Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Es waren schlechte Tage in diesen Tagen, alles schien den Bach herunter zu gehen; irgendwie schienen die Parzen es nicht gut mit Marcus zu meinen; Sklaven geflohen, Frau entführt, Frau zurück gebracht, Frau in die Ferne verschwunden; seine mentale Stütze und Vertrauter in der Familie, Flavius Gracchus, war von schwerer Krankheit geplagt und auch fern von Rom und die Bürde ruhte nun ganz alleine auf den Schultern von Marcus, sowieso plagte ihn das Amt und obwohl ihn bestimmt seine Familie dazu gedrängt hätte, schaffte Marcus es nicht, sich für eine zweite Amtszeit zu bewerben; das vertagte er auf einen anderen Zeitpunkt und wenn er sich von dem ersten Amt erst einmal erholt hatte. Eine geschlagene hora nachdem er von einem langen und ermüdenden Tag nach Hause gekehrt war, an dem er Kleinkriminelle und belanglose Verbrecher, samt der ewigen Streitereien unter den römischen Bürgern - wie die Höhe des Zaunes vom Nachbarn oder das Bellen des Metzgerhundes – aburteilen mußte, also eine Stunde danach saß er immer noch über seine Kithara gebeut und ließ die Finger über die Seiten gleiten, ohne auch nur einen einzigen Ton hervor zu bringen ehedem es dann doch an der Tür klopfte; Marcus hob den Kopf und ein Sklave streckte seinen Schopf durch den Spalt.
    „Herr, euer Neffe ist eingetroffen, Flavius Furianus.“
    - „Lucius ist hier? Wie erfreulich, wo ist er?“
    „Im Speisesaal, Herr, die cena ist bald bereit.“
    Marcus nickte zufrieden und erhob sich erleichtert, legte das Instrument beiseite, daß er heute nicht hätte spielen können und machte sich, schon lange von seiner Amtskleidung entledigt, auf in Richtung des Speisesaals. Ein Sklave eilte ihm entgegen, eine Vase im Arm, was auf Marcus Stirn ein Runzeln weckte.
    „Was soll das?“
    , fragte er den Sklaven barsch, der darauf hin zusammen zuckte und leise und entschuldigend flüsterte.
    „Senator Flavius Furianus hat das angeordnet, Herr.“
    Irritiert sah Marcus auf den Sklaven und die Vase – die von seinem Vetter ausgesucht worden war, von Gracchus – und winkte dem Sklaven aus seinem Sichtfeld zu verschwinden; die marginale Irritation erstmal beiseite schiebend, betrat Marcus den Raum; ein joviales Lächeln breitete sich auf seinem jetzt gutmütig wirkendem Gesicht.
    „Lucius, Neffe, welche Freude, daß Du wieder in Rom bist.“
    Es schockierte Marcus schon auf den zweiten Blick den gealterten Sohn seines Bruders zu erblicken; er hatte sogar schon graue Haare? Herrje, das erinnerte Marcus daran, daß er selber mal nachsehen sollte, irgendwie führte ihn Furianus einen sehr unangenehmen Spiegel vors Gesicht.
    „Wie geht es Dir? Hattest Du eine gute Reise?“
    Erst da fiel ihm auf, wie sich Furianus im Raum platziert hatte und erneut zuckte Irritation über sein Gesicht, er schob es jedoch darauf, daß sein Neffe einfach einen Platz gewählt hatte, um sich erstmal von den Strapatzen zu erholen und sich nicht groß dabei gedacht hatte.

    Die Vigilen! Hort all des Abschaums, was das Militär zu bieten hatte. Sklaven, die dort ihre Chancen sahen, peregrini, die versuchten, ein Sprungbrett zum begehrten Bürgerrecht zu erhalten, Bürger, die es sonst nirgendwo hin verschlagen konnten, weil ihnen teilweise die Befähigung, der Ruf und die Reputation fehlte oder einfach die Beziehungen, um an anderer Stelle Karriere zu machen. Und doch waren sicherlich auch einige unverbeßerliche Idealisten bei der Truppe, durch deren Tor Marcus eben noch geschritten war, um sich persönlich vom Zustand der Feuerwehr und Nachtwache von Rom zu informieren. Er schwitzte unter den dicken Lagen seiner Robe und fühlte sich weit aus mit weniger Kompetenz und Autorität ausgestattet, als wenn er eine Rüstung getragen hätte, die ihm in der Legionszeit zu einer zweiten Haut geworden war und mit der er sich erst richtig im Amte fühlte, diese Stoffsachen waren doch einfach nicht das Wahre für ihn. Die Wache am Tor sah nicht gerade sehr wachsam aus, die Soldaten brachten noch nicht mal ein ordentliches Salutieren zu Stande – wahrscheinlich erachteten sie es nicht als notwendig vor einem Zivilisten und hatten wohl damit auch Recht – und als er die Stube des Wachhauses betrat, wurde Marcus auch nicht gerade von Überwältigungsstürmen übermannt. Die Ecken sahen unaufgeräumt aus, ein Pott mit puls stand in der Ecke und ein dreckiger Köter schlaberte ihn auf, umschwirrt von den Fliegen, die es schon bei dieser Affenhitze zu Hauf in Rom gab. Und der Soldat, der hinter dem Tisch lungerte und wie ein Wischmob ohne Besenstiel wirkte, war umschattet mit einem Dreitage-Bart, hatte Flecken auf der Uniform und schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein von der weißen toga, die er trug.
    „Salve, ich bin Marcus Flavius Aristides, vingintivir und tres capitalis. Wer ist der wachhabende centurio?“

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Es waren schon schwere Monate für Appius gewesen, vor nicht allzu langer Zeit – etwas mehr als ein Jahr war es nun her - hatte er gerade den Dienst beim Militär aufgegeben, war ehrenhaft entlaßen worden, hatte eine ordentliche Summe erhalten nach seinen fast dreißig Dienstjahren und somit versucht, sich eine neue Existenz zu schaffen. Einen Gemischtwarenladen hatte er eröffnet mit dem Akzent auf 'Katzenbedarf', Drusilla war natürlich immer die Testkatze gewesen und wenn es ihren Ansprüchen genügte, dann verkaufte Appius die Waren, leider mit sehr mäßigen Erfolg. Oh ja, er hatte seine Stammkunden, die seine Expertise sehr zu schätzen wußten. Natürlich besonders die Katzen von den Kunden, aber leider waren das weniger als eine Handvoll und die Kosten des Einkaufs überstiegen die Einnahmen proportional; und irgendwann wurde es immer schlimmer, die Schlägertruppe seine Belieferers besuchte ihn immer öfters, mit dem Erfolg, daß es auf seinem Gesicht stest erblühte und rosa und blau um seine eisblauen Augen schimmerte. Und am Ende blieb Appius nichts anderes übrig, sich eine Arbeit zu suchen und jetzt war er wieder hinter einem Schreibtisch gelandet, an dem er sich mit Idioten und Schwachsinnigen beschäftigen mußte, wie dem Flavier, der jetzt vor ihm stand und ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen war. 1. Weil er schlampig war und auch so arbeitete, 2. weil er die Acta nicht lesen konnte, im Gegenteil, sie als Unterlage für seinen puls genutzt hatte und 3. weil er ihn einfach nicht leiden konnte. Dementsprechend schlecht war jetzt seine Laune, sich mit dem Patrizier wieder herum schlagen zu müßen und auch kalt der Blick, den er auf die Frau mit dem Kind und den Flavier richtete. Er war den Dreien nicht wohl gesonnen und das sah man seinem Frettchengesicht an. Wenigstens hatten sie geklopft! Er griff nach einer Schreibtafel, die neben zwei Anderen lagen und drei styli, die wie mit einem Zollstab ausgerichtet lagen und in genauem Winkelabstand und paralleler Führung.
    Dem Danke schenkte er keine Aufmerksamkeit, wobei er es doch in seinem Hinterkopf abspeicherte. Womöglich hätte er die junge Frau sogar höflich - im Rahmen seiner asozialen Kompetenz - behandelt, aber sie hatte sich die falsche Gesellschaft heraus gesucht. Starr sah er zu dem Flaiver und wartete, was dieser denn wollte; dennoch verspürte er eine gewiße Häme darüber, daß er den Flavier ganz offensichtlich aus dem Konzept gebracht hatte.
    „Der Junge hier ist der Sohn eines Flaviers und soll in die Bürgerrolle eingetragen werden!“
    Also noch ein verkommenes Subjekt mehr, daß die unnützen Elemente Roms, die Politiker und Senatoren, wählen durfte. Wenn es nach Appius ging, zerschlug man den Senat, schaffte den CH ab und legte alles in die Hände des Kaisers, der für ihn ein Gott war.
    „So!“
    , schneidend wie eine eiskalte Klinge surrte seine Stimme durch den Raum.
    „Wie heißt der Junge? Wer ist sein Vater? Hat sein Vater den Jungen anerkannt? Gibt es Zeugen dafür?“
    All die Fragen richtete er direkt an die Mutter des Kindes und ignorierte komplett den Flavier.

    Ein wenig enttäuscht war Marcus dann schon, denn schließlich war er wirklich nicht frei von Sensationslust, so lange es nicht seine Familie oder Freunde betraf, aber Marcus war auch kein Mann der großen Häme, weswegen er anderen Menschen, die er nicht haßte – und dazu gehörten wirklich sehr wenige Menschen und die mußten sich schon einiges geleistet haben – nicht solche schlimmen Dinge im Leben wünschte. Seine Augen streiften über die Zelltüren, die mit schweren Riegeln verschloßen waren und hinter denen Unglückselige ein ganzes Leben lang fern von Tageslicht und nur den Ratten und Prätorianerwärtern als Gesellschaft ihr Leben fristen mußten, sofern sie nicht hingerichtet wurden. Fast könnte er meinen, die Schreie der Vergangenheit zu hören. Wieviele Menschen waren hier schon durchgeschleift worden, weil einer der durchgedrehten Kaiser ihrer Wut freien Lauf ließ und war da nicht ein Funken von dieser Grausamkeit auch an die Flavier vererbt worden? Trug nicht auch Marcus dieses Blut in sich? Ehe Marcus überhaupt den Ansatz der Gedanken nach verfolgen konnte und mit der möglichen Schuld seiner eigenen Familie, riß er sich aus diesem Echo alter Zeiten heraus und nickte.
    „Ja, ich würde gerne einen Blick hinein werfen. Aber ich bin froh zu hören, daß es in Rom doch zur Zeit so ruhig ist und die Römer alle friedlich. Warst Du eigentlich schon bei den Prätorianern, als unser neuer Kaiser Rom erreichte und das Erbe seines Vaters annahm?“

    Marcus spürte die Kante des Fenstersims an seinem Rücken als er dort am Fenster gelehnt stand, die Abendsonne in seinem Rücken, das düstere Zwiellicht in seinem Raum vor sich, in dem sich sein Vetter abzeichnete wie ein Recke, der eben noch ein Häuflein Elend war und sich langsam aus der Grube wieder heraus zog. Daß sein Vetter so wankelmütig war, war Marcus vorher noch nicht aufgefallen und so sehr darauf bedacht, sein Gefallen zu erregen. War das früher auch schon so gewesen, in der Zeit als sein Vetter noch in Italien und nicht so weit weg war und Marcus öfters zu Besuch bei seiner Verwandschaft in Ravenna, die er doch so häufig gesehen hatte als Junge und junger Mann und die auch umgekehrt immer wieder im Haus seiner Mutter willkommen waren? Marcus verschränkte weiterhin seine Arme vor der Brust und sein Blick wirkte nach Innen gerichtet, nachdenklich und in einer Vergangenheit ruhend, die schon lange vorbei war und mit jedem Jahr immer strahlender und rosiger wurde, desto schwieriger sich sein Lebensweg gestaltete. Stand Piso auch gerade vor dem Beginn all dieser Schwierigkeiten, erkannte er womöglich schon das Zaudern und Stolpern, was einem oft auf dem Weg ihres Schicksals ereilte? Marcus horchte erst auf als er wieder Senator vernahm und blinzelte. Warum tat sich jemand das auch noch freiwillig an, das hatte er noch nie verstanden. Und davor Ritter? Das war doch unkonventionell und wurde von manchen in der Familie bestimmt nicht gern gesehen, doch Marcus, der in dieser Hinsicht sowieso weniger ein mustergültiger Patrizier war, machte sich über dererlei wenig Gedanken.
    „Ritterliche Laufbahn? Ähm...wo denn? Auch in der Verwaltung?“
    Welch Alptraum, dachte sich Marcus und schauderte bei der Vorstellung, welche Aktenberge auf einen zu kommen würden. Ganz vage entsann sich Marcus an das Lyraspiel seines Vetters, es war zu lange her, dass er ihn gehört hatte. Damals klang es doch sehr...schief, aber womöglich hatte er ja dazu gelernt.
    „Ah, tatsächlich, ein Artikel, na, meinen Glückwunsch, Aulus. Dann hast Du Dich im Spiel der Lyra geübt? Vielleicht können wir ja mal gemeinsam musizieren.“
    In den letzten Wochen war Marcus wieder weniger dazu gekommen, aber er vermißte seine Kithara, die viel zu oft ruhen mußte, in solchen Zeiten um so mehr. Die Musik beruhigte seine Gedanken oder erfüllte ihn mit großer Freude.

    Hossa, wenigstens hier komm ich rechtzeitig zum großen Spektakel ^^


    Brüderchen, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.





    [SIZE=1]Kryptologie und Informatikgewäsch überlasse ich doch den Kompetenteren hier ^^ Und mehr als 233252332 habe ich eh nicht zu bieten. [/SIZE]

    So manch eine Möchtegern-Persönlichkeit hatte sich auch immer wieder am Tor bei den CUlern gemeldet und auch, da sie sich mit den Prätorianern das Lager teilten, kam es nicht umhin, daß die eine Einheit auch die Angelegenheiten der Anderen mitbekam. So war das nun mal und so hatte Marcus auch die eine oder andere prachtvolle Sänfte vorbei gleiten sehen, wobei es ihn nie sonderlich beeindruckt hatte, wenn man in Baiae und als Patrizier aufwuchs, dann war man eine solche Gesellschaft einfach gewöhnt, im Gegensatz zu einem Soldaten, der seine Kindheit womöglich auf dem Land verbracht hatte und am Ende bei der Stadtwache gelandet war. Marcus nickte langsam, auch auf die andere Antwort des Quintiliers hin. Ermittlungen? Marcus zauderte einen Moment, denn die Ermittlungen der Prätorianer waren wirklich nicht immer blütenrein zu nennen, insbesondere wenn die Untersuchung gegen einen offensichtlich Unschuldigen ging, mit dem Ziel, die politisch unliebsame Person zu entfernen. Etwas, worauf seine Vorfahren desöfteren zurück gegriffen haben und sich dadurch einige Feinde gemacht hatten.
    „Ah ja...hm, natürlich sind solche Dinge...ähm...interessanter.“
    Mittlerweile erreichten sie auch den Zellblock und Marcus sah sich interessiert um, denn ein wenig Sensationslust verspürte er durchaus; womöglich war ja sogar ein römisch-bekanntes Gesicht hier inhaftiert.
    „Sind die Zellen momentan alle belegt?“

    Mutter und Kind waren wohl soweit und es wurde Zeit, daß sie aufbrachen um die Zukunft des Kindes zu besiegeln, im wahrsten Sinne des Wortes; dem Jungen sollten eines Tages alle Türen offen stehen, selbst wenn er nie die Möglichkeiten haben würde, die sein Vater besaß, der nun mal ein Patrizier war; und dem kleinen Caius würde immer der Makel des Sohnes einer Freigelassenen anhaften, dennoch sollte er wengistens vor dem Gesetz mit einem Römer gleichgestellt sein, was wiederum auch seine Mutter schützen konnte, wenn er dafür später sorgte. In der schweren toga jetzt schon ordentlich schwitzend, machte er sich mit Bridhe auf den Weg zum forum romanum, natürlich in der Sänfte der Flavier.

    Auch heute war wieder einer der Tage, in denen viele Römer auf das forum romanum strömten, um dem Müßiggang oder ihren Geschäften nachzugehen, auch Marcus war mit der jungen Bridhe und ihrem Sohn, seinem Neffen, aufgebrochen, um ein Amtsgeschäft an diesem Tage zu erledigen, etwas, was womöglich nicht mal eine hora dauern würde, aber dennoch für das Kind eine ganz andere Zukunft bedeuten würde. Die Sänfte schaukelte sanft während die Träger sie durch die Menge manövrierte und das Gebäude anvisierte, in dem die Bürgerlisten des römischen Imperiums, und natürlich ganz speziell von Rom, aufbewahrt wurden. Mit einem leichten Ruck setzten die Träger die Sänfte vor dem Eingang ab und einer der Sklaven strich den Sichtschutz beiseite. Einigermaßen darin geübt schwang sich Marcus aus der Sänfte, dennoch kam ein leises Stöhnen über seine Lippen, denn in den letzten Tagen tat sein rechtes Bein wieder gehörig weh und machte ihm bei jedem Schritt und bei jeder Bewegung das Leben schwer. Aufgestanden, reichte er Bridhe die Hand, damit sie leichter mit dem Kind aussteigen konnte.
    „Auf ins Gefecht!“
    Er lächelte Bridhe aufmunternd zu und wandte sich dann dem Eingang zu, um dann durch die Tür in das Innere des Gebäudes zu treten. Der Geruch nach muffigen Schriftrollen vieler Jahrhunderte lag in den Hallen, in denen sie nun kamen. Marcus schickte einen Sklaven vor, damit dieser den Weg für sie eruieren konnte. So war es nicht sonderlich schwer, die richtigen Räumlichkeiten zu finden, an denen Marcus schließlich auch klopfte und nach einem von einer recht unterkühlten Stimme gerufenem Herein auch betrat. Musternd sah sich Marcus in dem Raum um, der ausgesprochen aufgeräumt wirkte. Jede Schriftrolle in den Regalen wirkte wie auf den Zoll gleich hingelegt. Kein unnötiger Schnickschnack war im Raum zu finden, außer eine Statue vom derzeit – noch – lebenden Kaiser, dann wanderten Marcus Augen zu dem Mann hinter dem Schreibtisch und ihm wäre wohl fast die Kinnlade herunter gefallen. Das Fretchengesicht, die kalten, blauen Augen, die ihn unverhohlen feindselig musterten, kannte er wirklich gut genug; denn es war niemand anderes als Appius Carteius Cirenthius, der ehemalige optio aus dem Rekrutierungsbüro der Prima.
    Salve, Flavius!“
    , begrüßte der frühere Soldat Marcus, der für einige Momente baff blinzelte und sich kurz danach weit, weit weg wünschte, denn mit Carteius war er nie sonderlich gut zurecht gekommen.
    „Ähm...Salve, optio...ähm...Carteius...Du, hier?“
    , stellte Marcus die wenig durchdachte Frage.
    „Ja, ich – hier, Flavius, das siehst Du richtig. Was willst Du?“
    Marcus war für den Moment wie vor den Kopf geschlagen und starrte den früheren Kameraden, der ihm immer nur Ärger gemacht hat, irritiert an.

    Der Junge sah schon drollig aus, auf den Armen seiner Mutter. Marcus hatte schon von je her etwas für Kinder übrig gehabt, natürlich für seine eigenen Kinder ganz besonders, und er war immer traurig gewesen, so wenig von ihnen zu haben; aber womöglich würde sich das in Zukunft doch noch ändern – je nachdem, wie die Parzen es für sein Leben entscheiden würden. Er lächelte freundlich und gutmütig auf den kleinen Jungen herunter und dann auch seine Mutter an und Marcus nickte zufrieden.
    „Ich denke, das Ganze wird auch mehr eine Formsache sein; wir werden auf das forum romanum gehen müßen zu den Bürgerlisten und ihn dann eintragen, mit dem Leumund der gens wird es dadurch auch keine Probleme geben.“
    Zumindest hoffte Marcus das, denn es war auch für ihn das erste Mal, daß er sich um eine solche Angelegenheit kümmerte.
    „Ich würde vorschlagen, Bridhe, das wir die Sänfte nehmen, hm? Ansonsten kommen wir heute wohl dort nicht mehr rechtzeitig an, Togen sind ungemein unpraktisch zum Laufen.“
    Er lächelte gequält verschmitzt und winkte einen Sklaven heran, um diesen für die Sänfte auszuschicken, es wurde auch die große Familiensänfte bereit gemacht, in der mehrere Personen bequem sitzen konnten und die aus dunklem Holz gemacht war, worauf groß und deutlich das Familienwappen der Flavier prangte.
    „Bist Du auch bereit, Bridhe?“
    , fragte er schlußendlich die junge Mutter.

    Das könnte er nicht? Das erntete bei Marcus ein bitteres Schnauben, selbst wenn es sehr dezent war. Denn im Grunde fühlte sich Marcus auch fehl am Platz und genauso geschickt auf dem Parkour der Politik wie eine Schildkröte, die auf ihren Panzer gedreht wurde. Aber was sollte man machen, wenn die Parzen und dann auch noch die Familie es nicht so mit einem meinten, wie man es doch als Passion entdeckt hatte? Früher hätte Marcus das auch nicht gedacht, doch in seiner Zeit als Soldat hatte er fest gestellt, daß genau jene Tätigkeit ihm gut lag, insbesondere das Kommandieren einer Zenturie.
    „Was tut man nicht alles für die Familie, hm?“
    , murmelte Marcus leise und schritt stringent an der Seite des Quintiliers, während er dessen weitere Antwort lauschte.
    „Ach, wirklich? Die Welt ist klein, wahrlich! Ja...ja, ich hab auch wirklich viel Gutes von der Truppe gehört. Und wie ist es so bei den Prätorianern? Ist die Arbeit sehr unterschiedlich von der Legion?“

    Geschmeichelt hoben sich die Mundwinkel von Marcus, als er vernahm, wieder erkannt geworden zu sein, etwas, was er jetzt nicht unbedingt erwartet hatte, denn manchmal waren die Grabenkämpfe zwischen den beiden Truppen in diesem Lager nicht gerade einfach und manche Soldaten waren sehr um ihre Abgrenzung bemüht; Marcus gehörte weniger dazu, erst recht, seitdem der PP gewechselt hatte und der unerträgliche Caecilier – der es ja gewagt hatte, um seine Tochter zu freien – von dem überaus fähigen Artorier abgelöst wurde, nur zu schade, daß man in letzter Zeit wenig von Avitus hörte und sich üble Gerüchte über Krankheit, Entführung und sonstige Dramen verbreiteten; etwas, worüber Marcus nicht von sich aus sprechen wollte, dafür hatte er viel zu viel Respekt vor seinem ehemaligen Ausbilder, Kommandanten und Lagerpräfekten. Aber froh, ein deutlich interessanteres Gesprächsthema, als die trögen Verwaltungssachen, gefunden zu haben, wurde Marcus' Schritte auch deutlich weniger steif als noch zu Anfang.
    „Ja, ja, in der Tat, das hast Du richtig erkannt...ach, die Secunda? Die Welt ist klein, mein ehemaliger optio dient dort inzwischen, also mein optio von der Legion noch. Ich habe in den letzten Jahren auch immer ausgesprochen Gutes von der Secunda gehört, sehr loyale und gewißenhafte Soldaten, mutig, tapfer und zäh im Nehmen, aber das muß man dort unten in Germania auch sein...ich glaube, ein ehemaliger Kamerad aus der Neunten hat dort auch gedient, Petronius ...Petronius...Crisper, Crispus?...Ah ja, Petronius Crispus, kennst Du ihn vielleicht?“
    Marcus nickte marginal bei der Frage von Valerian und lächelte in sich hinein.
    „Ja, ich war früher bei der Neunten der Hispana in Germania stationiert, ehe ich zu der Prima versetzt; ich habe damals Decimus Livianus bei seinem Kommandowechsel begleitet, wie auch Artorius Avitus, Matinius Plautius und einige andere Soldaten.“
    Ja, die guten alten Zeiten, Decimus Livianus hatte Marcus immer noch als seinen eigentlichen Kommandanten der Prima auch vor Augen, der Tiberius war da nur ein schwacher Abklatsch dagegen und war von Marcus nie als richtiger Kommandant akzeptiert worden, zumal Marcus eben seine Loyalität an den Decimer schon vergeben hatte.
    „Ach ja, der germanische Winter, ja, ich verstehe Dich wirklich, der war schier unerträglich...aber auch die Frauen...naja, wirklich schön habe ich sie dort nicht gefunden, findest Du nicht auch?“

    Von dunklen und düsteren Wolken waren diese Tage für Marcus überschattet; seine Ehefrau war entführt worden, mehrere Sklaven flüchtig, und sein ehemaliger Leibsklave, schon fast Freund, zumindest in früheren Jahren, als er immer ein Schatten von ihm zu sein schien, hatte ihn verraten und sein Vertrauen zur Gänze zerstört; und auch sonst hatten die Parzen im Moment weniger Wohlwollen mit der Familie, wie es schien; nichtsdestotrotz trübte selbst jene Widrigkeiten nicht Marcus' Sinn für Familienloyalität – oder er hielt gerade darum noch eiserner fest als sonst! Und sich um die Angelegenheiten seines Neffens zu kümmern– auch wenn er unehelich war und den Namen eines Freigelassenen tragen würde –, war darum mehr als nur eine Ehrensache für ihn, sondern auch ein persönliches Anliegen, dem Sohn seines Vetters Aquilius wollte er einen guten Start in das Leben verhelfen, damit ihm später alle Türen im Imperium offen standen, ob er Karriere im Militär oder auch der Verwaltung machen wollte, womöglich griff der Junge eines Tages auch nach ganz anderen Sternen im Imperium.


    Darum hatte er auch heute einen Sklaven rufen laßen, der ihm für den Tag half, nämlich ihn in die umständliche und furchtbar unbequeme – da zu heiß – toga zu wickeln, Querfalte dort, Linie hier, Längsfalte hinab, alles ganz so, wie man es heute trug unter dem jetzigen Kaiser, der natürlich genauso Mode gemacht hat, mit der Art und Weise, wie er seine Togen sich anziehen ließ. Derart gewappnet marschierte Marcus schließlich aus seinem cubiculum hinaus und in die Eingangshalle der villa, wo er auch Mutter samt des Jungen sah, der hoffentlich am heutigen Abend ein vollwertiger römischer Bürger war.
    Salve Bridhe!“
    , grüßte er die junge Mutter, den Namen, den sie bei ihrer Freilaßung erhalten hatte, konnte sich Marcus einfach nicht merken. Er trat bis zu ihr heran und guckte in das Gesicht des Jungen.
    „Na, Du, Caius, bereit Bürger zu werden, hm?“
    , fragte er freundlich den Jungen, von dem er freilich des Alters wegen keine Antwort erwartete und sein Ton suggestierte dies auch.

    Von der Konstruktion und Bauweise ähnelte sich doch ein Lager frappierend dem Anderen, selbst wenn es hier in der castra der Prätorianer die ganz eigenen Nuancen der Schwarzröcke gab, und doch hätte sich Marcus nach den Jahren beim Militär blind hier zurecht finden können und auch selber den Weg zum carcer finden, aber natürlich gehörte sich das nicht, zudem war er jetzt Zivilist und die tummelten sich nicht ohne Aufforderung in einem Lager.
    „In der Tat...“
    , erwiderte Marcus.
    „Ich war centurio bei den cohortes urbanae, bis ich leider den Dienst nieder legen mußte. Wie steht es mit Dir, optio, in welcher Legion hast Du vorher gedient, bevor Du zu den Prätorianern berufen wurdest?“
    Marcus kannte keinen Prätorianer, der ohne Legionszeit in seinem Lebenslauf war, und er hatte ja die rigorose Rekrutierungsmaßnahmen der Schwarzröcke selber erlebst, selbst im Krieg hatten sie versucht, den Legionen die guten Männer abspenstig zu machen.





    SimOff: In Anbetracht des vielen Schwarz hier, eine andere Dialogfarbe