Begreifen zog wie ein reinigendes Sommergewitter durch den Geist des Gefangenen. Sein sonnengebräuntes Gesicht veränderte sich. Sein verächtlicher Ausdruck wich der Klarheit und Zambascha erkannte, dass er einen großen Fehler begangen hatte. Seine Pflicht hätte sein müssen, die Römer anzugreifen, so lange er es noch konnte, damit sie ihm halfen, sein Wissen mit in sein Grab zu nehmen. Das Entsetzen auf Zambaschas Gesicht galt nicht der Aussicht auf Folter. Es galt der Angst, seinem Herrn Probleme zu bereiten und ein schlechter Sklave zu sein.
Dass er inzwischen ein freier Mann war, spielte keine Rolle. Die geschenkte Freiheit war für ihn nur ein Instrument zur Willenserfüllung seines Herrn, das ihm größeren Handlungsspielraum einräumte. Zambascha selbst bedeutete sie so wenig, wie ihm seine Räuber etwas bedeutet hatten. Auch sie - nur Werkzeuge, bedeutungslos, bis man sie benutzte, um Großes mit ihnen zu bewirken. Dass sie ihn im Stich gelassen hatten, brach keineswegs sein Herz, es ließ ihn tiefe Verachtung empfinden für ihre Einfalt und dafür, wie sie sich an ihr Leben klammerten, das ohne einen Lenker wieder in der Bedeutungslosigkeit von Bauern und Nomaden versinken würde.
Nachdem der Centurio ihn auf seinem Pferd allein gelassen hatte, blieben nur seine Wächter zurück, die ihren Gefangenen weitestgehend ignorierten. Einer von ihnen hielt die Zügel des Pferdes, wohl ahnend, dass jemand wie Zambascha das Tier auch gefesselt und ohne Zügelhilfe zu lenken imstande war. Er hätte den Centurio niedergeritten, damit sie ihn töteten.
Dies würde sein letzter Ritt werden. Als der Tross sich in Bewegung setzte, hörten seine Wächter Zambascha in einem Singsang vor sich hinmurmeln. In Kappadokisch, einem schwer verständlichen griechischen Dialekt, der verzerrt war von persischen und keltischen Einflüssen, sprach Zambascha zu seiner Gottheit. Er bat nicht um Rettung, er bat um seinen Tod.