Zum Glück hatte der Schreiber ein gutes Gedächtnis, so dass er trotz der Länge des rhomäischen Namens nicht nachfragen musste, sondern beflissentlich in griechischen Lettern seine Entsprechung zunächst auf eine Wachstafel schrieb, um sie sodann an einen anderen schreiber kommentarlos weiterzureichen. Wer die Bewegung der Tafel verfolgen mochte, würde feststellen, dass sie ebenso wortlos, nur hier und da von einem kurzen Blick auf den Inhalt werfend, weitergereicht wurde, bis sie schließlich bei einem offensichtlichen Sklaven landete, der sofort in einigen Papyri zu kramen begann, schließlich den gewünschten herauszog und beides – Tafel und Papyrus – beinahe ehrfürchtig an einen sehr alten Griechen überreichte, der schließlich etwas tatsächlich einzutragen schien.
“Selbstverständlich verpflichtet sich der junge Manios Flavios Manii Filios Grakchos Minor, die Regeln des Museions zu befolgen. Insbesondere schließt dies einen tadellosen, dem Apoll und den Musen gefälligen Lebensstil ein. Unter den Akroatoi gibt es keine besseren und schlechteren, jeder ist als Bruder zu behandeln, gleich welcher Schicht er entstammen möge. Dies gilt auch für die – sehr wenigen – Judäer, die mit Zustimmung des Epistates trotz ihres Glaubens hier ebenfalls lernen dürfen.
Es ist strengstens verboten, Schriftstücke der Bibliothek aus dieser zu entfernen, und sei es zu den Unterrichtsstätten vereinzelter Lehrer oder in den Park, um in der Sonne zu sitzen. Auch werden die Bücher nicht einfach herausgenommen, sondern es wird einem der dort befindlichen Sklaven der Wunsch mitgeteilt, welches Schriftstück man zu lesen wünscht, und am Ende wird dieses Schriftstück dem Sklaven zum verräumen auch wieder zurückgegeben.
Selbige Regel entfällt selbstverständlich, sollte die Bibliothek erneut brennen oder ein Erdbeben erfolgen oder vergleichbare Umstände. In jenem Fall wird es als selbstverständlich betrachtet, dass sich alle Akroatoi an der Rettung der Bücher beteiligen.
Jeder Schüler kann jedem Lehrer prinzipiell zuhören, allerdings haben die Lehrer ebenfalls die Befugnis, Schüler abzuweisen oder fortzuschicken. Den Anweisungen der Lehrer ist Folge zu leisten. Gelehrt werden darf prinzipiell alles, auch kritische Themen wie die Frage nach der Existenz der Götter oder die Notwendigkeit einer Regierung. Allerdings behält sich der Epistates noch das Recht vor, sowohl Akroatoi als auch Lehrende vom Museion auszuschließen, sofern dies nötig erscheint.“ Allerdings war dies erst einmal nötig geworden, als Hegesias Peisithanatos von Kyrene seine Schüler reihenweise zum Selbstmord aufgefordert hatte. Dies war auch bei aller sonstiger Freiheit nicht mehr zu vertreten gewesen.
“Und aus aktuellem Anlass weise ich noch einmal darauf hin, dass das Feiern mit Alkoholika und Hetären auf dem Museionsgelände strikt untersagt ist. Insgesamt ist Damenbesuch auf dem Museionsgelände unerwünscht. Außer natürlich ein solcher von sittsamen weiblichen Akroatoi. Sich zu entblößen und auf dem Rasen Orgien zu feiern fällt ganz aus.“ Nach der letzten Feier der Akroatoi der Medizin hatten sie Tage gebraucht, um den Rasen draußen wieder in einen passablen Zustand zu versetzen. Wer hätte aber auch gedacht, dass angehende Ärzte sich selbst in solche Rauschzustände versetzen würden?