Beiträge von Titus Pompeius Atticus

    Als Exiland kann ich nicht editieren, also Doppelpost:
    Ich hab jetzt auch grad über die Cultus-Deorum-Ecke geguckt. Ich kapier da eure Graphik nicht :D


    Ränge im Cultus Deorum sind historisch gesehen eh "etwas kompliziert", um es mal euphemistisch auszudrücken. Das liegt daran, dass die römische Religion sich aus hunderten einzelner Kulte zusammengesetzt hat, die alle eigene Regeln hatten, die sich teils gravierend voneinander unterschieden.
    Noch dazu kennt die römische Religion anders als die christliche kaum Priester, da jeder Römer direkt selber opfern udn mit den Göttern in Kontakt treten kann und dafür keinen Vorbeter oder sonstigen Helfer braucht.


    Camillus ist kein wirklicher Rang. So nannte man einfach nur die Kinder, die beim Opfer geholfen haben (eben um das Opfern zu lernen), aber das waren in 90% der Fälle einfach die jüngsten Familienmitglieder des Opferherren. Da gibt es auch sogesehen keine Aufstiegsmöglichkeiten.
    Victimarius ist einfach nur der Opferschlachter. Das kann vom Sklaven bis zum Metzger alles sein. Den Pfeil rüber zu den Vestalinnen kapier ich da nicht, denn der Victimarius war normalerweise ein kräftiger Mann, der stark genug war, mit einem Hammer mal eben eine Kuh umzubringen, während die Amata minor bei den Vestalis ein etwa 6-12 Jahre altes Mädchen ist :D
    Popae gibt es meines Wissens nach nicht, aber da bin ich jetzt nicht 100%ig sicher.
    Sacrificulus beschreibt eigentlich nur den Opfernden, das ist eigentlich auch kein Rang sondern halt der, der da grade opfert.


    Von all jenem gibt es jetzt auch keinen Aufstieg in die anderen Ämter. Das sind einzelne Kultgremien, die jeweils unterschiedliche Aufnahmekriterien historisch hatten. (Haruspices mussten beispielsweise etruskische Vorfahren haben, Auguren mussten Senatoren sein...)


    Und auch die Pfeile weiter nach oben versteh ich nicht, weil die nur sehr bedingt was mit den weiter oben stehenden Ämtern zu tun haben.


    Cultus deorum ist wahnsinnig kompliziert :D Wäre schön, wenn der in so ein Schema passen würde. Tut er bei den Römern aber leider nicht :D Der ist das gelebte Chaos :D

    Ich hab mir jetzt noch nicht alles angeguckt, nur an einer Stelle ist mir etwas aufgefallen (womit sich wahrscheinlich hier sonst auch noch keiner auseinandergesetzt hat mangels Vigilen-Dasein :D)


    In eurer Übersicht habt ihr einen "Praefectus Castrorum" bei den Vigilen drin. Der kann weg. Sowas gibt es nicht. Die Vigilen sind in dem Punkt anders aufgebaut als andere Militäreinheiten. Die sitzen ja auch nicht alle zusammen in einer Kaserne, sondern haben ihre einzelnen Stützpunkte in der Stadt verteilt. in jedem Stützpunkt sitzt genau eine Cohorte, und jede dieser sieben Cohorten hat einen eigenen Tribunus Vigilum an der Spitze. Da fällt dann die Notwendigkeit eines Praefectus Castrorum schlichtweg weg, weil es halt keine große Castra gibt :D


    Den könnt ihr also von eurer Liste streichen.


    Das war ein Lupanar? Aber da waren nur Kerle...? Es dauerte einen Moment, bis die Schlussfolgerung sich in Atticus Verstand Manifestierte. Oh...
    Daher bekam er von der anschließenden Schimpftirade des Optios bewusst nur die hälfte in etwa mit. “Ähm... ich... Sowas musst du eine Frau fragen, Optio. Die ticken manchmal seltsam.“ Atticus war mit seinen achtzehn Lenzen jetzt nicht wirklich mit mannigfaltiger Erfahrung dem weiblichen Geschlecht und deren Gedankengängen gegenüber gesegnet, als dass er auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz hätte bauen können. Frauen waren seltsam.


    Dass der Furius die Frau dann mitnehmen wollte, war Atticus soweit recht. Er glaubte nicht, dass er von ihr in ihrem momentanen Zustand sinnige Antworten erhalten würde. Bei Kyriakos sah die Sache schon etwas anders aus. “Ich muss aber darauf bestehen, dass die Vigiles bei der Befragung von... Kyriakos? So hieß er? … anwesend sind. Wenn das Brandstiftung war, fällt das in den Gerichtbarkeitsbereich des Praefectus Vigilum.“


    Das folgende Geplänkel zwischen der Sklavin und ihrem Herren weckte nicht weiter Atticus Interesse. Er besah sich lieber Pontus, ob dieser sich irgendwie verletzt hatte. Allerdings schien der Hund bis auf ein paar angesengte Haare glimpflich davongekommen zu sein.

    Zitat

    Original von Kyriakos
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    Als der Medicus sich um den Jungen kümmerte, musste er mit Erstaunen feststellen, dass Nymphis quicklebendig war und putzmunter. Er lächelte dem Mann freundlich zu, so, wie er es gelernt hatte. Er zeigte keinerlei Scheu. "Salve, schöner Mann", wisperte der Sechsjährige leise mit einem langsamen Augenaufschlag, der nicht in ein so junges Gesicht passen wollte. "Bist du ein Vigil?"


    Offensichtlich ging es dem Jungen gut, so dass der Medicus mit seiner Untersuchung auch sehr schnell fertig war. Dennoch antwortete er kurz dem Jungen. “Ich arbeite für die Vigiles hier in der Subura. Jede Cohorte hat ein paar Ärzte, um sich um die Verletzten zu kümmern.“ Dass es dabei normalerweise um verletzte Vigiles ging, ließ der Medicus geflissentlich aus. Da dem Jungen nichts fehlte, verabschiedete er sich noch kurz von ihm, meldete sich mit einer knappen Geste noch bei dem Tribun ab, der ihn herbeordert hatte, und ging dann weiter seinen Pflichten nach.


    Zitat

    Original von Appius Furius Cerretanus
    " Tribun, ich sehe ihr habt alles im Griff. Der Brand, der ist eure Sache, darum musst ihr euch kümmern. Was die verletzen angeht so hat euer Medicus reichlich zu tun.
    Ich werde meine Männer nun abziehen. Augenscheinlich hat einer der Miles, Miles Lurco noch versucht im Gebäude nach vermissten zu suchen aber das mit negativen Erfolg.


    Wie wir das nun handhaben wegen den Ermittlungen, eine Kooperation wäre wünschenswert."


    Zitat

    Original von Appius Furius Cerretanus


    " Nein und ja." antwortet Appius knapp und setzte fort:" Sie hatte nicht die Erlaubnis die Casa zu verlassen und dass sie nun hier ist ist purer Zufall. Und ja....dieser Mann hatte sie festgehalten und versuchte geld von mir zu erpressen um ihre Freiheit zu gewährleisten.
    Das ist aber nun hinsichtlich der Geschehnisse irrelevant. Der Mann ist bestraft genug. Und was die Sklavin angeht so wird sich sich nun damit abfinden müssen im Carcer der CU einige Zeit zu verbringen."


    Auch wenn sie seine Sklavin war so hatte Appius nicht vor sie wegen ihren Verhalten nach zu bevorzugen.
    Womöglich würde es für ihn Konsequenzen geben aber Recht muss Recht bleiben.


    Der Optio schien ein wenig durch den Wind zu sein ob der ganzen Situation. Ein wenig lustig fand Atticus es schon, dass er, obwohl rußverschmiert und eben noch durch ein Feuer gelaufen, der augenscheinlich gefasstere von ihnen beiden war.
    “Also ist sie weggelaufen und der Typ ist eine Art Sklavenfänger?“ versuchte Atticus die Aussage noch einmal zusammenzufassen. Dass er so viel Ärger für eine entlaufene Sklavin provoziert haben sollte, war natürlich ein klein wenig peinlich. Aber das hatte ja niemand wissen können.
    Dass der Furius den Mann für die versuchte Erpressung nicht anzeigen wollte, nahm Atticus so hin, behielt es aber durchaus im Hinterkopf für die weiteren Ermittlungen. Das römische Recht war hauptsächlich ein Prozessrecht, und wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn der Optio den Mann nicht anzeigen wollte, konnte Atticus da gar nichts machen, selbst wenn er wollen würde. Aber statt einer Anzeige einen Brand zu legen war zumindest ein denkbares Motiv.


    Während die beiden sich unterhielten, gesellte sich ein seltsam aussehender Kerl zu der Sklavin und unterhielt sich. Vielleicht hatte der Miles von zuvor doch nicht ganz Unrecht mit seinem Schimpfen, dass diese Frau die Männer anzuziehen schien. Mit halben Auge beobachtete er die Situation, ohne wirklich mitzubekommen, was die beiden zu reden hatten. “Und war sie vorher schon so.... so....“ Atticus suchte ein freundlicheres Wort für “verrückt?“, fand aber keines.


    Unterdessen verabschiedete sich nun auch das Dachgebälk des brennenden Hauses und fiel krachend ins Innere des Hauses. Was auch immer das hier einmal war, jetzt war es das nicht mehr. Es würde noch einige Stunden dauern, bis es kontrolliert abgebrannt war, aber die Vigiles hatten den Brand soweit unter Kontrolle, dass er sich zumindest nicht ausbreiten würde.


    Als die Sklavin mitbekam, dass sie unter Umständen von ihrem Dominus bestraft werden sollte, erhob sie Einspruch, aber Atticus überhörte das geflissentlich. Ihm stand es nicht zu, sich in dem Punkt irgendwie einzumischen, wenngleich er es etwas seltsam fand, dass der Optio den Carcer seiner Einheit für eine Bestrafung zweckentfremden wollte.


    Eine Kooperation zwischen Vigiles und CU machte Atticus ein wenig Bauchschmerzen. Aber letztendlich musste sowas der Tribun der dritten Cohorte entscheiden, er war hier eigentlich nur eher zufällig, sein Zuständigkeitsbereich lag eigentlich eher bei den schicken Wohngegenden etwas weiter nördlich. “Ich werde den Tribun der Dritten verständigen, dass der sich mit eurem Tribun kurzschließt. Berichte austauschen sollten wir in jedem Fall.“ Da die Urbaner schon angefangen hatten, alle möglichen Leute auszufragen, hatten diese vielleicht sogar eher schon Hinweise darauf, ob das hier Brandstiftung oder doch eher ein ganz normaler Hausbrand war.

    Der Vigil bei Kyriakos hörte nicht zum ersten Mal eine solche Bitte, und wohl auch nicht zum letzten Mal. Er legte sich bereits gedanklich seine Worte zurecht, wie er dem armen Kerl vor ihm seine Ablehnung möglichst schonend beibringen konnte, als ein anderer Mann herüberkam und dem Brandopfer einen Schlag in die Magengrube verpasste. Der klappt vorschriftsmäßig zusammen und kotzte erstmal. “Ouh... die hat gesessen“, war dann doch der wenig einfühlsame Kommentar.


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    Atticus wartete eigentlich noch auf eine Antwort auf seine Frage, als etwas unerwartetes geschah. Erst starrte der Furier einen Moment vor sich hin, dann stapfte er los um dem eben geretteten Typen eine reinzuhauen und quasi kommentarlos zurückzukommen. Danach kam auch der unverschämte Miles von eben an und meckerte seinen Optio an. Die Situation hatte eine Absurdität an sich, die an Komik grenzte. Selbst die Schreiberlinge am Theater konnten sich sowas nicht ausdenken. Und um dem ganzen noch die Spitze an Absurdität zuzufügen, biss in diesem Moment die Sklavin den Medicus, der das mit einem lauten Schrei und wildem fluchen bedachte.
    “Tribun, selbst wenn ich dafür vor dem Militärgericht lande, aber die dürft ihr selber untersuchen“, schimpfte er und widmete sich erst seiner eigenen Hand und dann dem Jungen.


    Ich bin von verrückten umgeben, dachte Atticus und wollte am liebsten auch vor Wahnsinn lachen.
    Nachdem der Optio den frechen Miles zusammengefaltet hatte – wäre der einer von Atticus Männern, der würde Latrinen schrubben, bis seine Hände abfielen - unternahm Atticus einen weiteren Versuch. “Weißt du, warum deine beißende Sklavin in dem Haus da war? Hast du dem Typ deshalb eine verpasst? Ich frag nur, damit ich weiß, was ich in den Bericht schreiben soll und was nicht.“

    Atticus sollte sich wahrscheinlich den Helm wieder aufsetzen, um als Tribun eindeutig erkennbar zu sein. Erklärte da grade tatsächlich ein dahergelaufener Miles ihm, wie die Vigiles ihre Arbeit zu verrichten hatten? Und wollte ihm vorschreiben, wer hier Zeuge war und wer nicht?
    Glücklicherweise erkannte dessen Kamerad schneller die Situation und nutzte die offensichtliche Verblüffung von Atticus aus, um schnell den Rückzug anzutreten. Offensichtlich hatte Atticus dank seiner Stellung den Disput grade gewonnen und als Nettogewinn eine wie wahnsinnig gackernde Sklavin erhalten. Bei den Göttern, vor einer Stunde noch wollte er doch einfach nur mit zwei seiner Centuriones was saufen gehen.


    Dennoch war es wohl anstrengend genug gewesen, denn mit einem weiteren Hustenanfall und ohne weitere Worte musste Atticus auch sich wieder setzen. Die Siphonarii waren inzwischen fertig mit ihren Vorarbeiten und während zwei Vigiles die Pumpen bedienten und weitere zwei mit den Schläuchen und Spritzen hantierten, konnten die Bewohner erst einmal ihre Eindämmungsversuche einstellen, so dass doch etwas mehr Platz nun herrschte.
    Atticus zog also die Sklavin wieder sanft mit sich und setzte auch sie wieder hin. So, wie die sich grade benahm, war wahrscheinlich ohnehin nicht viel mit ihr anzufangen. Aber Atticus musste sowieso selbst erst einmal überlegen, was er sie überhaupt fragen wollte, daher war es auch ganz gut so, wie es war. Hätten die beiden Urbaner ihm nicht eröffnet, dass es eine Sklavin war, hätte Atticus schon mehrere Fragen gehabt. Warum sie so wenig anhatte, beispielsweise. Und was sie in einem Haus voller Kerle als einzige Frau gemacht hatte. Sie war hübsch und in seinem Alter, vielleicht hätte er sogar versucht, seine nicht vorhandenen Flirtkünste an ihr auszuprobieren. Aber sie war eine Sklavin, also fiel das alles weg. Selbst die Frage, ob sie hübsch war.
    Atticus sah an ihr nur kurz hinunter, und dann an sich. Es war unglaublich, wie dreckig so ein Feuer an und für sich war. Seine Haut war immernoch weitestgehend schwarz, ebenso wie ihre, und seinen Umhang konnte er wohl wegwerfen. Selbst wenn er jemals die Brandflecken rauskriegen sollte, den Rauchgeruch würde er nicht mehr los. Atticus nahm ihn also kurzerhand und riss ein paar Streifen ab, die er im Brunnen tränkte. Einen der so entstandenen nassen Lappen gab er der Sklavin. “Da, bitte. Wasch dich. Das hilft“, versuchte er nur, sie irgendwie aus ihrem Wahn zu holen und ihr irgendwie zu helfen. Er hatte doch auch keine Ahnung, was man in so einem Fall machte.


    Kleipios kam just da dann auch mit dem Medicus der dritten Cohorte angetrabt. “Der Junge da drüben und die Frau hier zuerst“ wiederholte Atticus noch einmal seine Anweisungen von zuvor, damit der Medicus sich ans Werk machen konnte.
    Er selbst legte sich einen der nassen Lappen kühlend in den Nacken, als auch schon der nächste kam, der etwas von ihm wollte. Der Mann stellte sich als Optio Furius vor. Das war wohl der Besitzer der Sklavin.
    Atticus führte etwas aus, das mit etwas gutem Willen als Erwiderung des militärischen Grußes gelten konnte, so dass der Optio aus jeglicher Pflicht zum stramm stehen prophylaktisch entlassen war. Atticus war zu müde, um sich jetzt irgendwie zu zanken.
    “Salve, Optio. Tribun Pompeius. Ja, sie war im Eingangsbereich mit dem Mann da hinten und dem Jungen hier drüben.“ Atticus deutete auf Kyriakos in kurzer Entfernung und den bewusstlosen Nymphis. Immer wieder musste Atticus ein wenig husten, aber je länger er hier draußen war, umso besser wurde es. “Der Medicus der Dritten schaut gerade nach ihr, ich glaube, sie hat sich verletzt. Hattest du sie hierher geschickt, oder...?“ stellte Atticus die offensichtlichste Frage nach ihrem hiersein. Er kannte sich hier nicht so gut aus und hatte keine Ahnung, was da eigentlich gerade genau abgebrannt war.



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    Der von Kyriakos angesprochene Vigil schüttelte nur den Kopf. “Wer jetzt noch nicht 'raus is', der kommt nimmer raus, Mann. Da drin ist keine Luft mehr, die man atmen kann. Das Ding stürzt jeden Moment ein, da geht niemand mehr rein.“

    Etwas konsterniert guckend blieb Kleipios kurz stehen. Hatten die Urbaner wirklich nichts besseres zu tun? “Für Sklavenangelegenheiten sind die Vigiles zuständig. Klär das mit meinem Tribun, ob er sie in dem Fall laufen lässt“ sagte er knapp und führte dann seinen Befehl aus. Auch wenn sein Tribun offenbar verrückt war, in ein brennendes Haus zu rennen, war das immer noch sein Tribun. Und Befehlsverweigerung war in der römischen Armee nicht vorgesehen.


    Eben selbiger Tribun hatte auch nur mit halben Ohr mitbekommen, was da grade passierte. Als aber einfach ein Urbaner die Frau schnappte und mitziehen wollte, kämpfte er sich doch auf die Füße wieder hoch. Heute war offenbar Tag der verschobenen Prioritäten.
    “Sie... bleibt hier... bis ich... was anderes sage“ stellte er fest. Dass er dabei immer wieder ein Husten unterdrücken musste, büßte wahrscheinlich etwas Autorität ein. Der riesige Hund neben ihm glich das aber wahrscheinlich wieder aus.
    “Sie ist... Zeugin in einem... Brandfall. Dafür sind die Vigiles... zuständig. Und wenn sie... eine Sklavin ist... dann sowieso.“
    Da er von oben bis unten grade doch ziemlich schwarz aussah, war sein Stand vielleicht grade etwas schwer für den Miles vor ihm zu erkennen. Aber, Götter, er war Ritter und Militärtribun, da schnappte man ihm nicht einfach ungefragt irgendwelche Leute vor der Nase weg und sagte ihm, was er tun sollte.

    Ein wenig fühlte Atticus sich wie Aeneas aus der Flucht aus dem brennenden Troja. Dieser hatte Sohn und Vater dabei, Atticus im einen Arm ein bewusstloses Kind und im anderen eine sich windende Frau, die nicht gerade kooperativ beim Gerettet-Werden war. Zum Glück wogen beide nicht viel, so dass Atticus die beiden recht zügig durch die Tür ins Freie kam. Er war noch nicht einmal richtig draußen, als irgendein Verrückter noch ins Haus rannte und den zurückgebliebenen Mann raustrug. Atticus musste ein dringendes Wörtchen mit den Vigiles reden, damit die den Brand endlich vernünftig absperrten, damit eben das nicht mehr passierte. Im Haus waren schon Balken runtergestürzt, es war nur eine Frage von Minuten, bis das Ding völlig einstürzte.
    Erstmal allerdings war er damit beschäftigt, Kind und Frau weiter weg vom Feuer und hin zum Brunnen zu bringen. Und zu keuchen und zu husten, seine Lungen waren voller Rauch.


    Der erste, der ihn bemerkte, war Pontus, denn er hatte noch keine vier Schritte gemacht, als der Molosser wild schwanzwedelnd und winselnd angesprungen kam und sich freute, sein Herrchen wieder zu haben. Dicht gefolgt von Kleipios, der ihm entgegenkam und ihm zuerst einmal die Frau abnahm und nun zum Brunnen trug, während er seinen Vorgesetzten aufklärte. Oder besser gesagt, erst einmal ausschimpfte.
    “MACH. DAS. NIE. WIEDER! Tribun.“ Das letzte Wort kam eher geknirscht daher. Wäre Atticus nicht ranghöher, er vermutete, er hätte jetzt wohl eine Faust ins Gesicht bekommen. Glück für ihn.
    Atticus schüttelte den Kopf und ließ sich selber am Brunnenrand nieder, während neben ihm noch Wasser geschöpft wurde zum Löschen. In der Zwischenzeit waren auch der zuständige Löschzug angekommen, darunter sogar einige Siphonarii, die die Löschspritzen gerade für den Einsatz vorbereiteten. Das war gut, einen Großbrand in der Subura konnte sich die Stadt grade nicht leisten.
    Mit einer Hand musste Atticus Pontus abwehren, der anfangen wollte, ihm den Ruß aus dem Gesicht zu lecken. Mit der anderen versuchte er selbst, etwas Wasser zu schöpfen, um sich etwas zu waschen und den Geschmack von Asche und Tod aus dem Mund zu kriegen. Währenddessen berichtete Kleipios. “Wir haben zwei aktive Löschketten. Die Jungs von der dritten Cohorte sind auch schon da und haben das Nachbarhaus geräumt und zerlegt. Das Feuer ist soweit unter Kontrolle, aber das Ding brennt erstmal nieder.“
    Atticus nickte, was allerdings erstmal mit einem weiteren Hustenanfall bestraft wurde. Es war eine saublöde Idee gewesen, in das Gebäude zu rennen.
    “Was... chrchkkk... Jungs?“ fragte er nur.
    “Die dein Hund rausgebracht hat? Denen geht’s gut. Husten wie die Bekloppten, paar Brandblasen, alles gut. Der Medicus der Dritten hat sie angesehen. Ich hol ihn erstmal her, damit er dich ansieht.“
    Atticus schüttelte den Kopf und wusch sich weiter. So langsam wechselte seine Hautfarbe von rußigem Schwarz zu Weiß mit leichtem Rot, wie nach einem Sonnenbrand. “Kleine... und die Frau... zuerst“ bestand er darauf.
    “Wie du willst, Tribun.“ Kleipios schüttelte zwinkernd mit Seitenblick auf die Frau lachend den Kopf und ging los, den Medicus zu holen.

    Sobald Atticus etwas von Ausgang gesagt hatte, machte sich der Mann, den er bis eben noch hatte ziehen müssen, mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch die Flammen davon, anstatt ihm mit den drei anderen Personen zu helfen. Im feuer war sich eben doch jeder selbst der nächste.
    Allerdings stand Atticus so wieder vor dem Problem, dass er selbst nur zwei Arme hatte, mit denen er nicht drei Personen tragen konnte. Ihm wurde ein Bündel zugeschoben, was sich als bewusstloses Kind entpuppte. Ein Glück, das Kind. Atticus nahm ihn in einen Arm gegen seine Schulter gelehnt und griff mit dem anderen nach der Frau, die noch am Boden kauerte. Frauen und Kinder zuerst.
    “Komm hoch“ keuchte er, während er mit der rechten die Hüfte der Frau umfasste und sie so auf die Beine zog. Anscheinend war sie auch verletzt, aber selbst wenn er sie halb tragen musste waren sie so definitiv schneller als auf allen Vieren am Boden entlangkrauchend.
    “Stata Mater... ich verspreche dir eine Gans, wenn du uns alle heil hier rausbringst“, gab Atticus noch ein leises Gebet an die Göttin der Vigiles von sich, Stata Mater, die gütige Mutter, die den Flammen Einhalt gebot, deren Schrein auf dem Forum von den Vigiles Tag und Nacht bewacht wurde.

    Wo kam der jetzt auf einmal her? Fast direkt neben Atticus meldete sich jemand. Zögerlich, und wohl verletzt. Er hielt sich den Arm. Atticus versuchte, mehr zu erkennen, aber das war nicht möglich, und eigentlich auch unwichtig. Der Mann deutete noch auf irgendwas am Boden, was sich bei genauerem Hingucken als Hand erwies.
    Schnell machte Atticus einen Schritt und kniete sich zu dem zu der Hand gehörigen Mann dazu. Dieser war ganz offensichtlich verletzt, sogar recht schwer, und bewusstlos. Ein Blick reichte, um Atticus zu sagen, dass er den Koloss nicht tragen konnte. Er nahm beide Hände des Bewusstlosen und versuchte, ihn zu ziehen, aber auch das war ein reichlich sinnloses Unterfangen.
    “Tut mir leid, mein Freund“, sagte er und ließ den Bewusstlosen liegen. Er konnte entweder den anderen und sich retten, oder sie alle drei in den Flammen verlieren. Nicht mehr lange, und sie würden hier ersticken.


    “Komm mit“ sagte Atticus dem anderen Mann, der scheinbar unter Schock stand und sich kaum rührte. Atticus hatte allerdings bei genug Trainings seiner Männer zugesehen, um zu wissen, dass er nicht lange diskutieren brauchte. Er packte einfach das zitternde Häuflein Elend und zog ihn mit sich in Richtung Ausgang.


    Sein Umhang war inzwischen weitestgehend nutzlos geworden, sämtliches Wasser schon verdampft. Er riss ihn sich vom Kopf und wickelte ihn noch im Gehen um seinen linken Arm, während der rechte den anderen Mann hinter sich herzog. Vor sich hörte er Stimmen. Oder bildete er sich das ein? Es mussten noch Leute im Gebäude sein, zumindest hatte er erst drei Erwachsene gefunden, dafür aber unerwartet viele Jungen, die inzwischen hoffentlich schon draußen waren.
    Ein Stückchen Decke kam fast vor ihm als brennender Funkenregen herunter, und Atticus musste etwas ausweichen, der direkte Weg war etwas versperrt. An etwas, das mal ein Tisch war, vorbei, und dann sah er noch zwei weitere Menschen am Boden. Halt, nein, drei.
    Den Fremden immer noch hinter sich herziehend in halb kauernder Stellung ging Atticus zu ihnen hinüber. “Schnell raus hier, da vorne ist die Tür“ deutete er mit seiner ummantelten Hand. “Los, los, Beeilung!“ Den Kasernenhofton hatte er mittlerweile drauf.

    Die Hitze war wie eine Wand. Atticus fühlte, wie die feinen Härchen an seinem Arm verschmorten, selbst ohne dass er mit dem feuer in Berührung kam. Den triefnassen Umhang hatte er zum Schutz über den Kopf und nach vorne über Mund und Nase gezogen, gehalten von seinem linken Arm, so dass er den rechten frei hatte. So konnte er wenigstens etwas atmen, ohne Rauch einzuatmen. Dennoch musste er sich nicht nur wegen seiner Körpergröße ducken.


    Die meisten Menschen meinten, ein Feuer sei hell. Doch das stimmte nur zum Teil. Ein kleines Feuer spendete Licht und Wärme. In einem Hausbrand hingegen sah man nur eine blendende Schwärze. Rauch versperrte einem die Sicht, und nur brennende Funken dazwischen und brüllendes Feuer rundherum blendeten gleichzeitig.
    Atticus versuchte, etwas durch den Rauch zu sehen oder zu hören. Jemand saß an einer Wand. Atticus ging schnell zu ihm. Irgendwo krachte ein Balken herunter. Er durfte nicht lange bleiben. Atticus berührte den sitzenden Mann, der zur Seite wegkippte. Er hatte irgendwas in den Händen, was Atticus aber nicht interessierte. Er griff schnell nach dem Kopf und fühlte nach, ob der Mann lebte. Aber der war tot. Etwas klebriges war an seinen Fingern, was Atticus als Blut zwar registrierte, im Augenblick aber nicht wahrnahm. Er schaute weiter und meinte, ein Rufen zu hören. Er lauschte nochmal. Ja, da war ein panisches Schreien.
    Er versuchte dem klang zu folgen und fand sich vor einer Tür wieder. Sie schien verriegelt zu sein. Atticus hielt sich gar nicht lange damit auf und zog sein Schwert, um den Riegel auszuhebeln. Trotzdem musste er zweimal noch mit der Schulter gegen die Tür rammen, um sie aufzubekommen. In der Hitze hatten sich die Angeln der Tür schon leicht verbogen.
    Ihm starrte ein Sammelsurium an Augen entgegen und keuchende Wesen. Verdammt, so viele... Das waren mehr als fünf. Atticus hatte keine Zeit, zu zählen. “Kommt, raus hier! Runter auf alle viere und haltet euch immer am Vordermann brüllte er ihnen entgegen und hoffte, sie verstanden ihn, während er nach unten ging, um es vorzumachen.
    Etwas berührte ihn an seiner Seite, und er schrak zusammen, dachte schon, etwas brennendes wäre auf ihn gestürzt. Aber neben ihm kauerte wimmernd und winselnd Pontus, der seinen Herrn nicht allein in die Flammen hatte gehen lassen wollen. “Dummer Hund“, begrüßte Atticus seinen Gefährten und hatte eine Idee. Er schnappte sich den Arm des vordersten Jungen. (War es ein Junge? In diesem Rauch war es nur schwer, das auszumachen.) Mit festem Griff führte er dessen Hand an Pontus Halsband. “Festhalten, nicht loslassen“ sagte er eindringlich und ließ erst locker, als er sicher war, dass der Junge verstanden hatte, was er von ihm wollte.
    “Bring sie raus, Pontus. Pontus? Raus!“ befahl Atticus, und wenngleich Pontus winselte und nicht wollte, gehorchte er und ging langsam los.


    Atticus stellte noch sicher, dass die anderen dem ersten Jungen folgten, alle am Boden hintereinander. Als er sicher war, dass sie auf dem Weg waren, ging er noch einmal in Richtung des Hauptraumes – wenn es einer war, Atticus sah keine vier Fuß weit – zurück. Er hatte keine Ahnung, wer sonst noch hier war. “IST NOCH JEMAND HIER?“ brüllte er ins Nichts hinein und versuchte, durch das Feuer etwas zu hören. Viel länger durfte er nicht bleiben, wenn er nicht für immer bleiben wollte. Er keuchte, als so langsam der Schutz seines Mantels aufgebraucht war.

    Leider kam nicht die erhoffte Antwort. Vier Mann und ein Junge. Scheiße...


    “Verstanden. Alle weg vom Gebäude. Du da“ Atticus deutete auf einen jungen Mann, der ihm der stabilste der Anwesenden schien. Irgendwie sah die Gruppe aus, als wäre sie in eine Schlägerei geraten und nicht in ein Feuer. “Renn die Straße entlang und alarmiere ALLE Nachbarn, mit ihren Feuerlöschutensilien zu kommen auf Anweisung der Vigiles!“ Nach dem großen Brand vor über fünfzig Jahren war per Dekret allen Hausbwohnern befohlen, mindestens Eimer und Decken oder Feuerpatschen griffbereit zu haben.
    “Und der Rest reiht sich in die Eimerkette zum Löschen ein. Los, los!“ Mit ausladenden Handbewegungen und einer Stimme, die keinen Widerspruch zuließ, scheuchte Atticus die versammelte Mannschaft und sämtliche hinzugekommenen Schaulustigen weiter vom Gebäude weg und in Richtung des nächstgelegenen Brunnen, wo Kleipios schon, ebenso brüllend, die Leute in Reihen einteilte und Wasser schöpfen und weitergeben ließ.
    Atticus fand sich neben ihm stehend beim Brunnen, in dessen Wasserbasin er seinen Umhang wie nebenbei warf und tränkte. “Es sind noch fünf Leute im Gebäude“ sagte er einfach nur.
    “Möge Hermes sie heimführen“, antwortete Kleipios nur und gab damit seine Einschätzung zu deren Chancen kund.
    Atticus sah zu dem brennenden Haus. Je länger es dauerte, umso unwahrscheinlicher war es, dass jemand es noch rausschaffte. “Einer ist ein Junge“, sagte er. Und schaute in den brüllenden Abyss. Er legte seinen Helm ab und neben den Brunnen.
    “Tribun, nein....“ hörte Atticus Kleipios nur sagen, als er sich seinen nassen Umhang schnappte, notdürftig um sich zog und ins Gebäude rannte.


    Hinter sich hörte er noch Pontus wie verrückt bellen, und dann nur noch die Geräusche des brennenden Hauses.

    Als Tribun war man ja eigentlich immer im Dienst. Andauernd wollte irgendwer irgendwas von einem, vor allem dann, wenn man selber eigentlich keine Ahnung hatte und schon fünf andere Dinge anstanden, die man eigentlich grade tun sollte. Nichts desto trotz hatte man manchmal auch frei. (Andere würden es als kurzzeitige Flucht vor den Pflichten beschreiben, da aber jeder Offizier irgendwann einmal dieses Privileg nutzte, war es wohl eher sowas wie ein genehmigter Arbeitsboykott. Wenn auch in Arbeitskleidung.)


    So oder so, Atticus hatte heute nichts weiter zu tun und war mit zwei seiner Centurionen, die ebenfalls auf Anordnung ihres Tribuns nichts zu tun hatten, und seinem Hund Pontus in der Subura unterwegs. Diese gehörte nicht zu ihrem eigentlichen Gebiet, so dass die Wahrscheinlichkeit, hier auf ihre arbeitenden Kameraden zu treffen, erheblich geringer war als in der Nähe ihrer Castra. Außerdem gab es hier wesentlich günstigere Tabernae. Sie liefen also gerade durch die Gassen auf der Suche nach dem nächsten Absacker, als Pontus mit einem Mal stehen blieb und zu bellen anfing. Es war erst ein einzelnes, lautes „Wuff“, was die Leute noch einen Schritt weiter als ohnehin schon von dem großen Molosser zurücktreten ließ. Doch direkt danach meldete er sich noch einmal. Und noch einmal.
    “He, Pontus, was ist los?“ Atticus drehte sich seinem Hund zu und ging ganz leicht in die Knie, um besser zu erkennen, was seinen treuesten Gefährten zu diesem für ihn nicht typischem Verhalten veranlasste. Er streichelte ihm leicht über Kopf und Rücken und blickte dann besorgt von dem weiter warnenden Wachhund in die Richtung, der der Apell galt.


    Und dann sah er die Rauchsäule.


    “Starax, zur nächsten Statio, die zuständigen informieren, Kleipios, mit mir.“ Sofort war er wieder der Tribun, der Befehle erteilte. Zusammen sprinteten die beiden Männer in die eine, der andere in die andere Richtung. Pontus wich ganz selbstverständlich keinen Schritt von seinem Herrn. Das war es wohl mit Freizeit heute.


    Es war nicht weit, nur zwei Straßenbiegungen, als Atticus das Desaster auch schon sah. Ein Haus brannte und das Feuer drohte, überzuschlagen. Aber noch konnte es nicht allzu alt sein, sonst sähe die dicht bebaute Straße ganz anders aus. Und noch waren keine Kameraden anwesend. “Scheiße!“ schimpfte Atticus kurz. Bei jedem Feuer in der Stadt galt der einfache Leitsatz: Wer zuerst da war, hatte das Kommando. Egal, ob er es vom Rang her haben sollte oder nicht. Bei Feuer konnte man nicht diskutieren und warten, bis ein Offizier anwesend war, oder streiten, wer nun welche Befehle geben durfte oder nicht. Und in diesem Fall hieß das wohl, dass Atticus das Kommando hatte. Scheiße



    “Kleipios, teil die Leute da ein, Wassereimerkette. Konzentriert euch auf die Nebengebäude, dass die nicht Feuer fangen, von außen nach innen!“ brüllte Atticus dem Centurio zu. Dann rannte er näher an das Feuer heran, wo ein Haufen Leute stand. Gestik und Habitus sagte ihm, dass das die Bewohner waren. Wenn man ein paar Feuer gesehen hatte, konnte man Bewohner und Schaulustige gut auseinanderhalten.
    “Ist noch wer im Gebäude?“ brüllte er über Straßenlärm und Feuer hinweg den erstbesten Mann an und betete zu Vulcanus, dass die Antwort 'nein' lauten würde.

    Sein Gegner war schnell, aber Atticus war trotz seiner Größe nicht langsam. Und da er schon einmal das Vergnügen gehabt hatte, war er diesmal auch nicht leichtsinnig, sondern konzentriert. Anfangs machte er einen Punkt dadurch, dass er beim Start einfach einmal mit dem Schild nach vorne schnell und kräftig drückte und mit diesem Rumms seinen Gegner aus dem Gleichgewicht brachte. Es war eigentlich ein recht mieser Trick, zumindest hatte Attticus das damals so empfunden, als Malachi dasselbe mit ihm gemacht hatte. Aber auch sehr effektiv. Und er entschuldigte sich für das Manöver.
    Danach begnügte er sich mit echten Attacken mit dem Schwert ohne hinterhältige Finten. Der Hispanier war schwer zu treffen und duckte sich meist weg. Atticus war ebenfalls zu schnell. Als es langweilig zu werden drohte, einigten sie beide sich darauf, die Schilde beiseite zu legen.


    Danach war der Kampf wesentlich rasanter. Atticus hatte Mühe, alle Hiebe abzublocken oder zu kontern. Dennoch schlug er sich auch diesmal wieder mehr als gut, so dass er am Ende sieben Punkte zu verzeichnen hatte, und sein Gegner nur derer drei. Drei Hiebe, die mit scharfen Waffen durchgeführt wohl in Verstümmelungen und Tod geendet hätten. Aber das hätten seine sieben ebenso.
    Durchgeschwitzt und etwas außer Atem ließ er sich vom Jubel seiner Männer kurz feiern und beglückwünschte seinen Gegner zu dem fabelhaften Kampf. “Beinahe hättest du mich gehabt“, grinste er ehrlich, während er die Hand des anderen schüttelte.
    “Nächstes Mal schlage ich dich, Tribun“, kam auch gleich die zurückgegrinste Antwort.
    “Ich freu mich darauf!“ feixte Atticus weiter und zog sich dann die durchgeschwitzte Tunika aus.


    “Ihr seid doch Vigiles, oder? Löscht mal euren Tribun“, gab Atticus einen spaßigen Befehl, der sogleich eifrig befolgt wurde. Fünf Mann stürmten los zu dem Brunnen am Hof, tauchten Eimer ein und waren im Laufschritt zurück, noch ehe Atticus seine Tunika an einen anderen Vigil übergeben konnte. Das meiste Wasser bekam Atticus ab, aber auch die Männer, die nicht schnell genug auswichen, bekamen noch eine ordentliche Dusche unter allgemeinem Gelächter.
    “Löschen hab ich gesagt, nicht ersäufen!“ bellte Atticus in seinem besten Ton und schüttelte sich.


    Als er sich eine neue Tunika anreichen ließ, bemerkte er ein neues Gesicht in der Menge. Er kannte zwar nicht alle seine Vigiles, erst recht nicht beim Namen. Aber diesen Gesichtsausdruck, den die Neulinge hatten, den erkannte er, und dieser Mann war neu. “Na, auch ein Versuch?“ fragte er den Mann direkt, während er mit schräggelegtem Kopf noch ein wenig Wasser aus seinen Ohren schüttelte.

    “Gratuliere, du bist nun ein Vigil. Hier dein Einsatzbefehl. Der große Blonde auf dem Hof ist der Tribun dieser Cohorte. Wenn sie eine Pause machen, kannst du ihm den geben, er teilt dich dann deiner Einheit zu.“


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    Der Tiro CAIUS HISPANUS wird hiermit der


    COHORS II ESQUILINA


    der Vigiles zugeteilt.
    Er hat sich in der Castra der Cohors II Esquilina zur Grundausbildung unverzüglich zu melden.


    Atticus war kein Redner. Das hatte er in seiner Zeit als Tribun gelernt. Wenn er vor seinen Männern eine Rede halten musste, endete das meistens in gelangweilten Gesichtern und einem Haufen fragender Blicke, aber nur seltenst in Teamgeist und Jubel.
    Atticus war auch kein Schreiber. Er hasste den ganzen Papyruskram, die Berichte und Listen und Protokolle. Das war doch kein Leben, die ganze Zeit hinter Wachstafeln und Schriftrollen zu verbringen! Er hatte sich ja durchaus immer eher als Philosoph denn als Krieger gesehen. Aber ein paar Monate hinter einem Schreibtisch hatten diese Selbstsicht deutlich ins Wanken gebracht. Platon, Sokrates oder auch Cicero zu lesen war nach wie vor erquickend und fordernd für den Geist. Lebensmittelrationen, Materialbestellungen und Einsatzpläne waren eher das Gegenteil davon, in dieser Welt aber wohl leider notwendiger.


    Was Atticus aber nie von sich selbst gedacht hatte, war, dass er ein guter Schwertkämpfer war. Wann immer er mit Malachi geübt hatte, hatte der Gladiator ihn besiegt, an seiner Haltung und seiner Beinarbeit kritisiert, das zu erreichende Ziel immer höher gehängt. Aber: Atticus hatte trainiert, seit er sieben Jahre alt war. Mit einem Gladiator. Beinahe jeden Tag, nie weniger als drei Mal in der Woche. Und auch, wenn er immer gedacht hatte, dass er ein gnadenloser Fall hierbei war: Er war trainierter, schneller und größer als seine Männer.


    Angefangen hatte das ganze eigentlich sehr harmlos, als er an einem Tag mit besonderer Langeweile einmal selbst eines der Übungsschwerter aus Holz in die Hand genommen hatte. Sich unbeobachtet wähnend hatte er einige Übungen an einem Holzpfahl durchgeführt, noch nicht einmal richtig motiviert.
    Doch er war nicht unbeobachtet gewesen. Einige Männer hatten es gesehen und waren zu ihm herüber gekommen. Sie hatten gescherzt, wollten ihm Tipps geben. Atticus hatte gemerkt, dass er etwas tun musste, um die Rangordnung in seiner Einheit weiterhin aufrecht zu erhalten. Also hatte er sie zu einem Zweikampf herausgefordert. Einen nach dem anderen. Und sie alle geschlagen. Ziemlich leicht sogar, wie er selbst wohl mit dem größten Erstaunen feststellte.
    Eigentlich hatte er gedacht, dass es damit vorbei wäre und er weiterhin für sein körperliches Training nach Hause gehen und mit Malachi trainieren würde. Doch wie es so war in einer kleinen Einheit, hatte es sich bis zum nächsten Tag herumgesprochen. Und natürlich wollten auch andere ihren Tribun herausfordern.
    Erst war es nur hier einmal ein Kampf und dort einmal ein Kampf. Doch mit der Zeit war es beinahe so etwas wie eine feste Institution in dieser Einheit. Und auch, wenn Atticus es nie gedacht hatte, es machte ihm tatsächlich Spaß. Vor allen Dingen, wenn er sah, wie seine Männer nicht aufgaben und sich weiter verbesserten, mit mehr Elan und Freude diesen Teil des Trainings absolvierten, sich gegenseitig anfeuerten und miteinander lachten und feixten.


    Und so stand er auch heute wieder auf dem Platz. Zum allgemeinen Spektakel und weil es wirklich sehr sommerlich warm war ohne Rüstung und nur mit einer sehr dünnen Leinentunika angetan, sein Gegenüber genauso. Diesmal war es einer der Hispanier, der ihn herausforderte. Er war gut zwei Köpfe kleiner als Atticus und bestand eigentlich nur aus Sehnen und hatte Reflexe wie eine Schlange. Atticus hatte schon einmal gegen ihn gekämpft vor einigen Tagen und dabei ein, zwei Schläge kassiert. An seinem Oberschenkel war ein ordentlicher, blauer Fleck gewesen, der davon zeugte. Wären es scharfe Waffen gewesen, wäre er wohl tot gewesen. Nichts desto trotz hatte er weit mehr Schläge ausgeteilt, und nach den Regeln des Wettkampfes souverän gewonnen. Natürlich hoffte er, das Ergebnis zu wiederholen, schon allein, um seinem Ruf als unbezwingbarer Anführer gerecht zu werden. Es war immer ein ordentliches Risiko, Grisuix hatte ihn deshalb nicht nur einmal auf die Problematik hingewiesen. Was, wenn er besiegt würde? Aber die Antwort war einfach: Er würde nicht besiegt werden.


    Und so stand er also da, grinsend, und dehnte und streckte sich ein wenig, um die Gelenke und Muskeln zu lockern, während die Männer Wetten abschlossen. “Darf ich mitwetten?“ scherzte er laut und entlockte so dem halben Hof ein Lachen.


    Und ein paar Augenblicke später ging es auch schon los, und zu hören war nur das tock-tock-tock der schweren Holzwaffen.

    Der Rekrutierungsoffizier führte Caius Hispanus kurz über den Hof hin zum Sacellum. Auf dem freien Platz draußen hatte gerade eine Übung begonnen, und wie es aussah, eine mit Schwertern. Ein hochgewachsener blonder Mann kämpfte mit einem Holzschwert gegen einen etwas gedrungeneren dunkelhaarigen Mann, was von dem ein oder anderen Anfeuerungsruf rings herum begleitet wurde.


    Drinnen angekommen richtete der Rekrutierungsoffizier sein Wort wieder an den Anwärter.
    “Hier wirst du deinen Eid ablegen vor der Standarte der Vigiles und dem Bildnis des Kaisers. Hier ist eine Tafel mit dem Text.“
    Der Offizier aus dem Rekrutierungsbüro hielt Caius Hispanus eine Wachstafel mit dem Schwur entgegen, die er nun nehmen konnte. Da er ja angegeben hatte, Lesen zu können, sollte das mit dem Schwur ja keine Probleme bereiten. Und wenn doch, konnte er aushelfen.



    IURANT AUTEM MILITES OMNIA
    SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS,
    NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS
    PRO ROMANA REPUBLICA.

    “Die meisten Vigiles können nicht mal ihren eigenen Namen schreiben. Braucht man beim Löschen aber auch nicht unbedingt“, meinte der Rekrutierungsoffizier, während er weiter auf seiner Tabula herumkritzelte.
    Mit den Zähnen schien er soweit auch zufrieden zu sein. Die Liegestütze bedachte er dagegen doch mit einem etwas skeptischen Blick. “Da werden wir noch ein wenig trainieren müssen“, meinte er recht trocken. Und notierte wieder.



    Name: Caius Hispanus


    Name und Stand Eltern: Licinia et Titus Marsus, beide Peregrini


    Alter: 19


    Erfahrung: Kann lesen und schreiben


    Vorerkrankungen: keine


    Körperlicher Zustand: befriedigend


    Gehör: gut


    Sonstiges: körperliches Training empfohlen



    “Gut, als letztes dann muss ich noch fragen, ob du irgendwelche Vorstrafen hast oder gegen irgendwelche Gesetze verstoßen hast. Wenn du mir versichern kannst, ein ehrbarer, freier Mensch zu sein, kann ich dich bei den Vigiles aufnehmen.“