Beiträge von Tilla Romania

    Mit den angekündigten Esswaren und Getränken kehrte sie zurück, widmete Tilla Laevina vorerst keinen Blick und widmete sich dafür dem Eindecken des Tisches, den sie für das Essen ausgesucht hatte. Bei dem Anblick der Mahlzeit begann auch ihr eigener Magen zu knurren und daran zu erinnern, dass sie auch noch etwas essen musste. Laut und wahrnehmbar stampfte sie mit dem Fuß auf, wobei ihr Glöckchen klingelte. Essen ist fertig. gab Tilla Bescheid und sah sich um, wo sollte sie sich jetzt hinstellen?


    Den wörtlichen Faustschlag in den Magen von vorhin hatte sie noch nicht ganz verkraftet. Aber sie arbeitete daran ihn nicht zu persönlich zu nehmen. Tilla versuchte sich in die Lage ihrer Herrin zu versetzen, aber dies war schwierig, weil sie diese Sicht der Dinge noch nie versucht hatte. Langsam ging sie rückwärts gehend zur Tür zu ihrem Nebenraum, holte einen Hocker und setzte sich neben dem Türrahmen auf den Hocker. Also... wie war das mit der Sicht aus Laevinas Blickwinkel? Sie dachte schwer nach, kräuselte sogar die Nase und die Stirn und versuchte zugleich ihren knurrenden Magen zu ignorieren. IIhr fiel ein, was ihr unterwegs Zur Küche und zurück zu Laevinas Zimmer aufgefallen war. Flugs holte Tilla die Schreibtafel und begann erneut zu schreiben. Die anderen Bewohner dieses Hauses sind noch gar nicht lange wach, weil heute ein ruhiger Tag sein soll. Oder sie sind schon außer Haus wie immer zum Besuche bei anderne Familien machen oder Einkaufen in der Stadt. Ich kann dir Aurelia Priscas Zimmer zeigen, weil ich weiss wo sie schläft. Die erneut vollgeschriebene Tafel trug sie zu Laevina Sitzplatz, betrachtete die hässliche Kleidung und verzog keine Miene. Tilla war als Straßenkind wesentlich schlimmer angezogen gewesen...

    Und ob sie gelernt hatte zu gehorchen.. doch das hier zwischen ihnen war zu frisch, als das man schon die Grenzen kannte. Noch hatte Tilla die Chance diese auszuloten und nutzte diese auch. Dass Laevina ihr Widerspruch nicht gefiel, merkte sie an ihrer Miene. Und jetzt? Tilla zuckte mit den Schultern, setzte eine fragende Miene auf. Nein, sie wollte sich lieber nicht ausmalen, was Corvinus mit ihr angestellt hatte. Was er anstellen konnte, hatte sie bereits mit eigenen Augen an Fhionns Rücken gesehen. Stumm nahm sie die Tafel, begann erneut zu schreiben. Morgen wird der Morgen kommen, an dem ich daran denke dich zu wecken und nicht zu verschlafen. Beinahe hätte sie die Tafel fallen gelassen! Tilla starrte Laevina regelrecht an. Oh... wie wenig ihre junge Herrin wusste.


    Ich glaube nicht wegen dem Wecken sondern weil ich den anderen Herrinnen Aurelia Prisca und Helena sowie Duccia Clara zur Hand gegangen bin. fügte sie ihrem Geschreibsel hinzu und wollte die Tafel schon auf dem Boden ablegen, damit Laevina sie sich selber holte. Doch die saß ja nicht mehr ebenerdig sondern auf einem Stuhl. Tilla legte die Tafel mit einem leisen Knall neben ihr ab. Du bist ganz schön gemein! Was habe ich dir getan außer zufällig und gerade heute zu verschlafen? schleuderte sie ihr hitzig gebärdend entgegen. Tilla schnappte sich einen Wasserkrug und ging zur Türe. Herrin wünscht sicher frisches Trinkwasser und das Frühstück sowie warmes Essen. gebärdete die junge Sklavin in die Luft und verschwand. auf den Gängen. So, jetzt konnte sie nachdenken.. und vielleicht auch die Herrin Laevina. Die Tür zu den Schlafgemächern liess Tilla offen.

    Sie schüttelte den Kopf, runzelte die Stirne und stand noch einmal auf, diesmal aber um die Tafel aus der Truhe zu kramen. Wenn schon denn schon, nahm sie gleich das Bettlaken mit und legte es aufs Bett. Tilla kehrte zurück, ging zu den Fenstern und kletterte auf Laevinas Bett, schaute nach draußen. Tatsächlich.. es war schon längst hell. Sofort setzte sie sich hin, registrierte wie bequem Laevinas Bett war und begann zu schreiben. Ich habe gar nicht verschlafen. Ich werde normalerweise von den anderen Frauen im servitricuum geweckt. Du hast mir überhaupt noch nicht gesagt wie und wann ich aufstehen soll und so weiter. Erwartest du denn noch Schlimmeres? Und wegen gestern, das war reiner Zufall, dass du mich erwischt hast. Es hätte ebenso dominus Ursus oder dominus Corvinus oder domina Prisca sein können und die kennen mich länger als du. Tilla verliess das weiche Bett, reichte die Tafel an Laevina weiter und hielt im Raum umhergehend Ausschau nach bestimmten Dingen, wie einen Kamm oder einen Waschlappen. Nach dem Aufstehen kam immer das Waschen und Haarekämmen dran.. oder war das bei anders? Tilla hielt in der Wanderung durch das Zimmer inne, blickte Laevina mit schiefgelegtem Kopf forschend an.

    Honigkuchen? Gewürzkekse? Tilla war zur Stelle, als Ursus ihnen erlaubte sich aucn etwas zu nehmen und biss freudestrahlend in einen Gewürzkeks. Echt lecker! gab der kleine Irrwisch, der sich nun in ein putzmunteres Naschkätzchen verwandelte preis und verschlang noch ein Stück von der süßen Leckerei. Schmeckt es dir auch? fragte sie trotz dem vorangegangenen Missverständnis die Mitsklavin Caelyn und galoppierte ihrer Freude Ausdruck gebend um das Paar Laevina und Ursus herum.


    Mit roten Wangen und glänzenden Augen betrachtete sie die Stände, die Bettler und entdeckte ein paar bekannte Gesichter von Straßenkindern. Na! Mit denen musste sie auf jeden Fall die Leckerei teilen, teilte großzügig den Rest unter den wenigen Bekannten auf. Ein Stück Honigkuchen behielt sie für sich zurück, eilte erneut an den Passanten dem Paar hinterher. Sie hatte Aurelia Laevinas Aussage nicht mitbekommen, wunderte sich über deren Blick. Hm... vielleicht hatte der Blick nichts zu bedeuten. Das Naschkätzchen zwinkerte ungeachtet des ersten gemeinsamen Ausfluges zurück und biss genüßlich in den Rest Honigkuchen. Lecker! wiederholte sie, hob den Daumen nach oben.

    Rein oder raus... sie hatte die Wette gegen sich selbst verloren. Die jungen aurelii und die Tiberierin gingen doch noch raus und in die Stadt hinein. In ihren warmen Umhang sich gut einhüllend, trabte sie hinter den voranstrebenden Frauen hinterher. Die hatten es aber eilig, somit war Tilla ein wenig außer Atem als diese endlich stehen blieben. Puh, seufzte Tilla stumm und hockte sich auf die Stufen eines Hauses um ihr Schuhwerk neu an die Füße zu binden. Mit losen Bändern lief es sich nicht gut und außerdem brauchte sie ganz dringend neues Schuhwerk. Dieses alte und viel zu kleine Paar würde den Winter mit Ach und Krach überstehen oder überhaupt nicht. Tilla krümmte die schmerzenden Zehen ein, quetschte die Füße in die Sohlen und erhob sich mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht. Nun mal schauen, wie lange sie heute unterwegs sein würden, solange würde sie die Schmerzen aushalten müssen. Ach, da war ja ein bekanntes Gesicht. Tilla begrüßte Aurelia Minervina nicht, hielt sich im Hintergrund bei den anderen Sklaven von Aurelia Severa. Laevinas suchende Miene brachte sie dazu, zu ihrer jungen Herrin zu gehen und unauffällig in Minervinas Richtung zu deuten. Da ist wer aus dem aurelischen Hause. Tilla brauchte Münzen für neue Schuhe, wollte sie sich verdienen oder sie 'besorgte' sich selbst einen prallen Beutel.

    Wie es ihre Gewohnheit war schlief sie immer an der äußersten Bettkante. Laevinas Fu0ßtritt war nun wirklich nicht zu überhören! Vor Schreck purzelte Tilla aus dem Bett und verwickelte sich in der Bettdecke. Um sogleich nachsehen zu können, was dieser Tritt zu bedeuten hatte, versuchte sie halb schlaftrunken, halb hellwach, die Bettdecke loszuwerden und zugleich zur Türe zu gelangen.


    Knrrrrr.. machte die Tür beim Öffnen. Sie entdeckte eine jaulende Laevina auf dem Boden sitzend und einen Fuß fest haltend. Die Frau hatte sich ja schon wieder wehgetan! Diesmal aber war sie nicht in Ohnmacht gefallen. Oder würde sie noch in Ohnmacht fallen? Tilla seufzte, löste ihre Füße aus der zerknüllten Bettdecke, trabte zurück ins eigene Zimmer. Jedoch ging sie nicht zurück ins Bett. Nein, sie holte einen Krug Wasser und einen Lappen, den sie eintunkte. Hellwach war Tilla immer noch nicht eher liess der Schreck nach. Langsam hockte sie sich neben diejenige und wickelte das kühle Tuch um den offenbar wunden Fuß. So... das sollte jetzt kühlen! Ein weiteres Tuch tauchte in Tillas Händen auf, damit tupfte Tilla Laevinas Tränen aus dem Gesicht und versuchte ein tröstendes Lächeln zustande zubringen. Dass es längst hell war sowie sie beide verschlafen hatten, schnallte Tilla noch nicht.

    Die Berührung kam unerwartet. Stumm erwiderte sie aus dunklen Augen Laevinas Blick und trottete, die Truhe in den Armen tragend, hinter der Frau hinterher. Allzu schnell waren sie angekommen und ihr wurde sogleich gezeigt, wo sie nun 'wohnen' sollte. Tilla sah zur geschlossenen Tür, blieb lauschend stehen bis keine Geräusche mehr von nebenan zu hören waren. Erst dann drehte sie sich um, nahm den neuen Schlafraum, indem sie fortan schlafen sollte, in Augenschein. Klein aber fein. Auf leisen Füßen ging sie zum Bett, stellte die Truhe dort ab und bezog das Bett mit ihrem Bettzeug. Es war ein gutes Gefühl ihre Sachen mitgenommen zu haben. Ob den anderen weiblichen Sklaven auffallen würde, dass sie nicht mehr bei ihnen schlief?


    Rasch zog sie sich um und die Nachtkleidung über und schlüpfte unter die Bettdecke. Die Wunde würde sie morgen säubern... jetzt hatte sie einfach keine Zeit dazu, weil sie nachdenken musste. Gut, sie hatte sich wenigstens etwas wehgetan doch noch war Galle und Bitterkeit in ihr drin. Tilla zog die Bettdecke überm Kopf, kauerte sich darunter zusammen. Was für ein Gefühlschaos... sie weinte sich in den Schlaf. Im Nebneraum von Laevinas Gemächern herrschte erst nach einer ganzen Weile tiefe Stille. Weil Tilla erschöpft von dem Tag davor war und der Begegnung mit Laevina, verschlief Tilla prompt den Beginn des neuen Tages. Im anderen Schlafraum dagegen wurde man von den Geräuschen der anderen Mitsklavinnen aufgeweckt. Die Stille im Schlafraum 'sagte' Tilla, dass sie ruhig weiterschlafen konnte.

    Wenn sie heute noch wie alle anderen Menschen ganz normal sprechen könnte, dann hätte sie ganz bestimmt erwidert, dass Laevina weinte. Aber sie konnte heute nicht mehr sprechen, weil ihr die Stimme weggenommen worden war. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie auf und Laevina an und zuckte schließlich mit den Schultern. Die Ältere wollte immer noch nicht, dass sie das Messer besaß und an sich nahm. Sie nahm es sogar an sich, hielt es nun fest.


    Tilla wusste, wenn sie sich jetzt in Laevinas Richtung bewegte, würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit den bisher ausgebliebenen Ärger bekommen. Und wie ein solcher Ärger aussah, wollte der kleine Irrwisch nicht wissen.. besser noch gar nicht oder überhaupt nicht wissen. Wie gewohnt spitzte sie die Ohren, lies sich den Vorschlag durch den Kopf gehen, nickte kurz. Naja.. wenn sie mehrmals drum bitten würde, würde Laevina es bestimmt vergessen zurückzufordern... oder sie gab vor, dass sie es verloren hatte. Dann würde das Messer in Vergessenheit geraten und wieder ihr alleine gehören. Jetzt gleich mitkommen und ab sofort bei dir schlafen?? Na gut, mir bleibt nichts anderes übrig. Ich bin für dich ein Geschenk und daß du mich erwischt hast war reiner Zufall. Ich werde besser aufpassen...


    Langsam rutschte sie vom Bett über die Kante zu Boden und packte die übrigen ihr gehörenden Sachen, die außerhalb ihrer Truhe sich befanden sowie das Bettzeug darin ein. Mit einem leisen Knall ließ sie den Deckel niedergehen, drehte sich zu der jungen Herrin um. Die Wunde schmerzte durch die viele Bewegung, aber sie war diesen Schmerz gewohnt. Aus dunklen Augen heraus betrachtete sie das Messer, schluckte hart. Bettzeug und Decke, Kleidung und Sandalen, Kieselsteine zum Schleudern samt Stoffreste, Walnüsse und Lederbänder, die eine oder andere Beute in Form von Münzen, eine selbstgebastelte Puppe beherbergte die hölzerne einfache Truhe mit der eisernen Schnalle. Mit einer Hand hob sie die liegengelassene Schneide vom Boden auf und behielt diese in der Faust. Genug Schritte trennten sie von Laevina, die von Tilla einmal mehr gemustert wurde. Und jetzt?!?

    Oh, wenn Tilla wusste, was Laeviona über sie und ihre Meinung dachte, hätte sie bestimmt nicht soviel von sich erzählt. Aber sie hatte schon auf die Tafel niedergeschrieben, was sie mit dem Selbstverletzen ausdrücken wollte, nämlich sich selbst erleichtern von dem was sie ganz arg beschäftigte oder bedrückte. Diese Art von Selbstverletzung mit dem Messer hinterliess tiefe Narben in ihrer Ellenbogeninnenseite und auf längerfristige Sicht musste sie sowieso bald eine neue Stelle am Körper suchen, wo sie weitermachen konnte. Niemandem war es aufgefallen oder man hatte sie nicht angesprochen. Tilla war schlichtweg anwesend und hatte die besondere Gabe immer da und dort unpassend reinzuplatzen, wenn sie eigentlich nicht sollte. Mit schiefgelegtem Kopf verfolgte sie Laevinas Kopfschütteln, runzelte die Stirn und wartete auf die nächsten Worte aus Laevinas Mund. Leider folgten keine Erklärungen zum Kopfschütteln... Und weil sie ihre Herrin sowieso schon aufmerksam musterte, entging ihr dessen schimmernde Träne nicht. Wieder zog sie die Tafel an sich und schrieb. Warum weinst du?


    Mit weiterhin schiefgelegtem Kopf sah sie Laevinas ganz genau an und zuckte als erste Reaktion hilflos mit den Schultern. Nein. du bist nicht bedroht, das habe ich dir schon geschrieben. Du stellst komische und ganz schön schwer zu beantwortende Fragen. Wie kann ich mir sicher sein?! Keine Ahnung. Und woher bloß soll ich denn wissen was heute sein wird und morgen auf mich oder uns zukommt? Das Messer wirkte verlockend auf Tilla. Sie war gestört worden.. von der bitteren Galle war noch nicht genug geflossen. Fest biss sie sich auf die Lippen. Tilla stand ruckartig auf und setzte sich auf ihr Bett, zog die Beine in den Schneidersitz, lehnte sich mit dem Rücken gegen die kalte Wand. Zumindest für diesen einen Moment war sie außer Reichweite des Messers und somit keine Gefahr für ihre Herrin. Mit gesenktem Kopf blickte sie auf die Notbandage und das eingetrocknete Blut.

    Gut, Laevina würde nichts zu Corvinus sagen. Wieder einmal atmete sie auf und nickte zufrieden dreinschauend. Ihre Herrin aber wollte nicht von dem Thema 'Messer' und 'Selbst verletzen' ablassen. Tilla zog die Tafel herbei, wischte alles weg und schrieb drauflos, noch während Laevina weitersprach. Das konnte sie gut.. zuhören und schreiben. Trotzdem... damit alles raus kann, tue ich mir weh von eigener Hand. Corvinus war bisher keiner von denen. Aber jetzt ist er einer von denen, weil er Fhionns Rücken wehgetan hat. Fhionn konnte sich nicht gegen ihn wehren, aber ich möchte mich gegen ihn wehren. Ich weiss nicht, ob er mich jetzt überhaupt noch beachtet, weil er mich inzwischen an dich weiterverschenkt hat. Fhionn hat einen wichtigen Mitsklaven getötet, der schlecht zu uns allen war. Vielleicht war der Mörder der Hausherr selbst, um die Schuld auf Fhionn zu schieben. Immer kommt es für die Kleinen ganz dick und die Großen schauen ganz unschuldig, halten uns alle für die bösen, obwohl wir rein gar nichts gemacht haben, um die Großen böse und ärgerlich und wütend zu machen. legte sie ihrer jungen Herrin ihr gesammeltes Wissen samt unsicheren Vermutungen und fixen Ideen dar.


    Die Herrin hatte aufgehört zu sprechen. In ihren Sätzen steckte die Forderung nach dem Messer. Tilla schüttelte vehement mit dem Kopf, verzog das Gesicht. Mein Messer. versuchte sie noch einmal klarzustellen. Den einen Versuch war es wert, um sich wehren zu können, wenn es ganz dicke kam. Mein Rücken sah genauso wie der von Fhionn aus, als ich damals heimlich geflohen bin. Die Narben auf dem Rücken und die Erinnerungen im Kopf werden niemals verschwinden. Nie! Zu keiner Zeit. Mit schwach zitternder Hand gab sie die Tafel Laevina zurück, erhob sich ein weiteres Mal, um zur Truhe zurückzukehren und das noch blutige Messer herauszuholen. Tilla brachte zudem ein sauberes Tuch mit, um das Blut, welches noch an des Messers Schneide hing, wegzuwischen. Ihr fiel noch etwas ein. Langsam gebärdete sie. Mir soll niemand mehr wehtun. Was ich erlebte, reicht für mein weiteres Leben. Du würdest dich auch wehren, wenn es gefährlich wird. Darum ist das mein Messer. Tilla legte das Messer zwischen sich und der Aurelierin hin... genau in die Mitte.

    Die Hand der anderen Frau hielt sie fest. Ohne wenn und aber liess Tilla es zu, weil sie Laevina als nicht wirklich stark einschätzte. Als früheres Straßenkind sammelte man so manche Kraft und sie hatte darauf geachtet, von eben dieser Kraft nicht all zu viel zu verlieren. "Ich möchte nicht, dass Du dich verletzt! Wenn dir etwas passiert, könnte ich es mir nicht verzeihen..." Tilla machte große Augen. Was denn? Laevina mochte es nicht wenn sie sich selbst verletzte? Dies war ihr gänzlich neu... dazu würde sie sich auch noch Sorgen um sie machen. Ein tiefer Atemzug verliess Tillas Brustkorb und ihre Hand drückte stärker auf die Wunde, damit diese nicht mehr so arg die notdürftige Binde vollblutete. Der nächste Satz aber zerstörte ihre Entspannung. "Du möchtest doch nicht, dass ich Corvinus sage, was Du mit seinem Geschenk anstellst?!" Sie hätte sich instinktiv losgerissen, fürchtete sich jedoch vor dem Ärger von der jungen Frau. Irgendwie war das verkehrte Welt... Langsam schüttelte sie den Kopf, zeigte ein 'C' an und deutete auf die eigenen verschlossenen Lippen, legte den Zeigefinger davor. Nicht sagen. wollte Tilla ihrer jungen Herrin mit diesen Gesten verständlich machen. Ihr ging auf, dass dieser stumme Kommunikationsweg nicht viel bringen würde, da sie beide sich recht kurz kannten.


    Ganz vorsichtig löste sie Laevinas Griff, tapste am Bett entlang zur Truhe und kehrte mit Tafel sowie weisser Kreidesteine zurück, um dann zu schreiben. Ich schneide mit Messer wenn alleine. Keiner da. Keiner sieht. Keiner kommt. Still und heimlich. Niemand fragt. Lust und Bitterkeit unwichtig für andere, wie Honig und Galle, wie süß und sauer. Nimmer Messer gegen dich legen. Du bist kein Mann. Nicht wie Corvinus, der Fhionn geschlagen hat. Niemand spricht darüber aber ich habe ihren Rücken gesehen. Fhionn hat gesagt, ich soll nicht vergessen. Das Wissen ist schwer auszuhalten. Alle sagen, niemand schlägt... und es wurde doch getan. Warum sie es ausgerechnet der jungen Frau erzählte beziehungsweise niederschrieb? Vielleicht weil es endlich rauswollte.. vielleicht weil sie weniger Galle in sich drin haben wollte?! Und weil sie nicht wissen konnte, dass die Verletzungen Fhionns in Wahrheit von Matho stammten. Alles nur ein Missverständnis oder war Corvinus tatsächlich ein Maskenträger?!? Niemals Messer gegen euch zeigen. bekräftigte sie nickend mit ernstem Blick, reichte Laevina die voll beschriebene Tafel.

    Die Herrin wachte auf... aber WAS bloß wollte ihr benebelter Blick ihr jetzt ohne Worte sagen? Tilla spritzte Laevinas Gesicht mit dicken Tropfen nass und hörte dann auf. Schliesslich hatte sie ja ihr Ziel erreicht, nämlich Laevina wachzukriegen... nur irgendwie schien die Betroffene sich nicht zu freuen sie wiederzusehen. Stumm, mit weit aufgerissenen Augen, während die Schnittwunde schmerzlich zu brennen anfing, erwiderte sie Laevinas Blick und folgte ihren Augen, als diese sich erneut ihrer selbst zugefügten Wunde zuwandte. Tja... wie es schien und so war, hatte Laevina Tilla bei einem ihrer Geheimnisse ertappt.


    Es würde Ärger geben, ganz sicher, aber der kam nicht... stattdessen kam der Herrin ein ganzer Satz über die Lippen. "Das Messer! Du kannst es nicht behalten!" Tilla sah zur Seite, lugte zur Truhe und kramte nach einer Antwort. Das ist MEIN Messer... es gehört nicht dir! beharrte sie mit knappen Gebärden, deutete auf die Truhe, tippte sich selbst auf den Brustkorb. Zuletzt deutete sie auf Laevina, schüttelte den Kopf. Nicht dein Messer. Das ist mein Besitz. Geschenk vom letzten Jahr von Corvinus. Tilla stockte. Mist... sie hatte verraten von wem sie es bekommen hatte. Eilig rutschte sie zurück, stiess mit dem Rücken gegen das Fußteil ihres Bettes und presste die Hand auf den notdürftigen Verband. Und darum ich es behalten kann...

    Langsam nur quoll der dunkelrote Blutropfen hervor, als ob er sich zieren würde an die Oberfläche zu kommen und das Licht der Welt zu erblicken. Tilla schnitt sich noch einmal mit dem Messer, erweiterte die Schnittstelle um ein kleines bisschen mehr, damit das Blut endlich floß. Erleichtert atmete sie auf, spürte den Schmerz und das dumpfe stetige Klopfen an der Schnittstelle. Das war wohl ihr kleines Herz welches sich gerade über die Mehrarbeit beschwerte. Stumm betrachtete sie die Bahn des dicken Bluttropfens, welcher begann Stück für Stück ihren Unterarm herunterzufliessen. Sie setzte die Schneide des Messers an die Schnittstelle, um noch ein bisschen mehr Blut herauszubekommen. Ein knarrendes Geräusch liess sie herumfahren.


    Aus großen Augen starrte sie Laevina starr vor Entsetzen an. Wie um aller Welt war Aurelia Laevina bloß hergekommen? Bestimmt nicht durchs Fenster sondern durch die angelehnte Tür. Die junge Frau und Herrin war die allererste höherstehende Person, die sie hier in diesen einfachen Räumlichkeiten aufsuchte. Und offensichtlich war dieser Besuch gerade dabei umzukippen. Tilla liess das Messer zurück in ihre Truhe gleiten, holte das Tuch heraus und verband die Schnittstelle ohne das bereits geflossene Blut abzuwischen.


    Noch im Aufstehen schnappte sie das eigene Kopfkissen, huschte los und platzierte es hinter Laevinas Rücken und Kopf. Nicht auszudenken, wenn die Herrin sich ausgerechnet hier verletzen würde! Tilla hetzte ein weiteres Mal los, holte den Krug Wasser, den sie nachts auszutrinken pflegte, kehrte zurück und bespritzte mit mehreren dicken Tropfen Laevinas blasses Gesicht. Sie versuchte zugleich das Blut mit den Zipfel ihres notdürftigen Verbandes vom Arm abzuwischen. Jetzt klopfte ihr kleines Herz noch schneller...

    villa | adventus auf leisen Sohlen


    Tilla kehrte zufrieden lächelnd in die Schlafräume der weiblichen Sklavinnen zurück und hockte sich vor die Truhe, die ihre wenigen Habseligkeiten beherbergten. Ja, hoffentlich gefiel der netten Aurelierin das Geschenk und hoffentlich würde Hektor bald vorzeigen, was er von seiner Reise mitgebracht hatte. Tilla öffnete die Truhe und verstaute das Tuch im Inneren der Truhe.


    Wie immer schwirrten viele Fragen und Gedanken durch ihren Kopf, die ihr keine Ruhe liessen. Insbesonders das Wissen, dass Matho tot war, Brix der neue majordormus und der Anblick von Fhionns malträtierten Rücken. Heftig weinend hatte sie vor der Truhe gehockt und sich gewünscht weit weit weg von diesem Dach zu sein.


    Außerdem vermisste sie den Sklaven Maron mit seinem Herrn Cotta. Es war schon äußerst seltsam, dass ihre wenigen Freunde aus Männern bestanden, dominus Ursus und dominus Orestes eingeschlossen, obwohl sie von Kindesbeinen an gelernt hatte Angst vor diesem Geschlecht zu haben. Diese Männer hatten ihr gezeigt, dass sie kein bisschen so waren wie ihr alter grausamer Herr. Seit sie Fhionns Rücken gesehen hatte konnte sie nimmer mehr so wie immer an Corvinus Seite stehen... was war bloß los mit ihm? Trug er eine Maske, die er fallen liess wenn er mit den älteren Sklavinnen alleine war und um dann sein wahres Gesicht zu zeigen? Hatte er sie deshalb an die junge Herrin Laevina verschenkt um ihr sein wahres Gesicht zu ersparen?


    Wer von den anderen Mitbewohnern bloss hatte ihm erzählt wie sie früher unter ihrem alten Herrn gelitten hatte? Die stumme Sklavin sah sich vorsichtig um.. immer noch war sie ganz alleine. Niemand verlangte oder rief nach ihr. Ihre Hand glitt in die Truhe, holte das Messer mit dem blauen Griff heraus, wog es in der offenen Handfläche. Langsam zog sie es aus der ledernen Hülle heraus, betrachtete die sauber glänzende Schneide. Was empfand sie bei diesem Anblick? Schmerzen und Leid... und der Anblick von Blut gehörte dazu. Irgendwann war sie abgestumpft. Mit einer schnellen Bewegung ritzte sie sich die linke Ellenbogeninnenseite, betrachtete den dicken Tropfen Blut der aus der Hautritze hervorquoll.


    Sim-Off:

    Wer mag?

    Hektor wollte nicht mit ihr mitkommen und sie selbst wollte nicht länger in der Nähe vom streng wirkenden und waltenden Corvinus stehen sondern ihren Auftrag endlich erledigen. Sonst würde Brix sie wieder foppen oder unwahre Geschichten erzählen... oder anderes.


    Tilla war daher schon fort, als Hektor rückwärts über die Kiste stolperte und nahm an, dass es einer von den Sklaven war, die diesen Krach veranstalteten. Sonst hätte sie die Aurelierin Prisca ebenso stürmisch begrüßt wie Hektor den Bartträger und Pferdeflüsterer.


    Auf leisen Sohlen betrat sie das Schlafzimmer der Herrin, begann die Laken auszubreiten oder besser mit ihnen zu kämpfen, bis diese glatt und sauber feststeckten. Während sie sich noch abmühte kam Soffchen dazu und erledigte den Rest. Tilla half wo ihr sie konnte und schaute einmal mehr zu, wie man ein Bett einer hohen Frau machte. Achja.. die Begrüßungsüberraschung fehlte! Flink rannte sie aus dem Schlafgemach zu den Sklavinnenunterkünften, holte etwas eingewickeltes aus ihrer Truhe und rannte den ganzen Weg zurück. Ganz außer Atem kehrte sie zurück. Das Schlafzimmer war leer und keiner zu sehen. Hm, wo stellte sie die Überraschung am besten auf? Am besten da wo Prisca immer ganz lange saß. Tilla wickelte die lange Kerze mit den eigenhändig eingeritzten Hasenbildern aus dem Tuch und stellte sie in eine tiefe Schale neben dem Schminkspiegel. Das sah gut aus... hoffentlich würde sich die ältere Frau über das Geschenk freuen. Mit einem zufriedenen Lächeln verliess Tilla die Gemächer..

    Caelyns Aussage über Zungen und Geschmack von Zitronen trafen Tilla. Sie senkte den Blick, sah zu Boden. Nungut.. Caelyn konnte nicht wissen, dass sie früher sehr wohl eine Zunge gehabt hatte, mit der sie alles erschmeckt hatte. Über dieses 'Früher' sprach sie ohnehin nicht gerne und weil jeder Bekannte sagte, sie solle endlich nach vorne schauen. Caelyns Entschuldigung erreichte ihre gespitzten Ohren. Immer noch zu Boden blickend, suchte Tilla nach Caelyns Hand und drückte diese sachte. Wie als ob sie Halt suchte in ihrer Betroffenheit über die Bemerkung der Älteren, liess Tilla ihre Hand in der von Caelyn ruhen. In Ordnung. Ich bin schon still. erwiderte sie gebärdend auf die anderen Worte. Tatsächlich still geworden trottete sie neben Caelyn her. Wegen mir? Wird dir wegen mir schlecht?? Erschrocken zog sie ihre Hand weg, entfernte sich von Caelyn und passte ihre Schritte Laevinas Schrittempo an. Mit hochgezogenen Schultern ging sie hinter den Erwachsenen her, fühlte sich kläglich.

    Der Mann, von dem Tilla annahm, dass er wie sie stumm sei, schüttelte den Kopf. Sie legte den Kopf schief, dachte nach und kam zu dem Schluß, dass er ihre Fragen verneinte. Diese Antwort war besser als keine Antwort. Caelyn wurde von der Aurelierin zurückgeholt und auch Chimerion musste weggehen. Tllas Aufmerksamkeit wurde von der Frau abgelenkt, die dazu kam. Das musste wohl diejenige sein, von der sie gedacht hatte, dass sie keine Füße hatte und sich deshalb tragen liess. Solche körperlichen Entstellungen oder Fußfehlbildungen gab es in den Armenvierteln. Aber dahin gingen sie ja nicht.. sondern Einkaufen. Tilla atmete tief ein und aus, hob die Schultern und senkte sie. Da der Streit vorbei war, konnte sie aufatmen. Mit einem verschmitzten Grinsen hockte sie sich nieder, liess die Kieselsteine zu Boden fallen und stiess sie mit der Fußspitze fort. Die Kieselsteine kamen bei Caelyns Fußwerk und dem von Herostrat zu stehen. Ob die Erwachsenen etwas bemerkt hatten? Unschuldig schauend stand Tilla auf, wischte fiktive Staubkrümel von ihrem Umhang und lugte aus den Augenwinkeln umher.