Beiträge von Macro

    "Naja, gemütlich ist was anderes", erwiderte Macro, als er von Linos entdeckt wurde. Er richtete sich auf und schwang die Beine aus dem Provisorium von Bett. In die Kajüte der Herrschaften konnte er sich nicht einquartieren. Die war verschlossen gewesen und barg sicher deutlich komfortablere Liegen.


    Das Schaukeln zeigte ihm, sie entfernten sich bereits vom Land. Macros Hände umfassten die Bettkante stärker. Gerade das anfängliche Schaukeln mochte sein Magen keineswegs.


    "Wieso Sorgen?", quetschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Wir sind doch nur Fahrgäste, müssen uns um nichts kümmern. Ich will nicht hoffen, dass jemand von den Ruderern ausfällt." Wobei etwas Ablenkung nicht das Schlechteste wäre. Auf die Frage fiel Macro zunächst nichts Geistreiches ein. "Wohin? Nach Germanien natürlich." Macro musste rülpsen und hielt sich den Handrücken vor den Mund. Verdammte Schaukelei.

    Macro beobachtete nicht zum ersten Mal, dass sich sein Freund in eine unangenehme Lage hineinredete.
    "Ich sehe es noch einmal kommen, einmal schneidet dir jemand deine Zunge ab", zischte er ihm zu, bevor er auf den Steg sprang, der bereits von zwei Helfern an Bord geschoben werden sollte.


    "Wir zwei sollten uns lieber darüber verständigen, was wir unserem Herrn berichten, wenn wir ihn treffen. Ich hoffe übrigens, der da weiß, wo er mit uns hinzufahren hat." Macro bezweifelte, dass sich die Legion noch immer in Mogontiacum befand. "Wie wollen wir die finden, wenn die schon losmarschiert sind?" Seine Ratlosigkeit war ihm anzusehen.


    Beim Ablegen musste er nicht mehr zusehen. Er ging stattdessen unter Deck und suchte sich eine freie Kajüte. Dort löste er den Gürtel, legte ihn sorgfältig in eine Truhe und hievte sich danach auf das behelfsmäßige Bett. Er atmete durch, obwohl die Zukunft ungewiss blieb.

    Die Strecke zwischen Rom und Ostia lag hinter ihnen, ebenso eine Nacht in unbequemen Betten sowie eine Fahrt auf der Ladefläche eines befahrenen Gemüsehändlers. Sie mussten ihre Füße mit Bedacht aufsetzen, um keine der Gewächse zu beschädigen oder zu beschmutzen. Die beine durchstrecken oder gar umsetzen verbot sich von selbst. Aber auch die längste Fahrt nahm einmal ein Ende und so stiegen sie in Ostia mit steifen Gliedern vom Karren und sahen sich um.


    Sie mussten die Günstlinge der Götter an diesem Tag gewesen sein, denn auf dem Weg in den Hafen trafen sie einen alten Bekannten und Angestellten ihres Herrn. Macro stieß Linos den Ellenbogen in die Seite, während er den Blick unverwandt auf Pitholaus richtete.



    "Den kennen wir doch! Weißt du noch? Die Gladiatorenkämpfe, die Pferde..." Macro suchte Linos' Blick. Der so Beschriebene stand an Bord eines Schiffes, auf das Macro mit großen Schritten zustrebte.

    Macro nickte dem Wachmann zu, als er passieren durfte. Er versuchte, sich dem Trott anzupassen, obwohl er sonst fast doppelt so große Schritte machte. Das Stadttor lag hinter ihenen, als er zichte, ohne großartig die Lippen zu bewegen: "Gut gemacht!" Niemand sollte bemerken, dass er nicht so stumm war wie Linos vorgab. Ein zufriedenes Grinsen lag auf seinem Gesicht, das aber verschwand, als er den sich verdunkelnden Himmel bemerkte. Er wies mit dem Kinn Richtung Horizont. Erst zwanzig Schritte später fügte er leise an: "Es klappt gut, wenn du Richtung und Geschwindigkeit vorgibst, mach einfach weiter so. Ähm, wolltest du laufen?" Er blickte den Freund abwartend an.


    Womit Macro am wenigsten gerechnet hätte, was ihn aber am zufriedensten in dieser Situation machte, war der überraschend eingeschlagene Weg von Linos zum Stadttor. Zunächst zögerlich, dann aber immer weiter ausgreifend schritt Macro auf das Tor zu und hielt einen Schritt hinter Linos an, als sie eintrafen. Linos führte das Wort, so war es abgesprochen. Macro nickte zu allem einfach nur, denn es wurde schließlich nicht behauptet, er sei taub.


    Er rechnete mit einer kurzen Abwicklung, denn weder gehörten sie zum wichtigen Volk noch gab es Gründe, sie zurückzuhalten.



    Sieh einer an, dachte Macro bei sich. Der Linos konnte tatsächlich schnell laufen. Der Geschwindigkeitsrausch kam derart überraschend, dass Macro statt schneller zu laufen verdutzt im Schritt verhielt, bevor er Anschluss suchte.
    "Schämst du dich etwa vor mir?", fragte er, als er eintraf. Noch immer erstaunt verfolgte er die Prozedur des Zurechtrückens und musste sich eingestehen, dass die Tunika kleiner hätte sein können. Trotzdem, Linos übertrieb. Soo lang und weit war sie nun wirklich nicht, und zu Macros Entschuldigung konnte aufgeführt werden, dass bei einem Mann wie ihm beim Betrachten des eine Nummer kleineren Kleidchens jede Vorstellung fehlte, dass in dieses Modell überhaupt ein erwachsener Mann passen konnte. Schließlich hatte er das teil lange genug von oben bis unten gemustert, bis er sich schließlich für eine größere Variante entschieden hatte.


    "Du kannst die Tunika mit einem Band raffen", schlug er vor, anstatt auf die Taverne einzugehen. Schließlich zuckte er mit den Schultern und sah sich um. "Wir sollten uns beeilen. Ich will endlich aus dieser Mausefalle raus. Noch eine Nacht hier, das passt mir gar nicht. Aber gut, lässt sich ja nicht ändern." Dabei glaubte er immer noch, die überwundene Mauer wäre eigentlich die Stadtmauer gewesen. "Und wenn wir zum Markt gehen? Dort gibt es auch Essen und Trinken, und außerdem Händler."!

    Macro tätschelte, zwar unbeholfen, aber durchaus liebevoll, den Arm des Freundes. Er freute sich, dass der andere so einsichtig war, denn wenn Linos nicht widersprach, musste er dem vorgeschlagenen Trainingsplan zustimmen, so schlussfolgerte Macro.
    "Alles wird gut", versprach Macro, dann schritt er zügig aus. Er kannte die eine oder andere Straße aus eigenen Streifzügen. Sein Herr kam hier freilich selten vorbei, höchstens zu Zeiten seiner Aediltätigkeit einmal.
    In seinem Rücken hörte er Linos‘ Klage und nickte. "Stimmt genau, ich habe mir die Reise auch lustiger vorgestellt. Und im Grunde haben wir noch nicht mal was erreicht." Macros Schritte wurden noch länger, weil er sich ärgerte. "Da vorn." Er wies auf eine geöffnete Tür, vor der ein Kleiderständer den Hinweis auf einen Schneiderbetrieb gab. Dort angekommen, drehte er sich um und wartete bis Linos eintraf.


    "Lass sehen, welche Größe ich brauche." Er grinste und hoffte natürlich, Linos würde sich einmal um die Achse drehen. "Umziehen machst du am besten, ähm, wo auch immer. Der Verkäufer könnte stutzig werden, wenn du es hier machst. Ich regele jetzt das für uns und du verschaffst uns später den Durchlass bei der Stadtwache. Okay?"
    Macro wartete nicht auf eine Antwort, sondern nahm die beiden Stufen auf einmal und stand im Verkaufsraum. Die Verhandlung dauerte keine zwei Minuten, danach kam er mit einer sandfarbenen Tunika im Arm zurück. Er hielt sie gefaltet, um die Größe zu kaschieren. Vielleicht wäre eine Nummer enger auch noch passend gewesen.


    "Bitte!"

    Macro blieb stehen und blickte an Linos hinunter, als der auf seinen Zustand hinwies.


    "Wir müssen unbedingt deine Alltagstauglichkeit trainieren, wenn wir wieder zu Hause sind. Und ein bisschen Krafttraining würde auch nicht schaden, damit du nicht mehr robben musst, sondern klettern lernst." Er schüttelte den Kopf bei der Betrachtung der Schadstellen und Schürfwunden.



    "In einem kann ich dich beruhigen: Schürfwunden zwiebeln zwar, aber sie sind ungefährlich. Nichts, worum wir uns kümmern müssen. Bei der Übernachtung sieht es schon anders aus, da geb ich dir Recht. Du fällst zu sehr auf." Er drückte den Zeigefinger an die Lippen und stützte den Ellenbogen mit dem anderen Arm ab. In dieser Denkerpose verharrte eine Weile, weil ihm kein zündender Einfall kam.
    "Wenn wir nirgends unterkommen, dann bleibt eigentlich nur die Rückkehr in die Villa oder wir klappern die Insulae ab und versuchen eine Bekleidung für dich zu erwerben. Moment, ich könnte bei einem Schneider nachfragen, ICH." Macro schlug sich an die Stirn, weil ihm der Gedanke erst jetzt kam. "Der in Mogontiacum hatte auch Tuniken auf Lager. Und wenn das geregelt ist, suchen wir uns eine Bleibe und erkunden, wo sich die Händler treffen. Einverstanden?"

    Inzwischen stimmte einiges nicht mit Macros Wahrnehmung. Der offensichtlich fehlerhaften Orientierung an der Mauer folgte ein abwegiges Zeitgefühl. Linos wies auf die Abendsonne, dabei stand Macro gefühlt noch gar nicht lange auf den Beinen. Am Morgen hatte er das Frühstück in der Villa ausgelassen und stattdessen Linos auf dem Forum gesucht, gefunden und zum Essen in eine Taverne geschleppt. Dort hatte er sich wahrlich nicht lange aufgehalten, weil der Entschluss feststand, noch einmal mit Felix zu reden. In der Villa zurück, suchte er sofort das Gespräch, dem die Unterredung im Tablinum folgte. Von dort floh Linos in den Garten, und während Macro noch einmal zurückging, um eine Übereinkunft mit Felix zu treffen, kletterte Linos über die Mauer. Und obwohl sich Macro nicht lange bei Felix aufhielt, weil ihm Linos ein knappes Ultimatum gesetzt hatte, zeigte der ihm bereits die Abendsonne, als sie die Villa hinter sich ließen, um die westliche Richtung einzuschlagen. Was nun, wenn Macro Fieber bekam, krank und bewegungsunfähig wurde?
    Er schritt zügig aus, um rechtzeitig zu einer Unterkunft zu kommen. Andererseits fragte er sich, warum sie nicht in der Villa übernachtet hatten.


    "Du willst in einem Tempel schlafen?" Macro blickte irritiert, als Linos auf einem ihm unbekannten Tempel wies. "Sie werden uns als Vagabunden aufgreifen", prophezeite er. "Ich hab doch noch Geld. Warum willst du nicht in einer Herberge schlafen? Eine, die nah am Händlertreffpunkt liegt." Denn noch immer ging er davon aus, dass Linos genau wusste, was er tat und wohin er sie führte.

    Macro blieb wenig Zeit, sich über Linos' Ruhe zu wundern. Er selbst verspürte den Drang, sich vom Ort zu entfernen, daher trampelte er unruhig herum, als er den Überlegungen folgte. Linos hingegen plante in Ruhe ihre Strategie. Dabei ging er davon aus, dass sie sich tatsächlich noch innerhalb der Stadtmauer befanden, sodass Macro nichts weiter übrigblieb, als dasselbe anzunehmen.
    Bei der Erwähnung jeden Tores, schnappte Macro nach Luft, weil er etwas sagen wollte, kam aber nicht dazu, weil Linos weiterredete. Schließlich kam die Rede auf den Tiber.


    "Meinst du schwimmend?" Im ersten Moment zweifelte er an Linos' Ausdauer, aber dann fiel ihm ein, dass der Freund recht gut schwamm, womöglich besser als er. Also machte er sich um sich selbst Sorgen, bis der Vorschlag für ein Schiff kam.
    "Äh, ich weiß nicht. Gibt es überhaupt Schiffe auf dem Tiber nach Ostia, die man einfach so benutzen kann?"
    Er kannte sich nicht mit öffentlichen oder privaten Transportmitteln - außer denen der Claudier natürlich - aus. Wenn er seinen Herrn begleitete, dann nahmen sie stets familieneigene oder überdurchschnittlich komfortable Angebote anderer Transporteure an. Nichts, was für sie aktuell infrage kam.


    Als Linos schließlich in Gedanken versank, siegte Macros Unruhe über die Rücksicht.
    "Also, ich will jetzt hier weg. Wir können uns ja auf dem Weg noch überlegen, welches Tor oder was auch immer wir nehmen. Dein Vorschlag mit den Händlern finde ich recht gut. Ich eigne mich doch ein bisschen als Begleitschutz, da finden wir bestimmt Anschluss. Du musst uns nur noch dahin führen, wo die losgehen."

    Macro kratzte sich die Stirn, als könne die Bewegung kluge Gedanken freilegen. Auch ihm fehlte die Sicherheit, welche Mauer sie eigentlich gerade überquert hatte.
    "Das bedeutet, wir müssen erst herausfinden, ob vor uns der Horti Lolliani oder Horti Maecenatis liegt?" Die Unklarheit über ihre Position konnte schnell ins Auge gehen. Gesetzt den Fall Linos hatte recht, wie dann weiter? "Die Porta Collina würde ich meiden. Näher an die Prätorianer kann man gar nicht rankommen. Naja, und was Norden betrifft. Wir wollen zwar nach germania, aber ich dachte, wieder über Ostia. Die Hafenstadt liegt südwestlich von hier, wenn ich nicht irre." Allerdings fehlte ihm momentan die Orientierung. "Mann, Himmelrichtungen sind nicht unbedingt meine Stärke", gab er zu.
    Noch bevor ihr Standort geklärt wurde, kam Linos mit einer absolut verrückten Idee. Macros Augen weiteten sich, während vor seinem geistigen Auge ein Pärchen Arm in Arm durch das Stadttor wankte. Er musste schlucken, dann antwortete er: "Kommen die Händler nicht morgens in die Stadt und gehen abends wieder?"

    Macro konnte sich ein Kichern nicht unterdrücken, als Linos losbrabbelte, als hätte er Jahre schweigen müssen. Am Ende wusste er nicht mehr, was Linos anfangs gefragt hatte, deswegen ging er erst einmal auf die letzte Frage ein.
    "Ja, das wollte ich, und zwar: Ich war eigentlich der Meinung, dass diese Mauer da, die Stadtgrenze war." Er blickte einmal nach oben, bevor er Linos ansah. "Und du meinst, wir müssen noch einmal durch ein Tor?" Macro holte Luft und fügte an: "Wo denn? Und welche Idee hast du?" Schließlich blickte er an Linos hinunter und schüttelte den Kopf. "Man darf dich auch keine fünf Minuten alleine lassen." Er grinste, denn eigentlich fühlte er sich meist abhängiger von Linos als umgekehrt.

    Das Unglaubliche geschah: Linos antwortete. Das konnte nur bedeuten, dass die Götter mit ihnen waren.
    "Jah", antwortete Macro und freute sich riesig. Das 'Wer denn sonst?' schluckte er hinunter. Stattdessen kündigte er an: "Ich komme." Die Frage stellte sich nur, wo. Er suchte die Örtlichkeit, den Bewuchs und die Mauer ab, fand einen passenden Baum - es mochte derselbe sein, den Linos benutzt hatte - und versuchte den Aufstieg. Dabei stellte er fest, wie unbeweglich doch fette Menschen sein mussten, wenn er sich bereits mit etwas künstlichem Speck in Form von Geld und Dokumenten wie ein Behinderter fühlte.
    "Verdammt!", fluchte er, als er abrutschte. Der zweite Versuch bestand im Runterbiegen eines jungen Stammes, der in Armlänge von der Mauer entfernt stand. Macro ächzte beim Bücken, denn der Kunstbauch nahm ihm nicht nur die Luft, sondern auch die Bewegungsfreiheit. Er drückte nach besten Kräften den Stamm parallel zur Mauer so weit nach unten, dass er sich - immer an der Mauer abstützend - draufstellen konnte. Er tastete sich Stück für Stück nach vor, immer bemüht, das Gleichgewicht zu halten. Auf diese Weise brachte er sich ca. einen Doppelschritt hoch vom Erdboden entfernt. Er hangelte mit der freien Hand nach einem der ersten dickeren Äste des dickstämmigen Baums, griff schließlich mit beiden Händen zu und konnte sich - unterstützt durch den hochschwingenden Trittstamm - mühelos nach oben ziehen.
    Von da an ging es bequem von Ast zu Ast, bis er auf die Mauer treten konnte. Ein Satz, der zugegeben stauchte, brachte ihn nach unten.


    "So, da." Er klopfte sich auf den angeschwollenen Wanst.

    'Verdammte Scheiße', dachte Macro, weil er zwar entschlossen auftrat, aber innerlich hin und hergerissen war. Dabei beeindruckte ihn keineswegs, in welcher Art Felix mit ihm sprach. Was er aber nicht genau einschätzen konnte, war die Wichtigkeit oder Unwichtigkeit dieser Urkunden und Papiere für seinen Herrn. Geld, so glaubte Macro, gehörte nicht zu den wichtigen Dingen.


    "Gleichzeitig?" Er schüttelte den Kopf, als Felix vorschlug, gleichzeitig zu fliehen. "Dann können wir uns genauso gut gleich direkt ausliefern. Ich warte in Ostia. Und ich werde kein Geld verstecken, sondern mitnehmen und davon ein Schiff kaufen. Diesen Besitz bringen wir dann mit uns außer Landes, so kann man ihn meinem Herrn nicht mehr wegnehmen und gleichzeitig haben wir was zum reisen, ohne dass wir irgendwo offiziell einschiffen müssen." Macro fand die Idee gut. Ob sie tatsächlich funktionierte, würde er Linos überprüfen lassen. Nur zu dem musste er erst einmal gelangen. "Wenn du Sachen aus Rom rausbekommst, für den Transport ist also gesorgt. Valete, bis später."


    Er drehte sich schwungvoll um und stürmte mit ausgreifenden Schritten hinauf ins Privatzimmer und anschließend das Arbeitszimmer seines Herrn. Dort raffte er sich die Tunika vom Leib, wickelte sich einen langen, wollenen Stoffstreifen mehrfach um den Rumpf und stopfte dort Urkunden und diverse Geldsäckchen, die er flachstrich, drunter. Der Körperumfang ähnelte danach mehr einem gewöhnlichen Römer als einem durchtrainierten Leibwächter. Auffallen würde er dadurch sicherlich nicht. Er blickte sich noch einmal um, dann stürmte er wieder ins Erdgeschoss, um ohne Verzögerung den Garten zu betreten.


    Mit einem Blick vergewisserte er sich von der Ruhe und Unversehrtheit des Gartens, dann schlich er zu der Stelle, wo er Linos zurückgelassen hatte. Von dem Freund fehlte jedoch jede Spur.


    "Linos", zischte er. Bloß nicht auffallen und trotzdem gehört werden, wenn er noch in der Nähe war. Macro lauschte.

    Macro richtete sich in ganzer Größe auf. Die Verblüffung über die Reaktion und Anweisung war ihm anzusehen, weil er bis zuletzt auf eine einvernehmliche Lösung gehofft hatte. Nun bestätigte sich, wie richtig Linos mit seiner Einschätzung lag, und auch wenn Macro alles versucht haben wollte, er musste sich an diesem Punkt geschlagen geben. Woran es auch immer lag, sie - Felix und das Duo Linos und Macro - fanden einfach keine Basis für ein Miteinander. Sie redeten aneinander vorbei, misstrauten sich, beurteilten annähernd alles gegensätzlich. Blieben sie alle zusammen, würden sie durch ihre Uneinigkeit sofort auffallen - jeder Torwache und jeder Straßenpatrouille. Das wiederum bedeutete, Felix Sicherheit käme dann am wenigsten in Gefahr, wenn sie getrennte Wege gingen. Felix schien nicht in der Lage zu sein, den Patrizier abzulegen, wenn er selbst, Macro, und Linos innerhalb Roms in seiner Nähe blieben.
    Die Alternative lautete: Trennung - zumindest für die Zeit innerhalb Roms Stadtmauern.


    Macro atmete einmal tief durch, dann erklärte er ruhig: "Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber Linos und ich wurden mit einem Auftrag nach Rom geschickt. Er war Menecrates so wichtig, dass er uns eigenverantwortlich agieren ließ und auch nicht diesem Haushalt unterstellte. Ich habe dir vorhin den Brief mit diesem Inhalt übergeben.
    Die Erfüllung dieses Auftrags gerät in Gefahr, je länger ich bleibe. Vielleicht schließen sich bereits in diesem Moment die letzten Schlupflöcher aus der Stadt hinaus, während ich vergeblich versuche, dich zu einer schnellen Flucht zu bewegen.
    Das einzige, Herr Felix, was ich dir anbieten kann, ist meine Unterstützung für die Reise nach Germania. Den Weg aus Rom hinaus, sollten wir so getrennt wie nur möglich gehen, denn das birgt die Chance, dass wenigstens einer von uns zu Menecrates zurückgelangt und berichten kann.


    Was mich betrifft: Ich gehe jetzt in Menecrates' Arbeitszimmer, nehme die Besitzurkunden an mich und verschwinde. Soll ich außerhalb der Stadtmauern auf dich warten?"


    Macro stand zwar abwartend, aber seine Muskeln spannten sich bereits, weil er keine unnötige Zeit mehr verschwenden wollte.

    Macro wartete vergebens auf eine Reaktion: Niemand bekam Angst, niemand rannte los, der Alarm schien keinen zu interessieren. Stattdessen fand er sich unversehens in einer unangenehmen Lage wieder, denn er wurde ausgefragt. Macro bereute, zurückgekommen zu sein. Aber auch das nur kurz, denn sein Gewissen hätte ihm keine Ruhe gelassen, wenn er abgehauen wäre.


    "Ähhh", antwortete er auf Anaxanders Frage. Er hätte sich eine Antwort zurechtlegen sollen. Während der Redefluss stockte, überlegte er, was zu tun sein. Entweder er packte die Wahrheit aus oder er spielte dieses Spiel weiter. Wäre Felix' Einstand gestern vertrauenswürdiger vielleicht auch umsichtiger gewesen, Macro hätte sich für den sauberen, den ersten Weg entschieden. So aber versuchte er, die Situation auf andere Weise zu retten. Er wusste, Linos musste sich noch im Garten aufhalten, denn auf sein Wort, 15 Minuten zu warten, baute Macro blind. Bestimmt wusste Linos einen Weg aus der Patsche, wenn er den anderen den auf der Lauer liegenden Linos präsentieren würde, also mussten die beiden erstmal dorthin. Taten sie es nicht, konnte Macro ohne zu schwindeln erklären, dass man ihm keinen Glauben geschenkt und auch nicht die Möglichkeit gegeben hatte, seine Aussage zu beweisen.


    "Wenn ihr mir nicht glaubt, überzeugt euch selbst. Ich habe Linos an die frische Luft gebracht und jetzt wartet er auf einem Beobachtungsposten." Jedes einzelne Wort entsprach der Wahrheit, weswegen Macro sicher auftrat. "Kommt mit, ich führ euch zu ihm. Aber ihr müsst vorsichtig sein." Macro führte den Finger an die Lippen, drehte sich um und lief in abgebückter Haltung zwei Schritte, um vorzumachen, was er sich unter 'vorsichtig' vorstellte. Er drehte sich wieder um, winkte mit dem Arm und wartete, dass ihm jemand folgte.

    Bereits bei Linos' Zustimmung packte Macro ihn bei den Schultern und schüttelte ihn erleichtert. Dabei grinste er über das ganze Gesicht. "Ich versuche, so viel wie möglich zu reißen in der Gnadenfrist." Dann ließ er ihn abrupt los und sprintete davon. Die letzten Worte hörte er nicht mehr, aber den Platz, für den Fall, dass sie sich außerhalb Roms treffen mussten, merkte er sich.


    Er rannte ins Tablinum zurück, als wäre Hades zu einer Raubkatze mutiert und hinter ihm her.
    "Wir haben keine Zeit zum Packen", rief er und meinte eigentlich Sachen verstecken, als er in der Villa auf Felix und Anaxander stieß. Er überlegte kurz, wie er das begründen sollte, und griff nach einer Notlüge. Normalerweise sagte er immer die Wahrheit, aber er fürchtete, dass alleine Linos' Intuition nicht ausreichen würde, Felix zu überzeugen. "Die Prätorianer stellen die Nachbarvilla auf den Kopf. Linos liegt auf einem Beobachtungsposten und er hat auch bereits einen Plan, wie wir über die Mauer kommen. Das Anwesen reicht an einer Stelle bis an die Stadtmauer heran. Dort stehen alte Bäume, wir klettern da drüber. Aufpassen müssen wir nur, dass wir anschließend weder in das Blickfeld vom Wachturm noch von der Porta Viminalis kommen." Er überlegte hastig, wie es danach weitergehen konnte, denn Ostia lag nicht in dieser Richtung. "Wenn wir erst einmal den Horti Maecenatis erreicht haben, sind wir in Sicherheit."

    "Ja, ja, du hast ja Recht", gab Macro zu, als er die Argumente gegen Felix hörte. Auf der einen Seite glaubte Macro auch, dass Felix raffgierig war, auf der anderen Seite wollte er sich vermutlich nicht nachsagen lassen, kopflos wie ein Junge davongelaufen zu sein. "Mein Problem ist, dass ich nicht als Sekretär, sondern als Leibwächter eingestellt bin. Von einem Leibwächter erwartet man doch, dass er zum Schutz bliebt, also ich erwartete das jedenfalls von mir. Anders wäre es, wenn Felix mir erlaubt zu gehen. Er hat bisher aber weder deinem noch Anaxanders Vorschlag zugestimmt, jeweils zu zweit aus der Stadt fliehen - an unterschiedlichen Toren." Macro hob die Schultern und wies die leeren Handflächen dar, zum Zeichen, dass er selbst am meisten in der Klemme saß. Er blickte dem Fehler sehenden Auges entgegen, konnte ihm aber nicht ausweichen.


    "Gib mir wenigstens 15 Minuten", bat er. "Und falls dir das zu viel Entgegenkommen ist, werde ich trotzdem allen sagen, dass ich dich weggeschickt habe. Wehe du behauptest was anderes! Wollen wir uns trotzdem außerhalb Roms wieder treffen? Also, falls wir alle hinausgelangen?"

    So schweigsam Linos während der Unterredung mit Felix war, so gesprächig erschien er jetzt. Er holte Luft und legte los, doch schon der vierte Satz haute Macro fast um. Wir mussten schnell weg, ja, das konnte Macro nachvollziehen. Aber ohne die beiden? Ohne Felix und dessen Sklave? Macro staunte Linos an, während der weiterredete. Er gab ihm Recht, wenn er sagte, für Menecrates sei es das Wichtigste, dass keiner gefangen oder verletzt wurde.
    Wie hypnotisiert blickte Macro Linos' Hand hinterher und sah einen Ast in Mauernähe. Natürlich führte Macro das Geld immer bei sich, aber das stellte nicht sein Problem dar. Wie im Traum, drehte er das Gesicht wieder Linos zu.
    "Das meinst du nicht im Ernst. Wir können doch nicht einfach abhaun. Wie willst du Menecrates unter die Augen treten, wenn du ihm sagen musst: Tut mir leid, ich habe beim Retten meiner Haut leider nicht berücksichtigt, dass dein Enkel dabei auf der Strecke bleibt." Macro schüttelte entschieden den Kopf. Er atmete einmal durch und fühlte sich wieder bei Sinnen. "Vier zusammen fallen auf, das sehe ich ein. Auch dass wir uns trennen, kann ich nachvollziehen. Aber feige abhaun, ne, das mache ich nicht. Wir gehen jetzt zu Felix, sagen ihm, dass wir sofort aufbrechen müssen, und zwar alle, und dass wir getrennte Wege aus der Stadt nehmen." Er stutzte, dann fügte er an. "Also ich bleibe bei dir, versteht sich."

    Der Hinweis auf Urkunden und Ahnentafeln schwebte an Macros Ohr vorbei. Er nahm ihn zwar auf, aber durchdachte ihn nicht, weil er sich auf Linos konzentrierte.


    "Jetzt sag nicht, du hast dir was gebrochen oder eine Ader aufgeschnitten", erwiderte macro mit Entsetzen im Blick, als er auf Linos zueilte. "Du weißt, ich kann kein Blut sehen und ein gebrochenes Bein wäre gerade jetzt auch nicht wirklich praktisch."
    Macro kniete sich zu Linos und hörte seinen Wunsch, ihn in den Garten zu bringen. Während er Linos wie ein großes Bündel auf die Arme nahm, schätzte er den Sinn des Wunsches ab. Entweder kämpfte Linos mit Übelkeit, was bedeutete, er hatte sich den Magen verdorben. Oder er wollte Macro alleine sprechen. Sein Bauchgefühl sagte, Letzteres musste zutreffen.


    "Mann, Mann, das ist langsam ein bisschen viel Aufregung für mich. Sag mir, wo es langgeht und was ich machen soll, aber dieses Wischiwaschi, wo ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht, bringt mich noch um."
    Er lief schnell, kam aber trotzdem nicht außer Atem. Wäre dies der Fall, müsste er sich ernsthaft Sorgen um seine Kondition machen. Gleichzeitig bemühte er sich, Linos nicht allzu sehr durchzuschütteln, denn wenn der tatsächlich über einen schlechten Magen klagte, konnte das Ergebnis bald auf Macro liegen.


    Beim Versteck angelangt, das er instinktiv anvisiert hatte, legte er Linos ab. "Irgendwie habe ich mir unsere Mission ganz anders vorgestellt." Er seufzte.