Der junge Flavius verfolgte die Errichtung des Lagers von seinem Feldherrenhügel aus. Das Paludamentum um die Schultern, darunter die Arme hinter dem Rücken verschränkt, stand er einsam zwischen dem aufgepflanzten Vexillum der Legion zur Rechten und dem Draco der Turma zur Linken, um voller Admiration jene routinierten Handlungen zu verfolgen, welche binnen kürzester Zeit aus der schlichten Wiese ein formidables Castellum mit Wall, Graben und ordentlichen Reihen von Zelten formte. Die gesamte Zeit war der Tribun damit okkupiert, an dieser oder jener Stelle einzelne Abläufe zu studieren, sodass die Zeit wie im Fluge verging, bis sein Zelt, sodann die der Centurionen und endlich das gesamte Lager vollendet war.
Endlich wandte er sich ab und betrat sein Zelt, welches bereits durch seinen Cornicularius nach seinem Gusto eingerichtet worden war: Im Eingangsbereich befand sich ein Tisch mit einer Karte, hinter einem Vorhang dahinter sein Feldbett, bedeckt mit zahlreichen weichen Decken sowie die Truhe mit seiner Kleidung, welche Patrokolos ihm gepackt hatte, ein weiteres Tischlein mit einer Schüssel für die morgendliche Waschung und das Nachtlager seines Dieners. Obschon er all jene Abläufe bereits auf dem Übungsmarsch verfolgt hatte, erfüllte es ihn noch immer mit Bewunderung, in welcher Eile und Präzision die Soldaten ein wohlgeordnetes Lager errichteten, welches nicht lediglich ihnen selbst ein agreables Heim bot, sondern darüber hinaus auch den Offizieren sämtliche basalen Annehmlichkeiten und sämtliche Necessitäten für die Führung einer Kampagne.
Er trat wieder aus seinem Zelt und inspizierte den Foculus, welchen soeben der Haruspex installierte, welcher ihn auf dieser Mission geleitete, um die allabendlichen Opfer zu vollziehen. Manius Minor war wohlbewusst, dass jene kultischen Pflichten, die manchem simplen Soldaten als obsolete Rituale erscheinen mochten, durchaus von Bedeutung waren, insonderheit für ihn selbst, der gut daran tat, die Götter bei jeder sich bietenden Okkasion milde zu stimmen. Aus diesem Grunde befahl er den legionseigenen Minister, welcher ebenfalls nach Errichtung seines Zeltes zum kultischen Zentrum des Lagers geeilt war, auf dem Altar ein kleines Feuer zu entzünden. Sodann brachte der junge Flavius einige Körnlein Weihrauch dar, verbunden mit der Bitte an die Laren jenes Ortes, ihnen gnädige Gastgeber zu sein.
Als er geendet hatte, waren bereits die Centurionen sowie der Decurio der Ala zur Stabsbesprechung versammelt, welche heutig durchaus von Bedeutung war: Morgen würde der Thing stattfinden, auf welchem Duccia Silvana und er zu Gast sein würden. Folglich verlor der junge Flavius keine Zeit, sondern führte die Offiziere in sein Zelt um den Tisch und setzte sogleich zu reden an:
"Meine Herren."
Er blickte in die Antlitze der vielschrötigen Männer, zwischen denen das leuchtende Haar der duccischen Seherin geradezu herausstach. Selbstredend vermochte er im Lichte der aufgehängten Öllampe die Mienen nicht recht zu identifizieren, doch war ihm dennoch wohlbewusst, dass ein derartiger Blick die Appetenz des Publikums auf ihn zog.
"Wir werden morgen die Stammesversammlung der Chatten visitieren. Wie bereits besprochen, wird das Gros unserer Vexillatio unweit des Versammlungsortes ein Lager errichten, um in Hörweite der Gespräche bereit zu stehen, ohne die Stammesfürsten durch immediate Präsenz zu irritieren."
Er blickte zu Germanicus Varro.
"Germanicus, deine Männer werden in diskreter Weise rund um das Thing-Gelände patrouilleren, um etwaige Hinterhalte aufzudecken und als schnelle Eingreiftruppe parat zu stehen."
Sein Blick wurde eindringlich und er hob mahnend den Zeigefinger.
"Es ist von größter Bedeutung, dass du nur erfahrene Späher für diese Mission einsetzt, da es sich als fatal erweisen würde, wenn den Germanen der Eindruck entstehen würde, wir versuchten sie einzukesseln oder dergleichen. Höchste Diskretion ist folglich oberstes Gebot!"
Sein Blick ging weiter zu Tiberius, der als ranghöchster Centurio der Vexillatio gewissermaßen das Kommando über die Legionäre führte.
"Tiberius, du und zwei Contubernia werden Duccia und mich bis in die unmittelbare Nähe des Versammlungsortes geleiten. Je nach Gebräuchen der Germanen wirst du außerhalb des Ortes mit den Männern verweilen oder mich begleiten. In jedem Falle solltest auch du Diskretion üben, um nicht jene zu offendieren, welche sich möglicherweise deiner erinnern."
Während des Marsches hatte der junge Flavius nochmals intensiv mit sich gerungen, ob er den Centurio im Lager der Vexillatio belassen sollte oder ihn mit sich nahm. Da es ihm sowohl an Erfahrung mit dem Feind fehlte, als auch an Kompetenz mit dem Schwerte, sollte es zu einem gewaltsamen Konflikt kommen, hatte er sich final doch für die riskante Präsenz jenes nachweislich loyalen und wohlexerzierten Kriegers entschieden.
"Die Verhandlungen werde indessen ich gemeinsam mit Duccia Silvana führen. Niemand anderes wird ohne meine Erlaubnis das Wort ergreifen."
Er blickte nochmalig in die Runde und haftete zuletzt an der Seherin.
"Findet jener Plan dein Plazet?"