Beiträge von Leonidas Philotantos

    Leonidas ist aufgebrochen, um das unsichere Handelsgeschäft im fernen Osten zu betreiben. Da er dort wohl einige Zeit unterwegs sein wird, bitte ich, diese ID auf IN EXILIUM zu stellen.


    Ich komme sicher eines Tages zurück... - an dieser Stelle noch einmal vielen Dank an alle meine Mit-Simmer und -prytanen Nikolaos und natürlich Timokrates! Chairete!

    Drei Tage später war alles vorbereitet: Leonidas Alexandreus (wie man ihn außerhalb Alexandreias nannte) stand am Seehafen von Myos Hormos, vor sich ein Handelsschiff. Seine Leute hatten inzwischen schon alle Proben aufgeladen und standen nun am Pier bereit, um sich von ihrem Herrn, mit dem sie nun schon unzählige Stadien zurückgelegt hatten, zu verabschieden.


    Fast wurde der sonst so abgebrühte Händler ein wenig melancholisch, als er seine Leute sah. Er erinnerte sich an all die Streitigkeiten, das Zusammenhalten bei Problemen. Dann sah er zu Kallimachos und lächelte ihm zu.


    "Ihr seid alle ausbezahlt und entlassen! Ich danke euch für eure Mitarbeit! Chairete!"


    verabschiedete er sich von seinen Leuten, dann betrat er die Planke, die auf Deck führte. Gefolgt von seinem persönlichen Grammateus und Verwalter Kallimachos bestieg er das Schiff und begrüßte den Kapitän.


    "Gutes Wetter zum Auslaufen, nicht wahr?"


    fragte der Araber und Leonidas nickte. Auf dem Nil hatte er gelernt, die Auswirkungen von Wetter auf den Seegang zu beurteilen und eine strahlende Sonne war ein gutes Zeichen.


    "Auf nach Leuce Come, auf ins Unbekannte!"


    erwiderte er voller Euphorie. Die Taue wurden losgemacht und kurz darauf steuerten die Ruderer das große Schiff hinaus aufs Arabische Meer. Leonidas stand an der Reeling und blickte auf die Handelsstadt Myos Hormos. Ob die Götter es gut mit ihm meinten, und ihn jemals wieder zurückbringen würden?

    "Was soll das heißen, Marwan ist nicht hier?"


    Leonidas tobte. Er stand vor seinem Mittelsmann in Myos Hormos, der ihm soeben erklärt hatte, dass sein wichtigster Handelspartner, eine Araber namens Marwan, nicht in Myos Hormos weilte und wohl auch eine ganze Zeit lang nicht mehr kommen würde. Seit Wochen war er unterwegs! Erst die Nilfahrt, dann der lange und beschwerliche Weg durch die Wüste bis ans Arabische Meer! Sie hatten sogar eine Banditentruppe in die Flucht schlagen müssen! Wie heiß war es gewesen! Wie schlecht war ihm gewesen, nachdem er stundenlang auf dem Rücken eines Kamels hin- und hergeschaukelt worden war!
    Der Mittelsmann blickte betreten zu Boden.


    "Er ist...er ist in seine Residenz in Leuce Come zurückgekehrt, Herr..."


    Leonidas packte Marwan am Schlawittchen und schüttelte ihn. Zorn sprühte aus seinen Augen.


    "Weißt du überhaupt, was für einen Scheiß-Weg ich auf mich genommen hab', um Marwan zu treffen - weil du unfähig bist, anständige Verträge auszuhandeln?"


    Auch die umstehenden Diener, Leibwächter und natürlich Kallimachos hatten Leonidas wohl noch nie so wütend gesehen. Doch es hatte sich einiges an Leonidas geändert, seitdem er seinem angenehmen Haus in Alexandreia den Rücken gekehrt hatte: Sein sauber gestutzter Bart war mehr oder weniger ein Wirrwarr, sein Haar war länger und zu einem Zopf gebunden, da auf der Reise an eine vernünftige Haarpflege nicht zu denken war. Auch seine Haut hatte sich gebräunt, er trug grobe Leinenkleidung statt seiner sonst üblichen Seidengewänder und Schminke hatte sein Gesicht wohl spätestens seit Memphis nicht mehr gesehen. Und das tagtäglich Warten, die langweiligen Stunden auf dem Deck des Bootes und im Sattel des Kameles hatten eine Unruhe in dem Alexandriner geweckt, die er bisher nicht gekannt hatte.
    Er schubste seinen Mittelsmann weg und blickte seine Begleiter fragend an.


    "Und jetzt? Was machen wir jetzt?"


    Die Männer wichen seinem Blick aus - offensichtlich hatten sie Angst, ebenfalls Opfer eines Wutausbruchs zu werden. Bis plötzlich Kallimachos den Kopf hob und Leonidas fest ansah.


    "Wenn Marwan nicht zu uns kommt...gehen wir doch zu Marwan!"


    Leonidas blickte seinen Zögling etwas verwirrt an. Nach Nabataea fahren? Leonidas war noch nie dort gewesen und hatte erst wenig aus diesem sagenhaften Quell-Land des Weihrauchs und der edlen Stoffe des Ostens gehört. Wäre er noch in Alexandreia, hätte er das ganze wohl sofort abgetan. Aber nun hatte er es schon so weit gebracht - da kam es auf ein paar Meilen übers Meer auch nicht mehr an.


    "Du hast recht."


    Dem Zorn und der Enttäuschung wich plötzlich wieder Tatkraft. Er ließ seinen Mittelsmann einfach links liegen und stürmte aus dem Haus. Mit einem Mal war er voller Elan!


    "Bucht mir ein Boot! Wir nehmen nur Proben von allen Waren mit! Der Rest kommt in mein Lagerhaus! Und entlasst den Karawanenführer!"


    Eine neue Mission war zu erfüllen!

    Die beiden unterhielten sich noch längere Zeit. Leonidas äußerte seine Wünsche, Kallimachos zuerst als rechte Hand zu gebrauchen, ihn später jedoch soweit zu unterstützen, dass er selbst politisch tätig werden konnte. Vielleicht würde der junge Grieche ja sogar die römische Bürgerschaft erringen und über die Provinz hinaus erfolgreich werden?


    Mit solchen Gesprächen füllten die beiden auch noch die folgenden Tage. Eine Tages erhob sich vor ihnen Theben, die Hauptstadt Oberägyptens. Zum letzten Male liefen die Boote nun mit ihrer Fracht in einen Nilhafen ein.


    "In Diospolis gibt es das Tal der Könige. Wenn du noch nicht genug von der alten ägyptischen Kunst gesehen hast, bist du da genau richtig!"


    erklärte Leonidas, als die Boote die Hafeneinfahrt passierten. Am Ufer befand sich allerdings nur ein Dorf - war das das berühmte hunderttorige Theben?

    "Hunderttorig is' es alle Mal!"


    meinte der Kapitän, als Leonidas ihn darauf ansprach. Der kräftige See- oder besser Flussmann grinste breit und erklärte dann, was er meinte.


    "Die Stadt is' schon vor 200 Jahren niedergebrannt worden. Jetzt gibt's da nur noch Dörfer und Ruinen. Aber die Tempel sind noch intakt."


    Ein wenig enttäuscht war Leonidas schon, aber andererseits war es so sicher einfacher, seinen Kontaktmann zu finden. Tatsächlich: Während die Matrosen seine Waren von den Booten luden und in ein Lagerhaus brachten, das - wie er herausgefunden hatte - das Seine war, machte er sich mit Kallimachos auf den Weg zu seinem hiesigen Agenten. Von hier aus würde es mit Kamelen weitergehen!

    Nach dem Ausflug zu den Pyramiden von Memphis machte sich die Karawane weiter auf den Weg. Die Boote folgten dem schier endlich langen Fluss (der ja tatsächlich der längste der Welt war), auf Deck trat wieder eine gewisse Apathie ein.


    Leonidas und Kallimachos saßen jeden Tag zusammen, sprachen über das, was sie sahen, aber auch Philosophie, Kunst und Politik. Obwohl Kallimachos aus einfachen Verhältnissen stammte, stellte Leonidas fest, wie gelehrig der Junge war. Es machte dem Kaufmann richtig Spaß, sich mit seinem Zögling zu unterhalten. Wenn sie nach Alexandreia zurückkehrten, so nahm er sich vor, würde er Kallimachos unterstützen, aufdass er eine politische Karriere beginnen konnte.


    Eines Nachmittags - die Sonne brannte wie immer unbarmherzig auf das Deck, weshalb die Seeleute ein Sonnensegel gespannt hatten - standen Leonidas und Kallimachos wieder einmal am Heck und sahen auf den Nil hinaus. Die Bauern holten gerade ihre Ernte ein und Leonidas blickte stumm über die goldenen Felder.


    "Kallimachos, mein Junge. Hast du eigentlich schon überlegt, was du tun wirst, wenn wir zurück sind?"


    Kallimachos sah leicht verwirrt zu seinem Mentor auf. Seiner Meinung nach hatte das Schicksal seinen Weg schon vorherbestimmt - den Weg seines Vaters.


    "Ich hatte gehofft, dass ich deine Metzgerei führen darf, wie mein Vater."


    Leonidas wandte sich um. Kallimachos wich dem Blick aus.


    "Wird das von dir erwartet, oder wünscht du dir es?"


    "Es wird...wohl erwartet. Aber ich bin auch geschickt mit dem Fleischermesser, sagt Vater."


    Leonidas legte seine Hand auf die Schulter des Jünglings.


    "Nicht nur mit dem Messer. Du hast eine saubere Schrift, kannst dir gut Dinge merken - du bist zu höherem bestimmt, als zum Pächter einer Metzgerei!"


    "Aber was soll ich denn sonst machen? Dichter vielleicht? Oder Schauspieler?"


    "Nein, doch nicht so etwas. Ich habe mir überlegt, ob du nicht weiter für mich arbeiten könntest. Ich brauche jemanden, der ein Auge auf meine Lager hat, mit meinen Handelspartnern spricht - kurz: Eine rechte Hand!"


    Kallimachos sah Leonidas erstaunt an. Dieser lächelte jedoch wohlwollend.


    "Du musst natürlich nicht. Es ist nur ein Angebot."

    Nach dem unfreiwilligen Zwischenstop in Babylon fuhr Leonidas mit seinen Männern weiter den Nil hinauf. Die Reise war diesmal relativ kurz, sodass kaum Langeweile aufkam: Leonidas überprüfte die Steuerliste, die ihm die Beamten in Babylon gegeben hatten, Kallimachos verbesserte das Griechisch von Nubi, die Seeleute mussten die Güter neu vertäuen, damit bei schwererem Wind nichts durch die Gegend purzelte und die Begleiter des Handelsherrn hatten das Würfelspiel für sich entdeckt.


    So lief die Boots-Karawane nur einen Tag später in Men-Nefer, wie es der Kapitän nannte, in den Hafen Peru-Nefer ein.

    Diesmal ging das Anlegen weitaus unkomplizierter vonstatten, als es in Babylon der Fall gewesen war. Leonidas konnte eine Steuer-Bestätigung vorweisen und da der Hafenmeister gut gelaunt war (oder leichtgläubig oder faul), ließ er es nicht auf eine genauere Kontrolle ankommen.


    Eigentlich wollte Leonidas hier nur Vorräte ergänzen lassen, doch da ihm Kallimachos inzwischen ziemlich ans Herz gewachsen war, beschloss er, gemeinsam mit ihm Saqqara, die Nekropole von Memphis, aufzusuchen. Dort stand das beeindruckendste, was die Ägypter jemals hervorgebracht hatten: Die Pyramiden!



    Er selbst hatte sie schon einmal gesehen, doch als die beiden Kamele mit Sitzplatz, die er gemietet hatte, die Stadtmauer der alten Metropole hinter sich ließen und am Horizont die Spitze jener gewaltigen Grabanlage auftauchte, musste er erneut staunen. Wie hatten diese schmutzigen Bauern, die in Alexandreia nicht einmal anständige Häuser zustande brachten, nur diese gewaltigen Bauwerke erschaffen? In ganz Ägypten gab es keine beeindruckenderen Gebäude - vielleicht von Alexandreia abgesehen. Obwohl die meisten angeblich bereits von Grabräubern heimgesucht worden waren, wirkten sie noch immer furchteinflößend und majestätisch, wie eh und je. Langsam trotteten die Kamele auf die Bauwerke zu, wobei Leonidas daran denken musste, dass Wüstenschiffe grundsätzlich einen wesentlich härteren Seegang hatte, als die Boote, mit denen er auf dem Nil unterwegs war...


    Als die beiden Alexandriner am Rande der Stufenpyramide des Basileus, der den seltsamen Namen Djoser getragen hatte, ankamen, stellten sie fest, dass sie nicht die einzigen waren, die auf die Idee gekommen waren, diese gewaltigen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen:
    An der untersten "Stufe" der Pyramide waren zahlreiche Marktstände, Männer mit auffälliger Kleidung boten Führungen in Latein, Griechisch, der Sprache der Ägypter, Persisch und Sprachen an, die selbst Leonidas völlig unbekannt vorkamen, an. Dazwischen tummelten sich Touristen mit römischer Blässe, Nubier, Männer mit sauber gestutzten Bärten und Leute, die wie Barbaren wirkten. Kallimachos wäre sicher losgestürzt und hätte sein Taschengeld, das Leonidas ihm zahlte, in Miniatur-Pyramiden, Sphingen oder sonstigen Andenkens-Plunder investiert, doch Leonidas hielt ihn zurück. Stattdessen gebot er dem Kamelführer zu warten und machte sich zu Fuß mit seinem Grammateus auf den Weg.


    Sie kamen an einer Gruppe Griechen vorbei, denen ein spindeldürrer Ägypter gerade erzählte


    "...Die Pyramide soll gewissermaßen als Treppe zum Himmel dienen, sodass der tote Pharao direkt zu seinem göttlichen Vater Horus hinaufsteigen kann..."


    Kallimachos blieb stehen, doch Leonidas zog ihn weiter. Er kannte die Masche dieser Abzocker: Wer zuhörte, musste zahlen! Also nichts wie weg - lieber wollte er seinem Schützling die Geschicklichkeit, mit der die Ägypter hier gearbeitet hatten, verdeutlichen. Und das ging seiner Meinung nach am besten an der Kante des Bauwerks...

    Inzwischen hatten die Soldaten die Boote auseinandergenommen und jedes einzelne Handelsgut genauestens begutachtet. Die Seeleute und Angestellten des Leonidas hatten schließlich alles wieder zurück an seinen Platz bringen müssen und der Kapitän hatte erklärt, dass Leonidas ihn auch für diesen unfreiwilligen Zwischenhalt würde bezahlen müssen.


    Voller Gram hatte Leonidas schließlich zustimmen müssen und so machte sich die Schiffs-Karawane einen Tag später wieder auf den Weg in Richtung Memphis...

    | Kallimachos Didymou


    Während Leonidas betrübt auf einer Kiste Platz genommen hatte, war der Mannschaft der Boote frei gegeben worden. Kallimachos hatte seinen Meister ebenfalls um ein wenig Freizeit gebeten und dieser hatte eingewilligt. Eigentlich mochte der junge Mann Leonidas ziemlich gern - hatte er ihm doch die große weite Welt jenseits von Alexandreia gezeigt - aber die tagelange Reise auf den kleinen Booten war überaus langweilig und so war jede Abwechslung willkommen. Gemeinsam mit Nubi, einem jungen Matrosen, dem er auf den Fahrte Nachhilfe in Griechisch gab, machte er sich auf, diese fremde Garnisons-Stadt zu erkunden. Naukratis war sehr ähnlich wie Alexandreia gewesen - abgesehen davon, dass es geradezu winzig war. Diese Stadt jedoch hatte einen bräunlich-gelben Horizont und Nubi erklärte, dass dies die Wüste war. Kallimachos hatte Alexandria vor dieser Reise niemals verlassen, daher kam ihm alles ständig neu und spannend vor. Ihn beeindruckte die Beifälligkeit, mit der der etwas jüngere Nubi von anderen Städten, der Wüste, dem Nil und all dem sprach, was für Kallimachos Neuland war.


    Auf dem Weg zur Agora erklärte ihm Nubi, was er über die Stadt wusste.


    "Hier langweilig. Nur Soldaten."


    Tatsächlich fiel Kallimachos auf, dass diese Stadt aus nicht viel mehr als ein paar Hütten und dem steinernen Kastell bestand, das sich unweit des hohen Turms erhob. Der Turm mochte für einen ägyptischen Heloten beeindruckend wirken, doch Kallimachos war ganz andere Höhen gewöhnt - er war praktisch unter dem Leuchtturm von Pharos aufgewachsen! So konnte er dem kleinen Kaff hier wenig abgewinnen. Überall waren Soldaten und Seeleute (oder besser Flussleute) auf Freizeit unterwegs, folglich reihte sich hier eine Porneia an die andere. Das hätte Kallimachos ganz gut gefallen - in Naukratis hatte er die Freuden solcher Stätten kennen gelernt. Doch irgendwie wirkten die Frauen hier abgewrackt und viele wirkten irgendwie krank. Nein, heute würde er sein Geld nicht für so etwas verprassen!


    "Weißt du, wo die Agora ist?"


    fragte Kallimachos nach einigem Schweigen. Nubi antwortete


    "Wir gleich da."


    Tatsächlich bogen sie wenig später um eine Ecke und entdeckten einen freien Platz unweit des Kastell-Tores. Viele Händler hatten ihre Stände aufgebaut - die meisten waren wohl auf der Durchreise und versuchten, das ein oder andere Tongefäß oder Schmuckstück an den Soldaten, beziehungsweise etwas Dörrfleisch an den Bauern vom Umland zu bringen. Umgekehrt boten ägyptische Metöken frisch geerntetes Getreide ihrer Höfe feil, während andere ganze Ziegen-Herden in kleinen Gattern ausstellten. Sicher würde es hier die ein oder andere Köstlichkeit geben.


    "Ich will Feigen!"


    meinte er zu Nubi und schob sich dann durchs Gedränge zu einem Stand durch, an dem ein Bauer (oder war es ein armer Händler?) allerlei Früchte anbot.


    "Ich möchte 4 Feigen kaufen!"


    erklärte er. Der Bauer wirkte ziemlich gelangweilt - Kallimachos war wohl der erste Kunde seit Stunden. Er nannte einen Preis. Wie üblich musste Kallimachos ein wenig feilschen, dann konnte er endlich eine Feige an Nubi abgeben und selbst in eine beißen.


    "Was meinst du? Wie lange brauchen wir noch bis Memphis?"


    Nubi zuckte mit den Schultern.


    "Weiß nicht. Kommt auf Wind an."


    Kallimachos hatte wenig Ahnung vom Segeln. Er konnte Ziegen, Schweine, Schafe und Rinder zerlegen und auch in etwa einschätzen, wie viel sie wert waren. Aber von der Seefahrt hatte er sich immer ferngehalten - er hatte sogar immer gedacht, dass er sofort seekrank werden würde, weil er sich bei der ersten Bootsfahrt, an die er sich erinnern konnte, übergeben hatte. Dies hatte jedoch am Essen gelegen und nichts mit dem Schaukeln der Fähre zum Pharos zu tun gehabt. In der letzten Woche hatte er sich bewiesen, dass er möglicherweise doch einen passablen Seemann abgeben würde.


    "Komm, geh'n wir zum Hafen zurück und bringen Leonidas 'ne Feige."


    Nubi saugte gerade etwas am Fruchtfleisch der Feige herum, sodass der Saft seinen ganzen Mund-Umraum benetzte. Er hielt inne und nickte, dann lenkten die beiden ihre Schritte zurück zum Pier, an dem ihr Arbeitgeber Leonidas nun mit einem Soldaten diskutierte...





    POLITES ALEXANDRINOS
    GRAMMATEUS – LEONIDAS PHILOTES

    Kurze Zeit, nachdem die Stadt in Sicht kam, liefen die Boote des Leonidas in den Hafen von Babylon ein. Für die Größe der Stadt war der Hafen riesig, denn hier musste jeder Reisende den fälligen Zoll für die Nutzung des Nils zahlen. Folglich standen bereits die Soldaten und Zollbeamten bereit, als die Matrosen am Pier von Bord sprangen und das Schiff vertäuten.


    Kaum lag die Landeplanke, stolzierte der Zollbeamte in Begleitung zweier Soldaten auf das Boot, wo Leonidas ihn bereits erwartete. Er hasste es, Zoll zu zahlen, aber er wusste so gut wie alle anderen an Bord, dass er keine Möglichkeit hatte, dem zu entgehen...


    "Was haben wir denn alles?"


    fragte der Beamte in geschliffenem Griechisch. Offensichtlich gehörte er zu der Vexillatio, die im größten Stadtviertel, dem Castellum lag. Leonidas ließ sich von Kallimachos die Liste geben, die er schon im Voraus zu holen befohlen hatte.


    "Chaire! Wir haben alles zusammengestellt."


    antwortete er dann und ergänzte in Gedanken "...Eine Untersuchung ist nicht notwendig.". Wenn er dies wirklich sagen würde, würden sie ihn aber garantiert kontrollieren, das wusste er aus Erfahrung.


    Unterdessen entrollte der Beamte das Papyrus und studierte es sorgfältig.


    "Keine Verpflegung?"


    "Doch, doch. Die ist aber kein Handelsgut, folglich liegt doch wohl kein Zoll darauf!"


    antwortete Leonidas freundlich und ärgerte sich bereits innerlich über diesen Niemand, der ihn hier versuchte über den Tisch zu ziehen. Er hatte schließlich schon selbst Zölle eingetrieben!


    "Ach ja? Und wer sagt, dass ihn nicht das Getreide, das ihr angeblich für euch dabei habt, auch verkauft? Los, durchsuchen!"


    Er sah sich nach seinen beiden Begleitern um und deutete dabei auf das Boot. Leonidas wollte etwas erwidern, doch der Beamte schnitt ihm das Wort ab.


    "Alle Boote werden kontrolliert! Überprüft die Liste genau!"


    Damit wandte er sich um und ging, während die Soldaten ihre Lanzen aufnahmen und sich an der Landeplanke niederließen. Sicher würde bald eine ganze Hundertschaft hier sein und die Boote genauestens durchwühlen, die Hälfte kaputtmachen und dann horrende Zölle verlangen. Und alles, was Leonidas tun konnte, war zusehen! Wieso hatte er nicht wenigstens versucht, diese rhomäischen Lakaien hinters Licht zu führen und wenigstens einen Teil der Waren mit Kamelen durch die Zollgrenze geschmuggelt! So blieb ihm nur das Abwarten - und der Verlust wertvoller Zeit...

    Viele Tage waren die Schiffe bereits den Nil hinabgefahren. An jedem Abend wurden die Boote ans Ufer des Nils gesteuert und an Bäumen vertäut, während die Besatzung an Land ging und über offenem Feuer Getreidebrei kochte. Leonidas pflegte in einem Zelt zu schlafen, wenn es ihm nicht gelang, einen Bauern mit Hilfe von etwas Geld aus seiner Kate zu vertreiben, sodass er ein festes Dach über dem Kopf hatte.


    Tagsüber zogen endlose Getreidefelder an den Schiffen vorbei, wo die Bauern bereits begannen, die Halme mit kurzen Sicheln abzuschneiden. Leonidas stand immer am Bug des Flaggschiffes und betrachtete die Szenerie nachdenklich - für ihn wäre es gar nichts, in der Hitze mit bloßem Oberkörper über den Halmen zu bücken und sie mit der Sichel zu schneiden - es war wirklich gut, dass es diese Heloten gab!


    Eines Mittags - die Sonne brannte wieder einmal unbarmherzig auf das Deck, sodass Leonidas unter dem zu einem Pavillon umgebauten Segel saß - tauchte endlich eine Stadt am Horizont auftauchte. Zuerst sah man nur einen Turm, dann jedoch tauchte eine Mauer auf. Leonidas war aufgespruchen - seit Heliopolis, das neben seinem Sonnentempel kaum noch etwas aufzuweisen hatte (die Rhomäer hatten das, was die Ptolemäer übriggelassen hatten, auch noch abtransportiert), war dies die erst feste Siedlung seit langem, wenn man von den Bauerndörfern, die hin und wieder auftauchten, einmal absah.


    Der Kapitän sprach Leonidas plötzlich von hinten an, sodass er etwas erschrak.


    "Babylon."


    Leonidas wandte sich um. Er kannte die Stadt - hatte sie vor Jahren einmal besucht - allerdings war ihm dort nie der Turm aufgefallen. Kallimachos Didymou, der neben Leonidas stand, fragte neugierig


    "Beten die da auch zu Aphrodite?"


    Kallimachos war ebenfalls in Naukratis an Land gegangen. Dort war es eher lustig zugegangen und während Leonidas ein wenig von der berühmten Keramik gekauft hatte, war der junge Sohn des Metzgers im Vergnügungsviertel unweit des Aphrodite-Heiligtums versumpft. Die Sache hatte ihm offensichtlich viel Spaß gemacht, doch der Kapitän meinte nur


    "Ne, Ares."


    Kallimachos' Begeisterung nahm ein apruptes Ende und auch Leonidas freute sich nicht besonders auf die Stadt. Babylon war eine Garnisonsstadt - schlimmer als Nikopolis - und erhob die Nil-Zölle. Dieser Ort würde teuer werden...aber was blieb ihnen?


    So trieben die Boote langsam auf die immer größer werdende Stadt zu...

    Am Morgen nach dem Auslaufen verließ Leonidas die kleine Kajüte, die sich auf dem Flaggschiff seiner kleinen Handelsflotte befand. Der Nil trieb ruhig dahin, aber ebensowenig blies der Wind. Daher hatte der Kapitän seine Ruderer aktiviert.


    Einen Augenblick lang lauschte Leonidas dem rhythmischen Pfeifen des Bootsmann, das die Ruder dirigierte. Sie kamen relativ gut voran, wie er fand. Als er sich jedoch zum Kapitän am Bug des Bootes stellte, belehrte ihn dieser eines Besseren.


    "Verdammter Seth! Etwas Wind und wir kämen doppelt so schnell vorwärts!"


    Leonidas verehrte die Götter nicht besonders eifrig und schon gar keine ägyptischen, aber dennoch mochte er es nicht, wenn Leute in seiner Umgebung fluchten - man wusste ja nie! Da dies jedoch der Kapitän war, verzichtete er auf rügende Worte. Stattdessen blickte er schweigend auf die grünlichen Wellen des Nils.


    Ein Fischerboot kam ihnen entgegen. Es bestand aus Papyrus-Stauden und war mit Ägyptern bemannt. Einige von ihnen trugen Speere - vielleicht waren sie auch auf der Jagd nach größeren, fluss-nahen Landtieren?


    Nicht zum letzten Male vermisste Leonidas seinen allmorgentlichen Gymnasion-Besuch...

    Leonidas hatte das Haus am Morgen verlassen und nur seine beiden Sklaven zurückgelassen.


    *************************************************************


    Wer an der Pforte klopfen würde, dem würde Menelaos oder Agamemnon freundlich mitteilen, dass der Hausherr auf Reisen war, und den Besucher dann abweisen.

    Viele Tage waren vergangen, seit Leonidas den Beschluss zur Abreise gefasst hatte und nun war es so weit. Er hatte seine prunkvollen Seidengewänder gegen einfachere Reisekleidung getauscht, auf Schminke und komplizierte Frisuren verzichtet und sich einen einfachen Mantel umgelegt.


    So vorbereitet stand er nun am Pier des Hafens von Iuliopolis. Eine Schar Diener, Sklaven und Arbeiter hatte seine Ausrüstung von der Apotheka an den Fremdenmärkten durch das gefährliche Bukolen-Gebiet bis hier her geschafft. Noch einmal zog er seinen Dolch aus der Scheide und betrachtete die strahlende Klinge. Es würde keine leichte Reise werden, das war klar...


    Noch einmal sog er die Luft Alexandrias ein, dann betrat er die Planke zum Schiff. Oben wartete bereits der Ägypter, dem das Boot, wie auch die anderen gehörten.


    "Chaire! Hervorragendes Wetter für Nil-Touren!"


    rief er ihm entgegen. Leonidas blieb jedoch kühl. Er war trotz seiner hellenistischen Abkunft kein großer Freund von Schiffsreisen, weshalb er das Wasser mied, soweit er nur konnte. Doch diesmal ließ es sich nicht vermeiden...


    Der Ägypter half ihm von der Planke an Bord. Er strahlte über beide Ohren (was Leonidas nicht wunderte, denn er hatte wohl das Geschäft seines Lebens gemacht).


    "Guten Morgen, Kapitän. Sind die Boote beladen?"


    "Da hinten wird die letzte Ware verladen!"


    erklärte der Kapitän und deutete auf eines der anderen Boote, wo dunkelhäutige Ägypter große Packen Textilien auf das Boot luden.


    Wenige Stunden später wurden die Seile vom Pier gelöst und die Boots-Karawane machte sich auf den Weg in Richtung Landesinneres...auf dem Nil ins Herz Ägyptens!

    Leonidas hatte sich heute auf den Weg nach Rhakotis gemacht. Lange war er nicht mehr in diesem eher schmutzigen Teil der Stadt gewesen, doch heute war es wichtig. Er hatte einige Opfergaben mitgenommen, sich in ein seidenes Gewand gekleidet (Sarapis mochte angeblich keine Wolle) und eine besonders gläubige und unterwürfige Miene aufgesetzt.


    Auf dem Weg in den Tempelinnenhof hatten seine Begleiter ein paar milde Gaben an die Bettler, die es hier überall gab, verteilt - vielleicht sah Sarapis dies ja und würde ebenso mildtätig Leonidas gegenüber sein. Dann hatte er jedoch den Hof betreten.


    Rasch traf er auf einen Priester, der ihm weiterhelfen konnte. Leonidas kannte sich nicht allzu gut aus in diesem Kult - viel lieber widmete er sich Platon, Epikur oder anderen Philosophen, als an irgendwelche menschengleichen Himmelsgestalten Gedanken zu verschwenden. Aber bei solch einer Reise ging man lieber auf Nummer Sicher...


    "Was wünscht du, Gläubiger?"


    fragte der alte Priester. Leonidas antwortete bestimmt, aber dennoch leicht unterwürfig.


    "Ich ersuche den allmächtigen Serapis um seinen Schutz für eine Reise, die ich anzutreten gedenke, verehrter Vater."


    Leonidas wusste, dass die Oberhäupter des Serapis-Kultes als Vater bezeichnet wurden :)


    "Ah, eine gute Idee!"


    "Ich habe bescheidene Gaben dabei, um den großen Serapis milde zu stimmen."


    Er wies auf die Packen, die seine Begleiter mitführten. Unter anderem hatte er Weihrauch, Speisen, aber auch ein paar Drachmen mitgebracht - eben etwas, mit dem die Priester etwas anfangen konnten!


    "Ah, sehr gut! Wir müssen mit dem Opfer warten, bis das Gebet vorüber ist."


    Erst jetzt merkte Leonidas, dass aus dem Inneren des Tempels ein seltsamer Singsang kam, wie sie ständig aus Tempeln zu hören waren. Zusätzlich konnte man jedoch auch leichte Rauchschwaden aus der Pforte ziehen sehen.


    "Es wird bald vorüber sein."


    meinte der Priester und blieb abwartend stehen, während er weiter die Opfergaben beäugte.

    Leonidas betrat sein Lagerhaus. Man hatte inzwischen einen Teil leergeräumt. Nur der Duft hunderter Gewürze erinnerte noch daran, dass hier üblicherweise Gewürze gelagert wurden. Jetzt jedoch hatte man verschiedene, typische Tauschwaren wie Keramik aus Gallien, Felle aus Germanien, Textilien und Ähnliches. Alles war säuberlich in Kisten verpackt worden. Der Grammateus war sichtlich gefordert, als er mit einem Zulieferer stritt, der gerade die Vorräte für die Reise lieferte. Hauptsächlich Brot, ähnlich dem der römischen Legion auf Märschen und Dörrfleisch. Aber man würde auch die ein oder andere lebendige Ziege mitnehmen - so hielt das Fleisch immer noch am besten.


    Unterdessen sprach Leonidas in einer anderen Ecke mit einem dicken Ägypter, dessen Boot der Grieche mieten wollte. Es war alles ein wenig heikel, denn einerseits wollte er rasch aufbrechen, andererseits Geld sparen. Sie diskutierten und feilschten bereits mehrere Minuten, doch eine Einigung schien fern.


    "Diesen Preis kann ich unmöglich bezahlen! Dafür kann ich meine Waren ja mit dem Kamel nach Diospolis bringen lassen!"


    "Meine Mannschaft muss auch bezahlt werden. Und die Wegzölle sind durch den Krieg auch nicht weniger geworden. Weiter werde ich dir keinesfalls entgegenkommen."


    meinte der Ägypter nur und lächelte ohne Freundlichkeit. Leonidas kratzte sich am Kopf. Die Hitze in der Halle ließ seine Schminke verlaufen.


    "Ich kann mir auch einen anderen Kapitän suchen. Die Flotte der Rhomäer spuckt doch pensionierte Kapitäne aus wie die Nilquelle Wasser!"


    Der Kapitän wirkte weiter selbstsicher. Sein Lächeln keineswegs aufgebend meinte er


    "Schon, aber nicht für diesen Preis. Mein Angebot ist sowieso schon eine Beleidigung für mein Geschäft. Wenn das die anderen erfahren, bringen sie mich vermutlich um. Schlag also ein, oder ich gehe wieder."


    Leonidas war fast versucht, tatsächlich einzuschlagen. Aber andererseits bekam man auch als Nilschiffer nicht jeden Tag die Möglichkeit, das ganze Schiff auf einen Schlag für eine Reise bis nach Theben vollzukriegen. Und Leonidas hatte viel Fracht...möglicherweise würde er sogar ein zweites Boot brauchen...aber andererseits hatte er keine Lust, seine Ladung zu teilen. Und der Preis war wirklich bereits deutlich heruntergegangen...


    "Also gut, meine Ladung, meine Männer und ich."


    Der Ägypter verzog das Gesicht. Tatsächlich hatte Leonidas gerade sich und seine Leute in den Preis inbegriffen und ihn damit indirekt gedrückt.


    "Von den Männern war nicht die Rede! Ich bin doch kein Passagierkreuzer! Die kosten extra!"


    "Ich schicke doch meine Leute nicht mit einem Extra-Schiff hinterher! Außerdem nehmen die ja wohl kaum viel Platz weg! Und sinken wird dein Boot deswegen schon nicht. Ich habe das ganze Boot gebucht, also werde ich da doch nicht extra zahlen! Ich bitte dich!"


    Sie feilschten noch weitere fünf Minuten um die Handvoll Männer, die Leonidas gleich aus Alexandreia mitnehmen wollte, dann wurde man sich einig. Die Männer würden jeder den geradezu symbolischen Preis von einer Drachme pro Kopf zahlen. Für dieses Geld konnte man auch über den Styx fahren!


    Gerade als Leonidas das Boot klargemacht hatte, erschien Kallimachos, der Sohn des Didymos. Er entwickelte sich prächtig und war von Leonidas zum Nachrichtenoffizier ernannt worden. Immerhin konnte der Bursche recht flüssig lesen und schreiben.


    "Leonidas, Leonidas! Der Brief aus Diospolis ist da! Die Karawane ist gebucht!"


    Ein Papyrus in der Hand schwenkend rannte er herbei und reichte den Brief an seinen Herren weiter. Naja, ein bisschen Zurückhaltung und Ernsthaftigkeit musste man dem Burschen noch beibringen, soviel war klar.


    Bald konnte die große Reise losgehen...

    Gemeinsam mit seinem Grammateus besuchte Leonidas seine kleine Metzgerei in der Nähe des Kaisareions. Tatsächlich fanden sich bereits einige Kunden im Verkaufsraum, in dem die fette Frau des Didymos (Leonidas konnte es nicht fassen, wie eine Frau sich so gehen lassen konnte) und der kaum weniger fette Didymos (bei dem Leonidas das gleiche dachte), beschäftigt waren.


    Während die Frau gerade eine Leber für einen hageren Ägypter einpackte, schnitt Didymos gerade die Sehnen aus einem gewaltigen Schulterstück vom Rind. Als er zufällig aufsah, um zu sehen, welcher Gast gekommen war, weiteten sich seine Augen.


    "Leonidas! Welch eine Ehre!"


    Er kam hinter der Theke vor, sodass sich auch die Kunden nach dem ehemaligen Agoranomen umsahen und wollte seinen Demagogen bereits packen und küssen, als Leonidas sanft abwehrte. Die Finger des Metzgers waren recht blutig und fettig - der Tod für den Seidenchiton!


    "Vorsicht, vorsicht, lieber Didymos!"


    Er streckte sich vor und gab dem Metzger einen höflichen Begrüßungskuss auf die Wange. Als er sich darauf die Lippen leckte, fragte er sich, ob Metzern wirklich so schweißtreibend war, wie es schien.


    "Was führt Dich zu mir? Warum hast Du Dich denn nicht angemeldet? Meine Frau hätte Dir etwas zu Essen vorbereitet!"


    Beim Anblick der fetten Frau wäre Leonidas wohl ohnehin der Appetit vergangen, was er jedoch aus Höflichkeit vermied zu sagen.


    "Ach, das ist doch nicht nötig! Ich wollte nur wieder einmal nachsehen, wie die Geschäfte laufen. Ich hörte, alles liefe hervorragend?"


    "Oh ja, ich beziehe das Fleisch von einem Ägypter aus dem Delta. Man schmeckt es einfach, dass das Fleisch nicht so trocken und dürr ist wie aus der Halbwüste."


    Leonidas wusste, dass Viehhaltung im Delta eigentlich nicht die bevorzugte landwirtschaftliche Tätigkeit war. Offensichtlich war der Ägypter relativ reich, sodass er sich die Viehhaltung auf grünen Weiden leisten konnte. Aber wenn es gut für`s Geschäft war...


    "Und ist das nicht sehr teuer?"


    fragte er jedoch, woraufhin einer der Kunden aussah, als wolle er ihm sofort beipflichten.


    "Naja, es hat natürlich seinen Preis...aber dafür ist die Lammkeule seiner Schafe so saftig, dass halb Alexandreia sie will. Ich sage Dir: Das hier ist ein richtiger Feinschmecker-Laden."


    Wieder schien der Kunde etwas einwerfen zu wollen, wurde jedoch durch einen tödlichen Blick der Metzgersfrau daran gehindert. Leonidas zuckte mit den Schultern.


    "Na dann ist ja gut. Ich habe übrigens gleich eine Bestellung: Ich brauche Dörrfleisch. Für eine Reise den Nil hinab."


    Didymos setzte ein freundlich-interessiertes Lächeln auf.


    "Wohin soll's denn geh'n? Nach Thebais? Verwandte besuchen?"


    "Nein, ich möchte neue Handelsbeziehungen aufnehmen."


    Natürlich wusste Leonidas, dass das wissende Nicken des Didymos, das nun folgte, reine Show war. Der dicke Metzger hatte keine Ahnung vom Großhandel, wie auch Leonidas keine Ahnung vom Zerlegen von Schweinen hatte. Und das war auch gut so!


    "Nunja, ich fragte mich bei den Vorbereitungen, ob dein Sohn nicht Lust hätte, mich zu begleiten."


    Das wissende Lächeln gefror und Didymos sandte seiner Frau einen eher erschrockenen Blick vor, ehe er eine nervös-entschuldigende Miene aufsetzte und sich wieder an Leonidas wandte.


    "Oh...ähm...eine große Ehre. Aber...ich weiß nicht, ob...naja...ob er nicht seekrank wird auf dem Nil..."


    Leonidas hatte sich natürlich vorher informiert. Kallimachos, der Sohn des Didymos, war ein junger Mann von etwa 20 Jahren. Er trieb sich mit Vorliebe im Gymnasion herum, wenn er nicht gerade durch Gelegenheitsarbeiten am Hafen oder Mithilfe im elterlichen Betrieb die Familie unterstützte. Leonidas hatte ihn neulich beim Entladen eines Handelsschiffs gesehen und er schien keine Probleme mit Wasser zu haben.


    Weiter freundlich lächelnd legte Leonidas eine Hand auf die Schulter des Metzgers.


    "Didymos, du wirst mir doch diese kleine Bitte nicht abschlagen! Ich habe mich doch immer so für dich eingesetzt. Dieser schöne Laden, die Morgengabe für deine Frau,..."


    ...die damals allerdings noch in der Blüte ihrer Jahre und gertenschlank gewesen war...


    "..., damals, als du Probleme mit dem Agoranomos hattest, die Schulausbildung für deinen Sohn - und dann möchtest du mir nicht einmal deinen Sohn anvertrauen?"


    Didymos wirkte ziemlich verdutzt und kleinlaut und blickte unglücklich in die Augen der Kunden und zuletzt seiner Frau. Sie sandte ihm einen Blick, der sagte: 'Wehe, du lässt ihn mitgehen!'. Er sah verlegen zu Boden.


    "Aber...aber ich brauche doch jemand, der mir hilft...die Rinder abholt..."


    "Aber es gibt doch so viele arbeitslose Ägypter, Didymos! Gleich nebenan am Kaisareion sitzen sie scharenweise! Die machen das doch für einen Obolos!"


    Didymos sah Leonidas nicht an. Auch der Blick zu seiner Frau fiel sehr kurz aus, als er feststellte, dass sie noch unerbittlich schien. Plötzlich schienen ihn seine Hände zu interessieren und er versuchte, das Blut von den Fingern zu reiben.


    "Naja..."


    Leonidas packte die Schulter einen Augenblick etwas fester.


    "Komm schon, Didymos! Gib dir einen Ruck!"


    Peinlich darauf bedacht, seine Frau nicht anzusehen, hob der Metzger den Kopf und sah Leonidas in die Augen. Er fühlte sich mehr als unwohl.


    "Na gut..."


    Leonidas ließ sofort los und gab seinem Gegenüber die Hand. Breit grinsend schüttelte er sie mit beiden Händen.


    "Na siehst du, war doch gar nicht so schwer! Ich danke dir von ganzem Herzen. Dein Sohn wird unsere Expedition sehr bereichern! - Aber ich muss weiter: Chaire Didymos! Chairete miteinander!"


    Damit sah er sich kurz um, ignorierte den wütenden Blick der Frau des Metzgers und verließ den Laden wieder, einen hilflosen Didymos zurücklassend...

    Als die Amtszeit endlich vorüber war und Leonidas dies durch ein kleines Fest mit seinen engsten Vertrauten gefeiert hatte, zog wieder Normalität in das Haus Philotas ein. Leonidas machte sich ziemlich schnell daran, sich wieder um seine Handelskorrespondenz zu kümmern.


    Zuerst beschloss er, seinen Pächtern einen Besuch abzustatten, dann wollte er die Vorräte in seinen Lagerhäusern prüfen. Der Krieg war trotz des Todes des Basileus noch immer nicht beendet, daher stockte auch der Handel über Babylon und damit Nabataea weiter. Und da Leonidas hauptsächlich Gewürze aus Nabataea bezog, war es nun an der Zeit, neue Quellen aufzutun. Am besten an einem Ort, der fern von den Rhomäern war. Im nahen Osten war es jedoch wohl nur eine Frage der Zeit, bis der neue Basileus sein Auge auf das reiche Petra und sein Umland warf, folglich beschloss Leonidas, dass es geschickter war, direktere Wege ins ferne Indien zu finden.


    Lange lag er im Andron und starrte die Decke an. Er hasste es, seine bequeme Umgebung aufzugeben. Und ganz besonders, wenn er sie gegen unbequeme Wüste tauschen musste. Andererseits hatte er kaum eine Alternative. Ein Handelsnetz in Richtung Süden aufzubauen, ohne dabei selbst anwesend zu sein und damit zu verhindern, dass er von irgendwelchen windigen Handlangern übers Ohr gehauen wurde, war schier unmöglich. Also galt es wohl am besten, eine Expedition vorzubereiten.


    Noch fast eine Stunde rang Leonidas mit sich, ehe er zu dem Schluss kam, dass dies wirklich die beste Lösung war. Er nahm sich einen Bogen Papyrus (Papyrus war in Ägypten ja spottbillig - billiger als Wachstafeln) und begann aufzulisten.


    Expedition nach Süden


    Mitnehmen:
    Männer (20?)
    Ware (Glas? Stoffe?)
    Gold, Silber
    doch mehr Männer? Räuber!


    Route:
    Alexandria --> Nil --> Diospolis --> Myos Hormos --> weiter?
    vorerst nicht



    Eine ganze Zeit lang grübelte er noch, dann beschloss er, endlich aufzubrechen und erst einmal die anderen Dinge zu erledigen.