Es war Tibullus erste Seereise gewesen und er hatte beschlossen die Seefahrt zu hassen. Nicht das Meer, solange es ihm nicht viel weiter als bis zu den Knöcheln reichte mochte er das Meer. Tiefere Gewässer waren ihm jedoch schon immer unheimlich gewesen, was allein schon daran lag das er niemals schwimmen gelernt hatte, doch würde er nie wieder zu See fahren. Ihm wurde jetzt noch übel wenn er an das schwankende Deck zurückdachte, dabei lag seine Ankunft in Anxur schon ein paar Tage hinter ihm. Die hoch stehende Sonne schien seine Erinnerungen an stürmische Nächte an Bord einer winzigen, auf den Wellen tanzenden Nusschale von Handelsschiff Lügen strafen zu wollen.
Tibullus dachte jedoch gerne an seine Ankunft im Hafen von Anxur, schon von Fern ragte das Heiligtum des Jupiter über der Stadt in den Himmel und kaum von Bord überwältigte ihn die Flut neuer Eindrücke, so das er fast den ganzen Nachmittag, trotz gelegentlicher Nieselschauer, staunend durch die Gassen gewandert war. Im nachhinein bereute Tibullus seine Gedankenlosigkeit, denn sein Vermögen begrenzt zu nennen, wäre eine solch maßlose Untertreibung gewesen, das es die Götter wohl dazu gezwungen hätte, stehenden Fußes strafend einzugreifen. Nun, es wäre wohl auch kaum ein Mensch dumm genug gewesen soetwas zu behaupten, wenn er gesehen hätte wie Tibullus die darauf folgende Nacht verbrachte. Frierend in sich zusammengesunken, nur einen dünnen Umhang und die zugemauerte Pforte auf der Rückseite einer Taverne als Schutz vor Wind und Wetter.
Am nächsten Morgen war Tibullus froh darüber, das die Parzen für ihn wohl etwas anderes Vorgesehen hatten als auf See zu ertrinken, oder in einer Gosse erschlagen zu werden.
Nachdem er den Weg zurück zum Forum der Stadt gefunden hatte, ergänzte er seine spärlichen Vorräte um einen Laib Brot und etwas harten Käse. (Tibullus betrachtete den Käse lange und Misstrauisch, Schabspuren, von einem schlecht geschliffenen Messer weckten in ihm den Verdacht das der Verkäufer eine Schicht Schimmel entfernt hatte)
Die Sonne stand noch Tief als Tibullus eine breite, gepflasterte Straße erreichte. Dies musste die Via Appia Appia sein. In einen behauenen Stein waren Buchstaben verewigt worden. Er fuhr vorsichtig mit dem Zeigefinger die in den Stein gemeißelten Buchstaben nach und Verglich sie mit denen, die der Käsehändler in sein Mittagessen geritzt hatte. Von hier aus würde er zwei oder drei Tage nach Norden wandern müssen, nach Ariccia. Er freute sich auf die Stadt. An Bord des Schiffes hatte er erfahren im Umland von Ariccia ein hervorragender Wein angebaut wurde. Vieleicht reichte sein Erspartes für eine kleine Amphore. Tibullus brach die Via von der Appia und stopfte sich ein Stück Käse in dem Mund. Ein Schluck Wein würde den Käse auch erträglicher machen. Frohen Mutes und eine fröhliche Weise pfeifend, setzte er seine Reise fort, bald schon würde er Rom, das gigantische Zentrum des Imperiums sehen und seinen Vater, Lucius Terentius Galba, in die Arme schließen können.
Es war der Abend des dritten Tages, als er Ariccia erreichte und die fröhlichen Weisen waren längst einem mürrischen Brummen gewichen. Jupiter schien sich daran zu erinnern das er schlechte Laune hatte, denn es Blitzte und Donnerte fast genauso schlimm wie zu der Zeit auf See. Die erste Nacht hatte er Unterschlupf in der Bauruine einer Villa gefunden. Die Auftraggeber mussten sich anders entschieden haben, oder sie hatten schlicht ihre Finanzkraft überschätzt. Die zweite Nacht war er jedoch wieder dazu gezwungen gewesen unter freiem Himmel zu kampieren. Schweren Herzens entschloß er sich dazu einen weiteren Teil seiner Barschaft für die Übernachtung in einem Gasthaus und eine (diese Entscheidung war ihm wesentlich weniger schwer gefallen) Becher Wein zu opfern. Er sah sich nach einer geeigneten Gaststätte um und bald schon wurde er fündig. Lachen und Gesang drangen zu ihm nach draußen und lockten ihn, als säßen im Inneren des Hauses leibhaftige Sirenen. Tibullus trat ein.