Beiträge von Chimerion

    Chimerions Kiefer mahlten langsam, als er das Wortgefecht der beiden mitanhören musste. Dieser Trautwini brachte es fertig und drohte unbekümmert. Als er Chimerion ansprach, zuckte dieser die Schultern. Was sollte ihm schon passieren? Er war ohnehin des Todes, wenn seiner Herrin etwas zustieß.
    "Ich weiß es, ganz ohne Zweifel," knurrte er zurück und ließ ihn nach wie vor nicht aus den Augen. Doch er blickte weit weniger girmmig zurück sondern entspannte sich. Hier war nicht der Ort und die Zeit, um über Leben und Sterben zu entscheiden, dafür würde es andere Gelegenheiten geben, mit weniger Zeugen, denn Chimerion vermutete noch andere Sklaven in der Nähe, die mit Trautwini gekommen waren.

    Die anfängliche Unsicherheit bei Chimerion war Wut gewichen. Was hatte dieser Kerl hier zu suchen? Und ganz offensichtlich versuchte er, seiner Herrin zu drohen. Er trat vorsichtig einen Schritt nach vorne und taxierte den Sklaven mit seinen Augen. Gespannt wartete er auf ein Zeichen von Celerina.

    Chimerion folgte dem Locken der Geliebten und schloss sie in die Arme. Er küsste sie leidenschaftlich, liebkoste diesen schönen weichen Hals.
    "Was ist eigentlich mit den anderen?", fragte er zwischendurch. "Wir sollten das hier geheim halten, oder?" fuhr er dann ein wenig atemlos fort. Ihre Schönheit war in der Tat atemberaubend, das dachte er jeden Tag, wenn er sie ansah.


    Das Klopfen riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Noch bevor er sich von Celerina lösen konnte, stand schon einer von Corvinus´Sklaven in der Türe und schaute wie von Iuppiter getroffen drein. Innerlich fluchte Chimerion wegen der Störung, gleichzeitig machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Würde dieser Mann seinem Herrn nicht alles erzählen?
    Er stellte sich ein Stück abseits, nachdem er Celerina losgelassen hatte. Alles weitere lag nun in ihren Händen und er beobachtete sie verstohlen aus den Augenwinkeln.

    Chimerion umarmte Celerina und drückte sie eng an sich. Er konnte nicht genug von ihr bekommen und trug sie auf seinen starken armen zum Bett. Sanft legte er sie nieder und küsste ihre Lippen.
    "Du hast die anderen fortgeschickt?", meinte er mit einem Lächeln. Er war die feindseligen Blicke der anderen Skalven ja bereits gewohnt, aber sie würden aufpassen müssen, dass ihr kleines Geheimnis nicht aufflog.
    Er blickte durch eines der Fenster, die hier großzügig bemessen waren und den Raum herrlich hell machten, eine Oase der Ruhe und Leidenschaft, ohne das ständige Kommen und Gehen von anderen Sklaven. "Es ist schön hier," stellte er fest und wünschte sich, die Zeit würde einfach stillstehen und ihnen noch etwas länger Aufschub gewähren.

    Chimerion hatte die meiste Zeit des Rittes hindurch geschwiegen und sich die Landschaft angeschaut. Die Via Ostiensis hatte sie innerhalb eines Tages nach Ostia gebracht, was auch der Größe der Gruppe zu verdanken war. Das schwerere Gepäck würde sicher erst am nächsten Tag eintreffen, so lange konnten sie sich in der Casa der Gens einrichten. Die Casa sah aus wie jede andere, dachte sich Chimerion missmutig, groß genug für eine kleine patrzische Familie mit endlosem Gepäck. Hier würden sie die nächsten Tage verbringen, so viel wusste er von Celerina. Bei der Ankunft war Chimerion froh, endlich aus dem Sattel steigen zu können. Er war langes reiten nicht mehr gewohnt, die Beine waren müde und sein Gang war ein wenig breitbeinig, als er die ersten Schritte machte.


    Als sie die Casa betraten war Chimerion überrascht, dass alles so sauber und ordentlich war, bis ihm einfiel, dass reiche Familien für unbenutzte Anwesen Verwalter und Wächter beschäftigten, die ihre Habe schützten und dafür sorgten, dass alles in tadellosem Zustand blieb. Er half beim freilegen der Möbel, bis er von Celerina den Befehl bekam, sich um die Pferde zu kümmern. Als er die drei Tiere in die Stallungen führte, stellte er fest, dass sogar noch Stroh und Heu da waren, in einigen Amphoren war noch Hafer zu finden, beinahe zu schade für die Tiere. Er striegelte und fütterte sie und füllte ihre Wasserkübel auf, sie sollten sich nach dem Ritt erholen. Einen langen Augenblick stand er da und schauten den Tieren beim Fressen zu. Er mochte Pferde sehr, sie waren stark und edel, zumindest in Dakien, auch wenn sie nicht mit den Pferden der Makedonen mithalten konnten. Diese römischen Tiere hingegen waren kleiner und ein wenig grobknochiger, sie schön zu nennen war schon beinahe gewagt. Als Chimerion sich schließlich losreißen konnte, wusch er sich noch kurz am Brunnen, der im Hof stand, schließlich wollte er nicht zu streng nach Pferd riechen, wenn er zu seiner Herrin ging.


    Er trat durch den Nebeneingang ein und suchte Celerina, die sich bereits eingerichtet hatte. "Hier wären wir, Herrin," sagte er völlig unverbindlich.

    Chimerion küsste sanft ihre Stirn. "Nein, DU bist bei MIR, Herrin, auch wenn ich nicht weiß, was dein Mann sagt, wenn er erfährt, dass du dich in den Sklavenunterkünften aufhälst. Sobald es mir wieder besser geht, werde ich meinen Dienst wieder aufnehmen, ich denke zwei oder drei Tage, dann brechen die Wunden nicht mehr auf", erwiderte er noch beiläufig. Ein wenig wehmütig blickte er sie an. "Ich kann mir alles nehmen? Ich habe doch alles was ich brauche.... Dich!!! Und was deinen Ehemann angeht- Der weiß nicht was er an dir hat. Oder er zeigt es nicht oder vielleicht kann er es nicht zeigen, ich kenne ihn zu wenig. Ich kenne den Sklaven eines reichen Händlers in Germania, der hatte immer mehrere Lustknaben, war aber schon dreimal verheiratet. Ich glaube seine Frauen starben im Kindbett oder an einer Krankheit, so genau weiß ich das nicht mehr. Jedenfalls musste dieser Sklave auch öfters seinem Herren beiliegen. Ich hoffe dein Mann verlangt nichts derartiges von mir," meinte er dann, den Faden weiterspinnend.
    Er mochte garnicht daran denken, dass er auch seinem Herrn zu Diensten sein musste, wenn dieser es verlangte.


    Als Celerina ihm sagte sie wolle weg, nahm er sie in seine Arme, hielt sie einfach so und genoss das Gefühl des Zusammenseins. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. "Du könntest doch verreisen.... Zu Verwandten oder Freunden, dann hättest du einige Tage Zeit für dich", schlug er vor

    Chimerion hatte seinen Tag missmutig begonnen, wie so viele in letzter Zeit. Immer mehr bekam er das Gefühl, der Ehemann von Celerina könne ihn nicht leiden und suchte nach einer Gelegenheit, den treulosen Sklaven loszuwerden. Nur Celerinas vehementer Einsatz hatte ihn vor dem Tode bewahrt. Die anderen Sklaven behandelten ihn entweder wie Luft oder sie bezeugten ihm heimlich Respekt, dass er die Flucht gewagt hatte. So oder so, er fühlte sich wie seine Herrin einsam in diesem Haus, auch wenn es unzählige Skalven zu geben schien. An diesem Morgen hatte ihm Charis die Nachricht überbracht, dass die Herrin einen kurzen Urlaub in Ostia wünsche und das der Aufbruch ohne viel Aufsehen von statten gehen sollte. Also hatte er sich das Gesicht gewaschen und sich angekleidet, hatte noch eine Brotkante aus der Küche geholt und war dann zum Eingang der Villa gegangen.
    Die anderen Sklaven warteten bereits, unter ihnen auch Charis und der neue Leibsklave von Celerina, ein Mann namens Phraates. Ein Parther, genau wie Cassim, dachte er, als er die ostländischen Züge des Mannes sah. Ob sie ihn auch gefangen genommen hatten? Er beschloss, zunächts einmal etwas Abstand zu halten, hatte seine Herrin seit neuestem doch einen gewissen Hang, parthische Sklaven genau zu beobachten. Hatte nicht der letzte Parther ihren Chimerion verführt zu fliehen. Leise seufzend stellte sich Chimerion in die Reihe und wartete auf das Erscheinen seiner Herrin. Das kleine Mädchen, das noch bei ihnen stand hatte er noch nie gesehen, vermutlich wieder eine neue Sklavin dachte er und grinste ihr verschmitzt zu.


    Als Celerina dann endlich erschien, beugte er gehorsam den Kopf und hörte sich ihre kurze Instruktion an. Der Parther war also ebenfalls ein Wächter, folglich hatte er schon einmal gekämpft. Er versuchte den aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. Statt dessen nahm er eines der Pferde am Zügel und wartete geduldig auf den Aufbruch. Was der Herr des Hauses wohl sagen würde, wüsste er von den Plänen seiner Frau? Kopfschüttelnd beschloss Chimerion, dass ihn derlei Dinge nicht zu interessieren hatten.

    Die Umarmung tat Chimerion gut, war es nicht nur ein Zeichen der Liebe sonder auch ein Zeichen dafür, dass Celerina ihm seinen Fehler endlich verziehen hatte. Erleichtert atmete er auf und wischte eine ihrer Tränen mit dem Finger weg. "Weine nicht, Herrin, alles ist gut", murmelte er in ihr Ohr, um sie zu beruhigen. Warum gingen ihm weinende Frauen immer so zu Herzen?
    Dann stockte er. War im das Wort Domina nicht schon wieder über die Lippen gegangen? Er würde sich zusammenreißen müssen, sie nicht mehr so zu nennen, wenn sie alleine waren und würde es wieder tun, wenn sie außerhalb ihres Cubiculums waren. Doch selbst wenn er es vergessen würde, könnte sie ihn immernoch schlagen, um den Anwesenden zu zeigen, dass sie keine frechen Sklaven duldete. Zumindest nach außen mussten sie den Schein wahren!!!


    "Ich danke dir, dass du mir die Freiheiten lässt, aber meine Bedürfnisse sind nicht sehr ausgefallen... Vielleicht ein oder zweimal im Monat in einen Lupanar und Geld? Was soll dich damit anfangen? Wenn ich mir die Freiheit erkaufen würde, wie würde es dann weitergehen?"
    Kopfschüttelnd setzte er sich auf und klopfte neben sich auf die Strohmatratze. Er hatte das Gefühl, Celerina würde für das was sie erzählen wollte jemanden brauchen, der sie auffing. Er zog seine Beine an und blickte ihr in die Augen.
    "Weißt du, ich denke dein Mann hat sich alle Mühe gegeben, aber ich dachte sowieso römische Frauen würden bei ihren ehelichen Pflichten an Rom denken und nicht an Liebe? Für alles andere hast du ja schließlich deine Sklaven... Oder zieht dein Mann dir Knaben im Bett vor?" fragte er vorsichtig. Er hatte einen Lustknaben gekannt, der reichen römischen Männern zu Diensten war und sich einige Privilegien dadurch erworben hatte. Alle nannten ihn nur Goldarsch, was vielleicht zutreffend war. Warum sollte sich ein Corvinus nicht auch einen Lustknaben halten? "Um Nachkommen zu zeugen wird es ausreichen, denke ich", spann er den Faden weiter.

    Ein wenig amüsiert blickte Chimerion seine Herrin an, als sie mit spitzen Fingern den Pisspott brachte, den die anderen Sklaven gelegentlich davontrugen und entleerten. Erleichtert versuchte er sich halb liegend aufzurichten. "Könntest du dich vielleicht umdrehen?" fragte er, denn er wollte Celerina nicht beschämen, indem er vor ihr Wasser ließ.
    Dann schob er den Schurz beiseite und entleerte sich unter wohligem Seufzen. Schließlich stellte er den Kübel neben das Bett und rückte seine Schurz wieder zurecht. Vorsichtig legte er sich wieder auf die Seite. Während er Wasser gelassen hatte, waren ihm die Gedanken nur so im Kopf herumgeschwirrt.
    Sie hatte von Freiheit gesprochen und dass sie ihn auch liebte. Ein merkwürdiger Glanz erschien in seinen Augen, als er antwortete. "Ich will dich doch auch, Herrin... Und ja, die Freiheit bedeutet mich viel, aber wenn ich frei bin kann ich dich nicht mehr sehen. Es geht nicht, dass eine Angehörige der Nobilitas mit einem Freigelassenen verkehrt. Mit Sklaven ist das anderes, ihr Römer seht Verhältnisse mit Huren und Skalven nicht als Ehebruch an...." Er atmete tief durch, die ganze Sache ging ihm an die Nieren. "Ich werde dich niemals verlassen, Celerina, nie wieder. Bitte verzeih mir meine Flucht, ich habe gemerkt, dass Roms Arm weiter reicht als ich dachte. Lass uns die Geschichte vergessen und ganz neu anfangen. Ich habe meine Strafe verdient und werde mich bessern, du sollst keinen Grund mehr zur Klage haben," meinte er ernst.


    Dann lächelte er. "Meine Eurydike, du siehst immer noch so wunderschön aus. Wenn auch ein wenig blass. Hast du dir meinetwegen solche Sorgen gemacht? Oder bedrückt dich noch etwas anderes?" fragte er.

    Dankbar nahm Chimerion das Stück Fleisch entgegen und biss herzhaft hinein. Die leichte Kost, die er erhalten hatte, stille zwar den Hunger und belastete nicht, aber sie war kaum nahrhaft. Der Geschmack explodierte förmlich auf seiner Zunge, die Gewürze schmeckten intensiv und unvergeleichlich. Es war gut am Leben zu sein. Kauend nickt er. "Ja, Essen habe ich bekommen, danke," sagte er und biss erneut in sein Fleisch. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen, verschwand aber wieder, als er das Gesicht von Celerina sah.
    Das Lügen hatte sie zwar ihr Leben lang geübt, doch ihre Züge waren traurig. Er beschloss, es auf sich beruhen zu lassen, zumindest vorerst. Vielleicht würde sie es ihm sagen, wenn sie bereit dazu war.
    "Nun... ich müsste mich entleeren, sonst habe ich alles was ich brauche," meinte er mit einem Blick auf den Nachttopf in der Ecke. Er lächelte. "Es wird schon wieder, es ist nicht das erste Mal, dass ich gezüchtigt wurde... Danke dass du mich verbunden hast, domina."


    Dann zögerte er, als sie nach dem Grund seiner Flucht fragte. Mit dieser Frage hatte er gerechnet, doch es schmerzte, sie so verletzt zu sehen.
    "Du bist wunderschön, das weißt du doch... Du bist die schönste Frau dich ich kenne..." seine Stimme klang belegt und es tat weh, sie so hillflos und voller Selbstzweifel zu sehen. "Es war ein schöner Traum, ein Sklave liebte seine Herrin und glaubte, dass sie ihn auch liebte..." Er seufzte tief. "Nein, ich habe dich immer geliebt, sofern ich das durfte. Ich habe es mir lange überlegt, dich zu verlassen, viele Nächte lang habe ich es mir überlegt. Schließlich war ich bereit, meine Liebe aufzugeben... schweren Herzens. Celerina, du darfst mich nicht lieben, ich bin nur ein Sklave und werde immer einer bleiben. Wenn es deinem Mann gefällt wird er mich töten lassen oder in den Steinbruch schicken. Liebe ihn, er hat es sicher eher verdient als ich," murmelte er. Wieder hatten sich die düsteren Gedanken seiner bemächtigt und sein Herz tat weh.

    Den Wein schmeckte Chimerion noch in seinem Mund, er war wunderbar herb auf der Zunge, er glaubte sogar die schwarze Erde zu schmecken, in der er gewachsen war und die Wärme der Sonne, die die Früchte schwer und süß gemacht hatte. Dankbar legte er sich wieder hin und dämmerte wieder dahin.
    Im Laufe des Tages schlief er viel, eine Sklavin kam hin und wieder, um zu sehen, wie es um ihn stand und seine heiße Stirn mit einem nassen Lappen zu kühlen. Als die Nacht anbrach fühlte er sich wieder ein wenig besser, die Wunden waren schon erträglicher, was sicher an Celerinas Salbe lag. Trotz allem war er ihr dankbar, sie hatte ihm das Leben gelassen, auch wenn er nicht wusste, ob sie aus Mitleid gehandelt hatte oder noch schlimmeres plante. Doch er erinnerte sich an die Tränen der letzten Nacht, die sie vergossen hatte. Sie schien zu leiden, weil es ihm schlecht ging. Das Gefühl der Zuneigung war noch genauso stark wie früher, Chimerion wünschte sich, sie als freier Mann kennen gelernt zu haben....


    Als es dunkel wurde, kam seine Herrin ihn wieder besuchen und er drehte sich auf die Seite. Seine Blase drückte und er hatte gehofft, die Sklavin würde noch einmal mit dem Eimer kommen, damit er sich erleichtern konnte. Doch der Eimer stand ein ganzes Stück weit weg und die Bewegungen waren noch immer schmerzhaft. Er spürte ihre Hand, die über seinen kahlen Schädel strich. Irgendwie fehlte etwas, die langen Haare waren ein vertrautes Gewicht auf seinem Kopf gewesen, das nun nicht mehr da war. Er fühlte sich trotz seines Lendenschurzes nackt und verwundbar.
    Ein Lächeln lief über seine Lippen. "Danke, schon ein wenig besser. Deine Medizin hat wahre Wunder gewirkt," entgegnete er und richtete sich so gut es ging ein wenig auf die Ellenbogen auf, damit er in ihr Gesicht schauen konnte. Sie sah müde und unendlich traurig aus. Wie gerne hätte er sie in den Arm genommen, sie getröstet und sie zumindest für ein paar Stunden ihr Gefängnis vergessen lassen. "Und wie geht es dir selber?" fragte er mit sanfter Stimme.

    Es schien Chimerion eine Ewigkeit, bis seine Tränen endlich versiegten, doch ein Teil des Schmerzes blieb, würde wahrscheinlich für immer bleiben. Der Balsam tat seinem geschundenen Rücken wohl, er konnte wieder durchatmen ohne allzu starke Schmerzen zu haben. Als er die Augen wieder öffnete, sah er neben sich seine Herrin sitzen, schluchzend und bebend. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie hereingekommen war, geschweige denn warum sie weinte. Er streckte seine Hand aus und berührte sie sanft am Arm.
    "Herrin, was ist mit dir?" fragte er mühsam. Tat ihr die Strafe leid? Genau konnte er es nicht sagen, doch es wäre möglich. Empfand die echte Celerina nicht auch Schmerz und Trauer, durfte es nur nicht zeigen? "Herrin, es wir alles gut, alles....alles", murmelte er. Da war wieder dieses Kratzen im Hals, die Trockenheit in seinem Mund. Und diese Müdigkeit....So müde.... Er schloss wieder die Augen und dämmerte vor sich hin.

    Die leise Stimme, die zu ihm Sprach, beruhigte Chimerion ein wenig, kurz darauf machten sich weiche Hände an seinem Rücken zu schaffen, er spürte zumindest etwas seine Haut berühren. Scheinbar war noch Gefühl in ihm, er konnte noch Dinge mit der Haut spüren. Er schluckte trocken und musste husten, was seine Pein noch verstärkte. Keuchend versuchte er Atem zu schöpfen, als der Schmerz wieder vor seinen Augen aufflammte, dieses mal tiefrot und sengend. Doch die Flammen wurde von der großen Dunkelheit verschluckt, die ihn wieder hinabzog.


    Lange schwebte er einfach nur dahin, losgelöst von seinem Körper und fühlte sich zum Ersten mal wieder frei. Landschaften zogen vor seinem inneren Auge dahin, er konnte Felder sehen, auf denen das goldene Korn wogte und geschnitten werden wollte. Er sah nackte Feldarbeiterinnen, die ihn lockten, mit honigsüßen Stimmen nach ihm riefen und zum bleiben aufforderten. Doch eine Feuerwalze fegte vor Chimerions Augen alles hinweg, verbrannte die sich wiegenden Leiber, versengten die Halme, ließ nichts weiter zurück als Asche und Tod. Er schrie, doch kein Laut kam über seine Lippen. Statt dessen wandelte sich die Landschaft, er war am Strand des Meeres, vor sich eine Hafenanlage, die vollgestopft war mit dreckig grinsenden Männern in Lederkleidung, alle bewaffnet mit Dolchen, die ihn verhöhnten.
    "Komm du Held, deine Freunde warten, Hannibal war nur der Anfang, wie kriegen euch ja doch alle... Deine Seele zu retten und deiner Freunde Zurückkunft, aber die Freunde rettest du nicht, wie eifrig du auch strebst, denn sie bereiteten selbst durch Missetaten ihr verderben..." So sprachen sie zu ihm und Chimerion wollte nur noch entfliehen. Er krümmte sich, wieder durchzuckte ihn Schmerz.


    Er kam langsam wieder zu Bewusstsein, spürte plötzlich eine angenehme Kühle auf seinem Rücken und hatte das Gefühl, als würde der Schmerz ein wenig nachlassen, lockerte ein wenig seinen Griff. Er fuhr sich mit der Zunge über die rissigen Lippen und hustete erneut. Seine Stimme wollte keinen Ton herausbringen, nur mit Mühe konnte er "Wasser" krächzen und hoffte, dass seine Mutter ihn hörte. Doch war es überhaupt seine Mutter? War diese nicht schon seit seiner Kindheit tot? Plötzlich ergriff ihn der Schmerz, nicht der seines Rückens, ein viel schlimmerer, tieferer Schmerz, der sich in seinem Innersten zusammenballte, sich seinen Hals hinaufdrängte und ihm den Atem nahm. Er glaubte ersticken zu müssen, als sich der erste trockene Schluchzer aus seiner Kehle löste, sein ganzer Körper zitterte und er konnte nicht glauben, dass seine Augen noch Tränen hatten, die ihm nun die Wangen herunterliefen, als er sich hemmungslos den Qualen hingab.

    Ich bitte alle Spieler, die mit Chimerion oder Brutus zu tun haben, meine unangekündigte Absenz zu entschuldigen, hatte die letzten Tage viel zuviel um die Ohren.
    Jetzt hat sich der Sturm ein wenig gelegt und mir etwas Freiraum verschafft zum einlesen und posten.

    Auf Befehl der Herrin hatten die beiden Sklaven ihre Last durch den Hintereingang der Villa hineingebracht, zu den Sklavenunterkünften. Der Gequälte hatte einige Male gestöhnt, sich aber kaum geregt. Immerhin schien er nach der Tortur noch am Leben zu sein, auch wenn der Verband einige blutige Spuren aufwies. Die Folterknechte hatten ganze Arbeit geleistet, fluchte der Träger, und nun durfte er die Last tragen. Trotzdem war er froh, dass er nicht selber auf der Trage lag und hoffte, dass ihm auch nie etwas dergleichen widerfahren würde.
    In einem kleinen Nebentrakt des Servitricuum stand ein einfaches Bett, der Raum hatte nur ganz oben einige kleine Öffnungen, um Luft und Tageslicht hereinzulassen. Die beiden Männer legten ihre Trage neben das Bett und jeder fasste an einem Körperende an. Gemeinsam wuchteten sie den schweren Körper auf das Bett, was nicht ohne Schmerzen für Chimerion ablief. Mit einem gequälten Schrei kam er zu sich, seine Augen füllten sich mit Tränen und er krallte sich in der Decke fest. Er lag auf dem Bauch, unfähig sich zu rühren, jede kleine Bewegung ließ Blitze in seinem Rücken und seinem Schädel explodieren. Wimmernd drehte er den Kopf zur Seite und verlor erneut das Bewusstsein.


    Lange glitt er durch die Dunkelheit und merkwürdige neblige Gestalten zogen an ihm vorbei. Er sah seinen alten Centurio, der in einer Sänfte saß und zusah, wie Chimerion ausgepeitscht wurde. Er lag mit seinem Herrn Cupidus in einem Bett, zerwühlte mit ihm die Kissen, bis sich Cupidus in Celerina verwandelte und ihn aufforderte, mit ihr nach Parthia zu fliehen, weg von ihrem Herrn Hannibal. Dazwischen immer wieder eine Gestalt an einem Kreuz, die ihm sagte, er dürfe nicht fliehen. Verzweifelt versuchte er mit einem Dolch die Gestalt vom Kreuz abzuschneiden, doch er konnte den Querbalken und die Seile, mit denen die Gestalt gefesselt war, einfach nicht erreichen. Er sah sich selber weinend am Stamm des Kreuzes sitzen und die Götter anflehen, sie mögen ihn ihn nehmen und nicht Hannibal...
    Dann veränderte sich der Traum, er glaubte etwas zu riechen. Rosenöl und etwas anderes, geheimnisvolles... Warme, zarte Haut, die ihn berührte. Er dämmerte dahin, unfähig zu erkennen, ob er wachte oder träumte. Ihm war heiß, einige Momente später zitterte er wieder vor Kälte und Fieber. Sein Rücken schien zu glühen und wellenförmiger Schmerz breitete sich aus, als der Verband gelöst wurde. Chimerion öffnete die Augen, konnte aber nur einen schwachen Lichtschein erkennen, bis er seinen Kopf unter Schmerzen drehte.
    Eine Gestalt war neben ihm, er konnte sie nur verschwommen wahrnehmen. Er versuchte zu sprechen, doch seine Zunge war geschwollen und klebte unangenehm an seinem Gaumen. Husten schüttelte seinen geschundenen Körper. "Bis....Bist...du das....Mutter", stammelte er schließlich hervor.

    Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte Batrax, einer der Custodes, der Sänfte nach, die mit der Flavia entschwand. Er bleckte seine gelben Zähne und meinte zu Glaucos, dem anderen: "Der feinen Dame hat es wohl die Sprache verschlagen... Hätte uns das ruhig überlassen können, wir hätten noch ganz andere Seiten mit dem Burschen hier aufziehen können. Das bisschen auspeitschen, das ist doch lächerlich. Ans Kreuz gehört er, nicht mehr und nicht weniger. Ich will immerhin auch ein wenig Spaß haben", meinte er sadistisch lächelnd. Das Gefängnis hatte ihn abstumpfen lassen und wenn der Herr es befahl, würde Batrax alles tun, foltern, quälen, töten. Das war eine Abwechslung, er war zusammen mit Glaucos für das Grobe zuständig und der Familie Flavia seit Jahren zu Diensten.
    "Alle verweichlicht, diese Römer, die hätten mal sehen sollen, wie bei uns in Arcadia Sträflinge abgeurteilt wurden... Das waren noch Zeiten," maulte Glaucos und löste die Riemen, mit denen Chimerion an dem Gestell hing. Batrax hielt die Arme fest, damit ihm der massige Daker nicht umfiel. Gemeinsam legten sie ihn auf eine behelfsmäßige Trage aus zwei Stangen und alten Lumpen. Batrax winkte zwei der verschüchterten Sklavinnen vorbei, die noch bei den anderen standen, mit großen entsetzensgeweiteten Augen. "Ihr, kümmert euch um ihn und seht zu, dass er nicht verblutet, die Herrin will ihn lebend!!" Dann machte er sich mit seinem Kumpan davon, um die Peitsche zu reinigen und überließ Chimerion den Händen der Frauen.


    Schnell untersuchten sie den gequälten Mann und holten rasch Verbände und Wasser, um die Wunden wenigstens ein wenig auszuwaschen. Chimerion stöhnte leise auf und regte sich, als der nasse Lappen seine Haut berührte, murmelte irgendetwas und war dann wieder ruhig, wahrscheinlich wieder ohnmächtig. Die Frauen wuschen ihn so gut es ging und legten einen behelfsmäßigen Verband an. Das würde nicht reichen, aber den Transport zur Villa Aurelia würde er somit wenigstens überstehen. Zwei Sklaven von Celerina kamen schließlich und hoben die Trage hoch. Vorsichtig und gebeugt unter der Last machten sie sich auf den Weg zur Villa Aurelia.

    Chimerion hörte die kurze Rede seiner Herrin sehr genau, alle seine Sinne waren zum zerreissen gespannt und er atmete tief durch, um seine Gedanken abzuschalten. Alles denken würde ihn nur noch mehr Schmerzen empfinden lassen, er musste versuchen, sich in die Tiefen seines Geistes zurückzuziehen, dorthin wo kein Schmerz vordringen konnte...


    Der Custos mit der Peitsche fasste den Griff fester, die geknoteten Schnüre hingen lustig baumelnd herab. Genüsslich lächelnd wog er das Folterinstrument in der Hand und holte zum Schlag aus, als Celerina das Zeichen gab. Zischend sausten die Schnüre durch die Luft und landeten mit einem trockenen Klatschen auf Chimerions Rücken.
    "Unus" zählte der andere Custos mit, dem diese ganze Vorstellung nicht minder Freude zu bereiten schien. Chimerion zuckte nur unmerklich zusammen, als der erste Schlag fiel und eine kleine rote Strieme hinterließ. Wieder holte der Mann aus.
    "Duo", erklang es es nach dem Klatschen.
    "Tres"
    "Quattour"
    "Quinque....Sex....Septem.....Octo....Novem....Decem".
    Die Schmerzen wurden schlimmer, bei jedem Treffer zuckte Chimerion zusammen, sein Rücken war voller tiefroter Striemen und er zischte leise bei jedem Schlag durch die Zähne. Noch hatte er sich unter Kontrolle, er wollte Celerina nicht auch noch die Genugtuung verschaffen, indem er schrie.
    Bei "Quindecim" platze schließlich die Haut auf und die Riemen hinterließen eine feine blutrote Linie. "Sedecim.....Septendicem....Duodeviginti.....Undeviginti..." Das Blut begann aus zahlreichen feinen Rissen zu fließen und Chimerions Rücken begann sich in Feuer zu verwandeln, jedes Zucken seiner Muskeln bereitete ihm höllische Schmerzen, als die nachfolgenden Schäge immer größere Verwüstungen anrichteten. "Duodetriginta....Undetriginta", zählte der Custos seelenruhig mit, als vom Verurteilten erstmals ein lautes Stöhnen zu vernehmen war. Sein Kopf schien leer zu sein, es existierte nur noch der Schmerz, dieser helle gleißende Schmerz. Die Kraft verließ ihn zusehends, seine Beine wollten das Gewicht des Körpers kaum noch tragen und knickten immer wieder ein. "Triginta septem.....Duodequatraginta.....Undequatraginta....Quatraginta..... Quatraginta unus". Das trockene Klatschen war einem feuchten Schmatzen gewichen, als die Riemen immer wieder auf Chimerions Rücken trafen und den Butfluss erhöhten. Das herunterlaufende Blut wurde begierig von der Tunika aufgesogen, auf der sich ein roter Fleck immer mehr ausbreitete. Dann wurde es schwarz um ihn herum, die Beine knickten ein und er verlor die Besinnung. Die Hand des Bestrafers hielt inne und der andere Custos fasste grob Chimerions Kinn und hob den leblosen Kopf nach oben.
    "Nicht schlapp machen mein Junge, du sollst den Spaß doch auch noch mitkriegen", meinte er grinsend und ließ den Kopf wieder fallen. Vorsorglich hatte schon einen Eimer mit Wasser neben das Kreuz gestellt. Nicht dass er auf die Idee gekommen wäre, den Verurteilten hinterher zu waschen, die meisten verloren nach dreißig harten Schlägen schon das Bewusstsein und der Spaß konnte schließlich nicht ohne sie weitergehen.
    Mit Schwung schüttete er Chimerion das Wasser über den Kopf, der prustete und langsam seinen Kopf schüttelte. Das Wasser brannte auf den Wunden, doch er kam halb wieder zu sich. Wieder stöhnte er laut und streckte die Beine durch. "Da bist du ja wieder," lachte der Custos und gab seinem Freund das Zeichen zum Weitermachen. Wieder sausten die Riemen durch die Luft und schnitten ins Fleisch. Die letzten drei Schläge bekam Chimerion nur noch am Rande mit.
    "Duodequinquaginta....Undequinquaginta....Quinquaginta." Dann wurde ihm wieder schwarz vor Augen, er hörte noch wie der Auspeitscher zu seiner Herrin sagte: "Genau fünfzig, Herrin."

    Ein wenig verstört war Chimerion von der Kreuzigung zurückgekehrt, die Ereignisse hatten sich ihm tief eingebrannt, der Ekel und der Kummer hatten ihm die Kehle zugeschnürt während des Sterbens des Freundes. Doch Chimerion war noch am Leben, ihm war wieder vor Augen geführt worden, wer die Macht inne hatte und wer an der längeren Leine saß. So war es nicht überraschend für ihn gekommen, als ihn zwei Sklaven aus dem Loch geholt hatten, in das man ihn gesteckt hatte. Nun würde er wohl seine Strafe erhalten.
    Auch wenn die anderen Sklaven es nicht zugaben, dass sie Angst hatten, er konnte es an ihren Augen sehen und an der Gewissenhaftigkeit, mit der sie ihre sämtlichen Aufgaben erledigten. Nur nicht auffallen und auf garkeinen Fall die Missgunst der Herren oder Herrinnen auf sich ziehen, die sich als harte und grausame Menschen erwiesen hatten.


    Als Chimerion den Platz betrat blendete ihn die Sonne, als er aus dem Schatten des Daches geführt wurde und seinen Weg zu dem Holzkreuz zurücklegte, das hier stand. Es wurde hin und wieder zur Bestrafung von Sklaven benutzt, aber in letzter Zeit war vermehrt Gebrauch davon gemacht worden, das sah man dem Holz an. In harten Zeiten waren harte Maßnahmen erforderlich, hatte sein früherer Herr ihm gesagt, wenn er ihn schlug. Während seiner Zeit bei den Flaviern hatte Chimerion zwar ein wenig von seinem Biss verloren, doch während seiner Flucht waren seine alten Lebensgeister wieder erstarkt. Nun hatte man seinen Stolz gebrochen, indem man ihn begnadigt und mit ansehen lassen hatte, wie Hannibal, der doch schon so gut wie tot war, auch noch gekreuzigt wurde.
    Was konnte ihm hier noch schlimmes geschehen? Vielleicht schlugen sie ihn zu Tode wie einen räudigen Hund, aber das machte nun auch nichts mehr.


    Die beiden Sklaven führten Chimerion zum dem Kreuz und stellten ihn nach einem Blick zu Celerina mit dem Rücken zu ihr hin. Grobe Hände zogen ihm die einfache Tunika von den Schultern und entblößten seinen muskulösen Oberkörper, der noch von Schrammen gezeichnet war. Der übrige Stoff wurde in den Gürtel gesteckt, damit sie zumindest einen Teil des Blutes auffingen, das sicherlich gleich fließen würde. Die Handgelenke wurden durch die Schlaufen gezogen und festgeknebelt, damit er sie nicht befreien konnte. Nun stand Chimerion da und konnte sie nicht einmal sehen. Er spürte ihre Blicke auf sich gereichtet und wartete. Einer der Sklaven hatte eine Peitsche geholt und stelle sich neben dem Verurteilten auf. "Er ist bereit, domina", sagte er schlicht und wartete auf ihren Befehl.