn endlich erntete der Retiarius die Früchte seines Übermutes und wurde prompt im Antlitz selbst verwundet.
    "Herrje!"
    , lamentierte Manius Minor und schlug intuitiv sich die Hand vor den schreckgeöffneten Mund, sodass Silanas Rechte von ihn auf seinen massigen Schenkel fiel.
    "Ich hoffe, er hat ihm nicht den Schädel zerschmettert!"

  • Wenn sie zwsichen Stoa und Epikur wählen musste, würde ganz klar Epikur wählen, denn der einzige Weg im Leben war es schlicht zu leben. Silana glaubte zwar an göttliche Mächte aber hatte einen natürlichen Zweifel gegenüber allen Dingen. Leider auch eine böse Neugierde. Silana war eine Suchende, die stets von Gedanken getrieben wurde, die mitunter unschicklich waren. Die junge Claudia war zwar gefangen in ihrer Rolle aber aus diesem Theaterstück ließ es sich freilich mit gewisser Belustigung agieren. Freiheit lag für sie im schlichten Spiel. Die Frau spielte mit Gedanken, mit Männern und anderen Menschen, als auch Wissenschaften, sofern zugänglich. Silana sah in dieser Welt ein großes Abenteuer, welches erlebt werden sollte. Sie flüchtete sich nicht in Dogmen, Selbstwahrheiten oder Betrug. Sie lebte stets mit jedem Atemzug, was ihr eine nahbare Aura von Lebenskraft gab. Ihr Gesicht hatte somit eine eigene Schönheit gefunden, die trotz der maskieriernden Wunder der Pasten und Mittelchen, durch eine kluge Weiblichkeit auffiel. Es waren ihre Augen, die für sie sprachen. Auch jetzt sprachen sie in stiller Genugtuung. "Wäre es so schlimm, wenn das Leben bloß Zufall wäre? Wäre es so furchtbar, einfach ohne Sinn zu sein?" - fragte sie leise, direkt in sein Ohr, hauchte fast diese Worte und machte sich einen Spaß daraus, sein Weltbild anzugreifen, wie eine Schlange, die ihre Beute gefunden hatte. Silana verachtete falsche Wahrheiten und hatte lieber eine sinnlose Welt, als eine gelogene Bühne für Illusionen. Sie hatte seine Worte zugelassen, war ihnen stets still gefolgt und hatte doch mit diesen zwei geflüsterten Sätzen bereits ihre gesamte Antwort gegeben. Mehr war nicht notwendig. In ihrem Gesicht lag eine andere Verlockung für den jungen Minor. Sie war eine Verlockung, die er einst verdammen wollte: Epikur. Aus Silana sprach die Philosophie des Nichts und des alleinigen Lebens. Silana wartete einen Atemzug, als sie ihren Kopf wieder von seinem Ohr wandte. "Lass mich einen Gedanken verwahren," erklärte sie nun doch und sprach diesen in die Arena hinein, aber er galt allein dem Flavius. "So ist also der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebenden noch die Gestorbenen, denn wo jene sind, ist er nicht, und diese sind ja überhaupt nicht mehr da," zitierte sie ihren geheimen Meister Epikur. Dieser Gedanke fasste zusammen, wie sie über die Welt fühlte. Nur ihr Jetzt hatte Bedeutung. Wahrheit lag nicht in einer fernen Nachwelt, sondern allein in dieser Welt; in der sie allein für sich Silana war. Danach war sie nicht mehr Silana und konnte nicht mehr jene Gedanken haben. Ihr Geist akzeptierte ihre eigene kleine Welt und die darin liegende Bedeutungslosigkeit. Aus dieser Bedeutungslosigkeit schlug sie Gewinn, indem sie das tat, was sie selbst für vernünftig hielt und lebte in den Tag hinein. Die Frau konnte nicht wissen, dass sie einem Abgeschworenen zuredete und ihm eine Lehre anbot, die dieser sehr wohl kannte. Nur verfeinierte sie diese Lehre mit Liebreiz und Augenschein. Für Silana gab es kein Urteil, welches ein Leben so in der Nachwelt verdammen konnte. Das einzige, was einer Verdammnis gleichkam, war sein Leben in selbstgeschaffenen Käfigen zu verbringen und nicht durch die Gitter zu blicken. Der eigene Geist konnte ein Kerker werden und dies wollte Silana angestrengt vermeiden. Dogmen waren Gift, welches sie schmeckte. Minor war sogleich aufgeregt, als der Kampf in eine Phase eintrat, die Silana auch als spannend empfinden musste. Unbedarft riss er seine Hand vor den Mund, so dass die zarte Hand der Frau in Richtung seines Schenkels stürzte. Dort schlug sie auf und Silana murrte tonlos. Dieser Mann hatte noch viel zu lernen. Die junge Frau hob die Hand von seinem Schenkel an, strich dabei gezielt am aufgerichteten Unterarm, welche jene Hand vor den Mund des Mannes führte, vorbei und ließ ihre Hand auf ihrer Lehne nieder. Ein gemeines Zeichen, welches sie spielte, um den Spaß mit diesem Jüngling abzuschließen. Jetzt wusste sie, was er für ein Mensch war. Nein, Flavius Gracchus Minor verstand sie noch nicht aber sie gedachte ihm ein Angebot zu machen, welches ihn herausfordern sollte. Der Kampf nahte sich seinem Ende, als Silana sich leicht vorbeugte, um das Ende zu bestaunen. "Wir werden sehen," meinte sie halbherzig und stieß Luft aus ihren beiden Nasenlöchern. Jetzt war das Ende nur noch Formsache.

  • Wieder unterbrach der Summa rudis, doch Ferox schüttelte entschlossen den Kopf - er wollte keinen Arzt, sondern weiterkämpfen! Mit einem markerschütternden Kriegsschrei stieß er seinen Dreizack in Richtung des Gegners, der zwar seinen Schild hochriss, von der Wucht des Stoßes jedoch zurücktaumelte. Einen Moment schien er sich zu sammeln, dann wagte er seinerseits einen Sturmangriff, schlug mit seinem Schild den Dreizack beiseite und rammte das Kurzschwert in Richtung des Retiarius, der gerade noch rechtzeitig wegducken konnte und blitzschnell den Dolch zückte, um Tigris von unten zu attackieren. Doch auch dieser Angriff ging ins Leere und die beiden Kontrahenten trennten sich unverletzt.


    Wieder führte der Hoplomachus den Angriff und sein Schwerthieb wurde durch den Dreizack gebremst. Geistesgegenwärtig rammte er jedoch seinen kleinen Rundschild in die Magengrube von Ferox, der ächzte und sich zurückzog. Obwohl keine Wunde zu sehen war, schien der Hieb ihn gut getroffen zu haben - er atmete heftig und wirkte beinahe, als müsste er erbrechen.
    Doch mit einem Kampfschrei schüttelte er seine Schmerzen ab und sprang geradezu auf seinen Gegner zu, der aber auswich, sodass der Retiarius in den Sand stürzte und sich elegant abrollte. Sein Ziel war allerdings das Netz, das in greifbarer Nähe lag und das er nun wieder aufnahm. Er grinste ein blutüberströmtes Grinsen - seine Schnittwunde an der Wange war ja unbehandelt! Wieder warf er sein Netz frei - doch diesmal traf es Tigris perfekt und wickelte sich um Helm, Schwertarm und Oberkörper. Mit einem Satz war Ferox bei ihm und rammte dem verwirrten Gegner seinen Dreizack in die Brust.
    Die Götter hatten allerdings Mitleid mit dem tapferen Hoplomachus, wie es schien. Zwar brachte ihn der Schlag aus dem Gleichgewicht, doch glitten die Spitzen offensichtlich an den Rippen ab. Im Fall versuchte Tigris zwar noch einmal, den Retiarius zu treffen, doch als er aufschlug, trat Ferox ihm das Schwert aus der Hand und zückte erneut seinen Dreizack. Tigris war besiegt.

  • Nicht leichtlich vermochte der junge Flavius zugleich dem spannenden Kampf in der Arena und dem anspruchsvollen Disput mit der Claudia zu folgen, da doch hie rohe Kraft und heroischer Mut, dort philosophische Details und intellektueller Anspruch das Schlachtfeld dominierten.
    "Nun, das wäre es, wenn man unter den Zufälligkeiten des Lebens den wahren Sinn nicht zu erkennen vermag, am Ende jedoch daran gemessen würde."
    , erwiderte er so erstlich auf den Einwand Silanas, ehe er sich wieder der Arena zuwandte, wo Ferox seine zweifelsohne erheblichen Schmerzen verachtete und aufs Neue zu heftigen Attacken ansetzte.
    Weitaus mehr fesselte ihn hingegen das nächste Wort an seinem Ohr, welches ihm doch wohlbekannt erschien. Hatte nicht Epimenides bisweilen sich dieses Zitates bedient, welches aus dem Brief an Menoikos stammte? War die Claudia etwa tatsächlich eine Jüngerin Epikurs? Jene Einsicht ließ den Jüngling abhorreszieren, da sie damit gleichsam als ein Lemur jener Vergangenheit ihm entgegentrat, welche er endgültig hinter sich zu lassen geschworen hatte. Beinahe argwöhnte er bereits, dass sie sogleich ihn als Achilleus würde titulieren, wie seine Freunde in Alexandria es getan hatten.
    "Doch was, wenn die Gestorbenen doch noch da sind?"
    , gab er somit ernst zurück und gedachte erneut der Seele seiner Mutter, welche ihm im Traume war erschienen. Gezielt rief er sich die Szenerie vor Augen, den Styx, das triste Gesicht, den schelmischen Mercurius und selbst die Landschaft. All dies war kein Hirngespinst gewesen. Die Gestorbenen waren noch! Wie ein Schiffbrüchiger an eine dahintreibende Planke krallte sich sein Geist an jene Remineszenz in Furcht, vor der attraktiven Offerte jener attraktiven Epikureerin aufs Neue ins Verderben gerissen zu werden.


    Rasch blickte er wieder zurück in die Arena, wo Tigris dies war unterlaufen, wovor Manius Minor sich noch zu erretten versuchte: Er war ins Netz gegangen, hilflos verstrickt nicht in die Fallstricke sophistischer Argumente, sondern in überaus reale Knoten und Schnüre. Symbolisch erkannte der flavische Jüngling das Resultat: der Todesstoß ereilte ihn prompt und der Hoplomachus kam zu Fall. Silanas zarte Haut touchierte ihn aufs Neue, doch er zuckte lediglich zurück, gewarnt von jener Analogie. Waren ihre Avancen nicht ebenfalls Versuche, ihn einzuwickeln und dem Zorne der Götter auszuliefern?


    Die Plebs jubilierte, doch der junge Flavius sank ratlos auf seinem Sitz zusammen. Er verspürte nicht im Geringsten die Kraft, ausgerechnet im Antlitz jener claudischen Schönheit einen Disput gegen seine eigenen Ansichten vor noch einem Jahr zu führen.
    Doch fortunablerweise bot ihm das Resultat jenes Kampfes in der Arena eine Alternative:
    "Jetzt können wir wohl über die Übergabe deiner Sklavin verhandeln. Mir wäre es gleich, wann ich sie übernähme."
    , wandte er sich somit wieder an Sassia und wechselte somit abrupt das Sujet. Selbstredend bedurfte er eigentlich keiner weiteren Dienerin, welche vermutlich sich eher auf das Legen von Locken und das Auswählen edler Roben verstand als auf irgendeine Tätigkeit, derer ein junger Aristokrat bedurfte, sodass er ohnehin würde erdenken müssen, wie sie ihm von Nutzen sein mochte. Dies zumindest waren weitaus leichtere Gedanken als der philosophische Wettstreit mit seinem alter Ego Achilleus.

  • Der dritte Kampf war der heftigste und wohl noch etwas spektakulärer als jener zuvor. Macer konnte der Paarung allerdings nicht so viel abgewinnen, da er den Retiarius eigentlich von Anfang an zu sehr im Vorteil sah. Aber da er kein ausgewiesener Kenner und Anhänger der Gladiatur war, nahm er durchaus in Kauf, mit dieser Meinung recht alleine dazustehen. Spannender wurde der Kampf für ihn dadurch allerdings trotzdem nicht. Allerdings tat sich auch drumherum nicht allzu viel zu seiner Ablenkung, denn auch wenn er den Gesprächen der jungen Leute immer mal wieder mit einem Ohr lauschte, wollte er sich keineswegs einmischen. Also konzentrierte er sich doch wieder auf den Kampf und spendete am Ende beiden Kämpfern Beifall.

  • Nun war es also doch amtlich, sie hatte verloren. Natürlich war der Kampf spannend gewesen. Spannender als die vorherigen. Aber dies war für den Hauptkampf der Spiele ja auch nicht anders zu erwarten gewesen. Sassia wandte sich nun also erneute dem Flavier zu. „Nun ich würde sagen das sie binnen Wochenfrist ihren Dienst bei dir antritt?“ Ja sie wollte Cara nicht gleich hier na Ort und Stelle übergeben. Sie würde erst noch mit ihrer Sklavin reden. Schließlich musste sie Cara ja erklären warum sie diese Wette vorgeschlagen hatte. Ja erklären. Cara hatte eine Erklärung verdient. Nicht jedem Sklaven - eigentlich gar keinem Sklaven – würde Sassia ihre Motivation erklären, aber Cara war anders. Für Sassia war sie etwas Besonderes.

  • Der Beifall für den Kampf deutete zwei Dinge an. Erstens, dass der Procurator Familiarum Gladiatoriarum sich ausreichend Mühe gegeben hatte. Und zweitens, dass man Scorpio wohl eher nicht sterben lassen wollte, was dem Kaiser entgegen kam. Auch dieser Gladiator wurde also begnadigt, womit die Spiele ihrem Ende zugingen.


    "Ich dachte schon, es wäre um Audax geschehen!" bemerkte er der Augusta gegenüber. Der Gesichtstreffer hatte wirklich spektakulär ausgesehen.

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  • Die Kaiserin hatte sich als der Gladiator am Kopf getroffen wurde vor Schreck die Hand vor den Mund gehalten um nicht laut aufzuschreien. Ja werdende Mütter konnten empfindsam sein. So hauchte sie auf die Bemerkung ihres Mannes hin auch nur ein leise zustimmendes „Ja.“ und lies sich einen Becher mit Wasser reichen. Erst als sie einen Schluck zu sich genommen und wieder an Selbstsicherheit gewonnen hatte setzte sich noch nach. „Ein wirklich gelungener Abschluss der Spiele.“

  • Zitat

    Original von Claudia Sassia
    Nun war es also doch amtlich, sie hatte verloren. Natürlich war der Kampf spannend gewesen. Spannender als die vorherigen. Aber dies war für den Hauptkampf der Spiele ja auch nicht anders zu erwarten gewesen. Sassia wandte sich nun also erneute dem Flavier zu. „Nun ich würde sagen das sie binnen Wochenfrist ihren Dienst bei dir antritt?“ Ja sie wollte Cara nicht gleich hier na Ort und Stelle übergeben. Sie würde erst noch mit ihrer Sklavin reden. Schließlich musste sie Cara ja erklären warum sie diese Wette vorgeschlagen hatte. Ja erklären. Cara hatte eine Erklärung verdient. Nicht jedem Sklaven - eigentlich gar keinem Sklaven – würde Sassia ihre Motivation erklären, aber Cara war anders. Für Sassia war sie etwas Besonderes.


    "Das ist absolut akzeptabel."
    , erwiderte der junge Flavius und lächelte zufrieden ob seines Triumphes. Jener Vorlauf würde es ihm auch gestatten, gemeinsam mit Sciurus über einen adäquaten Einsatz des Mägdleins zu einigen, zumal er derzeitig keinerlei zusätzlicher Hilfe bedurfte.
    Er hob den Kopf und fixierte die Dienerin selbst, welche ja neben ihrer Herrin parat stand und betreten die Augen niederschlug. Bisherig hatte er, obschon sie als Wetteinsatz fungierte, ihr wie gewohnt wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obschon sie ihm nicht unansehnlich erschien, was indessen für eine Leibsklavin nicht unerwartet war.
    "Wie ist dein Name? Und besitzt du besondere Qualitäten, von welchen ich wissen sollte?"
    , fragte er sie nun direkt.

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