Beiträge von Cadhla

    Ich bitte diese ID ins Exil zu schicken.


    Cadhlas Zeit ist gekommen, und ich will die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Mitspielerinnen und Mitspielern für die vielen schönen und interessanten Begegnungen und Szenen zu bedanken - es hat Spaß mit euch gemacht, und ich gebe diese ID nicht wegen den Mitspielern auf, sondern wegen der Erkenntnis, dass ich auf Dauer als Spieler einer Sklavin nicht wirklich das gefunden habe, was ich gehofft hatte hinzubekommen - ich gehöre wohl doch eher zu den Leuten, die mit einer 'freien' ID besser zurechtkommen. :) Bestimmt begegnet man sich mit einem anderen Charakter wieder - ich freue mich jedenfalls darauf.

    Von ihrem Herrn hatte sie sich schon am Vorabend verabschiedet - und auch von den anderen Sklaven, denn am frühen Morgen sollte Cadhla früh aufbrechen, ihrem neuen Leben in Hispania entgegen, das vor allem vom Kampf bestimmt sein würde. Für eine Sklavin gab es keine tränenreichen Abschiede mit Umarmungen im atrium der villa, für sie gab es nur ein bereitstehendes Pferd im Hof, das zudem ihre geringe Habe auf dem Rücken trug - und einen geschäftstüchtigen Händler, der die Reise von Rom nach Tarraco gerne mit einem zusätzlichen Kämpfer im Gefolge antrat, da er über Land reisen musste und den gallischen Banditen ebensowenig traute wie den italischen. Dass dieser Kämpfer eine Frau sein würde, störte Titus Galerius nicht wirklich, denn bei einer Frau erwartete man nicht, dass sie fähig war, einem Räuber die Kehle aufzuschlitzen, und der Überraschungseffekt war sicherlich ein Vorteil. So hatte sich Cadhla in bequemer Reisekleidung (die Sachen hatte ihr Matho vor einiger Zeit im Auftrag ihres Herrn zähneknirschend besorgt) vor dem Morgengrauen im Hof eingefunden, sich mit ihrem Pferd, einem etwas hageren Nutztier, angefreundet und wartete nur noch darauf, dass der Händler sie abholen würde.


    Noch war es still im Haus, aber das würde sich bald ändern - ihr Herr würde seine Klienten zur salutatio empfangen, dann begann die Hauptarbeit für die Sklaven, das Schrubben und Aufräumen der Zimmer, die Vorbereitung des Essens ... viele kleine und goße Aufgaben, ein stetiger Fluss immer gleichbleibender Tage. Es würde genau so weitergehen, wenn sie nicht mehr da sein würde, und sie fragte sich, ob ihr Herr überhaupt merken würde, wenn es andere Hände waren als die ihren, die ihm seine Sachen herrichteten oder spät in der Nacht noch einen Wein einschenkten. Mit einem vagen Lächeln blickte die Keltin in den Himmel, ohne Bedauern. Sie hatte sich ihren Weg selbst gewählt, den des Schwerts, und so würde sie kämpfen, um irgendwann endlich frei von jenen Banden zu sein, die sie in eine Welt hineinzwangen, zu der sie sich nicht gehörig fühlte. Irgendwo in der Ferne wusste sie den Mann, den sie liebte - auf einer Reise zu seiner Pflicht, vielleicht war er schon angekommen, vielleicht hatte er so viel zu tun, dass er nicht mehr an sie denken würde - es wäre besser für ihn, auch wenn sich in ihr alles gegen diesen Gedanken stemmte.


    Beruhigend tätschelte sie die Mähne des Pferdes, das in ihren Taschen nach etwas Süßem wühlte, dann hörte sie das Pochen an der Hoftür, beobachtete, wie einer der Stallsklaven den schweren Türflügel öffnete und ihr zuwinkte, das vereinbarte Signal, dass der Händler angekommen war, um sie abzuholen. Noch einmal schweifte ihr Blick zum Hauptgebäude zurück, jener hochherrschaftlichen villa, die ihr so viele Wochen und Monate einen Schlafplatz und viel Arbeit geboten hatte, eine Art Heim gewesen war, ohne ein Zuhause zu sein. Dann wandte sie sich ab, stieg mit Schwung auf und lenkte das Pferd zur Hoftür, um jenem neuen Abschnitt ihres Lebens entgegen zu reiten, in dem sie als Gladiatorin für ihren Herrn kämpfen ... und vielleicht, irgendwann ... frei sein würde.


    *~* finis *~*

    Es war ein langer Tag unter langen Tagen gewesen - und als sie schließlich Zeit fand, durchzuatmen, stellte die Keltin fest, dass der Schmerz, den sie den ganzen Tag unterdrückt hatte, weil es so viel zu tun gegeben hatte, mit aller Macht zurückkehrte. Er war fort. Einer neuen Aufgabe zustrebend, an einem anderen Ort in der Ferne, im Norden - und sie war noch hier, ihre Sachen ebenso gepackt, weil ihr Abschied von Rom desgleichen noch bevorstand. Würde sie ihn wiedersehen? Konnten sie sich noch einmal in den Armen liegen, gegenseitig wortlos beteuernd, wie sehr man für den anderen empfand? Mit seinem Fortgang schien die villa Aurelia seltsam leer geworden, und dass Siv und einige andere der Sklavinnen, mit denen sie sich angefreundet hatte, mit ihm gegangen waren, machte die Sache nicht einfacher. Die Stille der villa war nahezu unerträglich für Cadhla, und als sie die Tür zu ihrer kleinen Kammer öffnete, erwartete sie dort nur weitere Stille und Dunkelheit. Schweigend zündete sie die schäbige Öllampe an, die ihr erlauben würde, ihre Schreibkünste auch am Abend noch zu üben, aber sobald der Lichtschein über die Einrichtung geflackert war, wusste sie, bevor sie es genau erblickte, dass etwas anders war als sonst. Etwas lag auf ihrem Bett - und für einen flüchtigen Moment fürchtete sie, es sei der Besitz eines der Herren, der ihr untergeschoben worden war, um sie des Diebstahls zu bezichtigen.


    Der Holzkasten war aber schlicht genug, um ihre Befürchtungen zu zerstreuen, und als sie ihn öffnete, wusste sie sofort, von wem er war. Schreibzeug. Das einzige Mittel, Gedanken und Sehnsüchte zu teilen, wenn man es wollte. Das einzige Mittel, das ihm und ihr geblieben war, sich bisweilen zu verständigen - und er hatte daran gedacht, sogar das ein oder andere für sie speziell anfertigen lassen. Ein eigenes Siegel sogar ... staunend strich sie mit den Fingerkuppen über den Siegelstempel, betastete das glänzende Metall, als sei es etwas außergewöhnliches, besonderes, einzigartiges. Letztendlich war es das sogar, denn das war sicher nichts, was man einem Sklaven sonst schenkte, sie hatte ihren Herrn mehrfach gesehen, wie er sein Siegel setzte, und kein Sklave in der villa besaß so etwas.
    Dann ertastete sie jenen Lederriemen, an dem der silberne Anhänger befestigt war, und endlich rollten die Tränen, die sie seit Tagen immer wieder hatte herunterschlucken müssen. Ein Zeichen ihres Volkes - der keltische Knoten - und eines seiner Familie, das Wappen, das sie zu hassen und doch zu schätzen gelernt hatte, in einem Silberstück vereint, welche seltsamere und doch passendere Symbiose hätte es sonst geben können? Still saß sie auf ihrem einfachen Bett und weinte, ohne dass man es hätte hören können, lautes Schluchzen war nie ihr Fall gewesen.


    Und Tränen des Glücks und Schmerzes zugleich hatten zumeist ohnehin die Gewohnheit, ungehört zu tropfen. Langsam legte sie sich den Lederriemen um und verbarg das Silberstück unter der tunica, sodass kein neidisches Auge auf dieses Zeichen seiner Liebe blicken konnte - oder irgendwer Fragen stellen würde. Dann wischte sie sich energisch die Tränen aus dem Gesicht, schloß das Kästchen wieder und schob es so weit unter ihr Bett, dass man es nicht sofort sehen würde, wenn man den Raum betrat. Dann legte sie sich auf die Strohmatratze, schloss die Augen und rief sich das Bild Ursus' in Erinnerung, wie er gelächelt hatte, als er still neben ihr gelegen hatte, nachdem sie sich das erste Mal gehört hatten ... seine Gedanken begleiteten sie also noch, und die ihren gehörten jetzt, da sie alleine war, ihm alleine.

    "Matho wirklich ist dümmste Rübe auf Feld," sagte Cadhla und grinste verschwörerisch zu Siv. Sie mochte den von sich selbst grenzenlos eingenommenen Haushofmeister nicht und ihre Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Vielleicht lag es an ihrer Art - sie ließ sih von ihm zwar vieles sagen, aber in ihren Augen stand dafür deutlich, was sie ihm nicht ins Gesicht spie, und auch wenn Matho ein selbstherrliches Arschloch war, er war kein vollkommener Idiot. Aufsässige Sklaven konnte er bestrafen, schlagen, einsperren, auf halbe Rationen setzen - aber die Verachtung in Cadhlas Augen war stumm und blieb unausgesprochen. Er revanchierte sich für ihre Blicke immer mit unangenehmen Arbeiten, wann immer er sie erwischen konnte, aber letztendlich waren es nur Arbeiten, keine Schläge, kein Eingesperrtsein. Die Arbeiten konnte man ertragen.


    "Ich denken du machen alles richtig, auch wenn Römer manchmal zu dumm zu sehen das - oder Matho," bekräftigte Cadhla ihre Worte von vorhin noch einmal und hob ihren Korb auf, drückte die Blätter darin platt und machte sich schon einmal gedanklich für den sicherlich folgenden Anschiss bereit, denn sie hätten weitaus mehr Blätter sammeln können, wäre nicht anderes wichtiger gewesen. Aber das konnte sie nicht schrecken. In diesem Moment hatte sie etwas so wichtiges gewonnen, dass Matho sie auch mit einer Peitsche durch die villa hätte jagen können, ausser dem körperlichen Schmerz hätte sie nicht sehr viel mehr deswegen empfunden. Endlich schien sie in Rom etwas gefunden zu haben, das man weder kaufen noch erzwingen konnte, was auch einem Sklaven wie einem Senator einfach nur geschenkt wurde - eine Art von Freundschaft. Sie blickte lächelnd zu Siv und setzte sich dann in Richtung des Hauses in Bewegung, und die Sonne schien endlich auch in dieser viel zu großen Stadt angekommen zu sein, um für Cadhla zu scheinen.


    ~ finis ~

    Still lächelte sie, als sie seine Worte hörte, und sie konnte sich nicht eines Gedankens erwehren, der sich in den letzten Augenblicken still und heimlich zu ihr geschlichen hatte, auf leisen Sohlen, die so geschickt und wissend waren, dass sie unweigerlich jenem Trugbild aufsitzen musste. Wie wäre es wohl, wäre er der Mann, der für sie alles weggeworfen hätte, was er besaß, um mit ihr in einem einfachen Haus bescheiden zu leben, eine Familie gründend, vielleicht nicht reich, dafür aber glücklich? Ein Kind mit seinem Lächeln, seinen dunklen, seelenvollen Augen, vielleicht auch seinem dunklen Haar, sein Lächeln jeden Tag, seine Arme jede Nacht eine Zuflucht vor der Welt. Sie hätte einen eigenen kleinen Hausstand, vielleicht einige Tiere, einen Acker, und sie würden am Abend beisammen sitzen und über die Ereignisse des Tages sprechen, sich darüber abstimmen, was auszusäen und welches Tier zu schlachten war ... nein.


    Cadhla blinzelte. Wenn Ursus eines nicht war und wohl nie werden würde, dann ein Bauer. Genausowenig wie sie sich selbst in der Rolle einer Frau am heimischen Herd vorstellen konnte. Ein Kind konnte sie sich ja noch irgendwie vorstellen, aber eine Hütte und ein Acker? Es passte weder zu ihm noch zu ihr. Ursus gehörte einfach in eine schöne Umgebung, ein edles aus, umhüllt von feinsten Stoffen, anders konne sie ihn nicht sehen als den Mann, der er war - ein Römer aus einer edlen Familie, mit altem Blut und dem Reichtum, der damit einher ging.


    Die Keltin blickte in Richtung des Fensters, und draußen war der erste Tagesschimmer schon zu erahnen. Hatten sie so lange beieinander gelegen? Es war kaum zu glauben, und doch schien es später bereits als sie dachte. Vielleicht ... kurz umspielte ein schelmisches Lächeln ihre Lippen und sie drängte sich wieder an ihn, um zu vergessen, dass es bald Tag sein würde, dass sie einander dann nicht mehr gehören würden, und vor allem wollte sie ihn das Nahen des Tages vergessen machen. Wenn dies Liebe war, einmal alles beiseite schieben zu können und zu wollen, um sich nur auf einen einzigen Menschen einzustimmen, dann liebte sie ihn ohne Zweifel, ohne Hemmungen, ohne Furcht. Und als sie fühlte, dass er ihre Umarmung zu erwiedern begann und sein Körper neuerlich zu Leben erwachte, hätte sie sich nichts besseres vorstellen können und wollen - und während der Morgen graute, gab es zumindest zwei Menschen in Rom, denen das ganz und gar egal war.

    Es war wie ein Rausch, ein Wirbelstrom der Gefühle, der über einen Menschen hinwegbranden konnte, um einen dann vollends mitzureißen und vollkommen mitzunehmen. So und nicht anders stellte Cadhla für sich die Wahrheit über dieses körperliche Beisammensein fest, denn auch wenn sie sich nun seltsam matt fühlte, war sie doch unendlich zufrieden, als könnte zumindest jetzt nichts mehr geschehen, das sie unglücklich machen würde. Die Welt war für die Keltin in Ordnung, sie lag ganz nah bei Ursus, fühlte die Hitze, die sein Körper abstrahlte, hörte seinen langsamer werdenden Atem, konnte tief in ihrem Leib den Nachhall der gemeinsamen Leidenschaft wahrnehmen und jenen winzigen, noch immer vorhandenen Schmerz ob der ungewohnten Bewegungsabäufe und war damit vollkommen zufrieden.


    In diesem Moment hätte sich für ihren Geschmack die Zeit ins unendliche ausdehnen können und sie hätte es nicht einmal bemerkt, sondern wäre wahrscheinlich glücklich verhungert und verdurstet. Wenn nur er bei ihr war. Sie schmiegte sich langsam an ihn an, in seinen Arm, und er war auch der erste Mensch, bei dem ihr diese Nähe nicht unangenehm war oder falsch vorkam. Richtiger hätte es nicht sein können - nun, abgesehen von ihrem Sklaventum und der Tatsache, dass sie bald abreisen würde, um ihre Ausbildung zu verfeinern.


    Sollte sie wirklich gehen? Durfte sie gehen, jetzt, da sie einander ganz gehört hatten, da er ihr dieses unbändige Flattern im Bauch beschert hatte, dieses Emporbrennen, welches sie noch immer nicht so recht mit Worten fassen konnte? Langsam fuhr sie mit den Fingerspitzen die Wange Ursus' nach und betrachtete ihn lange, als müsste sie sich dieses Bild für eine Ewigkeit einprägen. Er war ihre erste Liebe, eine Liebe, die doch gesiegt hatte, obwohl sie versucht hatte, ihm aus dem Weg zu gehen, ihn zu vergessen und aus ihrem Herzen zu verbannen. Und nun lag sie in seinem Arm und schämte sich nicht einmal dafür, konnte nichts falsches daran finden, bei dem Mann zu sein, für den sie so vieles empfand.


    "Ich Dich werde vermissen," flüsterte sie leise, aber es war auch das einzige was sie sagen konnte, jedes Wort schien nicht genug Gewicht zu besitzen, um wirklich auszudrücken, was sie meinte und was sie ihm sagen wollte. Es war so ungerecht, dass es für sie beide keinen Weg geben würde, der glücklich enden konnte, dass sie so sehr voneinander getrennt waren, obwohl sie doch gleich fühlten. Aber was blieb ihr, ausser es zu akzeptieren, als mit dieser Ungerechtigkeit zu leben? Lieben würde sie ihn, und nur ihn ...

    Zum ersten Mal konnte Cadhla Stuten verstehen. Rossige Stuten, um genau zu sein. Sie hatte zwar noch nie zuvor einen Mann in sich gespürt, aber der Drang danach, ihn ganz mit sich vereint zu wissen, war trotz ihrer Unerfahrenheit entstanden und von Augenblick zu Augenblick gestiegen, bis die Anspannung fast unerträglich wurde. Im Grunde musste es mit den Stuten dasselbe Prinzip sein, nur dass die Menschen dabei eben noch die Liebe hatten - oder, wenn sie sich an Sivs Worte erinnerte, war nicht einmal diese wirklich entscheidend. Aber ganz so sehr an das alleinige Prinzip Lust konnte sie sich nicht gewöhnen, und dafür blieb auch gar keine eit, dafür waren ihre Sinne zu angespannt, zu sehr auf Ursus ausgerichtet, zu vereinnahmt von dem, was er tat und dem, was er zu tun im Begriff war.


    Geschmeidig war er über sie geglitten, dann empfing sie ihn, wie schon viele Frauen einen Mann empfangen hatten, und der Schmerz pochte für einige Momente lang merklich an die Tür ihres Unterbewusstseins, wurde aber genauso gekonnt ignoriert wie eine Pfeilwunde oder sonstige Blessuren auf dem Schlachtfeld. Ein gewisses Zusammenzucken konnte sie dennoch nicht unterdrücken, aber ihre Finger bedeuteten ihm schnell, einfach weiter zu machen, nicht darauf zu achten, sie wusste, dass es irgendwann aufhören würde zu schmerzen - und dann, als er sich weiter bewegte, sich Mühe gab, ihren Empfindungen entgegen zu steuern und sie langsam, aber sicher wieder zu erwecken, wurde ihr auch der letzte Rest dessen klar, was sie sich zuvor noch über das zwischenmenschliche Zusammensein ausgemalt hatte.


    Und auch, warum es Spaß machte, wie Siv gesagt hatte. Beider Körper bewegten sich im Gleichtakt, einer Wellenglut gleich, die sich stets gegenseitig aufs Neue anzufachen imstande war, und als ein Seufzen über ihre Lippen glitt, war es eines der Erregung, nicht mehr des Schmerzes, ihre Hände legten sich auf seine Hüften, bedeuteten ihm, schneller zu werden, dann schlossen sich ihre Augen und sie genoss es einfach, ihn zu fühlen, ab und an von einem winzigen Stich Schmerz daran gemahnt, dass dieser Ritt ihr allererster war und sie es nicht übertreiben durfte. Sie verlor den Zusammenhang mit der Welt, ihre Wahrnehmung konzentrierte sich nun allein noch auf sein Atmen, seinen sich bewegenden Leib, das Echo, das sein Rhytmus in ihrem Körper hinterließ, immer wieder aufs neue befeuert, und es hätte ewig so weitergehen können, dieses unbändige Kribbeln, das mehr zu werden schien und sich nicht fassen lassen wollte ...

    Die Keltin streckte den Arm aus und berührte Sivs Schulter, drückte diese kurz, aber merklich und richtete sich dann wieder auf, um ihr ins Gesicht zu blicken. "Du mir nicht danken müssen, Siv. Manchmal leichter ist, wenn man kann sprechen über Dinge, die man hat in Kopf, und dann man sieht klarer, was ist Weg und was ist wichtig für selbst. Wenn Du mir danken, dann ich Dir auch danken für können sprechen mit Dir über Dinge, über die ich muss denken seit ich bin hier und bin Sklavin von anderem Menschen." Sie lächelte die Germanin aufrichtig an - und mit keinem Menschen in Rom hatte sie sich so verbunden gefühlt bisher. Hätten sie im selben Stamm gelebt, wären sie wahrscheinlich schon als Kinder Freundinnen gewesen und hätten sich sicherlich auch diese kleinen Geheimnisse erzählt, die Kinder so gern teilten - das Wissen um eine geheime Höhle, Gekicher über irgendeinen sich peinlich benehmenden Jungen und ähnliches. Hatte sie überhaupt in den letzten Jahren eine Freundin gehabt? Jetzt, da Cadhla dieser Mangel erst wirklich bewusst wurde, ahnte sie auch, was sie verpasst hatte, was sie vielleicht niemals wieder zurückbekommen würde. Ja, als Schildmaid lebte man mit vielen Entbehrungen, und ein Mensch, der einen begleitete, war vielleicht die schlimmste Entbehrung von allen.


    Als Siv von der Abhängigkeit in der Liebe sprach, nickte Cadhla leicht und seuftze dann. Im Grunde war es das ja auch. Man konnte sich davon nicht unbedingt befreien, man hatte den anderen Menschen stets präsent vor Augen, man dachte automatisch immer wieder an eben diese Person, ohne dass man es wirklich wollte. Aber war es so schrecklich? Blieb man nicht in anderen Entscheidungen doch frei? War es besser, nicht zu lieben, diese Sehnsucht nicht zu kennen, das angenehme Kribbeln, wenn der andere nahe war, nur um vollkommen frei und unabhängig zu sein und zu bleiben?
    "Ich weiss wie ist Leben ohne gehören zu irgendeinem Menschen sonst und es ist einsames Leben, Siv. Auch wenn Liebe Dir macht vieles nicht leichter und vieles noch schwerer, es ist doch schön ist in manchem. Wenn Dein Tag wird schöner, weil Du siehst ihn lächeln. Wenn Dein Herz gehen schneller weil er sprechen mit Dir. Wenn Du ihn einfach nur ansehen und fühlen besser und wärmer, dann es kann doch nicht sein vollkommen schlecht. Warum würden geben Götter Menschen Gefühl wie Liebe, wenn nicht wollen, dass haben schöneres Leben und Freude durch sein bei anderen?"


    Cadhla legte den Kopf schief und fügte dann, etwas nachdenklicher, an: "Ich Dir wünschen dass Du einmal hast Menschen, den Du kannst lieben und mit dem Du kannst leben um werden glücklich. Du hast verdient werden glücklich, auch wenn es nicht sein bei Dir zuhause." Eventuell hätte sie noch etwas angefügt, aber aus der Nähe des Hauses konnten beide eine unangenehm bekannte Stimme hören, Matho, der lauthals nach Cadhla rief. Die Keltin seufzte und rollte mit den Augen, andeutend, dass sie nicht gerade motiviert war, dem Gebrüll des lästigen und selbstverliebten Haushofmeisters Folge zu leisten.

    Das schwache Licht des Raums ließ die Schatten auf den Wänden wandern, und sein vom warmen Flackern einer einsamen Öllampe erhelltes Gesicht wirkte noch vertrauter und weicher als bisher. Das Licht ließ seine Augen schimmern, und Cadhla konnte fühlen, wie ihre kurz aufgeflackerte Besorgnis ob der vielen, sicherlich nun auf sie zukommenden Dinge von ihr abfloss wie das Wasser nach einem ausgiebigen Bad. Für ihn war es nicht bedeutend, wieviel sie wusste, viel wichtiger war, was sie beide miteinander entdecken konnten. Seine Finger hinterließen Spuren brennender Intensität auf ihrer Haut, und irgendwann hielt sie es nicht mehr aus, wand sich aus seinen Armen und streifte die tunica ab, die irgendwo auf dem Boden landete, dann glitt sie in seine Arme zurück und die Zeit begann, vor ihrer inneren Einschätzung zu fliehen.


    Es mochte Stunden dauern oder nur Minuten, dass sie sich gegenseitig zu erkunden begannen, zuerst behutsam mit den Fingerkuppen, den Handflächen über die Haut des anderen zu streichen begannen, um dann mutiger zu werden, sicherer in dem, was dem anderen gefiel oder gefallen könnte - Cadhla machte die Erfahrung, dass es sehr angenehm sein konnte, sich einfach nur berühren zu lassen, die Augen geschlossen allein auf das Echo der Beührungen in ihrem Inneren lauschend, diesen hingegeben.


    Und Ursus machte das wichtigste, das ein Mann bei einer unerfahrenen Frau machen konnte - er ließ ihr auch die Zeit, sich und ihn zu erkunden, das Neue in aller Ruhe zu erfahren. Wie sehr sie zu zittern begann, als seine Lippen über ihren Bauch glitten, hätt sie selbst nicht für möglich gehalten, aber zu erkennen, dass es ihm nicht anders erging, wenn sie es ebenso tat, und dass er auf sie so reagierte, wie sie es bereits bei einem anderen Mann gesehen hatte. Nur dieses Mal hatte sie keine Scheu, ihn zu berühren, sehr vorsichtig zuerst, als könnte sie ihm durch etwas zuviel Druck der Finger Schmerzen bereiten, und dann, ermutigt durch seinen Zuspruch, mutiger und neugieriger.


    Noch niemals hatte sie die Möglichkeit gehabt, einen Menschen so gründlich, so allumfassend zu fühlen und erkunden zu dürfen, ohne sich eilen zu müssen, ohne Scham zu empfinden, und nach einer halben Ewigkeit berührten seine Finger sie auch endlich dort, wo sie noch nie zuvor berührt worden war, ohne dass sie davor zurückgezuckt wäre, nein, sie hatte es sich sogar gewünscht, ohne es formulieren zu können, schnell atmend, die Wangen gerötet von der Erregung des Augenblicks. Das Lachen war verstummt, das sie geteilt hatten, und derselbe fiebrige und verlangende Glanz, der in ihren Augen lag, spiegelte sich auch in den seinen ...

    Cadhla lauschte Sivs Worten mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und hob schließlich eins der gezackten Blätter aus ihrem Korb auf, wohl das eines Ahornbaumes, und hielt es gut sichtbar vor sich. "Du sehen, dass Blatt ist komplizierter in Form als andere? Es gibt Blätter mit geradem Rand und welche die aussehen wie dies hier. Ich denken, dass es nicht ist wichtig, wie verschlungen ist Weg, wie anders Weg von dem anderer, wahrscheinlich haben jeder Mensch eigenen Weg. Aber alles ist wie es ist, und deswegen nicht sein schlechter als anderes. Nur eben anders. Wer nicht leben wie Du, erleben Dinge wie Du nicht kann sein wie Du und deswegen auch nicht verstehen. Also ich nicht denken, dass Weg schlecht, wenn ist schwierig. Du lernen viel mehr wenn haben nicht zu leicht." Das schien sie ernst zu meinen, denn die Worte klangen überzeugt und gewichtig - und nach einem kurzen Moment überreichte sie Siv kurzerhand das Ahornblatt. "Ahorn ist großer Baum, der wachsen langsam, aber sein dann lange Zeit stark und geben viel Schatten, wenn ist warm. Wenn du also sein wie Ahorn, dann sicher ist nicht falsch." Was Siv allerdings über ihre Erfahrungen mit der körperlichen Liebe und den Männern bisher berichtete, ließ sie wieder nachdenklicher werden, denn hier hatte sie ganz augenscheinlich eine riesige Wissenslücke. Beobachten und Erleben war eben niemals dasselbe.


    "Es machen jedenfalls ganz verrückt, weil fühlen so viel auf einmal," stellte Cadhla schließlich fest - wenn sie sich an Corvinus' Berührungen im Badebecken entsann und das in seinem Raum, stieg noch immer etwas innere Hitze in ihr auf. Konnte man danach so gieren, wie sie es von Siv beschrieben bekommen hatte? Selbst wenn es wehtat, es tat offensichtlich nicht weh genug, um damit aufzuhören, und dann sollte es ja Spaß machen. Sie hatte sich immer gewundert, warum so viele junge Paare ihres Stammes früh am Abend schon in ihren Häusern verschwanden, aber wenn sie Sivs Worten so zuhörte, wurde es mit der Zeit nachvollziehbar. Letztendlich war Liebe dabei wohl nicht entscheidend.
    "Du Dir wünschen, dass Du findest Mann, den Du lieben irgendwann?" fragte sie nach einer Weile der schweigenden Überlegung neugierig, denn eigentlich hatte es bisher nicht danach geklungen, als sei das für Siv besonders entscheidend. "Ursus sagen, wenn man sich lieben, dann ... körperliches Zusammensein ist noch schöner. Noch erfüllender auch für Herz. Ich natürlich nicht wissen, wie sein, aber es schwer fällt zu glauben dass sein genug nur zu haben Vergnügen. Auch wenn machen noch so viel Spaß."

    Cadhla fühlte sich, als könnte diese Augenblick ewig dauern. Nicht wegen seiner Worte, sondern wegen dem sicheren Wissen, dass in seinen Augen dieselben Worte standen, nur ungleich tiefer empfunden. Er hätte es nicht sagen müssen, und doch, die Kombination aus dem gesprochenen Wort und dem, was sie in seinen sanften Augen zu erkennen glaubte, war beruhigend und aufrüttelnd zugleich. Durfte sie von diesem Mann weggehen? Durfte sie ihren eigenen Weg suchen, wenn sie doch genau wusste, dass er in Rom war und sie vermissen würde?


    Aber diese Zweifel verblassten im Streicheln seiner Finger, in der Wärme seines plötzlich so nah wirkenden Körpers und die Welt wurde bedeutungslos. Wahrscheinlich hätten im gleichen Augenblick die Germanen Rom erobern können, sie hätte ihnen Glück gewünscht und sich nicht weiter stören lassen. Für einen flüchtigen Moment wünschte sie, dass Siv irgendwann dieses Gefühl der Leichtigkeit, der vollkommenen Richtigkeit erleben würde, das sie gerade durchströmte, aber dann verschwand auch dieser Gedanke aus Cadhlas Bewusstsein und machte allein Ursus Platz. Wenn so die Liebe war, dann war jeder Mensch ein armer Mensch, der dies nicht erlebte...


    Schneller ging ihr Atem, auch der Herzschlag schien ihr fast zu rasen, wie in einer Schlacht, ohne dass sie dabei Angst empfinden konnte. Sie wusste ja, dass es ein bisschen weh tun würde, und Schmerzen hatten sie schon lange nicht mehr geschreckt. Die Kriegerin in ihr wusste, dass Schmerzen vorüber gingen, und die junge, unerfahrene Frau in Cadhla war einfach wie gebannt von Ursus' Nähe, von seinem Geruch und den geflüsterten Liebesworten.
    "Ich habe, was ist Besonders, und nicht mehr wünschen als haben Dein Herz," flüsterte sie zurück, während sie mit ihm auf das Bett sank, sich das Haar um ihren Kopf schließlich ausbreitete wie eine kupferfarbene Aureole.


    Sanft erwiederte sie seinen Kuss, sich dabei an ihn schmiegend, damit die Nähe nicht enden würde, damit sie ihn so überwältigend auch spüren konnte, wie sie ihn tief im Herzen bereits bei sich wusste. Noch etwas kühl war ihre Haut, aber die Lippen waren weich und zart, und sie schloss die Augen, in diesen Kuss hineinsinkend wie in eine liebeolle Umarmung. Was würde nun kommen? Gleichzeitig aufgeregt und neugierig, übelief ihren trainierten Leib ein vages, kaum wahrnehmbares Zittern. "Du mir zeigen, was tun richtig," flüsterte sie, als sich beider Lippen für die Dauer eines Herzschlags trennten und blickte direkt in seine glänzenden Augen.

    "Man immer nicht das hat was man sich wünschen," sagte Cadhla leise, als er von seinen miserablen Finanzen erzählte. "Ich nicht haben Freiheit, und Du nicht haben Gold um mir schenken Freiheit. Und wir uns nicht haben, nicht auf lange Zeit. Man sagen könnte, dass Leben ist nicht gerecht, aber es eben so ist." Sie hob die Mundwinkel ein wenig an und folgte der Berührung seiner Finger mit einem vagen Lächeln.
    "Ich nicht werde glücklich sein ohne Dich, Ursus. Ich nicht gebeten darum zu lieben Mann, aber Götter mir schenken Liebe zu Dir sicher nicht ohne Grund. Wenn ich Dich nehmen mit mir in Herz, Du nicht wirst sein alleine und ich Dir schreiben. Und irgendwann kommen zurück zu kämpfen in Rom für gewinnen Freiheit und dann .. dann ..." Sie stockte kurz, schüttelte dann sachte den Kopf. "Dann ich werde sehen was tun, ich noch nicht weiss heute." Sie drückte seine Hand leicht und fuhr dann mit einem Finger seinen Handrücken entlang, langsam und zärtlich, ohne Scheu, ohne Zurückhaltung. "Ich weiss nun, dass altes Leben ist vorbei. Dass ich nicht mehr kann sein Schildmaid, dass nur ich kann tragen mit mir, was wirklich ist. Ich möchten dass Du beginnst mit mir neues Leben."


    Sie nahm seine Hand sanft zwischen ihre Finger und führte sie zu den Lippen, küsste jede Fingerspitze einzeln, bevor sie die Hand schließlich auf ihrer Brust ablegte und mit einer ihrer Hände bedeckte, so dass er die Wärme ihrer Haut, ja selbst den Herzschlag fühlen konnte.
    "Ich Dir will geben Geschenk, einziges Geschenk dass kann ich geben für Menschen, der mir bedeutet am Meisten von allen." Was das für ein Geschenk war, mochte die Geste schon selbst sagen, doch das Leuchten ihrer grünen Augen vollendete das Angebot noch mit dem, was sie empfand. In diesem Augenblick sollte es nicht schwer sein zu glauben, dass sie für ihn wirklich so empfand, wie sie gesprochen hatte. Doch es fühlte sich so stark an, so bedeutend, dass sie nicht leugnen konnte, nicht leugnen durfte - und auch nicht mehr wollte. Dies war ihr neuer Weg.

    Sie hätte nicht sagen können, was sie an seiner Reaktion mehr schmerzte - die Tatsache, dass er ihr sagte, dass er sie liebte, oder die Tatsache, dass er dabei keinerlei Anstalten machte, irgend etwas an dem ändern zu wollen, was ihr bevorstand. Stattdessen sprach er nur von sich, dass er sie behalten wollte, dass er eigensüchtig war. Hatte sie sich mit ihren Gefühlen so in ihm geirrt? Aber wahrscheinlich kam es bei der Verliebtheit auch nicht darauf an, wie jemand war. Oder ob dieser Mensch perfekt war. Welcher Mensch war das schließlich schon? Sie selbst war es auch nicht.
    "Ich gehen fort, Ursus. Weil es ist einziger Weg um können leben. Du mich nicht kaufen von Corvinus, also ich müssen sein hier ewig als Sklavin von anderem. Du mir nicht können geben Freiheit, und Corvinus nicht wollen mir geben Freiheit, also ich werden müssen tun, was ich können um zu bekommen eigenen Willen zurück. Was würden Du tun, wenn sein Sklave? Du wollen ewig bleiben abhängig von anderem Mensch und Launen? Laune kann sein heute gut und morgen auch, aber übermorgen ... man niemals weiss. Und Du wissen so gut wie ich, dass wir nicht haben Zukunft die ist gemeinsam. Du immer wirst sein Römer und ich immer werde sein Sklavin hier. Irgendwann Du haben Frau, oder andere Geliebte."


    Die Worte klangen tonlos, aber ein Hauch der Traurigkeit, die sie in den letzten Tagen gefühlt hatte, kehrte darin ebenso zurück. "Ich wissen nun dass ich nicht können sehen Dich mit andere Frau. Ich nicht wollen sehen, dass Du lächeln zu anderer Frau. Es wird früher oder später nur sein Unglück für mich, und dann ich werde Last für Dich und Last für meinen Herrn. Und Last man wird in Rom gerne los. So ich nicht will beenden Existenz." Cadhla atmete leise ein und seufzte dann, während sie den Kopf hängen ließ. "Ich mich habe entschieden zu sein bei Dir diese Nacht, weil ich bald fort sein. Ich nicht weiss genau, wann, aber es wohl ist bald. Also besser sein bei Dir heute als sein bei Dir morgen, und dann reisen ab morgen mittag und dann nicht sein bei Dir ..." Sie hob die Hand und strich über seine Finger, aber der Blick blieb gesenkt, als hätte die geballte Last ihrer Gedanken es geschafft, sie niederzudrücken.

    "Deswegen ich hier. Ich vielleicht bald nicht mehr hier, weil gehen an Schule von Gladiatoren für lernen Kampf besser um kämpfen gut für Freiheit. Dominus hat gesagt wenn ich kämpfen gut, dann er mir geben Freiheit wenn ich verdienen, und das ich muss tun um sein wieder Mensch mit eigenem Willen," sprudelten die Worte mit einem Mal hervor, als hätte er eine Quelle angezapft, von der beide nicht zuvor gewusst hatten, dass sie überhaupt existierte. "Ich nicht sicher ... ob ..richtig, dass ich wollen sein bei Dir. Deswegen ... machen Bogen um Dich. Du hoffentlich verstehen. Ich nicht kann tun und sein bei Dir, wenn nicht sicher, dass richtig." Ein vages, vorsichtiges Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie dies sagte, und gerade in jenem Moment berührten seine Finger ihre Haut, behutsam, zärtlich, sanft, so wie sie es sich in den vergangenen Nächten ausgemalt, wenn nicht erhofft hatte. Langsam legte sie die eigene Hand auf die seine und hielt sie, während er ihren Oberarm berührte - eine so schlichte, aber doch so vieles verratende Geste.


    Etwas rückte sie zu ihm, aber noch lange nicht nahe genug, dass sich beider Schenkel hätten berühren können. "Es alles neu ist, zu sein ... in Liebe zu anderem Mensch. Zu fühlen, was fühlen, wenn Du bist nahe. Zu fühlen Dinge, die sind fremd und eigenartig," flüsterten die geschwungenen Lippen der Keltin, und doch klang es sicherer, als hätte sie sich dieses Geständnis lange zurechtgelegt. Ihre Finger entließen seine Hand, dann erhob sie die ihre und strich ihm langsam über die Wange. "Ich nur weiss eine Sache sicher: Wenn ich werden Frau ganz, dann ich wollen dass Du sein bei mir, niemand sonst. Du mir hast gegeben Hoffnung und das ich nicht vergessen." Ihre ruhigen Augen suchten seinen Blick, versanken darin, als müsste sie niemals wieder aus diesem Raum herausgehen. Und insgeheim wünschte sie sich das auch, ohne es jemals offen zugeben zu wollen.

    Fast konnte Cadhla die Kühle der Mauern im Rücken spüren, aber sie drückte sich nicht an die Wand, auch wenn es beruhigender gewesen wäre - die Farbe der Wände war teuer und Matho hatte den Sklaven eindringlich eingeschärft, die Wände so wenig wie möglich zu berühren, wer Fingerabdrücke oder abgeschabte Farbe zu verantworten hatte, wurde hart bestraft. Cadhla war nicht ganz klar, wieso jemand so unbedingt stolz auf blutrote Wände sein konnte, aber es sah schon eindrucksvoll aus ... aus ihren Gedanken gerissen, blickte sie zu Ursus. Hatte er sie gerade wirklich zu sich gebeten, auf sein Bett? Sein Haar war ein wenig zerwühlt, die Tunika, die er noch trug, reichlich zerknittert, offensichtlich hatte er gerade geschlafen - und er sah so vertraut, so schön aus, dass es ihr im tiefsten Inneren weh tat und sie gegen den Drang ankämpfen musste, die Hand auszustrecken, um ihn zu berühren.


    "Ich ... ich gekommen um ..." Wieder setzte sie an, wieder wollten sich die Worte dem Diktat ihrer zitternden Seele nicht so recht beugen. Wie sagte man einem Römer, einem eigentlich fremden Mann solche Dinge? Jetzt wünschte sie inständig, sie hätte mehr über die Spielereien zwischen Mann und Frau erfahren, mehr gelernt, mehr kennengelernt auf ihrem Lebensweg der letzten Jahre. Dann traf sie einen Entschluss und schritt langsam in den Raum hinein, Schritt für Schritt auf ihn zu, bis sie sich schließlich mit einigem Abstand auf seine Bettkante setzte und ihn einfach nur anblickte. Es war kein Notfall, der sie zu ihm führte, viel mehr ein Gefühlsfall, und im schmerzlich bewegten Gesicht der Sklavin konnte er dies mit ewas Phantasie auch ablesen.
    "Ich ... ich wollen sein bei Dir. Wir nicht werden sein glücklich zusammen, aber Freundin mir gesagt ich soll genießen was ist, solange geht. Und das werden tun versuchen."

    Was nach außen drang, war nicht ermutigend - ein unwilliges Gebrummel, das nur einen Schluß zuließ: Ursus freute sich gerade nicht unbedingt über Besuch. Das fing schon einmal gut an, jetzt hatte sie sich schon weggeschlichen und war vermutlich nicht einmal willkommen. Aber jetzt war sie schon hier und einfach wieder abzuhauen kam für die Keltin nicht in Frage - es wäre nie in Frage gekommen, dieser Herausforderung wieder auszuweichen. So öffnete sie leise die Tür zum Schlafraum des Aurelius Ursus und glitt in den Raum hinein, schloss die schwere Tür wieder hinter sich und legte nahezu geräuschlos den Riegel vor. Letztendlich war sie noch immer eine Kriegerin, die gern auf alle Eventualitäten vorbereitet war, auch auf mögliche, unerwünschte Störungen, wenn gerade das Haus abbrannte oder sich mal wieder ein Mitglied der Familie hinterlistig aus dem Leben stehlen wollte. Bei diesen verrückten Römern konnte man nie wissen, woran man war, und sie traute den meisten Aureliern nach wie vor nicht über den Weg. Doch dann wurde ihr Blick von den Tatsachen abgelenkt, so gründlich, wie sie es bis vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten hätte.


    Er lag auf seinem Bett, entspannt ausgestreckt, und bot ein Bild, das sie hätte stundenlang ansehen können. Mit einem Mal war Cadhlas Kehle wie zugeschnürt und es steckte ein so dicker Kloß darin, dass sie spüren konnte, wie die Spucke auf ihrer Zunge wegtrocknete und ihr jeglicher Elan verlorenging. Sie konnte einfach nichts anderes sinnvolles sagen außer "Äh .." und "Ich ..", allerdings blieb es für einige endlose Augenblicke lang auch dabei. Was sollte sie ihm auch sagen, nachdem sie seine Nähe zurückgewiesen und ihm aus dem Weg gegangen war? Dass die Sehnsucht nun doch größer gewesen war als die Vernunft, als die seit vielen Jahren antrainierte Sicherheit und Selbstbeherrschung? Ihre Lippen bebten, und das Halbdunkel des Raumes verbarg gnädigerweise, dass auch ihre rechte Hand zitterte, wie immer, wenn sie nicht genau wusste, was sie tun und wohin sie sich wenden sollte. So blieb sie mit dem Rücken zur Tür gewandt stehen, blickte ihn einfach nur an und erwartete die ersten spöttischen oder abweisenden Worte wie ein Krieger, der den ersten Schlag in einem Kampf erwartete - denn kommen würden sie wohl unweigerlich.

    Die Nacht war längst hereingebrochen, und in der villa Aurelia war es, wie an jedem Abend, still geworden. Irgendwann war die Arbeit im Haushalt getan und auch die Sklaven konnten Ruhe finden, konnten sich von ihrem Tagewerk erholen und Schlaf finden. Nicht alle schliefen sofort, manche würfelten noch etwas beim schwachen Schein einer Talgkerze oder Öllampe, manche steckten miteinander unter der ein oder anderen Decke, andere schwatzten noch, aber irgendwann fand die hochherrschaftliche villa auch unter der Sklavenschaft eine gewisse Ruhe. Einige waren als Wächter zwar auch des Nachts wach, die Leibsklaven, welche in der Nähe ihrer Herren nächtigten, konnten auch jederzeit geweckt werden, wenn ihren Besitzern irgendein Bedürfnis einfiel, das gestillt werden musste - aber mehr als bisweilen durch die dunklen Gänge huschende, leise Füße vernahm man auch hier nicht, damit die Herrschaft nicht gestört wurde im Schlaf oder bei anderen Tätigkeiten.
    So fiel auch vorerst niemandem der schmale Schatten auf, der sich den Korridor entlangstahl, von einer kleinen Kammer in der Nähe des cubiculums von Aurelius Corvinus hin zum cubiculum des Aurelius Ursus.


    Dass dieser Schatten rothaarig und durchtrainiert war, verbargen die vielen dunklen Flecken gnädig, und auch ihr Vorankommen. Einmal musste sich Cadhla eng an die Wand pressen, aber dem an ihr recht dicht vorbeilaufenden Wächter fiel sie nicht auf - mit einem innerlichen Kopfschütteln dachte sie daran, dass sie unbedingt Corvinus empfehlen musste, das Training der Wächter zu verschärfen, jeder Mörder hätte hier eindringen und zu den Räumen der Aurelier vorankommen können, wenn die Instinkte der Wächter nicht geschärft waren. In diesem Fall allerdings war es ein Vorteil - und erst, als sie die Schritte nicht mehr hören konnte, schob sie sich weiter auf die besagte, allzu bekannte Tür voran zu.
    Als sie diese erreicht hatte, spürte sie ihr Blut in den Ohren pochen, denn sie war nervös. Wenn er nicht alleine war, würde sie sich eine gute Ausrede ausdenken müssen ... aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Sie hob die Hand langsam an und klopfte leise an die Tür zum Schlafraum des Aurelius Ursus.

    "Wenn Du fühlen, dass Weg für Dich richtig und Du nicht haben Zweifel, dann es nicht kann sein ganz falsch, was Du tun," sagte Cadhla sinnierend und lächelte dann etwas. Sie hatte zwar nicht wirklich die Worte verstehen können, die Siv in ihrer Heimatsprache gesagt hatte, doch glaubte sie zu ahnen, was die Bedeutung dessen gewesen war. Letztendlich waren die Worte auch nicht so entscheidend, vielmehr der Klang der Stimme, der Gesichtsausdruck - für einen kurzen Moment fühlte sie sich Siv sehr nahe, fast wie einer Schwester, mit der sie schon viele Jahre ihres Lebens geteilt hatte, und es war das erste Mal in den letzten Tagen und Wochen, dass sie sich in der edlen und herausragenden villa Aurelia ein wenig zuhause fühlte.
    Diese Nähe zu fühlen gab ihr etwas von dem zurück, was sie in ihrer Heimat hatte zurücklassen müssen, das Gefühl, sich auf sicherem Boden zu bewegen, die Grenzen dessen zu kennen, was man tat, und auch in dieser Vertrautheit zu sehen, dass man damit zufrieden sein konnte. Dass es etwas gab, das einem Menschen nicht genommen werden konnte, nicht einmal durch die Römer.


    Dass es ausgerechnet ein Römer war, der ihr eine ganz andere Welt eröffnet hatte, mochte sie sich dabei nicht einmal gerne eingestehen. Die Liebe zu Ursus hatte etwas sehr zwiespältiges, denn auf der einen Seite sehnte sie sich nach ihm, auf der anderen Seite wusste sie sehr genau, wie wenig Aussicht darauf bestand, jemals mit ihm glücklich zu werden, zu groß waren ihre Unterschiede, und mit ihr irgendwo hin fliehen würde er nicht, soviel glaubte sie zu wissen.
    "Es sich fühlt gut an. Warm. Als wäre Welt ... schöner. Wenn er lachen, ich muss auch lachen. Wenn er sieht an mich, ich mich fühle gut und richtig. Aber es auch ist ... mit Schmerz. Wenn er sieht an andere Frau, es tun weh. Wenn er sein ...dominus, ich mich nicht fühlen wie Frau die wird geliebt. Aber das immer sein wird und ich nicht weiss wie können ändern. Wahrscheinlich nicht können ändern alles."
    Sivs Erstaunen über ihre Jungfräulichkeit ließ Cadhla kurz auflachen. "Nein, ich nie gehabt Mann, ich Jungfrau. Wenn Du bist Schildmaid, Du niemals heiraten und niemals sein bei Mann. Es .. ich mich oft fragen ob ist schön. Manche Frau es mögen, manche nicht. Es tun weh?" Das klang nun zweifelnd und unsicher und enthüllte das ganze Maß ihrer Unwissenheit.

    "Du haben alles, Reichtum, Freiheit, Recht als Bürger, Ansehen, ein Heim mit vielen Sachen aus Gold, und doch Du nicht kannst leben glücklich," stellte Cadhla auf seine Worte über die Ehe hin fest. "Manchmal ich glauben, dass mein Volk leben glücklicher ohne sein reich und haben so viele Dinge, aber können wählen Menschen den lieben für leben an eigener Seite. Du sicher bist wichtiger Mann, aber Du nicht haben, was haben einfachster Mann auf Straße: Eine Familie mit Frau, die Du kannst lieben." Es klang recht sachlich, weder mitleidig noch höhnisch, sie stellte die Dinge einfach so fest, wie sie diese sah. Es war seltsam genug, dass er mit ihr überhaupt über solche Dinge sprach, hatte sie ihn doch, was persönliches betraf, bisher eher für unnahbar gehalten, letztendlich war dies auch nichts, was für ihre Tätigkeit von Belang war. Hatte er vielleicht einfach nur einen Menschen in ihr gesucht, mit dem er über diese Sachen sprechen konnten, die ihn bewegten? Für seine Familie musste er stark sein, das kannte sie nur zu gut. Und wer stark war, hatte zumeist niemanden, bei dem er auch einmal schwach sein konnte.


    "Ich gehört, dass Schule in Hispania ist beste. Gladia et Honor war Name von Schule, in Stadt namens Tarraco. Aber ich nicht bin sicher ob Worte sind richtig gewesen, die ich haben gehört." Vor allem war es ein sehr weiter Weg. Er würd darauf vertrauen müssen, dass sie nicht unterwegs entwischte und sich die Freiheit aus eigener Kraft zurückholte, und ob er dazu bereit sein würde, war sie keineswegs sicher. Wahrscheinlich eher nicht. Dass er Pferde nicht mochte, bestätigte er durch seine Worte, aber sie ging nicht weiter darauf ein. Nicht jeder Mensch war ein guter Reiter, und wenn er Pferde nicht mochte, würde er es wohl nie werden. Da sich die Römer ohnehin meist tragen ließen, war das für ihren Herrn wohl weit weniger ein Problem als für einen Mann ihres Volkes.
    Seine Hand klatschte leise auf ihren Oberschenkel, und unwillkürlich spannten sich die Muskeln an, eine instinktive Reaktion, die sie erst dann auflöste, als sie sich der Tatsache bewusst wurde, dass es scherzhaft gemeint war. Und dann ging ihr auch auf, wie sie die ganze Zeit auf seinem Schoß gesessen hatte - im Halb-bis-Dreivierteldunkel des Raumes erglühte sie rot und war froh darum, dass er es nicht sehen konnte. "Wein war gut, ich trinken gern noch Becher mit Dir. Aber vielleicht nicht auf Boden?"

    Konnte sie dies genießen? Seine Arme waren so stark, so angenehm, er hielt sie, als hätte er das immer schon getan, als sei dies der Zweck seines Lebens - als könnte sich beider Existenz in diesem Augenblick einzig und allein darauf beschränken, beieinander zu sein, und der Rest der Welt war im Grunde unwichtig geworden. Sie hörte seinen schneller werdenden Atem, wusste genau, dass sie ebenso schneller einatmete als zuvor, dass ihr ganzer Körper in Aufruhr war. So etwas hatte sie in dieser Intensität bisher noch nicht erlebt, dieses vollständige fortgerissen-werden aus allem, was sie gekannt hatte - in der Umarmung ihres Herrn hatte sie Anklänge davon empfunden, und doch noch irgendwie Abstand wahren können, aber bei Aurelius Ursus konnte sie es nicht. Alles in ihr sehnte sich nach ihm, sehnte sich danach, berührt zu werden, geküsst zu werden, mit ihm allein zu sein, beider Grenzen hinter sich zu lassen und einfach nur Ursus und Cadhla zu sein, die Augen schließen zu können und atemlos neues zu erkunden ...


    Seine Finger brannten geradezu auf ihrer Haut und sie regte sich für einige Momente lang gar nicht mehr, lauschte dem Echo der Empfindungen in ihrem Inneren nach, erstaunt, verzückt zugleich, um dann die Augen wieder zu öffnen, ihn anstarrend, als könnte sie es immernoch nicht ganz glauben, was gerade geschah. Und was sie fühlte, konnte sie zumindest jetzt eideutig einordnen - er empfand Lust, er wollte sie, wollte bei ihr sein, eindeutiger konnte sein Körper gar nicht seine Wünsche offenbaren. Konnte sie? Durfte sie? Seine Worte schienen wie aus einer anderen Welt zu kommen, erreichten sie zuerst gar nicht, bevor sie umso heftiger in ihr Bewusstsein einbrachen. Kaltes Bad. Abkühlen. Und sie fühlte plötzlich die Hitze in ihrem Körper, den Schweiß auf der Haut, von dem nur ein kleiner Teil noch vom Laufen und Klettern stammte, spürte seine Finger auf ihrer Haut, seine Erregung -


    Mit einem Rück löste sie sich von ihm, stemmte sich empor, bis sie kurz darauf vor ihm stand, als hätte sie ihn im Kampf niedergeworfen, zwang sich eine neutrale Miene aufs Gesicht und blickte herunter, wartend, dass er sich erhob. "Ein kaltes Wasser wohl besser ist nun," sagte sie leise, den Blick auf ihre Füße richtend. Was hatte sie getan? Was war sie im Begriff gewesen zu tun? Noch immer ging ihr Atem schnell, aber dieses Mal voller Erschrecken über sich selbst.