Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Unexpektiert traf den Knaben die Vermeldung seiner Familiaren, dass augenscheinlich keiner persönlichen Anteil an den Spielen genommen hatte und somit lediglich despektierliche Kommentare vom Hörensagen offeriert wurden.
    "Woher stammt Duccius eigentlich?"
    , entfernte er sich derhalben vom Inhalt der Spiele hin zu ihrem Organisator, von dem er bereits diverse Informationen erhalten hatte und welcher durchaus Interesse erweckte, da sein Tonsor ihm doch berichtet hatte, dass es sich bei jener Person um einen Homo Novus handelte, der im Laufe des Bürgerkrieges nicht geringen militärischen Ruhm errungen hatte. Noch immer brannte auch der junge Flavius selbst für diese edelste der Bürgerpflichten, sodass er doch wünschte über diese Gestalt mehr zu erfahren, zumal einem Homo Novus stets eine gewisse Exotik anhaftete.

    Artig rezipierte der frischerkorene Mann die Gratulationen seines Neffen, den Kuss, welcher, wie es ihm durchaus bekannt war, sich zur Begrüßung wie zum Abschied in der Urbs nicht geringer Beliebtheit erfreute, andeutungsweise erwidernd, ehe er freudestrahlend, durchaus mit gewissem Vorwitz, das noch immer verborgene Präsent erwartete.


    Als es ihm dann enthüllt wurde, reichte er den noch immer in seiner Hand befindlichen Stylus weiter an Patrokolos und ergriff das Spielbrett mit dem Säckchen darauf, welche er umgehend identifizierte, da jenes Ludus Latrunculorum ihm bestens bekannt war, seitdem sein Vater vor unzähligen Jahren nach seiner Retoure aus Achaia ihm eben jenes Spiel zum Geschenk gemacht hatte und seithero nicht selten sich darüber mit ihm vergnügt hatte. Deplorablerweise hatte Manius Minor sich allerdings stets als der unterlegene Spieler erwiesen, weswegen die Lust des Knaben an der väterlichen Provokation sich recht bald gelegt hatte und er sich lieber dem Spiel mit diversen Dienern wie Artaxias oder zuletzt Patrokolos, aber auch seiner Mutter hingab, wo man ihm bisweilen einen Triumph vergönnte. Da sein altes Brett mit der geringen Kontrastierung der Feldeinteilung indessen nicht selten dazu geführt hatte, dass er seine Spielsteine unpräzis auf Linien platzierte, war jenes Exemplar mit seinen klaren Zeichnungen ihm höchst willkommen.
    "Oh, wie famos!"
    , kommentierte er somit, ehe er sich daran machte, das Präsent gänzlich zu inspizieren. Um das Etui der Figuren allerdings zu öffnen, bedurfte er, wie er nach einigen ungeschickt anmutenden Experimenten erkannte, beider Hände, weshalb nun das Brett an Patrokolos weiterzureichen war, der wiederum den Stylus ebenfalls in Händen hielt und somit darauf platzierte. Ob seiner Fehlsicht bedurfte es nun neuerlich einiger Augenblicke, ehe der Knoten an dem das Säcklein verschließenden Bande identifiziert und geöffnet war, doch dann endlich hielt der junge Flavius die Fische und Vögel in Händen, streckte sie von sich und reduzierte durch das Zusammenkneifen der Augen den Lichteinfall, was es ihm, wie er festgestellt hatte, bisweilen gestattete, einen Gegenstand in seiner Nähe mit schärferen Konturen zu identifizieren, sodass er auch in diesem Fall mit einiger Phantasie zu erkennen in der Lage glaubte, worum es sich handelte:
    "Formidabel, in der Tat! Welch famose Idee, jeden Stein individuell zu gestalten!"
    Dass dies keineswegs die Intention des Artisten gewesen war, entzog sich selbstredend der Kenntnis des Knaben, weshalb er nach der Stichprobe zweier überaus differenter Exemplare gleichfarbiger Spielsteine zu eben jenem Ergebnis gelangt war.

    "Oh, selbstredend nicht... muss es das nicht."
    , replizierte er prompt ob der Insekurität seines Neffen, denn obschon ihm selbst derartige Einkaufstouren durchaus ennuyant erschienen und er gehofft hatte, den heutigen Tag mit Impressionen eindrucksvoller Monumente zu füllen und nicht mit den zahllosen Düften, dem Lärm und der Enge von Märkten, so verstand er sich doch trotz des inzwischen durchaus beachtlichen Zeitraums, welchen die Milonen in der Villa Flavia Felix weilten, noch immer primär als ein Gastgeber, der, wie ihm die Epen des Homer ebenso wie das lebende Exemplum seines Vaters, seiner Mutter und zahlloser weiterer Aristokraten und Klienten (darunter nicht zuletzt das seines Gastgebers aus Cremona) der heiligen Pflicht zu gehorchen hatte, seinen Gästen jedweden Komfort zu bieten und kleinere Unpässlichkeiten gnädig zu erdulden.


    Und doch, da ihm die Differenzen zwischen den einzelnen irdenen Waren in der Auslage jenes überaus aufdringlich erscheinenden Krämers nicht im geringsten ins Auge fielen, zumal es in der Villa nicht dem Usus entsprach, derartige Gefäße bei Tisch zu verwenden, da das Tafelsilber aus familiärer Tradition doch einem tafelnden Patrizier weitaus adäquater erschien, fühlte er sich genötigt einen Kommentar hinzuzufügen, um die Zögerlichkeit Fusus' zu bestärken:
    "Wir besitzen bereits diverse Öllampen, Amphoren und Geschirr."
    Auch seine Mutter hatte er niemals beim Einkauf derartiger Waren beobachtet, da insonderheit ersteres stets durch den Vilicus, beziehungsweise dessen Beauftragte erstanden wurde. Lediglich als Präsente für größere Gastmähler mochte Geschirr durch die Hände eines Angehörigen der Herrschaft wandern, doch in Anbetracht des geringen Interesses Manius Maiors für derartige Banalitäten (zumindest präsentierte sich dies so in den Augen Manius Minors) wurden auch derartige Pretiosen für gewöhnlich primär durch die Dienerschaft besorgt.




    Der Schatten des dem Knaben überaus verhassten Bürgerkrieges war augenscheinlich nicht geneigt, den jungen Flavius endlich preiszugeben, sondern haftete an ihm wie eine grässliche Krankheit. Mochte er Hunger und Entbehrung für den Pöbel bedeuten, zahlreiche Todesopfer auf dem Altare der Macht und eine innere Zerrissenheit des Imperium Romanum insgesamt, so erschien all das dem Knaben doch unbeachtlich angesichts der Bürde, die ihm selbst zu tragen aufgegeben worden war: Seine Familie war zerstört worden, ihr Haupt hatte sich als Feigling erwiesen und würde wohl für alle Zeit ihm nicht mehr zum Vorbilde gereichen, Onkel Flaccus laborierte noch immer an einem mysteriösen Leiden und nun waren auch Mutter und Schwester hinfortgerissen für unbestimmte Dauer.
    "Schade."
    , verblieb als überaus schwacher Kommentar ob jener Situiertheit, während Manius Minor eine hockende Position einnahm, das Kinn auf die Faust, den Arm aber auf dem Schoße ruhend und einen unbestimmten Ort in der Ecke der Sänfte, direkt über dem friedlich einer besseren Welt entgegenschlummernden Titus, fixierend. Im Geiste hingegen malte er sich Bilder von seiner geliebten Mutter und Flamma, welche zweifelsohne ebenso einen Wachstumsschub hinter sich gebracht hatte wie sein Bruder. Doch kurioserweise hatte er beinahe die Impression, dass seine Fehlsicht sich bisweilen bis in seine Imaginationen hinein zu fressen in der Lage war, denn er fühlte sich außerstande, ein scharfes Bild der beiden zu gewinnen...

    Keiner weiteren Debatten bezüglich des anstehenden Rhetorenunterrichts fähig eilte Fusus zielstrebig an die ersten Stände, welche Tafelgeschirr und damit eine überaus reizlose Auslage bargen, zumal sich Details wie extravagante Muster oder gar inhaltsgeladene Reliefs ihm ohnehin entzogen. Sofern es Manius Minor betraf. Der jüngere der milonischen Gebrüder begann nämlich unvermittelt mit einer eingehenden Inspektion, weswegen der jüngste Flavius vornehme Zurückhaltung wählte.
    Zuletzt (wie der Knabe verhoffte) griff Fusus nun endlich einen Becher und präsentierte ihn stolz, obschon Manius Minor selbstredend keinerlei Darstellungen zu identifizieren in der Lage war, sodass dieser ihm lediglich sich als irdenes Gefäß mit einer farbiger, irregulärer Bemalung sich darbot.
    "Auf dem Becher sind verschiedene Szenerien abgebildet. Senatoren, Gladiatoren et cetera."
    , explizierten endlich die externalisierten Augen des jungen Flavius, woraufhin dieser in infantiler Unschuld lediglich einen ihm bedeutsam erscheinenden Einwand verbalisierte:
    "Gedenkst du abzureisen?"
    Immerhin war auch dem Knaben, der bishero selten Rom den Rücken gekehrt hatte, doch bekannt, dass Souvenirs lediglich von solchen Orten zu erwerben waren, welche man nicht beständig bewohnte. Er selbst etwa verfügte über Andenken zumeist spielwarenförmiger Art, welche ihm sein Großvater in Ravenna, seine Eltern in Baiae und endlich sein Gastgeber in Cremona zum Geschenk gemacht hatte, wobei es sich bei letzterem um einen vollständigen Sklaven handelte, welcher ihn ja auch heute geleitete.




    Nicht stets, doch nicht selten pflegten die Herrschaften der Familia Flavia Romae gemeinschaftlich das Nachtmahl einzunehmen, um in heiterer, bisweilen aber auch vergrämter oder interessierter, niemals allerdings ennuyanter Gesellschaft den Tag revue passieren zu lassen und sich bezüglich der Perzeptionen des Alltages oder der Pläne des folgenden Tages auszutauschen.


    Auch an diesem Tage hatte man sich zusammengefunden, um sich an gebratenem Schwein, überbacken mit einer scharfen Sauce gütlich zu tun. Wie gewohnt hatte Manius Minor den Platz zwischen den beiden übrigen Flavii Gracchi eingenommen, von wo aus er sich mit spitzen Fingern mundgerechte Happen von seinem Teller stibitzte. Nachdem er das Stück sich gänzlich einverleibt hatte, fasste er den Entschluss, das Gespräch neuerlich zu entfachen, wobei er ein Sujet wählte, welches derzeit in aller Munde war und von welchem auch einer der Sklaven ihm berichtet hatte:
    "Hat einer von euch die Spiele des Duccius besucht?"


    Sim-Off:

    Um ennuyante Begrüßungszeremonien vorwegzunehmen möchte ich vorschlagen, Interessenten binden sich schlicht in die Unterhaltung ein unter der stillschweigenden Prämisse, sie wären bereits zur Entrée eingetroffen. ;)

    An die Spitze der Gratulanten setzte sich Onkel Furianus, die Gattin an der Seite. Ihr oblag es augenscheinlich auch, das Präsent zu überreichen und schmeichelnde Worte zu sprechen, welche der Knabe mit genantem Lächeln und zu Boden gerichteten Blick, wie auch einem leisen
    "Ich danke dir. Euch."
    akzeptierte.
    Folgend ergriff er die Gabe, welche, wie er trotz seiner Hypermetropie klärlich erkannte, einem hölzernen Behältnis entnommen wurde und von güldner Farbe war, die er indessen dennoch auf Anhieb kaum zu identifizieren in der Lage war, sodass seine Finger rasch darüber fuhren, als wollten sie das edle Material haptisch erfahren, obschon sie doch lediglich der schnöden Intention folgten, dem geheimnisvollen Objekt seine Funktion zu entlocken, wobei sie freilich durch die Explikationen, welche ebenso auf visuellem Wege mitnichten zu verifizieren waren, zum Innehalten genötigt wurden.


    "Ein Stylus!"
    , explizierte endlich der durchnässte Patrokolos an seiner Seite, der augenscheinlich gewahr wurde, dass sein Herr in gewissen Kalamitäten steckte, wobei dies allerdings just mit jenem Augenblick kollidierte, da der Zeigefinger des Manius Minor das pointierte Ende des Stabes erreichte und aus diesem und dem zweiten Satz Catilinas kombinierte, dass es sich wohl um ein Schreibutensil handeln musste. Deplorablerweise würde er zweifelsohne niemals in der Lage sein, jene Gerätschaft zu nutzen, da ihm seine Fehlsicht doch das Anfertigen längerer Texte keinesfalls gestattete und er nur zur Verzeichnung singulärer Worte oder Initialen in der Lage war, welche er durch das sorgsame Bemessen der einzelnen Bögen und Striche mit der freien Hand auch ohne Hilfe des Augenlichtes auf passable Weise zu Papier zu bringen vermochte.
    Den Anflug des Grams ob der Inutilität jener Gabe hinabschluckend räusperte er sich somit, blickte hinauf in das verschwommene Antlitz seiner Tante und präsentierte eine infantil-freundliche Mimik:
    "Besten Dank, Tante Claudia."

    Der letzte Besuch in den Ladenzeilen der Mercati Traiani lag bei dem jüngsten der Flavii Jahre zurück in einer Zeit, als neben Spielwaren und Honiggebäck keinerlei Artikel überhaupt sein Interesse erweckt hatten, vielmehr insonderheit die Ennuyanz derartiger Aktivitäten ihm in Erinnerung geblieben war, da eben jene Ausflüge stets in Kompagnie seiner geliebten Mutter sich vollzogen hatten, welche stets ausgedehnte Inspektionen der feilgebotenen Stoffe und Pretiosen zu unternehmen pflegte, die mitnichten geeignet waren auch nur eine Unze an infantiler Elation zu evozieren. Da darüber hinaus diese genau eine derartige Introduktion solchen Visiten vorangestellt hatte, schwante dem Knaben Fürchterliches, was ihn indessen kaum davor bewahrte, da augenscheinlich auch Scato geneigt war, sich seinem Bruder anzuschließen. Somit gab auch er Signal zum Absetzen und entstieg seinem Tragstuhl, woraufhin Patrokolos sich augenblicklich an seiner Seite postierte, um ihn im Gedränge der Märkte stets vor Gefahren, welche er ob seiner Fehlsicht nicht entdecken mochte, zu warnen.


    Somit verblieb es Manius Minor, sich neuerlich gänzlich dem Gespräch zuzuwenden:
    "Eventuell. Ich weiß nicht, wen Vater ausersehen hat."
    Seines Wissens nach (oder vielmehr nach dem Wissen des Artaxias, welchen er diesbezüglich inquiriert hatte) existierten in Rom diverse Rhetorenschulen, ebenso aber eben auch der Rhetor Publicus, welcher eine Art staatlichen Lehrstuhl für Redekunst innehatte und mit der Schola Atheniensis assoziiert war. Dass dieser eben in einem jener Räume saß, welche sie nun passierten, war durchaus im Bereich des Möglichen, denn immerhin lag die Schola nicht ferne. Doch mit Sekurität vermochte der Knabe es kaum zu sagen.




    Den persönlichen Dank an die Götter hatte Manius Minor bis zu diesem Moment zu keiner Zeit ins Auge gefasst, was wohl primär auf den Status seiner Unmündigkeit zu reduzieren war, in welchem es stets an Manius Maior als Pater Familias und damit zugleich oberstem Pontifex des Hauses gewesen war, die Familiaren, insonderheit jene im Kindesalter, im Angesicht der Götter zu vertreten, was in diesem Falle zweifelsohne auch ohne seine Attendenz durchaus sich ereignet haben mochte, sodass weitere Zuwendungen wohl nicht erforderlich waren.
    "Ich nehme an, Vater hat dies bereits unternommen."
    , gab er daher zum Einwand, wobei er, kaum waren jene Worte gesprochen, gewahr wurde, dass diese Opfer keinesfalls die soeben zurückgekehrte Tante Domitilla inkludiert haben konnten, weswegen er sie rasch präzisierte:
    "Aber für deine sichere Heimkunft sollten wir den Göttern noch danken, das ist wahr."


    Eine Kombination mit kulturellen Ereignissen schien dementgegen weniger adäquat, da sein Vater derartiges für gewöhnlich am heimischen Lararium und lediglich in extravaganten Fällen in den Tempeln der Stadt vollbrachte, die lokal zumindest nicht direkt mit den Stätten der Kurzweil identisch waren, obwohl, wie der Knabe wusste, auch im Circus Maximus oder dem Theater des Pompeius staatliche Kultstätten zu finden waren. Hinzu trat der Umstand, dass der junge Flavius trotz des Interesses für die Dramatik seit seiner Heimkehr eben jene Stätten nicht mehr frequentiert hatte, sondern mit Rezitationen der Stücke durch Patrokolos Vorlieb genommen hatte, obschon seine Hypermetropie ihm kurioserweise das Verfolgen der Bühnendarstellungen in gestochener Schärfe erlaubte.
    "Ich muss deplorablerweise passen, werte Tante."
    , blieb ihm somit zu gestehen, woraufhin er rasch seine Haupt dem bisher stummen Gefährten an seiner Seite zuwandte:
    "Ist dir etwas bekannt, Patrokolos?"
    "Leider nicht, Domine. Ich wusste nicht, dass du einen solchen Besuch planst."
    Selbstredend hatte der junge Flavius derartiges seit der Schenkung des Sklaven nicht ins Auge gefasst und viel weniger verbalisiert, sodass jener diesem keinen Vorwurf aus jener Unwissenheit zu machen geneigt war, sondern schlichtweg in der Fragerunde weiter wanderte:
    "Iullus?"
    Obschon er den ersten der milonischen Gebrüder bis zur Ankunft des zweiten stets als 'Onkel Scato' tituliert hatte, wie dies auch bei all den übrigen, ihn an Alter übertreffenden Anverwandten der Fall gewesen war, so hatte er doch bereits an jenem Tage, an welchem er Fusus' erstmals ansichtig geworden war, in Replikation der Praxis dessen zum vertrauten Praenomen gegriffen.




    Sim-Off:

    Obschon der parentale Dialog nicht seine Vollendung gefunden hat, möchte ich hier fortfahren, um meine Liberalia bald zum Abschluss zu führen.


    Nachdem man den Tag mit diversen Aktionen verbracht hatte, angefangen beim spätmorgendlichen Opfer der Bulla über die Einkleidung in die Toga Virilis, die Präsentation vor dem Praetor und die Immatrikulation in die Bürgerlisten bis hin zum Opfer der Iuventas war die Festgesellschaft, bestehend aus der Familia Flavia Romae unvermindert und wohlbehalten, wenn auch gänzlich durchnässt (sofern es sich um die Dienstboten und minderen Klienten handelte) oder doch zumindest von nicht wenigen Tropfen disturbiert (sofern es sich um die Herrschaft handelte) zur Villa zurückgekehrt. Damit war der letzte Akt einzuleiten, denn nachdem der Pflicht gemäß den Erfordernissen der Mores Maiorum genüge getan war, folgte nun die Kür, welche dem Protokoll entsprechend sich in ausgelassener Feierlichkeit zu gestalten hatte und mit der Übergabe von Präsenten begann, wie sie auch anlässlich von Geburtstagen oder anderen Festivitäten im Kreise einer vornehmen Familie seitens der Klienten und engen Freunde des Hauses überreicht wurden.


    Ob des informellen Charakters, aber auch der Nässe des frisch erworbenen Staatskleides hatte man Manius Minor direkt nach dessen Ankunft an der Pforte adäquaterweise in eine flavisch rötlich-golden gehaltene Synthesis gehüllt, welche auch die Tropfen auf der Tunica Laticlava verbarg und somit lediglich die Feuchte des Haares als Indiz für die meteorologischen Verhältnisse hinterließ. So präpariert hatte er nun, flankiert von Manius Maior und dem neuerlich erwachten Titus neuerlich Gratulationen und Ergebenheitsadressen der Clientel huldvoll zu akzeptieren und seiner Freude über diverse Festgaben zu rezipieren.

    Mitnichten gereichte jene Replik dem Knaben zur Satisfaktion, obschon sie nicht im Geringsten von jenen differierte, welche zahlreiche weitere Angehörige des Hausstandes der Villa Flavia Felix ihm hatten bieten können, angefangen bei Artaxias, seinem greisen Paedagogus, bis hin zu einer der Ornatrices seiner Mutter, welche er akzidentiell in einer der Zimmerfluchten angetroffen hatte, denn das Haupt jenes Hausstandes, zugleich der Ehegatte und Pater Familias seiner Mutter, war doch in weitaus höherem Maße verantwortlich, über den Verbleib und die zukünftigen Pläne der ihm Anvertrauten zu jedem Zeitpunkt aufs trefflichste informiert zu sein.
    Für den Augenschlag einer Sekunde fühlte er sich geneigt, neuerlich eine bewusste Verschleierung der Wahrheit zu argwöhnen, ehe doch statt Schmähungen lediglich eine innocente und knappe Frage seine Lippen verließ:
    "Warum?"
    Anklagend stand jenes Fragepartikel im engen Raum der Sänfte, ehe Manius Minor gewahr wurde, dass derartige naive Interrogationen, wie sie ihm in letzter Zeit eher seitens des kleinen, nunmehr schlummernden Titus bekannt waren, einem vollwertigen Civis Romanus nicht anstehen mochten, sodass er die recht allgemein gehaltene Erkundigung spezifizierte:
    "Warum ist Titus allein gekommen?"

    In Anbetracht des Faktums, dass es sich bei der Aeneis um den Nationalepos der Quiriten schlechthin handelte, waren dem Knaben jene Zeilen durchaus bekannt, da er seinerzeit durch seinen Grammaticus genötigt gewesen war, die Schrift zur Gänze aus dem Gedächtnis zu rezitieren, was ihm durchaus zunutzen gewesen war zur Erprobung jener Mnemotechniken, welcher er auch bedurft hatte, um seine Fehlsicht über Jahre hinweg zu kompensieren.
    "Aurea quae perhibent illo sub Rege fuere
    Saecula: sic placida Populos in Pace regebat.
    deterior donec paulatim ac decolor Aetas
    et Belli Rabies et Amor successit habendi.*"

    , perpetuierte er den Vortrag der Sklavin mit gesenkter, gedankenverlorener Stimme, während sie die Porta Sanquaris passierten und endlich die Kaiserfora betraten. Dass diese weitaus jüngeren Datums waren als jene Prachtbauten des Forum Romanum, war dem jungen Flavius selbstredend ebenso bekannt wie der prominente Erbauer jenes Komplexes, dessen Großtaten auch auf der von hier aus lediglich partiell zu entdeckenden Säule verewigt waren, unter welcher sich auch seine Gebeine befanden.


    "Ich hörte bereits von diesen Sälen. Ich glaube vernommen zu haben, dass der Rhetor Publicus der Schola Atheniensis hier lehrt!"
    , trug er endlich bei, da ihm in den Sinn gelangte, dass er angesichts des ihn in Kürze ereilenden Rhetorenunterrichts, welcher unter Umständen an der Schola Atheniensis angeboten werden mochte, diesbezüglich Erkundigungen eingeholt hatte, welche ihm eben jene Information zutage gefördert hatten.

    Sim-Off:

    * "Unter dem Könige war, so rühmt man, das Goldene Alter.
    Also lenkt' er die Völker des Reichs in friedlicher Ruhe,
    Bis allmählich die Zeit sich verschlechterte und sich verfärbte,
    Und mit rasender Lust zum Krieg nachfolgte die Habgier."




    Die Option, sich mit dem Caesarenposten zu akkomodieren und somit bis auf weiteres als Adept zu verweilen, war selbstredend in der grotesken Imaginationswelt des Knaben ebenso delektabel, vielmehr erweckte es in ihm Remineszenzen seine Dissatisfaktion mit der aktuellen parentalen Situiertheit, welche durch eine kaiserliche Adoption eventuell zu optimieren wäre, obschon jene Eingebung selbstredend in weitester Ferne ihrer Realisation lag.


    Indessen mahnte Fusus mit Verweis auf das dichte Programm des Tages zur Suspension der Scherzereien, nicht ohne allerdings auf seine Absichten präsentischer Natur zu verweisen, welches wiederum durchaus eine Unrast bei dem jungen Flavius erweckte, sodass er einen Augenblick zögerte, spintisierend, ob es sich eignete, eben jetzt bereits dieses oder jenes Geschenk zu rezipieren, was letztlich aber zu negieren war:
    "Am besten später in der Villa. Wir wollen den Sänftenträgern doch wohl nicht noch mehr Gewicht zumuten, als sie ohnehin zu tragen haben."
    , replizierte er somit, als bereits ein weiterer Gratulant sich ihm zuwandte, welchem er artig und mit weitaus weniger Witz begegnete, ebenso dem nächsten, übernächsten et cetera. Irgendwann war er letztlich aber doch imstande, hinter seinem Vater in die Sänfte zu steigen und zum vorletzten Ziel der Exkursion zu reisen.

    Selbstredend war dem jüngsten der anwesenden Flavii die Sklavenzucht durchaus bekannt, selbst wenn ihm wohl kaum die Bedeutung jener Begrifflichkeit gänzlich bewusst war, sodass er weiter auf die Derivation nicht einging, sondern vielmehr mit unverhüllter Anerkennung den Fleiß der Dienerin bestaunte, welche in kreativer Weise Informationen erworben hatte, die
    der Knabe einem Sklaven kaum zutraute.
    "Welch fabulöse Idee!"
    , rief er somit aus, ehe er sich neuerlich seinem Neffen Fusus zuwandte, welchen er ja, obschon Vulpes augenscheinlich die Hauptlast jenes Unternehmens getragen hatte, als Auctor all dessen primär zu beglückwünschen hatte:
    "Eine überaus gelungene Überraschung, mein lieber Iullus! Dann sag an, wohin wir uns wenden! Mein Grammaticus wird staunen, wenn ich ihm mehr zu berichten weiß, als er mich gelehrt hat... und Artaxias erst!"
    Mitnichten war zu postulieren, dass Manius Minor der Wissbegierde entbehrte, weswegen er nunmehr recht hurtig in seine Sänfte einstieg (selbstredend mit Patrokolos' Hilfe) und folgend erwartungsvoll Fusus und seine Dienerin fixierte, welche nun augenscheinlich die Führung ihres Rundganges übernommen hatten.




    Die Frage des Knaben wurde rasch repliziert, wobei mehr Taten denn Worte folgten. Unter den Kolonnaden des Heiligtums endlich ging er dann noch seiner frisch erworbenen Toga Virilis verlustig, ehe man ihn ein letztes Mal in die Sänfte bugsierte, wo Vater und Bruder bereits ihn erwarteten.
    Und nun endlich ließ Manius Maior sich zu einer Ansprache hinreißen, sprudelten diverse Floskeln aus seinem Munde, welche ihre Wirkung indessen verfehlten, denn obschon Manius Minor sich dank seiner neuartigen Interpretation von Adoleszenz, welche sich über die souveräne Wahl der Protektoren ihm definierte, durchaus jener Herausforderung als gewachsen erachtete, so war er doch nicht geneigt, seitens seines Erzeugers Bezeugungen des Stolzes oder gar Selbstkonfirmationen der Entscheidung, ihn aus seinem Schutze zu entlassen, zu akzeptieren, weshalb er sein Gegenüber lediglich mit großen Augen fixierte und seine Appetenz dann doch eher dem Bedauern über die maternale Absenz zuwandte, welche zu kommentieren er durchaus in der Lage war:
    "Wann kommt Mama nach Hause?"
    Trotz der leise aufkommenden Satisfaktion mit den Geschehnissen des Tages wurde ihm nun nur allzu bewusst, dass ein wesentliches Element seiner infantilen Geborgenheit ihm heute fehlte, dass bei all jenen Stationen in der Schar der Gratulanten und des Publikums doch stets seine geliebte Mutter, welche er konträr zu seinem Vater noch immer mit dem weitaus vertrauteren 'Mama' denn dem distanzierteren 'Mutter' titulierte, ihm schmerzlich abgegangen war und abging, ja vielmehr schon seit seiner Retoure aus Cremona wohl eben jener Mangel ihn diskomfortierte und wohl die Verantwortung trug, dass er sich trotz allem einsam und in gewisser Weise nur unvollständig zu Hause fühlte.

    "Oh, warum nicht gleich als Augusti? Oder als Caesar und Augustus? Nur wer wäre dann der Caesar? Sollte der Onkel den Neffen oder der Ältere den Jüngeren adoptieren?"
    , brachte der Knabe im seinerseitigen Übermute vor, uneingedenk der hochverräterischen Qualität seiner Äußerungen, obschon dem strahlenden Antlitz des jungen Flavius zu entnehmen war, dass jene hochfliegenden Spekulationen selbstredend keinerlei reale Substanz besaßen (obschon Flavius Serenus in ähnlichem Alter durchaus noch diesbezügliche Pläne gehegt hatte).
    Indessen war Patrokolos, der direkt nach dem Ritual neuerlich seinen Platz an der Seite des Knaben eingenommen hatte, durchaus alarmiert und blickte hinüber zum Praetor, welcher bereits den nächsten Fall bearbeitete und demzufolge wohl keine Notiz von den kriminellen Thesen des nunmehrigen Erwachsenen und damit durchaus schuldfähigen Knaben genommen hatte.

    Zweifelsohne würden die beiden, sofern sie überhaupt jemals gemeinsam ein Amt im Cursus Honorum bekleideten, kaum dieselbe Stufe innehaben, womit die Verteilung der diversen Quaesturen wohl kaum zu Differenzen würde führen können, denn immerhin übertraf Fusus Manius Minor an einigen Lebensjahren, womit er, sofern er wie für Patrizier gebräuchlich suo anno seine ersten Würden erlangte, auch früher das Vigintivirat und die Quaestur erreichen würde. Dennoch verblieb der Knabe im Modus der Ironie und vermeldete übermütig:
    "Zwei Flavii zugleich, das wäre doch etwas!"

    Der Weg hinab zu den Mercati Traiani war durchaus gesäumt von Tempeln von nicht geringer Bedeutung, doch selbstredend waren diese dem jungen Flavius bestens bekannt, sodass er keinerlei Anlass erkannte, auf eine Visitation zu insistieren.


    "Doch, sie soll berichten!"
    , replizierte er dann voller Indiskretion, denn obschon er selbstredend bisweilen die Märkte besucht hatte (allerdings in höchst limitierter Zahl, denn für gewöhnlich wurden ihm sämtliche Dinge des alltäglichen Bedarfs von Sklaven direkt freihaus geliefert) und dort bisweilen von Artaxias die eine oder andere Information erhalten hatte, so erweckte es doch sein Interesse, welche Novitäten die Sklavin ihnen zu berichten haben würde. Überhaupt nahm er nun erstmalig wahrhaftig Notiz von der rouquinen Schönheit, die folgsam nicht von der Seite ihres Herrn gewichen war.
    "Stammst du aus Rom?"
    , sprach er die Dame dann direkt an, da er zu ergründen geneigt war, woher eine Dienerin derartige Informationen erlangte.




    Ob all der ungezählten Male, welche Manius Minor jenen Tempel bereits besucht hatte und in Anbetracht der geringen räumlichen Ausmaße, die für eine große Nähe der Statuen und damit eine Exklusion aus dem leidlich scharfen Gesichtsfeld des Knaben sorgten, verspürte er in weitaus geringerem Ausmaße als seine Gäste jene Pietät oder zumindest künstlerische Andacht, sondern verharrte schlicht neben dem Opferkasten in Erwartung, dass die beiden jenem Ort recht bald den Rücken kehrten, um die zahlreichen weiteren und wohl weitaus impressiveren Monumente der Urbs Aeterna aufzusuchen.


    Als er dann ob der Ennuyanz der Stille und Dauer des Verharrens geneigt sich fühlte, weitere Fakten bezüglich des Bauwerkes zu rezitieren, wandte Fusus sich doch ihm zu, sodass er jenem Raum gewährte an den Opferkasten zu gelangen und das Heiligtum zu verlassen, um dann indessen, kaum dass er die Schwelle überschritten hatte, rastlos sich zu erkundigen:
    "Wo möchten wir nun hin?"




    Die Vorstellung, gemeinsam mit seinem "Neffen", welcher ihn um mehr als einen Kopf überragte, ein Staatsamt zu bekleiden, amüsierte den Knaben im Gegensatz zum letzten Anlass, als diese Imagination geäußert worde war und er kaum Notiz davon genommen hatte, nicht wenig, sodass sein Lächeln ein wenig ausgeprägtere Fprmen annahm.
    "Warum nicht, mein lieber Iullus? Ich würde dann den Quaestor Principis bevorzugen, denke ich."
    , partizipierte er an jenen Hirngespinsten und ließ vor seinem mentalen Auge, welches an keinerlei Hypermetropie laborierte, sie beide auf der Rostra mit sämtlichen Insignien des Consulats stehen, umgeben von Liktoren (wobei kurioserweise Patrokolos auf der einen und Vulpes auf der anderen Seite als Lictor Proximus fungierten), was in der Tat ihn gar zu einem knappen, glockenhellen Auflachen reizte.