Beiträge von Eretha

    "Ich habe geschworen, sie zu schützen, und ich halte meinen Schwur," entgegnete die Amazone ernst und suchte den Blick des vermeintlich Betrunkenen für einige Momente lang. Wer mochte er sein, woher stammte er wohl? Es geschah selten genug, dass ein Sklave in der Begleitung seines Herrn überhaupt als menschliches Wesen wahrgenommen wurde, aber wenn er ein Freigelassener war, erklärte sich das natürlich.
    "Unsere Wege kreuzen sich sicherlich wieder, Pollux Achillus, und dann wirst Du mehr als nur eine Frage beantworten müssen," stellte sie fest und hielt den Blick auf ihn direkt und klar aufrecht.

    Sie lachte leise auf, als er von dem krakeelenden Hahn berichtete, schüttelte aber den Kopf. "Nein, einen Hahn habe ich nicht gehört, aber ich wache um diese Zeit auch immer von selbst auf. Wir haben früher in der Steppe immer die Sonne begrüßt und sind mit dem Einbruch der Nacht schlafen gegangen, wie es der Brauch wollte. Ihr Römer seid hingegen die Beherrscher der Kunst, die Nacht zum Tag zu machen," meinte sie in einem neckenden Ton. "Wenn Du früher schlafen gingest, würde Dir das frühe Aufstehen auch nichts ausmachen." Doch als die ersten kühlen Tropfen auf ihre nackten Arme herab fielen, blickte auch sie nach oben und runzelte die Stirn. Nicht, dass ihr der Regen viel ausgemacht hätte, aber sie wollte nun auch nicht unbedingt in einen absoluten Guss kommen - und so nickte sie zu seinen Worten und setzte sich schon in Bewegung, bevor der Himmel noch auf dumme Gedanken kommen konnte.


    "Eher würdest Du im Meer landen," gab sie provokant zurück, während sie in Richtung eines breit in die Gasse ragenden Erkers rannten, und als sie diesen Unterstand erreicht hatten, war Erethas Tunika durch den einsetzenden Regen schon ziemlich gut durchnässt. "Wir waren nicht schnell genug," sagte sie und schüttelte lachend den Kopf, um an dem nassen Stoff zu zupfen, blickte dann schmunzelnd zu ihm. "Aber wenigstens bin ich jetzt nicht alleine nass geworden, dieses frühe Laufen hat eindeutig seine Vorteile." Sie lehnte sich an die Wand der Casa, die ihnen den Regenschutz bot, und verschränkte die Arme grinsend vor der Brust, seine Reaktion abwartend.

    Warum hatte er gelogen?


    Ihr Blick folgte für einige Momente lang der sich auf dem Boden rasch verteilenden, restlichen Flüssigkeit, die eindeutig kein Wein war, das merkte sie schnell, hatte sie doch rein der Gewohnheit nach auf den Boden gestarrt, um die Scherben mit dem Fuß so beiseite zu schieben, dass ihre Herrin nicht hinein treten würde.
    Als Pollux sie anblickte, hatte sich ihre relativ unbewegte Miene nicht gewandelt, wohl aber ihr Blick, der einige Nuancen nun freundlicher sein mochte, jedoch nicht weniger mißtrauisch. Hatte er dieses Spiel einfach nur eingefädelt, um zu sehen, wie ihre Herrin reagieren würde? Interessant ...

    Sie sah ihn schon von weitem, denn ihre Augen waren noch immer gut, auch wenn sie langsam fühlte, dass ihr Körper nicht mehr so geschmeidig und locker war wie in ihrer Jugend. Die vergangenen Jahre der Gefangenschaft waren nicht spurlos an ihr vorüber gegangen, und auch wenn man ihr manches nicht ansah, sie fühlte es doch. Ihr Leib war stets ein verlässliches Präzisionsinstrument gewesen, und nun begann es langsam aber sicher zu offenbaren, dass nichts auf ewig perfekt sein konnte.


    Doch noch konnte sie recht unbelastet von all diesen Gedanken die Küste entlang laufen. Kurz überlegte sie, einfach weiter zu rennen, ihn zu ignorieren, um zu sehen, ob er ihr folgen würde, aber diese Art Spielchen waren nicht ihre Sache. So steuerte sie ihn mit lockerem Schritt an, ebenso die Hand hebend, um das Winken zu erwiedern, und legte noch etwas an Geschwindigkeit zu, bis sie ihn erreicht hatte.
    "Salve, Matinius Valens!" sagte sie, als sie vor ihm stand, der Atem schneller als sonst - man sah ihr an, dass sie schon eine Weile lief, denn Gesicht und Arme glänzten vom Schweiß. "Du bist früh auf."

    Schweigend verfolgte die Amazone das Gespräch zwischen ihrer Herrin und dem betrunkenen Fremden - und sie wirkte bei weitem nicht so, als sei es ihr recht, dass dieser Kerl überhaupt in der Nähe ihrer Herrin stand. Aus den dunklen Augen blitzte sie den Fremden so gallig an, als wollte sie ihn mit ihrem Blick erdolchen. Aber noch schwieg sie und überließ Rediviva Helena das Sprechen. Sie hatte ohnehin nicht vieles zu sagen, schon gar nicht zu jemandem, der betrunken gewesen schien. Dass sie diesem Säufer auch noch Geld gab, erachtete sie als eine absolute Verschwendung.

    Eretha hatte sich die Laufstrecke gemerkt, auf der sie am Vortag unterwegs gewesen war, und so schlug sie auch an diesem, deutlich graueren und regnerischer wirkenden Morgen den Weg ein, der sich schon als gute Strecke erwiesen hatte. Es war deutlich kühler an diesem Morgen, aber das störte sie nicht sonderlich, sie war an rauhe Witterung schließlich sehr lange gewöhnt gewesen und hatte viele Jahre im Freien gelebt. Nun den rauhen Seewind spüren zu können, tat gut und befreite ihre Gedanken vom Ballast der letzten Jahre. Endlich konnte sie sich wieder befreit fühlen, vielleicht nicht frei, aber doch befreit von der täglichen Sorge um die unvorhersehbaren Launen ihrer Herren. Rediviva Helena war anders, auch wenn die Amazone sich nicht erklären konnte, wieso sie sich so benahm, als könnte sie in den Sklaven auch den Menschen sehen, das war für Römer selten, sehr selten. Aber auch Matinius Valens hatte sie anständig behandelt - sollte dies endlich ein Zeichen sein, dass nicht alle Römer so waren wie ihre einstigen Herren?


    Aber darüber dachte sie nicht allzu viel nach, sie hatte gelernt, im Moment zu leben und sich über die Zukunft nicht den Kopf zu zerbrechen, denn ändern konnte man die Zukunft nicht immer so, wie man sie sich wünschte. Valens' Worte fielen ihr ein, als er danach gefragt hatte, was sie tun würde, wenn sie frei wäre und sie stellte fest, dass sie es noch immer nicht wusste. In die Heimat zurückkehren, nach all dem, was sie gesehen und erlebt hatte? Es gab noch so vieles, das man entdecken konnte und sie spürte eine gewisse Neugierde darauf, wie dieses Hispania wohl allgemein sein mochte, in das es sie nun verschlagen hatte.
    So lief sie an den Klippen entlang und ertappte sich ab und an dabei, nach dem Römer Ausschau zu halten, der gesagt hatte, er würde erscheinen. Ob er sein Wort halten würde?

    "Vale, Matinius Valens," sagte sie und blickte ihm nach, während er im Inneren der Curia Tarraconiensis verschwand, um dann eine Weile mit verschränkten Armen unter dem Eingang stehen zu bleiben, bis ein beleibter Bürger, der an ihr nicht vorbei kam, sie mit einem missmutigen Schnaufen vertrieb. Aber entgegen der Einladung des Valens begutachtete sie die Curia nicht von innen, denn diese Art von Gebäuden flößten ihr ein vages Unbehagen ein. Als Steppenbewohnerin war ihr die Notwendigkeit eines Hauses für eine Verwaltung schleierhaft, und nur um Pergamente aufzubewahren, brauchte man kaum ein solches Gebäude, oder doch?


    Eretha stellte fest, dass sie die Römer wahrscheinlich nie verstehen würde, egal wie lange sie noch bei ihnen leben musste. Sie verließ die Curia schließlich, den Kopf etwas schüttelnd, und wandte sich der Stadt zu, um im strahlenden Sonnenschein des hellen Tages noch ein wenig dem Elefanten und seinem Wärter zuzusehen, bevor sie den Rückweg zur Casa Rediviva antrat. Ob sie ihrer Herrin vom heutigen Tag erzählen sollte? Sie würde sicher wissen wollen, was sie bereits über die Stadt gelernt hatte ... so verlor sich die Amazone in Gedanken und schlenderte durch die Gassen, die sie sich gemerkt hatte, bis sie von jenen verschluckt wurde.

    "Die Zeit ist tatsächlich schneller vergangen, als ich dachte," sagte sie nachdenklich und betrachtete wie er kurz den Stand der Sonne. Es musste schon später Morgen geworden sein, wenn sie nach dem Verkehr auf den Straßen ging. Wahrscheinlich würde er Ärger bekommen, weil er so spät dran war, und für einen Moment lang empfand sie ein flüchtiges Bedauern darüber, bevor sie nickte. "Es war ein interessanter Morgen, Matinius Valens, und ich danke Dir dafür." Sie blickte ihn an, die Kurie war nicht ganz so entscheidend für sie, ein Gebäude würde schließlich nicht wegrennen, ein Mensch konnte sehr viel schneller wieder weg sein. Und gerade machte sich ihre Morgenbekanntschaft auf, sie zu verlassen. Sollte es sie froh machen? Früher hatte sie die Nähe von Römern nicht ertragen können. Und heute? Sie stellte fest, dass ihr das Gespräch gut getan hatte, ebenso der Rest des Morgens. Es hatte sich etwas verändert ...


    "Vielleicht wieder morgen früh," sagte sie ausweichend und hob etwas ihre Brauen an, ihn mit einem nachdenklichen Blick bedenkend. Er wollte sie tatsächlich wiedersehen? War er wirklich daran interessiert, ihr Gespräch fortzusetzen? "Ich werde wieder laufen gehen, um zu trainieren. Vielleicht begegnen wir uns dabei?" Sich mit einem Mann zu treffen erschien ihr fast widersinnig, denn wie sie es früher erlebt hatte, war Sklaven kein Privatleben vergönnt und sie hatten auch immer ihren Herren genau Rechenschaft ablegen müssen, was sie getan hatten.

    Sie schmunzelte etwas bei seiner doch vage durcheinander wirkenden Erklärung. Was hatte er nur? Ein Ritt auf einem Elefanten war schon etwas besonderes, aber dass er dann gleich so durcheinander war? Aber sie würde die Römer wohl nie verstehen, egal wie lange sie bei ihnen leben würde. Dieses Volk barg auch nach mehreren Jahren noch so manche Überraschung.
    Sie nickte einfach nur und folgte ihm in die Richtung der Curia, dabei darauf achtend, niemand auf dem Weg anzustoßen und entgegen kommenden Passanten auszuweichen, damit ersparte man sich auf Dauer am ehesten den Ärger.

    Für sie hatten die Gebäude der Stadt fast alle gleich ausgesehen - der Baustil in Tarraco war so verwirrend anders als der in Germania, dass sie schon fast froh war, sich in der Casa Rediviva einigermaßen zurecht zu finden, ohne sich dauernd zu verlaufen - sodass sie ein einigermaßen verwirrtes Gesicht machte, als er von der Provinzkurie zu sprechen begann und sie mit der Stadtkurie verglich. Für die Augen der Amazone waren das zwei große Gebäude unter anderen großen Gebäuden, aber es war ihr fast ein wenig peinlich, das zugeben zu müssen. So versuchte sie, einigermaßen wissend und großstädtisch auszusehen, als sie ihm antwortete:
    "Ich war auf dem Elefanten ehrlich gesagt mit vielem anderem beschäftigt, als mich viel umzusehen - beispielsweise damit, nicht herunter zu fallen - aber warum nicht? Wenn Du sagst, es sei ein schönes Haus, will ich sie mir gerne einmal ansehen. Und es kann nur von Vorteil sein, wenn ich den Weg dorthin kenne, falls meine Herrin einmal dort hin muss."


    Sie streckte sich ein klein wenig und wirkte doch mit sich zufrieden. Dieser Tag hatte erstaunlich gut begonnen, sehr viel besser als die meisten in den vergangenen Jahren, und er schien ihr nicht nur einen sehr erstaunlichen Ritt auf einem Elefanten gebracht zu haben, sondern auch eine sehr praktische Bekanntschaft. Noch immer war sie sich nicht so ganz sicher, wie sie den Römer einschätzen sollte, aber zumindest zog er sie nicht mit seinen Blicken aus oder geiferte sie offen an, was schon eine deutliche Verbesserung zu den letzten Jahren darstellte ... alles andere würde sich weisen müssen.

    Wahrscheinlich ist man so frei, wie man sich fühlt, dachte Eretha und es fiel ihr nicht schwer, sein Grinsen zurück zu geben. "Das kannst Du irgendwann Deinen Enkeln erzählen, Matinius Valens, dass Du auf einem Elefanten geritten bist wie die Krieger von Hannibal. Ich bin mir sicher, so schnell wird das niemand sonst in Deiner Familie zu berichten wissen."


    Irgendwann, wenn es die Götter wollten, würde sie selbst auch Enkel haben. Vielleicht würde ihre Tochter bald einem Kind das Leben schenken und das Blut ihrer eigenen Mutter weitergeben - sie hoffte es zumindest sehr. Denn der ewige Kreislauf des Lebens musste weitergehen, vielleicht nicht mehr mit ihr selbst als Lehrerin für die jungen Kriegerinnen, aber doch mit ihrer Tochter als Anführerin. Wenn sie nur glücklich war in der Steppe, inmitten des Stammes, mehr wollte Eretha nicht für ihr Kind.


    "Ich hätte nie gedacht, dass es so besonders sein würde, aber es hat sich absolut gelohnt. Auch wenn dieser Mistkerl versucht hat, mich zu erschrecken," sie warf Aiman einen bösen Blick zu und lächelte dann so breit, dass man ihre Zähne sehen konnte. "Du siehst, wenn Du morgen jemanden beim Lauf triffst, dann könnte es sein, dass Du ein paar Stunden später auf einem Elefanten sitzt." Es klang vergnügt, fast locker, als hätte sie für diesen Moment vergessen, wer sie war, und auch, wer er war.

    Der Ritt auf dem Elefanten hatte etwas verändert, auch wenn sie es noch nicht greifen konnte. Sie hatten kein Geld gehabt und hatten es trotzdem auf den Rücken des grauen Ungetüms geschafft - und nun, mit dem Johlen der Menge unter sich, dem Lächeln des Römers und seines Klatschens fühlte sie sich, als sei etwas von ihr abgefallen, was sie seit vielen Jahren mit sich hatte herum schleppen müssen. Für diese Momente war sie frei, keine Kette hielt sie, kein Versprechen, der Himmel war und blieb zum Greifen nah. Sie stand nicht nur mit beiden Beinen auf dem Elefanten, sondern endlich wieder dort, wo sie hingehörte. Vor allem hatte sie niemals aufgehört, das zu sein, was sie war. Und dieses Wissen tat unendlich gut. Hatte ihr die Erdmutter mit dem Elefanten ein Zeichen gesandt? Sie ließ sich hinter Valens auf den Rücken des Tiers gleiten und blinzelte ihm fast verschwörerisch zu.


    "Wenn man erst einmal oben war, sieht doch alles ganz anders aus, findest Du nicht?" Sie hätte lachen können vor Glück, aber es war ihr wohl auch so anzusehen, dass sie sich freute, dass etwas sich geändert hatte und ihr erlaubte, aus tiefster Seele über diesen Ritt auf Prudens glücklich zu sein - auch wenn er nun langsam aber sicher zu einem Ende kam und der Parther sich wohl bald würde eine neue Tasche für die vielen gesammelten Münzen würde kaufen müssen. Der vorherige Ernst der Amazone schien zumindest für den Augenblick wie fortgeblasen, auch, als Aiman die Leiter an die Flanke des Elefanten lehnte und ihnen beiden bedeutete, dass sie wieder herunter kommen sollten.

    Sim-Off:

    Tausendmal Entschuldigung, ich hatte hier nicht mehr reingeschaut und total übersehen, dass es weiterging ... *erröt* stupst mich das nächste Mal bitte, sollte ich nochmal so vergesslich sein!


    Eretha war sich die ersten Momente über ausgesprochen unschlüssig gewesen, wie sie reagieren sollte - denn dass dieser Kerl offensichtlich eine Schraube locker zu haben schien, war nicht zu übersehen. Dass er allerdings eine Waffe zog, mit der er dann nicht angriff, sondern sich selbst verletzte, verwirrte die Amazone vollends - bei einem Angriff hätte sie sofort gehandelt, aber bei einem Mann, der sich selbst verletzte, war ihr Überlebensinstinkt doch etwas verwirrt. Vor allem verstand sie nicht alles von seinem Genuschel.


    Sie trat zwischen Helena und den Fremden, damit er, sollte er doch noch auf dumme Gedanken kommen, nicht ihre Herrin, sondern zuerst sie angreifen müsste - Daphne drückte sich indes an die Wand und beobachtete alles stumm mit großen Augen. "Die Herrin wünscht, dass Du das Haus verläßt," sagte die Amazone laut und deutlich, während sich ihre Gestalt etwas straffte. Ohne Waffe gegen einen Bewaffneten anzugehen war nie eine gute Idee, aber sie hatte gerade nichts an der Hand, um sich zu verteidigen. "Du kannst freiwillig gehen oder ich bringe Dich hinaus!"

    Sie wusste sehr wohl, warum der Parther das gemacht hatte - die Amazonen und die Parther hatten sich nie gemocht und eigentlich hätte es ihr klar sein müssen, dass irgendwo ein Trick lauerte. Nichts wäre diesem Kerl wohl lieber gewesen, als sie in irgendeiner Form zu demütigen, aber sie hatte nicht vor, in irgendeiner Weise demütigt zu werden. Wenn sie grausame Römer überleben konnte, dann auch einen hinterlistigen Parther. "Es geht noch," knurrte sie die Worte fast hervor, denn nun musste sie versuchen, die verloren gegangene Konzentration wieder zu gewinnen und gleichzeitig auf der Hut vor einem neuen Trompetenangriff zu sein.


    Denk daran, du stehst auf einem festen Untergrund. Auf einem Holzbalken. Auf dem Boden. Vorhin konntest Du das auch. Du kannst es jetzt immernoch. Irgendwie. Sie verlagerte den Körperschwerpunkt ein klein wenig mehr auf den rechten Arm, steuerte mit den Beinen gegen die Bewegung des Elefanten, und mit einem Mal hob sich der linke Arm zur Seite - sie stand tatsächlich auf der einen Hand, was die Marktfrauen klatschen und die Menge johlen ließ. Doch allzu lange währte dieser Moment nicht, sie fasste schnell mit der anderen Hand wieder nach und ließ sich auf die Fußsohlen herab, um dann stehend die Arme in die Höhe zu recken und sich ausgiebig bejubeln zu lassen - Aiman machte an diesem Tag wohl das Geschäft seines Lebens, denn nun flogen die Münzen umso eifriger. Stolz blickte sie zu Valens herab, und für einen kurzen Moment begleitete sie auch das, was sie einmal gewesen war - eine freie Frau, deren Haar nun im Wind umher flatterte.

    Das Schwanken des Elefants während seiner Bewegungen hatte sie relativ schnell kompensiert, aber auf einer Hand zu stehen würde schwer werden, da machte sie sich keine Illusionen. Warum nur hatte sie solche Töne gespuckt? Aber egal, sie waren auf dem Elefanten und sie würde es versuchen. Würde sie fallen, wäre ihr eine Landung auf dem breiten Kreuz des Tiers sicher, nicht auf dem Boden - das war der beruhigendere Teil des Ganzen. Da auch ihr römischer Begleiter seinen Spaß zu haben schien - wenngleich gedämpfter - war es die Sache wert gewesen. Amazonen bezahlten stets ihre Schulden, und was immer er für das Essen ausgegeben haben mochte, mit diesem zehn-Sesterzen-Ritt für umsonst hatte sie es ausgeglichen. Sie war nicht gern einem Römer und Mann auch nur ein As schuldig ... und wenn sie ehrlich war, gefiel es ihr, ihn zumindest ein wenig zu beeindrucken.


    Als der Elefant zu trompeten begann, zuckte sie heftig zusammen, den Parther innerlich verfluchend - dieser Mistkerl! Ihre Beine schwankten eine ganze Weile in der Luft, als sie versuchte, das Gleichgewicht wieder zu finden; für die johlende Menge mochte es so aussehen, als wäre sie ernstlich in Gefahr zu fallen - und sie fürchtete das für einige Augenblicke auch. Aber langsam, nach und nach, konnte sie die Bewegung ihrer Beine wieder denen des Tiers anpassen und blieb oben, doch nun begann ihr der Schweiß langsam das Gesicht herunter zu laufen. Die Wangen hatten begonnen sich zu röten, und sie wusste dass sie nicht mehr allzulange so stehen bleiben konnte, ohne dass sich ihr Schweiß in einen wahren Wasserfall verwandeln würde - zumindest fühlte es sich im Augenblick so an. "Möge Dich der Blitz der Erdmutter beim Scheißen in den Arsch treffen, Aiman," knurrte sie leise vor sich hin und verweilte einige Momente lang bei diesem ausgesprochen befriedigenden Gedanken.

    "Denkst Du etwa, ich hätte Angst?" gab die Amazone trocken zurück und griff mit beiden Händen nach der Leiter, um dem Römer nachzuklettern. Natürlich hatte sie Angst. Es war ihr erster verdammter Elefant und sie war auf dem Pferderücken längst nicht mehr in Übung - aber sie wäre keine Amazone gewesen, hätte sie das in irgendeiner Weise zugegeben. Man gewann nicht, wenn man nicht ab und an etwas wagte, und die Chance, auf dem Rücken eines Elefanten zu reiten, würde sich vielleicht niemals wieder bieten. Schon morgen konnte sie tot sein und würde sich im Hades schief und krumm ärgern, hätte sie das verpasst.


    Als sich Valens gesetzt hatte, erreichte auch sie den mächtigen Rücken des Elefanten und atmete insgeheim durch. Er war viel breiter als gedacht und die rauhe Haut bot ausreichend Griffläche, um sich festzuhalten - sie würde nur das Schwanken ausgleichen müssen, um oben zu bleiben. "Na, ich habe dir doch gesagt, wir kommen auf den Elefanten," sagte sie leise und grinsend zu dem Römer, der einige Momente lang wirkte, als würde er nicht so recht glauben, dass er wirklich auf dem Nacken von Prudens saß. "Seid ihr bereit?" rief Aiman von unten hinauf und Eretha winkte bekräftigend. Der Elefant setzte sich langsam und träge in Bewegung, während die Menge unten johlte.


    "Seht zu, die Frau wird gleich einen Handstand auf Prudens' Rücken machen!" verkündete der Parther den applaudierenden Zuschauern, während Eretha schluckte. Wünsch mir Glück, dachte sie, aber sie sagte es nicht, bevor sie auf dem Rücken des Tiers nach hinten rückte und sich mit den Händen einen sicheren Griff suchte. Er ruckelte doch deutlich mehr, als sie es erwartet hatte, aber dadurch, dass sie nicht gegen zu viele gegeneinander spielende Muskeln ankämpfen musste, wurde es wieder erträglich. Vorsichtig stieß sie sich mit einem Fuß von der Haut des Tiers ab und als würde die Zeit deutlich langsamer vergehen als zuvor, beschrieb ihr linkes Bein eine exakte Kurve in die Höhe, blieb ausgestreckt empor gereckt, dann folgte das zweite - und wieder brandete von unten lautes Johlen auf.

    Nun zufrieden grinsend ließ sie sich wieder auf den Boden herab und richtete sich gemächlich zur vollen Größe auf. "Sicher doch," gab sie dem Parther knapp zurück und rollte innerlich die Augen über so viel männliche Dummheit. Man zeigte ihnen nur die Schenkel und schon dachten sie nicht mehr rational, sondern nur mit dem verlängerten Fortsatz ihrer Lenden. Aber sie hatte, was sie wollte - einen Zweier-Ritt auf dem Elefanten - und das noch dazu kostenlos. Wenn es sie ein bisschen Körperbeherrschung kosten würde, dann war das ausreichend, denn an das Gaffen anderer war sie mehr als gewöhnt. Es störte sie auch nicht wesentlich, denn so waren die Menschen, vor allem Männer, eben.


    "Siehst Du, jetzt reiten wir doch," meinte sie befriedigt in Richtung von Valens und grinste ihn unternehmungslustig an. "Wann sieht man schon nochmal einen Elefanten?" Damit packte sie ihn kurzerhand am Unterarm und schleifte ihn mit in die Richtung des Ungetüms, wo der Parther bereits dabei war, mit Prudens die erste Richtung über das Forum zu drehen. "Ihr seid die nächsten!" rief er Valens und Eretha zu, die schmunzelnd eine Hand in die Hüften stemmte. "Keine Sorge, dass ich herunterfallen könnte. Ich stehe auch auf dem Rücken eines Pferdes und so ein Elefant ist viel breiter und bewegt sich viel langsamer. Das wird nicht allzu schwer werden." Damit zwinkerte sie Valens leicht zu und blickte dem Elefanten hinterher. Doch, sie war zufrieden - und den fassungslosen Ausdruck in den Augen des Römers war die Sache zweimal wert gewesen.

    Langsam glitt ihr Blick zu Valens, während er mit dem Parther verhandelte, aber er schien nicht genug Geld bei sich zu haben, um sich und ... und ihr ...!! einen Ritt zu kaufen. Er wollte zwei Ritte kaufen. Zwei! Und ihr diesen Wunsch erfüllen ... still blickte sie den Römer an, in ihrem Urteil schwankend, ob sie ihn nun für vollkommen verrückt oder für einen netten Menschen halten sollte. Und in diesem Moment durchzuckte es sie wie ein Blitz: Sie würde dafür sorgen, dass sie beide zu ihrem Ritt kommen würden, auch wenn sie keine Sesterze besaß. So eine Gelegenheit bekam man nur einmal im Leben und diese Gelegenheit wollte sie einfach nicht verstreichen lassen.


    "Vita brevis," flüsterte die Amazone mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen. Das Leben ist kurz. "He, Du!" rief sie in die Richtung des Parthers und richtete sich auf. Dieser wollte sie zuerst mit einem höhnischen Lachen bedenken, doch etwa im Funkeln ihrer Áugen ließ ihn innehalten. "Um Sesterzen feilschen nur die Römer, und Du bist keiner und ich auch nicht. Lass uns das so machen, wie man es in meiner Heimat Themiskyra erledigt!" Sie schritt auf ihn zu und blieb recht dicht vor ihm stehen, während des Parthers Augen kurz aufglommen. Er wusste, wer von Themiskyra stammte, und sie wusste, was sie von einem Parther zu erwarten hatte.


    Kurzerhand neigte sie sich vor ihm nieder, stemmte beide Hände auf den Boden und machte einen formvollendeten Handstand, den sie ausbalancierte wie eine Akrobatin, während die jungen Männer um sie herum zu johlen begannen, weil die Tunika herunter gerutscht war und ihr Lendentuch enthüllte - aber auch stramme Oberschenkelmuskeln, die mit Narben bedeckt waren. "Das kann doch jeder," höhnte der Parther, und Eretha atmete einige Male kontrolliert ein und aus, bevor sie das Gewicht verlagerte und eine der beiden Hände erhob, nur noch auf einer Hand nun kopfüber stand. "Wenn ich das auf dem Rücken deines Elefanten mache, lässt du uns beide dann eine Runde reiten?" knurrte sie die Worte hervor. Das Johlen und Klatschen der Menge um sie herum ließ zumindest vermuten, dass hier durchaus noch mehr Geld herauszuholen war als nur zwanzig Sesterzen für zwei, die reiten durften ...

    Auch Eretha musste dem Parther Recht geben und fast bedauerte sie es, keine einzige Sesterze bei sich zu haben - sie hätte diese sicherlich auch für den riesigen Elefanten ausgegeben, ungeachtet der Tatsache, dass sie davon vielleicht noch etwas zu essen kaufen sollte. Mit Geld hatte sie immer Schwierigkeiten gehabt und gab es meist viel schneller aus, als sie es bekommen hatte - aufgewachsen in einem System des Tauschhandels war ihr der Umgang mit Münzen fremd.


    "Wer will auf ihm reiten?" schallte die Stimme des Parthers über den Platz. "Für zwei Sesterzen dürft ihr auf dem Rücken von Prudens Platz nehmen und für zehn dreht er eine Runde über das Forum mit euch auf dem Rücken!" Die Augen der Amazone begannen unternehmungslustig zu funkeln. Der Elefant mochte eine Bestie sein, aber auf dem Rücken eines Elefanten zu sitzen, das war ein Erlebnis, dass so schnell niemand würde nachmachen können. Aber zehn Sesterzen ... nie zuvor hatte sie sich gewünscht, Geld zu haben. Für diesen Ritt allerdings ...


    "Na, wer hat Mut und wagt sich an den mächtigen Prudens?" tönte die Stimme des Parthers herausfordernd und es war zu merken, dass er die Anwesenden eindeutig für nicht mutig genug befand, es zu wagen. Einige junge Männer rangelten lachend in Sichtweite Erethas, dann flüsterte sie leise: "Ich habe keine Angst." Aber kein Geld.

    Vor ihren Augen tanzten hell glühende Sternchen, als sie die Worte des Sklavenhändlers hörte, der seine mageren und müden Waren anpries. Hätte sie nur die Freiheit besessen, sie hätte sie alle gekauft, um ihnen ein Leben zu ersparen, wie sie es wohl würden fristen müssen. Wahrscheinlich würden sie alle bei der harten Feldarbeit zugrunde gehen oder in Minen schuften müssen, um ihre römischen Herren nur noch reicher zu machen ... es war gut, dass er sie an der Schulter berührte und aus ihren Gedanken riss, denn der Instinkt, die Berührung abzuwehren, verdrängte sofort alle Überlegungen. Dass sie es dennoch zuließ, lag daran, dass sie die Geste als gut gemeinte Geste erkannte - dennoch versteifte sich ihr Körper kurz, bevor sie den Elefant erreicht hatten.


    Und nun war es auch an Eretha, das riesige Tier staunend anzublicken. Sie hatte zwar von diesen wandelnden Bergen gehört, aber noch nie einen gesehen - allein die gigantischen Ohren waren schon faszinierend, dazu der Rüssel, mit dem er in der Tasche seines Herrn nach Erdnüssen fahndete. Und intelligent schien er auch noch zu sein. Sie merkte nach einigen Momenten, dass ihr der Mund vor lauter Staunen weit offen stand und klappte ihn schnell zu, weil ihr das peinlich war, aber stattdessen verlegte sie sich auf das stille, faszinierte Anstarren dieses Ungetüms.
    "Gigantisch," flüsterte sie nach einer Weile und konnte sich nicht an den langsamen, aber sehr präzisen Bewegungen des Elefants sattsehen. Es war so unglaublich, wie ein Wesen aus einer ganz anderen, fremden Welt.