Tablinum | Sitzungsort der Ermittlungskommission - Teil II

  • Anders als von ihm geplant, erhielt der Consul die von Sergia erwartete Antwort vom Trecenarius. Dafür konnte es zwei Erklärungen geben: Entweder übernahm Tiberius die Antworten, damit Sergia nichts Unpassendes äußerte oder es lag ein Missverständnis vor. Es bestand nämlich die Möglichkeit, dass Tiberius fälschlicherweise annahm, dass sich die Frage an ihn richtete, weil der Consul mit Absicht die Sergia keines Blickes würdigte, obwohl er sie ansprach.


    Da jedoch der Quaestor bereits die Kommissionsarbeit weiter vorantrieb, wollte Menecrates nicht zurückrudern, um den Antrieb des Tiberiers zu ergründen. Er nahm sich vor, zukünftig - wenn auch widerwillig - die zu Befragende anzublicken, wenn er etwas von ihr erklärt haben wollte, um Missverständnisse auszuschließen. Er würde sein Missfallen, ja seine Verachtung darüber kontrollieren müssen, dass eine Frau in Ritterwürde durch Rom spazierte, die nach seiner Ansicht nur durch militärische Ehren erworben werden dürfte. Er fühlte sich in alte Zeiten zurückgeworfen, wo Frauen in hohen Positionen und sogar im Senat saßen. Wo Frauen jede gute Sitte mit Füßen stießen und anstatt Mäßigung an den Tag zu legen, laut krakelend ihre absurden Stellungen im Staat Männern unter die Nase rieben und damit deren Verdienste entwerteten.


    Der Consul atmete einmal tief durch und versuchte, sich auf die noch ausstehenden Antworten zu konzentrieren.

  • Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus Minor
    [...]


    Der Claudius schien dennoch geneigt, die Ermittlungen der Praetorianer zu überprüfen, weshalb sein Quaestor beflissen diesbezügliche Fragen hinzufügte:
    "Auf welcher Grundlage konnten die Verdachtsmomente gegen die Zeugin zerstreut werden?"
    Diese Frage wandte sich an die Adresse des Trecenarius, während die folgende an die Sergia selbst ging:
    "Und was konntest du den Cohortes Praetoriae hinsichtlich der Verstrickung deines Ianitor berichten?"


    Verus ließ sich Zeit, lauschte seinen eigenen Gedanken, die nicht minder unruhig waren. Immer wieder sprangen seine Erinnerungen zurück an grausame Erfahrungen seines Dienstes. "Sergia Fausta arbeitet vollumfänglich mit uns zusammen," sprach der Trecenarius eine Wahrheit aus, um die Anwesenden spüren zu lassen, dass er nicht durchweg gegen die Wahrheit arbeitete, sondern diese auch nutzen konnte. Zudem wollte er allen zeigen, wem Sergia Fausta gehörte. Sie war durch die Prätorianer in Bearbeitung geraten, so denn auch die Prätorianer schlussendlich über sie entschieden. Wenn sie funktionierte, lebte sie und wenn sie nicht funktionierte, ... würde sich eine besondere Lösung finden lassen. "Indem sie uns entsprechende Namen nannte, ihre Sklaven übergab und sich offen zeigte, konnten wichtige Fragen im Zusammenhang mit ihrem Hause geklärt werden," meinte Verus noch immer nicht ganz klar und hielt mit dem wahren Grund selbstverständlich zurück. Prätorianer zeigten nur widerwillig alle Karten. "Der Verdacht entstand natürlich aufgrund ihres nicht sittsamen Lebensweges, einem Weg für eine Frau, der nicht den mos maiores entspricht und natürlich für eine Frau typisch mit gewissen Befindlichkeiten einherging, die ihre Verwaltungsausübung überschatteten. So entstanden Fehler im Umgang mit Personal, Sklaven und wichtigen Sachfragen, so denn wir annehmen mussten, dass sie gezielt einen Aufstand nutzen wollte, um ihre eigene Position auszubauen," erklärte der Trecenarius mit einem beißenden Unterton, da er selbst Frauen in Machtpositionen öffentlicher Natur ablehnte. Es war nicht römisch. Und würde wahrscheinlich in seinen Augen auch nie römisch werden. Insgeheim verfluchte er sogar Frauen in Ämtern, da diese in den Augen der Götter eine Schande sein musste und vielleicht war dies der Grund für den Aufstand gewesen, dass sich Rom von den Ahnen entfernt hatte. "Wir dachten sogar, da sie sich entsprechend aufführte, dass sie KÖNIGIN sein wollte, so dass im Eifer dieses Bruches mit den Gebräuchen, auch wir Prätorianer Schlimmstes annahmen, auch weil ihr Name genannt wurde aber dieser Verdacht zerschlug sich schließlich im Vergleich mit anderen Zeugen und den Aussagen von Sklaven," erweiterte Verus seine Wortwahl aber betonte das Wort Königin besonders, um den verwerflichen Karriereweg für eine Frau aufzuzeigen. "Sie ist sicherlich keine hingebungsvolle Römerin nach den Sitten aber auch keine Feindin Roms. Eine Frau in öffentlichen Ämtern ist mit Sicherheit immer noch etwas, was nicht im Sinne der Vorväter ist aber nichts zur Sachfrage beiträgt, ob sie am Aufstand beteiligt war. Vielleicht waren ihre weibischen Entscheidungen als procuratrix für einen kleinen Teil verantwortlich aber diese Frage lässt sich nun nicht mehr erarbeiten, so denn wir als Ermittler zum Schluss kommen müssen, dass Sergia Fausta unbeteiligt sein könnte," schloss Verus ab und blickte unberührt zum Konsul.

  • Die eingebildete Schreckschraube kam Lucius irgendwie bekannt vor - er konnte aber nicht so richtig einordnen, woher genau er sie kannte. Scheinbar spielte sie auf Duccius Vala an, was sie zwar irgendwie etwas sympathischer machte, dafür ging sie ihm von ihrer Art her irgendwie auf die Nerven - eine Empfindung, die er offensichtlich mit dem Consul teilte. Als der Tiberier dann plötzlich auf einen christlichen Ianitor zu sprechen kam und zuletzt auch noch eine mehr als abenteuerliche Geschichte über die Verdachtsmomente gegen die Sergia erzählte, musste er aber hönisch auflachen. Etwas unlogischeres hatte er in seiner ganzen Dienstzeit nicht gehört - nicht einmal von dem besoffensten Gefangenen, den sie in Alexandria jemals aufgegriffen hatten: Weil Sergia Fausta ein Amt als Procuratrix ausübte, herumhurte und einer mehr als konstruierten Verbindung, war sie verdächtig König werden zu wollen?
    "Mir wird langsam klar, warum die Prätorianer keine Hinweise auf den Aufstand bemerkt haben, wenn sie sich mit so abstrusen Verdächtigungen aufhalten!"
    bemerkte er schließlich, als er sich wieder beruhigt hatte - was nicht sehr lange dauerte, denn der Petronier war kein emotionaler Mensch.


    Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
    "Ich denke, wir können uns diese neue Christen-Komödie sparen. Wenn wir Tiberius noch ein paar Zeugen präsentieren lassen, stellt sich am Ende noch heraus, dass Varia selbst auch Christin war!"
    Er durchschaute, was hier geschah - und er hatte nicht vor, bei diesem Spielchen der Prätorianer mitzuspielen. Nicht, weil er die Christen mochte oder auch nur vor einem ungerechten Urteil bewahren wollte - er wollte sich einfach nicht so billig von den Prätorianern vorführen lassen!

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    Klient - Herius Claudius Menecrates

    DECURIO - MOGONTIACUM

    MUNICEPS - MOGONTIACUM

  • Das Auflachen des Petronius missfiel Verus erheblich, da es die gefühlte Macht der Prätorianer untergrub und der Arbeit einen gewissen Ernst nahm. Man lachte nicht über die Prätorianer.


    "Eine Frau in einem öffentlichen Amt ist keine abstruse Verdächtigung, sondern ein Sakrileg, Petronius. Unsere Vorväter haben aus gutem Grund Frauen von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Wir haben das getan, was jeder gute Römer tun würde, um eine neue Königsherrschaft zu verhindern. Frauen neigen zu impulsiven Verhalten, sind weibisch und mit Sicherheit nicht geeignet ein Amt mit großer Tragweite wahrzunehmen," warnte Verus offen vor diesen modernen weibischen Einflüssen, die der Petronius wohl gut zu heißen schien.


    "Eine Frau in einem öffentlichen Amt gefährdet die res publica, da sie aus emotionalen Gründen anders entscheiden wird, als es ein Mann tun würde. Die Götter haben uns getrennt geschaffen, damit jede Person an ihrem Platz einen geeigneten Dienst verrichtet. Sergia Fausta ist ein Beispiel für Impulsivität, Narzissmus und emotionale Befindlichkeiten, die einem Amt nicht zuträglich sind. Sie pflegt noch nicht einmal die römische Zurückhaltung und protzt mit Ämtern und Titeln, die ihr nicht hätten zustehen dürfen. Dieses Gehabe musste uns als staatsschützende Institution veranlassen, diese Frau zu überprüfen und - um ehrlich zu sein- einer Frau in Amt ist alles zu zutrauen. Dennoch hat sich unser Verdacht nicht bestätigt, so denn nur die moralische Verwerflichkeit einer Frau in Position bleibt und wenn der wohlwissende Kaiser die Ahnen derartig verachtet, dass er Frauen derartig fördert und unterstützt, dann bricht er mit der res publica aber leider haben wir ein Dilemma in diesem Staat. Der Augustus unterstützt Frauen in Ämtern, während wir wahrhaftigen Römer, Frauen in Ämtern ablehnen. Ich kann aufgrund meines Eides nicht gegen den Augustus sprechen aber möchte auch nicht diese Narretei unterstützen, dass Frauen geeignet für Ämter sind. Die res publica war immer eine Sache von Entscheidungen und Beschlüssen, in diesem Sinne muss ich mich dem weisen Ratsschluss des Senats und des Kaisers beugen, dass Frauen Ämter für die res publica tragen können. Nur sei gewarnt, Petronius, auch dein Amt und Posten können derartig von einer Frau belegt werden, wenn sie schon am Kaiserhof tätig sein können. Möchtest du unter einer Frau dienen?" Verus beugte sich vor, da nun ein Kernthema der römischen Welt berührt war und er nicht anders konnte als dieses Sakrileg aufzudecken.


    "Abtrus ist in einem Staate, wo Frauen höchste staatliche Ämter erreichen können, nichts mehr, Petronius," schloss Verus mit einem zornigen Funkeln in den Augen ab, da für Verus tatsächlich eine Gefahr von Frauen, wie Iunia Axilla, neue Ritterin, und Sergia Fausta, ehemalige procuratrix ausgingen. Eine Lächerlichkeit war es, dass Frauen einen Wehrstand erreichen konnten. Rom war von tatkräftigen Männern gegründet worden, unterstützt von starken Frauen, die ihre Rolle kannten. Ein Staat, der sich weibisch machte, wurde letztlich schnell untergehen. Verus als Soldat stand da auf einem festen Standpunkt. Als sich der Tribun mit verschränkten Armen zurücklehnte, blickte Verus zutiefst beunruhigt zum Konsul.

  • Nichts konnte Menecrates einen irreführenden Verdacht plausibler erklären als die Tatsache, dass er auf der Grundlage eines für Frauen abwegigen Lebenslaufes zustandekam. Er folgte dem Disput der beiden Offiziere, dann schaltete er sich ein.


    "Also, ich muss gestehen, mich überzeugt die dargelegte Begründung für den ursprünglichen Verdacht." Zum ersten Mal stellte sich der Consul auf die Seite des Trecenarius. "Betrachtet man alleine das Wesen der Zeugin und führt sich vor Augen, wo sie positioniert ist, stellt sich mir nicht nur die Frage, wer unterstützt sie und zu welchem Zweck. Mir scheinen eigene Antriebfedern nicht unwahrscheinlich und ich halte es für richtig, wenn solche Personen von den Speculatores genauer überprüft werden." Im Gegenteil beruhigte solches Vorgehen sogar den Consul.


    "Wir haben aber auch gehört, dass sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt hat. Also lasst uns das Wissen der Zeugin bei der Aufklärung des Aufstandes nutzen."
    Er wandte sich an Sergia, was ihm sichtlich schwerfiel.


    "Der Quaestor hat dir vorhin eine Frage gestellt, die wir alle gern beantwortet haben möchten.
    Was konntest du den Cohortes Praetoriae hinsichtlich der Verstrickung deines Ianitor berichten?"

  • Bitte was? Ich glaubte wohl, ich hörte nicht richtig! Einer meiner Sklaven sollte sich an diesem Aufstand beteiligt haben? Der Sklaven, die sich nicht mal trauten, mir ein Widerwort zu geben? Die sollten mich hintergangen haben, um sich an einem Aufstand gegen Rom (und also auch gegen mich als Prokuratorin!) zu beteiligen? Das war ja wohl lächerlich! Und absolut unglaubwürdig. Hatte mich der Tiberier denn gar nicht kennengelernt? Eine Frau, die am Kaiserhof eine wichtige Prokuratorin gewesen war. Die sollte plötzlich von ein paar eigenen Sklaven überfordert gewesen sein? (Wollte er, dass diese Lüge aufflog?) Noch dazu, dass er den fiktiven Sklaven auch noch zum Ianitor machte! Wo hatte ich denn bitte einen Ianitor?! Der Ianitor der Casa Sergia gehörte der Besitzerin der Casa Sergia: Meiner lieben Base Severa. Und der Ianitor der Domus Iulia gehörte dem Hausherrn der Domus Iulia. Und wer war dort der Hausherr..? (Den einzigen Ianitor, den ich hatte, war der in meiner Villa bei Misenum. Der aber garantiert keinen Wirkradius bis Rom hatte. Das war absurd. Völlig unrealistisch.) Ich konnte es kaum fassen! Man brauchte nur einen Blick in meine Buchhaltung werfen. Dann konnte man ganz leicht sehen, dass ich keinen einzigen Sklaven (nicht einen!) im Zeitraum des Aufstands verloren hatte. Keiner war abhanden gekommen. Weil sich keiner daran beteiligt hatte. Warum sich niemand darum kümmerte, wessen Sklaven wirklich revoltiert hatten. (Brandzeichen und Co. Da gabs ja Möglichkeiten.) Das leuchtete mir nicht ein. Stattdessen dichtete man mir diese durchschaubare Lüge an. Die wirklich jeder nach kurzem Überlegen enttarnen konnte. (Man musste sich ja nur fragen: Wozu hatte ich hier in Rom einen Ianitor? Dann kam man nahezu sofort drauf, dass da was nicht ganz richtig war!) Eine absolut durchschaubare Lüge. Die ich jetzt trotzdem irgendwie so hinbiegen sollte, dass man sie am Ende halbwegs glauben konnte. Männer! Bis zur nächsten Bettkante konnten sie gerade so denken. Viel weiter aber anscheinend nicht.


    Was natürlich auf der andren Seite auch eine Chance war. Denn die Kommission bestand ja durchweg aus Männern.. nicht wahr? Ich bemühte mich. Mir nicht gleich anmerken zu lassen, wie absurd ich die Aussage vom Tiberius fand. Auch dass der fiktive Sklave angeblich immer noch in Gewahrsam saß, widerstrebte mir völlig. Und zeigte mir, dass der Tiberius zwar körperlich irgendwie anwesend gewesen war bei meinem Verhör. Aber ansonsten anscheinend nicht viel mitbekommen hatte. Was jetzt wirklich noch zum Problem werden konnte. Denn ein bisschen lügen und mich verstellen. Das konnte ich. Aber mal eben so zu tun, als hätte ich eine komplett andere Persönlichkeit. Sowas konnte ich ganz sicher nicht glaubhaft rüberbringen. Was er eigentlich wissen sollte, so schnell wie ich ihm nach meinem Verhör wieder Kontra gegeben hatte. Denn ich war nunmal keine liebe, brave Ehefrau. Die heute mal ein bisschen mit einem Sklaven überfordert war. Und so einen törichten Sklaven dann auch noch lieb und nett mit dem Weiterleben belohnte. Wer sollte das glauben? Dass ausgerechnet ich so herzensgut war? Meine Sklaven wurden bestraft, wenn sie nicht spurten. Das war ich. Und je größer der Fehler, umso größer die Strafe. Auch das war ich. Gewahrsam.. pff. Die Freiheit konnte man einem Sklaven nicht mehr nehmen. Erst kam die Züchtigung. Und danach dann irgendwann der Tod. Das war ich. Hart. Und konsequent. Anders wäre ich in meiner Laufbahn nie so weit gekommen. Nicht als Frau. Da kam man mit "lieb und nett" nämlich nicht sehr weit.


    Am Ende fehlten mir einfach komplett die Worte. Die Antwort des Tiberiers war so.. so.. so! Einfach unbeschreiblich. Mir fiel nichts ein, was ich zu seiner Antwort noch sagen konnte. Denn das war eine völlig andere Frau, die der Prätorianer da zeichnete. Eine Unbekannte. Eine Fremde, die ich sein sollte. Und das war mein ganzes Dilemma. Denn eine gute Lüge schmiegte sich so eng an die Wahrheit, dass man sie nicht mehr von der Wahrheit unterscheiden konnte. Das war eine gute Lüge. Wer eine komplett neue Realität schuf, die mit der Wahrheit mal gerade noch gemeinsam hatte, dass ich ne Frau war. Pff. Da konnte ich am Ende wirklich nur noch angespannt lächeln und stumm nicken. Und selbst damit standen die Chancen immer noch gut, dass mit einer richtigen Frage das komplette Kartenhaus in sich zusammenfiel. Hätte der Mann bloß mich diese Frage des Konsuls beantworten lassen. Das Bild der überforderten Hausfrau hätte ich schon irgendwie wieder relativiert. Und zu dem fiktiven Christianer-Sklaven hätte ich auch schon irgendwas zusammengeschustert. Ihn zum Beispiel zum Cursor gemacht. (Boten brauchte man ja immer. Und die waren dazu ja auch noch viel unterwegs. Kamen viel rum. Konnten viele Kontakte knüpfen.) Da wär mir schon was zu eingefallen, was nah genug an der Wirklichkeit war, dass man es mir auch abnehmen konnte. Aber das? Ein Ianitor in Gewahrsam. Da hatte ich keinen Schimmer, wie ich das noch glaubhaft verkaufen sollte. (Immerhin wusste ich jetzt, warum der Prätorianer Tiberius hieß. Ein Name, der ja normalerweise für "Patrizier" stand. Und also für "Senatorenlaufbahn".. Trecenarius. Der Mann war wahrscheinlich nicht mal Ritter.)


    Die Frage des Konsuls hakte ich also innerlich ab. Der Tiberius hatte sie für mich beantwortet. Und dieser Antwort konnte ich nicht mehr viel hinzufügen. (Ich hätte nicht gewusst was.) Die nächste Frage stellte der Flavius. Eine schöne Frage. Ich nickte unbewusst. Aber bevor ich etwas sagen konnte, redete der Tiberius wieder. Und verhielt sich mir gegenüber wie der letzte Idiot. (Registrierte er überhaupt, dass ich im Raum war, während er SO über mich herzog?!) Mein Kopf bewegte sich ganz leicht von links nach rechts und wieder zurück. Denn mit jedem weiteren Wort des Prätorianers sank mein Wille zum Mitspielen gewaltig. Erst diese absurd schlechte Lüge, die er mir in den Mund gelegt hatte. Die hinten und vorne keiner Nachfrage standhalten würde. Dann diese offene Beleidigung im Beisein anderer. Er führte mich hier gerade vor! Dieser schwarze Depp. "Fausta bleib ruhig!" So mahnte ich mich selbst. Und sagte nichts. Nicht zur Königin. (Was so abstrus war, dass es dem ersten sofort so lächerlich erschien, dass er lachen musste.) Nicht zur "römischen Zurückhaltung". (Seit wann bitte waren denn Zurückhaltung und Demut römische Tugenden?! Wer sowas behauptete, während er von den Mos Maiorum redete, der hatte keine Ahnung. Von nichts.) Nicht zu den frevelhaften Worten des Prätorianers über den Augustus. (Ich hoffte, der angegriffene Petronius erzählte das rum.)


    Und dann fühlte sich auch der Konsul stark genug, um nochmal verbal auf mich einzuschlagen. Ausgerechnet der! "Ich muss mich entschuldigen. Mir wurde mitgeteilt, dass ich heute als Zeugin hier stehen soll, um dieser Kommission ihre Fragen zu beantworten. Aus dem Grund bin ich herkommen. Aus freien Stücken. Um zu helfen." Ich lächelte abschätzig. "Aber es scheint mir, als will man meine Hilfe hier gar nicht. Ich bin zu impulsiv, zu narzisstisch und zu emotional, um ein öffentliches Amt auszuüben? Dann bin ich auch zu impulsiv, zu narzisstisch und zu emotional, um hier als Zeugin vor dieser Kommission auszusagen." Kühl gesprochen. "Alle hier haben ihre vorgefertigte Meinung über mich. Der Decimus." Ich zeigte auf ihn. "Er hat mich vor wenigen Tagen aus seinem Patronat entlassen. Nicht in einem persönlichen Gespräch. In einem unpersönlichen Brief. Ohne jede Begründung. Heute ist mir nun klar: Als Eques und Prokuratorin, die nichts brauchte, war ich eine tolle Klientin, mit der man gut angeben konnte. Jetzt, wo ich zum ersten Mal wirklich den Schutz meines Patrons gebraucht hätte, da war es angenehmer, wenn er mich plötzlich nicht mehr kannte." Soviel zu den Mos Maiorum, von denen hier plötzlich alle redeten. "Der Claudius." Zeigte ich dann auch auf den. "Kennt mich noch nicht mal eine Stunde und meint bereits mein ganzes Wesen zu kennen. Wie? Weil ich es gewagt habe, mich unwohl zu fühlen vor einer Gruppe namenloser Gesichter?" Seine drollige Belehrung legte das nah. Aber ich war ja diejenige, die hier übertrieben impulsiv und emotional reagierte. Nicht wahr? (Und ja: Jetzt tat ich es. Nachdem man mich schon soo darum bat.)


    Ich zuckte mit den Schultern. "Es mir also Leid. Dass ich mich unwohl fühle, wenn ich vor lauter namenlosen Gesichtern etwas aussagen soll. Dass ich mich unwohl fühle, wenn man mich als Zeugin lädt und dann wie eine Verdächtige verhört. Dass ich mich unwohl fühle, wenn ich in diesem Haus vom Senator Claudius mehreren Soldaten gegenüberstehe. Obwohl der Kaiser Claudius es als unsittsam allen Soldaten verboten hat, das Haus eines Senators zu betreten." Ich schüttelte den Kopf. "Und dass ich mich unwohl fühle, wenn trotzdem ich es bin, die keine hingebungsvolle Römerin nach den Sitten ist. Obwohl es auch nicht mein Haushalt ist, der neuerdings Asyl bietet für gescheiterte Aufständische." Denn von der öffentlichen Versklavung durch die Prätorianer hatte ich mittlerweile auch gehört. "Es tut mir Leid, dass ich eine emotionale Frau bin." Der letzte Satz war der einzige, den ich halbwegs ernst meinte. Denn ich war nun mal keine schweigsame Raute in der politischen Landschaft, die sich offen demütigen ließ, um damit mittelfristig ihre Macht zu erhalten. Das war ich nicht. Ich war emotional. Und wenn dieser Männerzirkus hier meinte, dass man mich so offen provozieren musste (ich hatte ja extra angeboten, den Raum zu verlassen!), dann verlor ich irgendwann halt meine Coolness. "Was ich den Prätorianerkohorten über die Verstrickung meines Ianitors berichten konnte, das weiß bestimmt auch der Prätorianer hier im Raum. Und kann es euch gerne berichten. Ich fühle mich leider nicht mehr dazu in der Lage, hier noch irgendwas beizutragen." Nicht nach dieser Behandlung. Dieser Demütigung. Der zweiten schon durch den Tiberius. (Das würde noch Konsequenzen haben. Wahrscheinlich auch für mich. Ganz sicher aber für ihn.)


    Aber auch ohne den Eklat hätte ich jetzt nichts groß auf die Frage vom Flavius antworten können. Weil mich die erste Antwort vom Tiberius einfach völlig, völlig aus der Bahn geworfen hatte. (Was hatte er auch eine Frage vom Konsul beantworten müssen, die der an mich gerichtet hatte?) Entweder er ließ mich eine Geschichte erfinden, um die Christianer zu belasten. Oder er hätte seine Geschichte vielleicht vorher ein bisschen mit mir abstimmen sollen. (Dann hätte ich ihn auch auf die Schwachstellen aufmerksam gemacht.) Aber so? So hätte ich meine volle Konzentration jetzt darauf verwenden müssen, dass ich mich in einer Geschichte, die ich nicht kannte, wenigstens nicht noch in irgendwelche Widersprüche verstrickte. Was bedeutete: Eigentlich musste mir der Tiberius seine Geschichte sowieso komplett vorkauen. Denn die Frau, die er beschrieben hatte, die gab es nicht. Eine Prokuratorin, die von ein paar eigenen Sklaven überfordert wurde. Oder die unlogische Sache mit dem Ianitor in Gewahrsam. Selbst die Christianer-Sache: Ich war in Alexandria groß geworden. Wo wahrscheinlich noch mehr Christianer lebten als hier in Rom. Wo die zum Alltag gehörten. Sogar politisch in der Stadtversammlung vertreten waren. So alltäglich waren die da.. So richtig viel hatte ich damals zwar nicht über diese Sekte gelernt. (Einfach weil ich mich für diesen unrömischen Unsinn nie interessiert hatte.) Aber gereicht, um von einem Christianer-Sklaven nicht gleich völlig überfordert zu sein, hatte es allemal. Eigentlich. Aber auch das war ja wieder ich. Nicht die Frau, die der Prätorianer als "ich" gezeichnet hatte. (Inzwischen fragte ich mich wirklich, ob der vor seinem Verhör eigentlich überhaupt irgendwas über mich recherchiert hatte. Oder ob in seinem ominösen Bericht, von dem der Konsul eingangs geredet hatte, am Ende nicht mal was über die Verwandtschaft zu meinen helvetischen Vettern stand.)


    Ich wartete noch einen Moment. Wollte noch irgendwer was zu mir sagen? Mich am Gehen hindern? Falls nicht, hatte ich auf diese Posse nämlich wirklich keine große Lust mehr. Ein Konsul, der sich von meinem Unwohlsein zu Anfang schneller angegriffen fühlte als meine Freundin Sabinilla. Damals in Alexandria. Als wir noch zwei kleine Mädchen waren. (Und trotzdem war ich hier die Emotionale.) Ein Prätorianer, der über die Mos Maiorum schwadronierte. (Ich war erst meinem Vater gefolgt: Cursus Publicus. Dann meinem Großvater in den Ritterstand. Wem war der Tiberius.. als Patrizier.. ausgerechnet in den Stiefel eines einfachen Soldaten gefolgt?) Nicht zu vergessen, dass ich ja nicht rational denken konnte. Weil ich eine Frau war. (Aber auf wessen Mist war die abstruse, unlogische, irrationale Ianitor-Geschichte gewachsen? Hm?) Ich kochte innerlich vor Wut. Dieses selbstgerechte Männerpack!

  • Der Consul seufzte ein wenig. Er würde wohl oder übel eine dritte Ausführung in Sachen Regeln vortragen müssen, was ihm keineswegs Spaß machte.
    "Sergia." Er atmete einmal möglichst unauffällig aus. "Diese Kommission ist nicht privater Natur. So wie WIR hier nicht zum Zeitvertreib sitzen, ist es DIR nicht möglich, dich der Mitarbeit zu entziehen. Ich kann dir gerne eine Pause einräumen, entlassen bist aber deswegen nicht." Der Consul hoffte, nicht noch deutlicher werden zu müssen. Er wartete auf Sergias Reaktion, von der abhing, ob er eine Pause einläutete oder veranlassen würde, sie in Gewahrsam zu nehmen.
    "Ich weise darauf hin, dass mangelnde Mitarbeit dich erneut verdächtig macht." Ob dieser Hinweis Sergia zu Einsicht verhelfen würde, wagte Menecrates zu bezweifeln. Erwähnt wollte er es aber haben.


    "Wen hätten wir alternativ auf der Befragungsliste, sollte Sergia eine längere Weile Zeit zum Nachdenken brauchen?" Er tat nur unwissend, eigentlich wusste er es. "Diesen Mann aus der Subura." Er kannte den Namen, nannte ihn aber nicht. Frauen vom Schlage Sergias waren nicht nur schnippisch, sondern zumeist auch neugierig und geschwätzig.

  • Ach. Forderte mich der Konsul da etwa gerade heraus? "Ich danke für den Hinweis." Ein schnippisches Lächeln. "Und das ist auch der Grund, warum ich mit den zuständigen Ermittlungsbehörden bereits kooperiere." Passend dazu sah ich zum Tiberius, der hier scheinbar die Prätorianer vertrat. "Denn auch wenn du dich und deine Kommission scheints für die besseren Ermittler hälst. So wie du den Tiberius zurechtgewiesen hast, als der von seinen Ermittlungsergebnissen berichtet hat." Denn da sagte der Tiberius, dass sich die "erheblichen Vorwürfe" gegen mich nach den Schwarzrock-Ermittlungen zerschlagen hatten. Und was war die erste Reaktion des Konsuls? Das sollte man ihm doch erstmal beweisen, "bevor die Kommission zu diesem Sachverhalt selbst ermitteln wird". (Weil ja niemand besser ermittelte als ein claudischer Konsul. Erst recht nicht irgendwelche schlampigen Prätorianer.) "Aber das letzte Mal, dass ich nachgeschaut habe, stand im Paragraphen über die zuständigen Ermittlungsbehörden kein Wort von der Zuständigkeit des Konsuls, einer von ihm geleiteten Kommission oder irgendeines anderen Magistraten des Cursus Honorum." Was für mich vor allem hieß: Es war nicht am Konsul, hier zu bestimmen, wer verdächtig war und wer nicht. (Auch wenn er das schiens sehr gerne so hätte.)


    Es war das gleiche, was ich auch von den Ludi Palatini gehört hatte: Ein "neutral grüner" Konsul veranstaltete Spiele, versuchte irgendwelche Fahrer zu erpressen und zum Schluss endete alles mit einem riesen Knall. Ich erkannte das Muster. "Eigentlich wurde es schon gesagt. Ich wiederhole es trotzdem nochmal. Ich bin schockiert über diesen Aufstand. Und ich arbeite mit den zuständigen Prätorianern zusammen. Um zu tun was ich kann, dass die Verantwortlichen für dieses Fiasko zur Rechenschaft gezogen werden." Beziehungsweise die Prätorianer wenigstens keiner unschuldigen Sergierin und ihren helvetischen Verwandten diesen Mist anhängten. "Falls die Stadtkohorten noch Wert legen auf eine persönliche Aussage von mir. Dann wissen sie bestimmt, wo ich wohne. Oder bitten mich zu einem Gespräch in der Castra Praetoria. Auch dazu bin ich gerne bereit." An die Adresse vom Petronius gesprochen. "Wenn man mich aber hierher einlädt. Mich arglistig täuscht, indem man vorgibt, ich wäre eine Zeugin. Und mich dann behandelt wie eine Verdächtige in einem Verhör. Und mich regelrecht vorführt, indem man vor meinen Augen meine Verdächtigkeit diskutiert, als wenn ich gar nicht da wäre. Und mir am Ende sogar noch droht, mich trotzdem zu verdächtigen. Obwohl der Tiberius doch gerade erst mitgeteilt hat, dass die Ermittlungen der Prätorianer ergeben haben, dass sich die Verdachtsmomente gegen mich zerschlagen haben." Eine lange Liste der Provokationen gegen mich. "Dann tut es mir Leid. Aber dann werde ich hier ganz sicher nicht freiwillig weiter mitarbeiten." Punkt.


    "Und wenn du mich zu einer unfreiwilligen Mitarbeit zwingen möchtest, Konsul? Dann verlange ich erstmal zu erfahren, auf welcher rechtlichen Grundlage du das tun willst." Vorher lief da gar nix. Denn meine Einstellung hatte sich hier ja nicht geändert: Der Konsul wollte etwas von mir. (Meine Aussage.) Nicht umgekehrt. Den freundlichen Weg hatte er sich mittlerweile verbaut. Dazu hatte er mich ein paar Mal zu oft als Verdächtige tituliert. Und hätte mir nicht drohen dürfen. Da konnte er jetzt also entweder den Tiberius ganz lieb bitten, dass der meine "Aussage weiterreichte". Oder er konnte es darauf anlegen, dass nach dem Knall zu den Ludi Palatini auch zum Abschluss seines Konsulats nochmal ein lauter Knall folgte. (Denn als Prokuratorin hatte ich den Kaiser ein bisschen kennengelernt. Und ich hatte große Zweifel daran, dass der mal eben so die römischen Gesetze außer Kraft setzte. Nur um einem einzelnen Konsul und seiner bunt zusammengewürfelten Kommission die Macht zu geben, sich übermäßig in die Amtsbereiche von Stadt- und Prätorianerpräfekten einzumischen.)

  • Der Consul sah sich nicht dazu veranlasst, Sergia zu erklären, dass hier unabhängige Ermittlungen stattfanden, die weder die Ergebnisse anderer Behörden übernahmen noch sich an ihnen orientierten. Es ging die Zeugin nichts an, also ließ Menecrates die Kommentare an sich vorbeirauschen. Sich darüber zu ärgern, verschwendete Kraft, denn das Dumme am Ärger war, dass man nur sich selbst damit schadete, aber keinem nützte.


    Je länger jedoch das Gezeter anhielt umso weniger vermochte es der Consul, darüber hinwegzusehen. Er hörte ab einer gewissen Stelle sogar sehr genau zu.
    Als Sergia endete, hallte ihre letzte Forderung gleich einem Paukenschlag nach. Menecrates saß regungslos, allerdings ließen seine Augen erkennen, dass er konzentriert nachdachte. Dann fasste er einen Entschluss.
    Er erhob sich und wandte sich an die Kommissionsmitglieder.


    "Werte Herren, ich schließe hiermit die heutige Sitzung. Wir treffen uns in zwei Tagen zur Befragung eines neuen Zeugen." Er wandte sich an den Trecenarius. "Tiberius, wenn du bitte dafür Sorge tragen könntest, den Mann über Ort und Zeit zu informieren." Wieder vermied Menecrates die Nennung des Namens in Anwesenheit der Sergia. Da Tiberius ihn ermitteln sollte, würde er wissen, um wen es sich handelte.


    Der Consul ging zur Tür und öffnete sie. "Meine Herren, einen schönen Tag. Tiberius, du bleibst bitte hier." An Sergia verschwendete er kein weiteres Wort. Sollte sie nicht freiwillig gehen, würde er nachhelfen lassen. Für das Nachfolgende wollte er ungestört sein.

  • Niemand hatte mich am Anfang dieser Veranstaltung irgendwie begrüßt. (Stattdessen gabs als erstes die kleine Regelkunde vom Konsul.) Da wars jetzt nur konsequent, dass der Claudius mich (als Gast in seinem Haus) auch nicht verabschiedete. Wahrscheinlich war er jetzt beleidigt. Weil ich vor versammelter Mannschaft seine Zuständigkeit in Frage gestellt hatte. Aber da war er am Ende selbst Schuld. So wie er mich provoziert hatte.


    Wenigstens schien er einzusehen: Unabhängig ermitteln konnte er liebend gerne. (Das konnte ich auch. Das konnte jeder.) Aber zur Mitarbeit bei diesen unabhängigen Ermittlungen zwingen, konnte er niemanden. Denn sowas konnten nur die zuständigen Ermittlungsbehörden. Die dafür eine rechtliche Grundlage hatten. Ein Konsul war eben kein Kaiser. Auch wenn er Nero Claudius Menecrates hieß.


    Tja. Und so ging ich dann auch einfach, als die heutige Sitzung für beendet erklärt wurde. Ohne ein weiteres Wort an den Claudius zu verschwenden. Ab in meine Sänfte, die draußen wartete. Und dann direkt nach Hause. Bis zur Domus Iulia wars ja zum Glück nicht weit.

  • Was geschah hier gerade? Verus war wirklich zerstört. Nicht im Sinne, dass er aufgab aber diese Frau zerstörte ein klares Weltbild, welches zumindest in seiner einstigen Welt noch Bestand gehabt hatte. Diese Frau erlaubte sich Dinge, nach alldam, was er vorbereitet hatte, und erdreistete sich vieles, was er einfach nicht glauben konnte. Sergia Fausta war ungebrochen, zielstrebig und immer noch jenes Weibsbild, welches so fehlerhaft nicht in diese Zeit passte. Nichts passte hier mehr. Verus Glauben zerbröselt mit festen Brocken, die ihn wortlos auf diese Frau starren ließen. Rücksichtslos agierte sie, vollkommen emotional und selbstgerecht zerschlug sie alles, was in seinen Augen sittsam war. Sie war altklug, überlegenheitssuchend und schnippisch. "Kaiser Claudius verbot private Besuche," antwortete Verus perplex und schüttelte heftig mit seinem Kopf, während sein Mund weiterhin offen stand, weil diese Situation so entglitten war, dass er einfach nichts mehr verstand. Es war der Versuch einer Rettung aber die gefühlte Macht des Trecenarius zerbarst an dieser Frau, die scheinbar mehr Macht besaß, als ein Konsul und die versammelte Honoration einer Stadt. Eine Frau, die sich mehr herausgenommen hatte, als gut für sie war. Und dennoch atmete sie frei und konnte sogar mittelbar diese gesamte Kommission beleidigen, die vom Senat eingesetzt war.


    Selbst Verus hatte sich dieser Sache nicht entziehen können. Immer noch war der Senat ein wichtiges Instrument der Altvorderen, welches nicht übergangen werden konnte. Zumindest nicht so offensichtlich. - Oder Verus redete sich dies noch ein, da er selbst eine widersprüchliche Ambivalenz zu den Traditionen hatte aber... eine Frau, die sich über die Welt erhob, war unglaublich und wirklich ein Hinweis auf ein tiefsitzendes Chaos innerhalb des Imperiums. Der Konsul tat etwas, was Verus überraschte und erneut Wortlosigkeit hervorrief. Der sonst kontrollierte Mann zeigte eine Gefühlsregung, als sich erneut die Augen weiteten. Entrissen von jeder Argumentation und Gedanken versuchte Verus sich gerade erneut in diese Situation hinein zu finden. Die Worte der Sergia zu verarbeiten und doch scheiterte er. Es ging alles so schnell, dass ein Versuch überflüssig war und ebenso eine Antwort. "Ehm," entfloch dem sonst kalten Trecenarius eine Regung, bevor er den Wunsch des Konsuls realisieren konnte. "Ja, das werde ich," war die knappe Antwort, während er selbst durch die Nase tief Luft holen musste. Immer noch blieb die Frage: Was war hier gerade geschehen? Der erstaunliche Widerstand einer Frau gegen einen Konsul? Einer Frau, die sich erhob und fast königlich agierte. Ja, auch Verus erschien das alte Argument, welches er aufgegriffen hatte, erneut tragfähig. Diese Frau war eine Gefahr für die Sitten und Traditionen. Sie war eine Königin; und damit eine Feindin. Die Paranoia keimte erneut, noch bevor der Konsul den überforderten Trecenarius bitten konnte. Er sollte bleiben, so dass er seine Aufstehbewegung abbrach und dem Claudius dezent zu verstehen gab, dass er verstanden hatte. Scheinabr gab es noch wichtige Dinge im Vertrauen zu besprechen. Als Trecenarius war er dies gewohnt und endlich schien auch der Konsul den Wert von Geheimnissen erlernt zu haben.

  • Der Decimer hatte diese Befragung ruhig, fast stoisch verfolgt. Selbst als er von der Zeugin, seiner früheren Klienten, direkt angesprochen wurde und sie fast anklagend mit dem Finger auf ihn zeigte, blieb er regungslos und mit versteinerte Mine sitzen. Er hielt sich absichtlich zurück und versuchte nicht seine Fassung zu verlieren. Da er vor kurzem noch ihr Patron war, fühlte er sich zu befangen, um hier in dieser Runde groß auffallen zu wollen. Auch wenn er keine Partei für sie ergreifen wollte, so musste er dennoch vorsichtig sein, um nicht auch in den Strudel der Geschehnisse hineingezogen zu werden. Innerlich war er jedoch Fassungslos. Diese Frau.. wie hatte sie es damals nur geschafft ihn als ihren Patron zu gewinnen? So wie sie sich hier und heute gebärdete hatte er sie persönlich noch nie erlebt. Natürlich war ihm das eine oder andere auch schon in den letzten Jahren zu Ohren gekommen, aber er tat das immer als üble Nachrede, Eifersucht anderer auf ihre Stellung als seine Klientin oder als maßlose Überzeichnungen ab. Zu ihm war sie die wenigen Male wo sie sich persönlich begegnet waren immer freundlich und zuvorkommend gewesen. Aber hier und heute musste er der Wahrheit ins Angesicht blicken. Das war offensichtlich alles nur Fassade gewesen. Sergia Fausta war eine bösartige, listige und vollkommen vor Ehrgeiz und Selbstüberschätzung zerfressene Frau, die sich über alles und jeden stellte und hinwegzusetzen versuchte, das nicht in ihr groteskes Weltbild passte, in dem offensichtlich ausschließlich sie selbst die zentrale und wichtigste Rolle einnahm. Als sie endlich geendet hatte und Menecrates die Sitzung schloss, atmete der Consular tief durch. Froh das es vorbei war und froh, dass er diese Klientin los war. Und damit schloss er auch ein für alle Mal mit dem Kapitel Sergia Fausta ab.

  • Der Optio hatte sich inzwischen darauf verlegt, vorläufig etwas zuzuhören. Sollten die Prätorianer doch ersteinmal ihre Ergebnisse vortragen. Der Tribun würde schon Bescheid sagen, wenn es wieder Zeit für die Offensive wurde.


    Und die prätorianischen Ergebnisse waren ja auch durchaus interessant. Besonders die Geschichte, dass die Sergia nun eine Zeugin und keine Verdächtige mehr war. Aber so lief das nunmal bei Ermittlungen. Sie würden sehen, wie sich das weiterhin entwickelte. Was er jedoch von dieser Kommission mitnahm war, dass die befragen Frauen sich tatsächlich ungewöhnlich benahmen, so wie es auch schon angemerkt worden war. Das war bei dieser Quintilia losgegangen und würde nun aber hoffentlich bei der Sergia enden. Vielleicht ließ die Nervosität sie in solchen Situationen überkompensieren? Maro wusste es nicht.


    Kopfschüttelnd folgte er den anderen aus dem Saal. Die christen. Die kamen Maro ja seit neuestem immer öfter unter die Nase. Vielleicht hatten die Prätorianer ja tatsächlich Recht.

  • Zufrieden stellte der Petronier fest, dass er mit seinem Lacher den Prätorianer getroffen hatte - was diesen sogar zu einer sehr unvorsichtigen Aussage verleitete. Inhaltlich mochte der Tribun dem Trecenarius sogar zustimmen - er hasste Frauen genaugenommen und gerade so arrogante Schlampen wie dieser Sergierin machten ihn immer nervös, ja geradezu ängstlich. In jeder anderen Situation hätte er sich also an die Spitze derer gesetzt, die für die Beschränkung von Frauen auf den Haushalt und die Aufzucht von Kleinkindern beschränken wollten.


    Aber nach diesem unlogischen Quatsch, den Verus gerade noch verzapft hatte, war sein Hass auf den Prätorianer größer als der auf diese Frau, die man hier einerseits freisprach, andererseits wie eine Delinquentin behandelte. Nicht weil er sie mochte - nur weil er den Tiberier weniger mochte! Und der war gerade in eine ziemliche Falle getappt, wie der Petronier es sah - denn er hatte nichts anderes getan, als den Kaiser als inkompetent, ja sogar als Beleidiger der Götter zu beschimpfen!


    Wenn das dem Kaiser zu Ohren kam, würde Verus sicherlich nicht besonders gut dastehen - vielleicht kostete ihn das sogar seinen Posten!
    Lucius sagte aber nichts, sondern wartete weiter ab. Dem Gekeife der Sergierin und den etwas irrationalen Schlüsse des Claudiers hörte er gar nicht mehr richtig zu - er musste überlegen, wie er am besten vorging: Sollte er den Tiberier anonym denunzieren? Oder lieber persönlich? Zeugen gab es ja so oder so genug - der Consul selbst war ja Zeuge gewesen!


    Lucius konnte sich kaum ein Grinsen verkneifen, als er sich schließlich erhob und mit Maro im Schlepptau die Villa Claudia verließ...

    cu-tribunuscohortisurbanae.png petronia2.png

    Klient - Herius Claudius Menecrates

    DECURIO - MOGONTIACUM

    MUNICEPS - MOGONTIACUM

  • Zitat

    Original von Aulus Tiberius Verus
    Was geschah hier gerade? Verus war wirklich zerstört. Nicht im Sinne, dass er aufgab aber diese Frau zerstörte ein klares Weltbild, welches zumindest in seiner einstigen Welt noch Bestand gehabt hatte.
    [...]
    "Ehm," entfloch dem sonst kalten Trecenarius eine Regung, bevor er den Wunsch des Konsuls realisieren konnte. "Ja, das werde ich," war die knappe Antwort, während er selbst durch die Nase tief Luft holen musste. Immer noch blieb die Frage: Was war hier gerade geschehen? Der erstaunliche Widerstand einer Frau gegen einen Konsul? Einer Frau, die sich erhob und fast königlich agierte. Ja, auch Verus erschien das alte Argument, welches er aufgegriffen hatte, erneut tragfähig. Diese Frau war eine Gefahr für die Sitten und Traditionen. Sie war eine Königin; und damit eine Feindin.


    Auch nachdem das letzte Kommissionsmitglied die Villa verlassen hatte, stand Menecrates noch immer unbeweglich im Tablinum. Die Eindrücke der letzten Stunde saßen tief und er verarbeitete sie noch. Schließlich atmete er einmal tief durch, blickte zu Tiberius, zog sich einen Korbsessel zurecht und setzte sich in dessen Nähe.


    "Ich habe alle anderen fortgeschickt, weil ich nur mit jemand arbeiten kann, der den Mund aufmacht. Mir nützen Gedanken, und mögen sie noch so wertvoll und passend sein, nichts, weil ich nicht in der Lage bin, sie zu lesen." Damit wollte der Consul ausdrücken, dass jeder die Möglichkeit zur Mitarbeit in der Kommission und damit deren Lenkung hatte, aber dazu musste er auch mitarbeiten. Wer ihn im Zuge einer unerhörten Vorstellung alleine stehenließ, den ließ der Consul seinerseits zurück.
    "Lass uns über die heutige Sitzung sprechen. Ich für meinen Teil sehe die Kommissionsarbeit ab dem heutigen Tag als beendet an. Ich bin auf das letzte noch fehlende Teilstück gestoßen, was uns die Unruhen erklärt.
    Welchen Eindruck hast du?"

  • Nun wurde diese Sache spannend. Verus konnte tatsächlich noch einen politischen Gewinn aus diesem Fiasko ziehen. Erleichtert atmete Verus aus und ließ den Konsul spreche. Der Prätorianer hörte aufmerksam zu. Jedes Worte war nun wichtig. "Wir wollen also offen sprechen?" - fragte Verus nur zur Vorsicht, da ihm längst klar war, dass dies ein politisches Spiel werden würde. Der fatale Gefühlsausbruch, der den Kaiser zu Teilen diskredtiert hatte, war tatsächlich die wahre Emotion im Bezug zu dieser Frau gewesen, so dass Verus dankbar dafür war, dass der Konsul diese Emotion verstand und zu teilen schien. Immerhin lag beiden Männern etwas an Rom. Auch wenn Verus sicherlich ein anderes Rom im Sinne hatte, als dieser Claudius. Für Verus war sein Rom des umhergehen eines toten Mannes, einer fast toten Idee, welcher immer wieder reanimiert wurde, mit fremden oder eigenem Blut. Der Trecenarius nickte dem Konsul verstehend zu, bevor er schließlich antwortete. "Neben den Christen, diversen sozialen Problemen mit der Versorgung der Armen und der Plebs, sind es auch diese fehlgeleiteten Frauen, die Rom zersetzen. Es fehlt uns an Werten. An echten Werten, die Rom einst ausgemacht haben. Der Kaiser scheint diesen Werten nur auf dem Papyri zu folgen und sollte daran erinnert werden, was für Rom wichtig ist. Leider bin ich nicht in der Position dem Kaiser zu erklären, welche Werte wir verloren haben. Ich kann ihn nur in Ermittlungen und Meuchelmord beraten," sagte Verus offen. Er hoffte, dass diese Wahrheit ein neues Band zwischen dem Konsul und ihm selbst schlagen würde. Mit einem Konsul an seiner Seite wäre Rom vor einigen Entwicklungen zu retten. Zumindest vorerst.

  • Menecrates nickte mehrfach während des Redebeitrags.
    "Bei zwei verbliebenen Mitgliedern der Kommission hätten wir ein erhebliches Problem, wenn unsere Meinungen differieren würden. Es gäbe immer Gleichstand und wir würden nie zu einem Ergebnis kommen. Ich habe dir den Vortritt für die Ausformulierung und das Resümee gelassen, um zu sehen, wie du die Sachlage bewertest. Es ist klar, dass ich es bin, der mit dem Senat und mit dem Kaiser reden muss, aber es ist wichtig für mich zu wissen, inwieweit deine Einschätzung meiner entspricht. Das tut sie übrigens."
    Er ließ das eigene Resümee noch einmal Revue passieren und stellte eine weitgehende Deckungsgleichheit fest.


    "Wenn mich jemand zu Beginn oder während der Kommissionsarbeit gefragte hätte, mit wem ich die wenigsten Übereinstimmungen sehe, dann wärst du das gewesen", gab Menecrates zu. "Ich war von Anbeginn sogar besonders auf der Hut, was deine Äußerungen betrafen. Umso mehr wiegt die jetzige Übereinstimmung der Ansichten.
    Punkt eins: Ich sehe eine Christenbeteiligung, die ich aber nicht besonders hervorheben würde. Sie ist vorhanden, das war‘s - zumindest aktuell. Aus ihnen kann natürlich ein Problem erwachsen, wobei ich das nicht für akut halte, denn im Zuge der Ludi gab es mehrere Christenhinrichtungen, was ein Signal Roms an diese Gruppierung war. Hier besteht für mich kein aktueller Handlungsbedarf.
    Punkt zwei stellen die offensichtlich katastrophalen Zustände in der Subura dar. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
    Punkt drei, und der hat mir bis jetzt gefehlt, ohne dass ich geahnt habe, was das fehlende Teilstück ist. Es sind fehlgeleitete Frauen."
    Er übernahm den Begriff, ohne zu durchdenken, ob er wirklich passte. "Wir öffnen Frauen abwegige Karrierewege, das verändert diese Frauen. Sie werden unrömisch, fordernd, respektlos und aufmüpfig. Ganz gleich, was die Außenwirkung vollbringt, ob der direkte Kontakt mit ihnen oder die bloße Kenntnis über das Aufsteigen in ritterliche Ämter und das Hörensagen über deren Auftreten in der Öffentlichkeit, es IST diese Außenwirkung, die andere unzufriedene Frauen dazu ermutigt, römische Männer zu morden und sich letztlich zu erheben."


    Er breitete die Hände in einer anbietenden Geste aus.
    "Das ist unser Ermittlungsergebnis." Es wurde einstimmig beschlossen, wenn auch von einer kleinen Abordnung. Allen anderen hatte es die Sprache verschlagen.


    "Ich werde sicherlich das eine oder andere Mal in dieser Sache deine Aussage brauchen. Den Ermittlungsbericht fertige ich. Du kannst ihn aber gerne gegenlesen und danach korrigieren wir, bevor ich ihn einreiche.
    Von meiner Seite war es das. Hast du noch Fragen oder Anliegen?"

  • Der Trecenarius antwortete eilig und soeben war der Quaestor geneigt, zustimmend zu nicken, als er begann, sich Schritt für Schritt weiter zu echauffieren und schlussendlich zu einer Philippica anzusetzen, welche den Jüngling schlussendlich zweifeln ließ, ob die anfängliche Behauptung, die Cohortes Praetoriae hätten die Sergia ledig gesprochen, tatsächlich der Wahrheit entsprach. Insonderheit irritierte ihn hingegen die Behauptung, sie strebe eine Krone an, da derartigen Ansinnen doch seines Wissens seit mehr als einem Dezennium niemand mehr war gefolgt.


    Jener Irritation verlieh der Petronius Ausdruck, wobei er dies jedoch in einer überaus despektierlichen Weise unternahm, die der junge Flavius missbilligte, da er doch nicht zu vermuten imstande war, dass die Praetorianer all dies inszeniert hatten. In den Schatten stellten dies indessen die nun folgenden Worte des Tiberius, mit welchen er sich wortreich über die Position von Frauen in genere und der Sergia im Speziellen echauffierte und dabei selbst nicht davor zurückschreckte, den Princeps selbst als traditionsvergessen zu denunzieren.
    Damit entglitt die Situation augenscheinlich völlig, denn nun begann auch Sergia Fausta, die Kooperation zu verweigern (was Manius Minor angesichts der Weise, in der Verus die Eques trotz ihrer Position attackiert hatte, durchaus verständlich erschien) und zugleich sämtliche der präsenten Kommissionäre zu offendieren, ehe schlussendlich der Consul jenem Possenspiel ein Ende bereitete und die Sitzung schlichtweg aufhob.


    Irritiert verließ der junge Flavius den Raum, während er mit halbem Ohr vernahm, dass Menecrates den Tiberius zurückbehielt. Er vermutete, dass der Claudius den Trecenarius ernstlich ermahnen wollte, seine Verve ein wenig zu zügeln, da doch derart kritische Worte gerade aus dem Munde eines so engen Mitarbeiters des Kaisers ihn und sämtliche Zeugen in Gefahr bringen mochte. Manius Minor für seinen Teil gab all dies durchaus zu bedenken, selbst wenn er ob der Hitzigkeit der Debatte kaum Gelegenheit hatte, den Inhalt der diversen Reden zu reflektieren, da bereits deren Form ihn derart derangierte.

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