Beiträge von Angus

    "Das freut mich." Ich sah die Freude in ihrem Gesicht, als ich ihr das Lederbändchen gab. Meine Zweifel waren recht schnell verflogen, denn mein Geschenk gefiel ihr. Ich glaubte ihr, denn ihre Worte klangen aufrichtig und die Tränen, die ihr in den Augen standen waren echt. Damit erfüllte sie mich so mit Freude, auch wenn ihr das vielleicht gar nicht bewusst war. Die neue Situation mit der sie mich konfrontiert hatte, war nicht einfach für mich.
    Was danach geschah, ließ mich alle meine Sorgen für eine Weile vergessen. Sie zog mich hinunter in ihr Meer aus Kissen, begann mich von meinen Kleidern zu befreien und übersäte mich über und über mit Küssen. Nach kurzer Zeit begann auch ich, ihr ihre Tunika abzustreifen, so dass sie nur noch mit dem Lederbändchen bekleidet war. "Mein Geschenk steht dir gut!", raunte ich ihr zu. Ich konnte mich an ihr einfach nicht sattsehen, so schön war sie. Doch ich fackelte nicht lange und ergriff die Initiative. Ich hatte noch so viel, was ich ihr geben wollte.
    Schnell hatte ich mich über sie gebeugt und betrachtete sie mit einem wölfischen Lächeln. Wie sie nun so vor mir lag… davon hatte ich all die Wochen nach unserer letzten Begegnung geträumt. Mit ihren Lippen beginnend, liebkoste ich ausgehungert ihren Körper und versuchte immer wieder ihren Gesichtsausdruck einzufangen. Zu sehen, wie sie es genoss, spornte mich weiter an.

    Als wir nun vor dieser unscheinbaren Tür standen, ließ ich ihr den Vortritt. Sie öffnete und führte mich hinein zum Atrium. Sofort begann ich mich wie ein neugieriges Kind umzusehen. Dabei fielen mir natürlich unweigerlich die drei Frauen und der Mann ins Auge. Zweifellos handelte es sich bei ihnen um Lupae… und auch der Mann hatte wohl seine Zielgruppe unter den Kunden des Lupanars. Ich hatte so etwas zuvor noch nicht gesehen. „Auch Männer?!“ meinte ich erstaunt und sagte das eigentlich mehr zu mir selbst, als ich an den Vieren vorbei schritt und Morrigan nach oben folgte. Ich war sehr beeindruckt von ihrer selbstsicheren Art, als sie, ganz die Chefin, mit ihren „Angestellten“ sprach. Sie war so ganz anders, als ich sie kennengelernt hatte. So wie sie sich gab, war keine Sklavin.


    Als ich schließlich in ihr Reich eintrat, kam es mir so vor, als hätte man mich an einen fremden, exotischen Ort katapultiert. Eine bunte Vielfalt aus Farben, Gerüchen und Eindrücken verzauberte mich. Ich konnte mich gar nicht daran satt sehen. So sah also ihre Heimat aus, dachte ich bei mir und ich staunte nicht schlecht, als ich all die exotischen Dinge mit meinen Augen einfing. Doch das kostbarste Juwel war sie selbst. Sie fing mich mit ihren Armen ein und begann mich wieder zu küssen. Diesmal zögerte ich nicht mehr, sondern ließ mich einfach gehen. Voller Leidenschaft erwiderte ich ihre Küsse. Ich war hier immer willkommen, hatte sie mir ins Ohr geflüstert. Ich konnte mein Glück kaum fassen, ich war hier in diesem wunderschönen Raum mit ihr allein, wo nichts und niemand uns stören konnte. Dies musste ein Traum sein, nein es konnte nur ein Traum sein, aus dem ich sicher gleich erwachen würde sobald ich meine Augen öffnete. Dann würde sie und auch dieses Zimmer mit all seinem Inventar und auch dieses Haus weg sein. Doch sie war noch da, alles war noch da.


    „Ich habe ein Geschenk für dich.“ Ich zog unter meiner Tunika den kleinen ledernen Beutel hervor, in dem ich das Geschenk für mein Rabenmädchen aufbewahrt hatte. Angesichts des vielen Goldes an den Wänden, kam mir das Lederbändchen mit dem Bronzeanhänger in Form eines Pferdchens noch wertloser vor, als es wahrscheinlich eh schon war. Ich hielt ihr das Bändchen entgegen und fragte mich, ob sie es wohl von nun an immer um ihren Hals tragen mochte. „Das habe ich von einem Händler aus Gallien. Er versicherte mir, es käme aus Britannien.“ Dann gab ich es ihr mit einem verschämten Lächeln.

    Ja, es war Frühling geworden! Die Sonne hatte wieder einmal den Kampf gegen den Winter gewonnen und nun schickte sie fast täglich ihre warmen Strahlen hinunter auf die Erde. Ich genoss diese angenehme Wärme und war erstaunt darüber, wie warm der Frühling hier sein konnte. Ich war von Haus aus ein wesentlich raueres Klima gewohnt, und so beschwerte ich mich nicht über so viel Sonnenschein. Ganz im Gegenteil, der Frühling hatte mich auch in meinem Inneren erreicht. Es war so, als hätten die Sonnenstrahlen all die dunklen Schatten aus meinen Träumen vertrieben. Seit einigen Wochen hatten sie mich nicht mehr heimgesucht. Und auch die schlimmen Erinnerungen an das Vergangene, was ich verloren hatte, begannen langsam zu verblassen. Selbst Lupus´ dumme Sprüche konnten mich nicht mehr aus dem Konzept bringen und das sollte schon etwas heißen! Natürlich schrieb ich diese Veränderungen nicht nur der herrlichen Jahreszeit zu, denn es war hauptsächlich sie, der ich es zu verdanken hatte, dass ich wieder neuen Lebensmut gefasst hatte. Seit meinem letzten Besuch bei ihr hatte sich ein verträumtes Dauergrinsen in meinem Gesicht manifestiert, das bereits drohte, chronisch zu werden und wohl nur noch chirurgisch entfernt werden konnte. Der süße Duft der Blumen und das Summen der Bienen rundeten das Ganze noch ab.


    Es hatte mich mit Freude erfüllt, als der Flavier mir am Morgen mitgeteilt hatte, dass er einen Spaziergang machen wollte. Zwar hatte ich anfangs über diese Ankündigung nicht schlecht gestaunt, da er es bisweilen vorzog, sich durch die Straßen Roms tragen zu lassen, doch schließlich konnte es mir gleich sein, ob ich neben ihm oder neben seiner Sänfte herlief. Und das tat ich dann auch sehr beschwingt. Ohne es zu merken pfiff ich sogar eine Melodie die ich vor ewigen Zeiten, als mein Leben noch nicht aus der Spur geraten war, aufgeschnappt hatte.
    Unser Ziel waren die Straßen des Esquilins, wo sich scheinbar die Bewohner dieser doch recht feinen Wohngegend mit dem Besuch des Flaviers ziemlich überfordert gefühlt haben mussten, da die meisten es wohl vorzogen, zu Hause zu bleiben und nur ihre Bediensteten auf die Straße hinaus zu schicken. Gerade noch rechtzeitig konnte ich den Flavier vor den Attacken einer Putzfrau bewahren, die gerade vor uns ihren Eimer mit schmutzigem Wasser auf die Straße schüttete. Endlich zeigte sich dann doch noch ein Bewohner des Viertels, der gerade beschlossen hatte, mit seinem Filius das Haus zu verlassen und uns nun neugierig beäugte. „Sieh mal mein Sohn, das ist einer der Magistraten Roms!“, erklärte er seinem Jungen recht anerkennend, als er den Flavier an seinem Äußeren erkannt hatte. „Und was macht der so?“, fragte daraufhin der Knirps mit seiner piepsigen Stimme, der allerhöchsten acht oder neun Jahre alt war. Gute Frage, dachte ich mir und lenkte meinen Blick zu einer Straße, die hinunter in die Stadt führte. Von dort aus war es eigentlich nicht mehr weit… zu ihr!

    Sie ergriff meine Hand und ich ließ mich mitreißen. Beschwingt folgte ich ihr, wo immer sie mich auch hinführen wollte. Wir hatten den Markt schon längst hinter uns gelassen und hatten einen Teil der Stadt erreicht, den ich inzwischen auch gut kannte. Manchmal, wenn ich nicht wusste, was ich mit meiner freien Zeit anstellen sollte, hatte ich mich auch in den Gassen der Subura herumgetrieben. Doch bis zu jenem Tag hatte ich mich von den dort ansässigen Lupanaren und Tavernen ferngehalten, weil ich mir eingeredet hatte, das wenige Geld, das ich zur Verfügung hatte, sparen zu müssen… für den großen Tag, der wohl sicher noch in weiter Ferne lag, an dem ich wieder frei war. Mit dieser Einstellung würde ich sicher ein reicher Mann sein, wenn der Flavier mich dereinst in die Freiheit entließ.


    Schließlich blieb mein Rabenmädchen vor einer unscheinbaren Insula stehen und wies auf eine Tür, hinter der sich sozusagen ihr neues Leben verbarg. Sie fragte mich, ob ich bereit sei und ich zögerte einen Augenblick. War ich wirklich bereit? Sollte ich da hineingehen ... mit ihr oder sollte ich mit ihr fortgehen… davonlaufen… irgendwohin… fort von ihrem und meinem Leben. Aber ich begriff sehr schnell, dass anderswo kein besseres Leben auf uns wartete. So nickte ich ihr zu und lächelte, um meine letzten Bedenken damit zur Seite zu schieben. Schließlich war ich es, der sie sanft an ihrem Handgelenk zog und auf die unscheinbare Tür zuging.

    http://imagizer.imageshack.us/a/img607/8381/i5i.gif Unzählige Wochen war Aislin unterwegs gewesen, seitdem sie ihrem größten Feind entwischt war, von dem einen Ziel getrieben, Angus wieder zu finden und wieder mit ihm vereint zu sein. Manchmal hatte sie geglaubt, der Mut wolle sie verlassen, wenn sich einmal wieder eine schier unüberwindbare Hürde vor ihr aufgetan hatte oder wenn sie wieder einen Rückschlag erlitten hatte. Immer hatte sie die Augen und Ohren aufgehalten, um herauszufinden, wohin Mitros, der Sklavenhändler ihren Mann und all die anderen hingebracht hatte. Die Spur hatte sie immer weiter nach Süden geführt, bis sie schließlich die Britannische Südküste erreicht hatte. Für ein paar Sesterzen und etwas mehr hatte Aislin schließlich erfahren, dass man die Sklaven in Portus Dubris auf ein Schiff verfrachtet hatte, welches sie nach Gallia bringen sollte.
    Irgendwie hatte auch sie es auf ein Schiff geschafft, mit dem sie den Ocanus Britannicus überwinden konnte und schließlich ebenfalls die Küste Gallias erreichte. Mehr schlecht als recht konnte sie ihre Reise gen Süden fortsetzen. Manchmal tagelang ohne Essen hatte sie immer wieder einen Schritt vor dem anderen gesetzt. In den herbstlichen Wäldern Galliens hatte sie einige Früchte, Nüsse und Samen sammeln können, die ein wenig ihren Hunger stillen konnten. Manchmal aber traf sie auch auf einen gutmütigen Menschen, der ihr etwas zu essen zusteckte. Sie wusste, wenn sie überleben wollte, dann musste sie vor dem Winter Italia erreichen...
    An einem grauen Herbsttag schließlich erreichte sie Massilia. Draußen auf dem Meer tobten bereits die ersten Herbststürme. So entschied sie sich, einem Tross Händler anzuschließen, die Italia auf dem Landweg zu erreichen versuchten. Über die Via Iulia Augusta, die Via Aemilia Scaurae und schließlich die Via Aurelia erreichte sie schließlich nach einigen Wochen endlich Rom.
    Von der Größe der Stadt und ihrer Exotik beeindruckt, irrte sie tagelang durch die Gassen des Molochs, um eine Bleibe zu finden. Vor allem aber musste sie Angus finden. Angesichts der Größe dieser Stadt erschien ihr diese Aufgabe als schier unlösbar. Eine Nadel im Heuhaufen zu finden war sicher viel einfacher.


    Tagelang trieb sie sich auf den Sklavenmärkten der Stadt herum. Stundenlang beobachtete sie, wie Unmengen von Sklaven wie Vieh auf den Brettergerüsten der Händler zur Schau gestellt wurden, um dann verkauft zu werden. Ob es so auch den Leuten aus ihrem Dorf ergangen war?
    Aislin musste Mitros den Sklavenhändler finden!
    Irgendwo musste der Grieche doch seine Ware an den Mann bringen. Schließlich fand sie ihn, als er gerade dabei war, eine frische Ladung hochgewachsener Germanen zu begutachten. Brennus, ein gallischer Sklavenhändler, der ursprünglich aus Lugdunum stammte, hatte ihm ein Angebot gemacht, dem er nur schwer widerstehen konnte. Acht muskelbepackte Chatten, allesamt frisch gefangen und kerngesund, so behauptete es Brennus zumindest, für nicht mal 3000 Sesterzen! Wenn das kein Schnäppchen war. Die Burschen sahen allesamt gut aus, hatten noch alle Zähne im Mund und lahmten nicht. Mitros malte sich bereits aus, wie er die Germanen zu saftigen Preisen als angehende Gladiatoren verhökern würde und dabei einen ordentlichen Reibach machte. „Gut, ich nehme sie. Alle acht!“, meinte er nach einer kurzen Bedenkzeit und besiegelte das Geschäft mit einem Handschlag.
    Aislin beobachtete noch eine Weile das Geschehen. Dann, als sich Mitros´ Gehilfen um die neuerworbene Ware kümmerten und er sich von den ganzen Strapazen des Alltags etwas ausruhen wollte, wagte sich die junge Frau hervor und sprach den Sklavenhändler an. „Ich bitte vielmals um Verzeihung. Aber ich suche einen Sklaven.“ Entnervt wandte sich Mitros um und wollte die lästige Frau schon verscheuchen. Schließlich begann die nächste Auktion erst in einer Stunde. Doch von der Attraktivität der jungen Frau geblendet, ließ er davon ab, sie wegzuschicken. Ein geübter Blick musterte sie von Kopf bis Fuß. Jung, attraktiv, blond und blauäugig - eine Frau wie sie würde einen satten Gewinn einbringen. „Einen Sklaven suchst du?“ Seiner Frage haftete etwas Abschätziges an. sie sah nicht gerade aus, als könne sie sich einen Sklaven leisten. Doch all die Jahre in seinem Metier hatten ihn gelehrt, sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen.
    „Ja, genau. Man sagte mir, du hättest vor einigen Monaten Sklaven aus Britannia hier in Rom verkauft. “ Aislin sprach mit zittriger Stimme. Die Anspannung überwältigte sie fast. Der Grieche war ihre einzige Hoffnung. Wenn er ihr nicht half, dann war alles umsonst gewesen.
    Mitros starrte sieeine Weile wortlos an. Er verstand nicht, was sie von ihm wollte und wo das Problem lag. Außerdem hatte er in den letzten Monaten dutzende, ach was, hunderte von Slaven aus Britannia verkauft. „So, hat man dir das gesagt! Und wenn schon, ich verkaufe ständig Sklaven aus Britannia, Gallia oder Germania. Wenn du willst, kannst du sie dir später bei der Auktion anschauen… und auch kaufen.“ Mitros setzte noch ein aufgesetztes Lachen hinterher und wollte sich schon von ihr abwenden. Aislin aber wollte noch nicht so schnell aufgeben. „Nein, ich suche einen bestimmten Sklaven… Einen Sklaven aus Britannia, den du vor einigen Monaten hier verkauft hast. Ich muss unbedingt wissen, was aus ihm geworden ist. Bitte!“
    Langsam wurde der Grieche ungehalten. Seufzend dreht er sich noch einmal zu der jungen Frau um. Ihm war es vollkommen egal, weshalb sie auf der Suche nach diesem einen Sklaven war. Ihn interessierte es nicht, was aus seiner Ware wurde, nachdem er sie an den Mann gebracht hatte. Und auch wenn die Kleine ihn nun mit ihrer mitleidigen Stimme und dem Hundebabyblick anbettelte, ihr zu helfen, würde er einen feuchten Kehricht tun. Selbst dann nicht, wenn sie ihm nun noch mit einer rührseligen Geschichte kam. „Mach dass du fortkommst! Ich kann dir nicht helfen. Verschwinde!“ Der Grieche kehrte ihr den Rücken zu und ließ sie einfach stehen.
    Aislin, die den Tränen nah war, rannte davon. Weinend streifte an den Marktständen und den Kolonaden vorbei. Sie lief immer weiter, ohne darauf zu achten, wohin sie ihr Weg führte. Sie war verloren in dieser riesigen Stadt und gleichteitig darin gefangen.
    Immer weiter lief sie, auf der Suche nach einer Bleibe, nach etwas essbarem und der Antwort, was sie denn nun noch tun konnte. Es hatte sie schließlich in eine Gegend verschlagen, die nicht mehr mit den imposanten Bauwerken bestückt war, wie sie sie auf dem Forum gesehen hatte. Insulae an Insulae, soweit das Auge reichte. Bewohnt wurden diese Häuser von den einfachen Menschen der Stadt, die tagtäglich für ihr Brot arbeiteten. Hier würde sie ganz sicher nicht Angus finden, das war ihr bewusst. Doch hier fanden sich ein paar gute Leute, die ein Schälchen Puls für sie übrig hatte. Im Gegenzug ging sie ihren Wohltätern zur Hand und schlug sich auf diese Weise durch.
    Schließlich mussten die Götter doch Mitleid mit ihr empfunden haben, als sie sie eines Abends, es war an einem der letzten Saturnalienabende, in die Gassen der Subura führten. Aislin konnte mit all dem Trubel auf den Straßen nichts anfangen. Unbeeindruckt von den feiernden Menschen streifte sie durch die Gassen, bis sie den Klang einer längst verloren geglaubten Stimme vernahm. Ein Mann in Begleitung einer Frau, die gerade aus einer Taberna herausgekommen waren und die Straße entlang schlenderten. Sie folgte ihnen....

    Natürlich war mir nicht entgangen, dass sich ihre schönen dunklen Augen mit Tränen füllen wollten. Ein Grund mehr, sie nicht einfach so wegzuschieben. Meine Hände gruben sich in ihr seidiges dunkles Haar. Alle meine Bedenken waren endgültig beiseitegeschoben. Nur dieser Augenblick zählte und da mir bewusst war, wie bemessen unsere Zeit war, wollte ich den Moment, der uns gegönnt war in vollen Zügen genießen.
    Morrigans Worte ließen keinen Zweifel daran, dass ihr wohl sehr genau die Konsequenzen ihres Handelns bewusst gewesen waren, als sie den Claudier verlassen hatte. Wenn man keine Perspektive mehr hatte wie sie, dann waren der Tod oder aber die Flucht die einzig noch verbleibenden Optionen. Sie hatte sich für letzteres entschieden. Wie gut ihre Wahl war, würde sich eines Tages zeigen. Ich jedoch begann sie für ihren Mut zu bewundern. Falls mir der Flavier eines Tages, aus welchem Grund auch immer, die Aussicht auf eine Zukunft in Freiheit nehmen würde, dann müsste ich den gleichen Mut aufbringen. Ob ich dazu fähig sein würde?


    Als sie mir gestand, ich sei der Einzige, der in ihrem Herzen wohne und mich küsste drückte ich sie fest an mich. Auch sie war für mich die Einzige, die mein Herz berühren konnte, seit meine Frau tot war. Sie hatte mir gezeigt, dass ich noch lebte und mein Körper keine leblose Hülle war. „Bevor ich dich getroffen habe dachte ich, ich könne nie wieder jemanden so lieben, wie ich dich liebe. Du bist die Eine für mich.“ Nichts und niemand würde uns mehr trennen können und auch wenn es uns verwehrt war, wie Mann und Frau zu leben, würde ich von nun an versuchen, jede freie Minute mit ihr zu verbringen. Ich fragte mich, ob sie mir vertrauen würde und mich mit zu ihrer Unterkunft nehmen würde. Auch wenn wir hier vor den Augen der Marktbesucher sicher waren, war dies nicht der Ort, an dem ich mit ihr allein sein wollte.
    „Lass uns irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind,“ wisperte ich ihr leise ins Ohr und vergrub mein Gesicht in ihrem Haar. Ich hatte meine Wahl getroffen und wollte mich der Gefahr ergeben, bei ihr zu bleiben, auch wenn sie mich mit in den Abgrund reißen würde, wenn man sie fangen sollte.

    Mein Rabenmädchen sah so entzückend aus, wenn sie lächelte. Kein Wunder, dass ich mich sofort in sie verguckt hatte. Selbst jetzt noch konnte sie es, obwohl sich ihr Leben so dramatisch verändert hatte, wie ich glaubte. Aber dann schüttelte sie den Kopf und damit verwirrte sie mich noch mehr. Wenn der Claudier sie nicht an ein Lupanar verkauft hatte, wer war es dann sonst?


    Morrigans Hand strich langsam über meine Wange, ehe sie sich zu erklären versuchte. Ich ergriff sie und liebkoste sie. Ganz gleich, was ihr widerfahren war, es würde nichts daran ändern, was ich für sie empfand. Doch als sie zu reden begann, musste ich erst einmal schlucken. Es verschlug mir die Sprache, was ich da hörte! Wie es den Anschein hatte, fiel es auch ihr nicht leicht, mir davon zu berichten. Sicher fürchtete sie, ich könnte sie verraten. Aber da hatte sie von mir nichts zu befürchten.
    Ich bin weggelaufen… diese vier Worte hatten wahrhaftig ihre Wirkung. Meine Kinnlade klappte nach unten, während sich mein Kopf damit abmühte, die soeben erhaltenen Informationen richtig zu verarbeiten. Was sie gerade gesagt hatte, das war so ungeheuerlich, dass ich es nicht recht glauben konnte.
    Als ich meine Sprache wiederfand, versuchte ich einen vernünftigen Satz zu bilden, was aber angesichts der Situation immer noch ziemlich schwierig war.
    „Du bist… weggelaufen?!“ Ich hatte Mühe die Lautstärke meiner Stimme im Zaun zu halten. Aber kaum hatte ich mich von dem ersten Schreck erholt, bombardierte sie mich bereits mit der nächsten Ungeheuerlichkeit: Sie hatte sich freiwillig zu einer Hure gemacht, um Geld zu verdienen… Anfangs erschütterte mich das, doch als ich begann, darüber nachzudenken, musste ich einsehen, dass dies ein notwendiges Übel war, um überhaupt zu überleben, wenn sie nun frei und auf der Flucht war. Doch Morrigans Überraschungen wollten einfach nicht enden. Noch sah sie mir tief in die Augen, so dass ich eigentlich nur hätte dahin schmelzen müssen. Doch ich war nur noch irritiert, als sie weitersprach. Sie war frei… sie war eine Lupa… und sie leitete das Lupanar…? Das war zu viel. Noch ehe ich irgendetwas antworten konnte, nahm sie mich mit ihren Lippen gefangen und küsste mich leidenschaftlich. Eigentlich hätte ich mich wehren müssen, doch genau deshalb, weil es mich nach ihren Zärtlichkeiten gedürstet hatte, war ich doch hergekommen. So ließ ich sie gewähren und umarmte sie schließlich, um ihre Küsse zu erwidern.
    Nach einer Weile sah sie mich wieder an. Ihre Augen glänzten so, wie sie noch nie geglänzt hatten. Ja, sie war frei… frei… FREI! Nichts Sehnlicheres wünschte ich mir selbst für mich, doch mir war auch sehr wohl bewusst, welche Risiken ihre Flucht mit sich brachten, für sie… und auch für mich.
    Ich erwiderte nichts, als sie mir eröffnete, dass sie mich eines Tages freikaufen wollte. Mein Geschenk, welches ich unter meiner Tunika bei mir trug, erschien mir plötzlich so wertlos. Ein billiges Lederbändchen, an dem ein billiger Bronzeanhänger befestigt war. Jetzt, da sie ihr eigenes Geld hatte, würde sie mich dafür auslachen. Trotzdem versuchte ich sie nicht daran zu hindern, als sie mich wieder umarmte und diesmal noch heftiger küsste. Dennoch ließen mich ihre Worte einfach nicht mehr los. Sie wollte mich freikaufen! Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte, denn es bereitete mir große Sorgen, wenn ich darüber nachsann, wie sie das Geld dafür verdienen würde. Außerdem widersprach es dem, was ich mir für mich selbst vorgenommen hatte. Ich wollte es doch aus eigener Kraft schaffen, wollte in niemandes Schuld mehr stehen müssen… Und nun kam sie und wollte mich freikaufen mit ihrem Hurengeld...


    „Ja, mein Herz…“ antwortete ich endlich bedrückt nach einer ganzen Weile darauf, und ganz sicher merkte sie mir bereits an, dass mir nicht wohl dabei war. Ihre Umgarnungen und ihre Küsse gefielen mir und unter normalen Umständen wäre ich der Letzte gewesen, der sie unterbunden hätte. Doch Die Umstände waren ganz plötzlich andere geworden. Deshalb schob ich sie sanft nach einer Weile von mir.
    „Hast du eine Ahnung, was sie mit dir machen werden, wenn sie dich finden?“ Ich sprach ruhig und leise auf sie ein und sah sie dabei mit einem ernsten Ausdruck auf dem Gesicht an.
    „Sie werden dich umbringen, Morrigan… irgendwann, wenn sie mit dir fertig sind.“ Mir fröstelte bei diesem Gedanken. Eine Stimme in mir drängte mich, sie so schnell wie möglich zu verlassen, doch ich ignorierte sie einfach und blieb. Sie war doch noch immer mein Rabenmädchen und ich liebte sie und ich sehnte mich so nach ihr. Vielleicht war es ein riesengroßer Fehler, sie dennoch sanft zur Hauswand hin zu schieben und sie voller Verlangen zu küssen. Ich konnte einfach nicht anders.

    Das letzte Mal, als ich so gemustert wurde, wie es der Händler es gerade tat, war der Tag, an dem ich auf einem Podest stand und selbst zum Verkauf gestanden hatte. Verständlicherweise war mir das Ganze etwas unangenehm. Jedoch wurde ich belohnt, indem er mich nicht einfach nur davonjagte, sondern mir einen Platz anbot. Kurz darauf reichte er mir einen Becher mit heißem Wasser. Ein wenig kritisch beäugte ich das Gefäß. Ob ich das jetzt trinken sollte? Anstandshalber führte ich es zu meinem Mund und wollte etwas davon kosten. Au, verdammt! Ich hatte mir meine Lippe verbrannt. Den Schmerz ließ ich mir natürlich nicht anmerken, doch ich stellte den Becher schnell wieder beiseite. Warum in aller Welt sollte man auch heißes Wasser trinken?!


    „Ja, genau. Ich bin Angus,“ antwortete ich mit einem verschmitzten Lächeln. Anscheinend hatte ich tatsächlich Glück. Wenn man dem Händler Glauben schenken konnte, dann würde sie heute hier sein. Mein Herz schlug vor Aufregung schneller. Endlich würde ich sie wieder in die Arme schließen können und…
    Der Händler irritierte mich, er starrte mich immer noch so an, als ob er mich gleich in sein Sortiment aufnehmen wollte. Mein Glück, dass er es sich dann doch anders überlegt hatte. Ich schreckte förmlich auf, als er einfach so plötzlich weitersprach. Die Information, die er mir anvertraute, musste erst einmal richtig sacken, bevor ich überhaupt darauf etwas erwidern konnte. Als Lupa arbeitete sie jetzt. Hatte dieser Lackaffe sie etwa an ein Hurenhaus verhökert?!
    Bevor ich noch nachfragen konnte, stand sie plötzlich vor mir. Sie sah so wundervoll aus, so exotisch. Sie bemerkte mich erst gar nicht, doch als ich mich von meinem Platz erhob, realisierte sie meine Anwesenheit. Fast schon erschrocken flüsterte sie meinen Namen, was in mir ein Kribbeln verursachte. „Morrigan, mein Rabenmädchen…“ Ich breitete schon meine Arme aus, um sie zu umarmen, da packte sie mich grob am Arm und zog mich mit sich fort. Wir müssen reden! Das klang so… anders, als ich es erwartet hatte. Ich verstand jetzt gar nichts mehr.
    Hinter den Ständen blieb sie endlich stehen. „Was ist los, Morrigan? Was hat dieser Mistkerl dir angetan? Wieso zwingt er dich, als Lupa zu arbeiten?“ War es etwa meine Schuld? Wenn mir der verdammte Claudier noch einmal über den Weg laufen würde, dann…

    Mit meinem Geschenk in der Tasche, welches ich einige Tage zuvor von meinem bescheidenen Peculium gekauft hatte, schlenderte ich wieder über die Märkte. Die Besorgungen, die ich machen sollte und die überhaupt der Grund gewesen waren, weshalb ich losgeschickt worden war, hatte ich bereits getätigt. Ein paar Rollen Papyrus, frisches Wachs und noch ein paar andere Dinge befanden sich schon in der leinenen Umhängetasche, die ich übergestreift hatte.
    Mein Interesse galt nun noch den persischen Händlern, denn ich musste sie endlich wieder sehen. Immer vormittags sei sie auf den Märkten zu finden, ich sollte mich bei den persischen Händlern erkundigen, erinnerte ich mich an ihre Worte. Genau das hatte ich nun vor.
    Schließlich erblickte ich einige Männer in seltsam anmutenden Gewändern, die eine Kopfbedeckung trugen, wie ich es auch schon bei anderen Händlern aus dem Osten gesehen hatte. Ein exotischer Geruch der von allerlei Gewürzen herrührte, drang in meine Nase. Fremde Wortfetzen, die mit kehligen Lauten durchsetzt waren, schnappte ich auf. Zwar hatte ich keine Ahnung, was die Männer untereinander sprachen, doch ich war mir sicher, hier richtig zu sein.
    Ich näherte mich einem Stand, an dem edle Stoffe in allen möglichen Farben feilgeboten wurden. Da ich ja nichts kaufen wollte, kam ich gleich zur Sache, als der Händler mich mit seiner aufgesetzten Freundlichkeit nach meinen Wünschen fragte. „Ich bin auf der Suche nach Morrigan. Sie sagte mir, ich solle mich an die persischen Händler wenden.“ Noch war ich etwas skeptisch, ob ich auf diese Weise mein Rabenmädchen wieder sehen würde. Doch ich wollte mich überraschen lassen.

    Die Flavierin machte es mir nicht unbedingt leichter. Ich schon wieder! Ja genau. Verdammt noch mal! Zum zweiten Mal hatte ich durch mein unbedachtes Handeln ihren Zorn auf mich gezogen und wenn ich jetzt nicht spurte, dann manövrierte ich mich noch tiefer in die Scheiße. „Angus, Domina,“ antwortete ich unterwürfig und wartete darauf, was mich nun noch ereilen würde.


    Ein Stoß in die Seite ereilte mich. Dracon, dieser elende Mistkerl! Meine Wut, die dadurch noch weiter geschürt wurde, drohte mich endgültig zu zerbersten. Doch dann geschah etwas, womit ich nie im Leben gerechnet hätte. Dracon fiel mir ins Wort. Das war zwar nichts besonderes, aber was aus seinem Mund kam war die reinste Märchenstunde, und damit nicht genug, offenbar schluckte die Flavia seine "Sicht der Dinge" und ließ es dabei bewenden.
    Irritiert sah ich zu ihm hinunter, als er mir das Tuch um die Hüften schwang und es mir ganz fachmännisch anlegte. Sein Blick hingegen sprach Bände. So spielte ich bei dieser eigenwilligen Komödie mit und ließ mich am Ende auch noch von ihm einölen.
    Nachdem Dracon endlich von mir abließ und verkündete, wir seien fertig, begann die Flavia mit ihrem Monolog. Ich fragte mich, wie wir gegeneinander kämpfen sollten. Aber natürlich wagte ich es nicht, danach zu fragen. Das würde ich noch früh genug erfahren.
    Ich lugte ein wenig skeptisch zu Dracon hinüber, als sie uns ermahnte, wir sollten die Gäste nicht langweilen. Wie stellte sich die Frau das denn vor? Glaubte sie etwa, das Kämpfen würde uns Vergnügen bereiten? Nun ja, für meinen Teil würde es vielleicht Genugtuung sein, wenn ich bei Dracon einen guten Treffer erzielen konnte, mehr aber auch nicht.
    Zu allem Übel öffnete sich dann auch noch die Tür, kurz nachdem die Flavia einen Schiedsrichter erwähnt hatte. Philemon, dieser elende Schleimbeutel trat ein und begann sofort mit Speichellecken. Wenn er der Schiedsrichter sein sollte, dann konnte ich endgültig einpacken!

    Ganz gut also… na dann. Ich sinnierte noch einen Moment über seine Worte und fragte mich, ob ich das Gleiche sagen konnte, wenn mich jemand danach fragen würde. Vielleicht würde ich dann auch antworten: Ganz gut.


    Wie sich herausstellte, waren Hildulf und ich Kollegen. Auch ihn hatte sein Dominus zum Custos gemacht, auch wenn er, wie er sagte, sonst nicht viel zu tun hatte. Der Flavier ging wohl in dieser Hinsicht ein wenig effizienter vor. Wenn ich nicht unbedingt mein Leben für ihn aufs Spiel setzten musste oder gerade mal wieder im Carcer saß, dann übertrug er mir andere Aufgaben. Aufgaben die von Besorgungen machen bis Schuhe putzen reichen konnten. Inzwischen machte es mir nichts mehr aus, denn über allem, was ich zu seiner Zufriedenheit erledigte, schwebte die Aussicht, eines Tages wieder frei sein zu können. Dennoch aber gab es auch die Tage, an denen mich die Sehnsucht packte, an denen ich mir am liebsten ein Pferd geschnappt hätte, um damit von hier zu verschwinden.


    Als er den Namen einer Sklavin nannte, bei der er offensichtlich nächtigen durfte, waren meine Gedanken sofort wieder bei meinem Rabenmädchen. Ich musste sie unbedingt wieder sehen. Sie fehlte mir so. Doch zuvor hatte ich noch etwas zu erledigen. Ich wollt schließlich nicht mit leeren Händen kommen.
    „Irina, mmh… dann hast du auch nachts immer was zu tun,“ bemerkte ich anzüglich und grinste dabei.

    Ich zeig dir gleich, wie die Saturnalien waren! Er konnte es einfach nicht lassen! Er provozierte es geradezu! Meine Fäuste ballten sich. Noch ein dummes Wort und ich schlug zu. Natürlich wusste ich, dass das keine gute Idee war. Spätestens wenn man sich Candace gequältes Gesicht ansah und dazu noch ihre fast piepsige Stimme hörte, die darum bat, nein sie flehte, doch aufzuhören, war einem klar, dass unser Streit nicht weiter eskalieren durfte. Dracon saß ganz locker da, als könne ihn nichts umhauen. Wahrscheinlich hatte er sogar recht, denn mal ehrlich, wie groß standen meine Chancen gegen einen Ex-Gladiator? Als er mich schließlich wie einen kleinen Jungen zurück auf meinen Platz schicken wollte, hätte ich vielleicht besser auf ihn hören sollen. Stattdessen blieb ich. Bevor ich aber noch irgendetwas tun oder sagen konnte, sprang plötzlich die Tür auf. Verwundert wandte ich mich um und erblickte zu meinem großen Entsetzen auch noch die Flavia gefolgt von ihrem neuen Sklavenmädchen. Ihr strenger Blick zwang mich dazu meine Augen niederzuschlagen und vor allem mit meinen Händen meinen Schritt zu verdecken. Dass nun ausgerechnet Irmhilta Schelte bezog, hatte ich nicht gewollt.
    „Domina, Irmhilta trägt keine Schuld. Es war mein Fehler. Ich habe mich hinreißen lassen… bitte verzeih!“ Na warte Dracon, draußen wirst du was erleben, pulsierte es nur noch in meinem Schädel, während ich vor der Flavia wie ein getretener Hund stand und mich entschuldigte.

    Noch einmal lockte mich die Wurst mit ihrem herrlich herzhaften Geruch, so dass ich nicht anders konnte, als einfach noch einmal hineinzubeißen und sie mir schmecken zu lassen. Kauend hörte ich indessen meinem neuen Sitznachbarn zu, der auch Gefallen daran gefunden hatte, sich den ersten Sonnenstrahlen auszuliefern und sich von ihnen wärmen zu lassen. Automatisch ging mein Blick hinüber zum Sklavenmarkt, als er davon zu erzählen begann, dass er dort vor gar nicht langer Zeit selbst dort gestanden hatte. Als er weiter sprach, erinnerte ich mich schlagartig wieder an diesen eigenartigen Tag, als der Flavier zusammen mit seiner Tante zum gemeinsamen Sklavenmarktbesuch aufgebrochen war. Ja, genau! Er war der Germane, für den der Flavier dann auch noch geboten hatte, aber irgendwann das Interesse verloren hatte. Schade nur, dass ich das nicht rechtzeitig gecheckt hatte und fröhlich für ihn weiter geboten hatte. Naja, am Ende war er dann doch woanders gelandet.
    „Ahja, erinnere mich,“ gab ich ein wenig kleinlaut zu. Nach meiner Aktion hatte ich dann tatsächlich auch ein wenig Stress bekommen, weil sich Scatos Tante so darüber aufgeregt hatte, von wegen Sklaven hätten still zu sein, solange man sie nichts fragte und so… Ach, Schwamm drüber, dachte ich mir.
    „Und, wie ist es dir danach so ergangen?“, fragte ich interessehalber nach. Zumindest war er ordentlich gekleidet und man hatte ihm ein paar Münzen anvertraut, von denen er sich etwas zu essen kaufen konnte.

    Nanu, was war dem denn über die Leber gelaufen? Vielleicht hatte er ja auch schon eine Begegnung der besonderen Art mit Flavia Domitilla hinter sich. Aber ein Kerl wie Dracon war doch scharf aufs kämpfen. Also warum so grimmig?! Besser ich sparte mir jedes weitere Wort. Meine Frage beantwortete er sowieso nur mit einer Gegenfrage. Und was wusste ich denn, wer Claudius Felix war! Für mich sahen diese Togaträger alle gleich aus. Ich zuckte nur mit den Schultern und wollte ihn eigentlich nicht mehr weiter beachten.
    Außerdem wurde Irmhilta langsam ungehalten darüber, weil ich ihrer Meinung nach zu langsam war, mich vor ihr zu entblättern. „Los, du ziehe aus! Schnell!“, drängte sie mich, so dass mir echt langsam der Spaß verging. „Ja, ich mach ja schon.“ Ein Gutes hatte es ja für sich. Auf diese Weise wurde ich endlich diese weibische Tunika los, in der ich schon den ganzen Tag herumlaufen musste. Ich drückte Irmhilta das gute Stück in die Hand. Allerdings schien es mir so, als konnte sie es kaum erwarten, bis ich auch endlich noch den Lendenschurz abgestreift hatte. Das machte mich wirklich nervös. Dann auch noch die dumme Bemerkung des Glatzkopfes.
    „Ich schäm mich nicht!“ blaffte ich zurück. Dabei spürte ich, wie langsam in mir das wieder Verlangen wuchs, dem Kerl meine Faust ins Gesicht zu drücken.


    Schließlich ließ ich auch die letzte Hülle fallen, ganz gleich, ob Irmhilta nun glotzte oder nicht. Allerdings hielt dies Dracon nicht davon ab, mich noch weiter zu reizen. „Halt einfach die Klappe, du Blödmann!“, bellte ich in seine Richtung, während mir Irmhilta nun ein goldfarbenes Subligarium reichen wollte. Oh Mist, auch das noch… goldfarben. Vom Regen in die Traufe! Wer hatte sich nur diese Farben ausgesucht!
    Zum Anziehen kam ich aber dann nicht mehr, denn Dracon konnte einfach nicht seine dämliche Klappe halten. Als er den Namen meines Rabenmädchens nannte, sah ich rot!
    Ganz flink fuhr zu ihm um und trat ihm mit wenigen Schritten entgegen. „Lass Morrigan aus dem Spiel, hörst du! Sonst…“ Ich schäumte vor Wut, genauso wie an jenem Saturnalienabend in der Taberna, und das ganz ohne Alkohol!

    Zitat

    Original von Caius Flavius Scato


    "Angus, rufe Flavia Domitilla herbei, ich habe einen besonderen Freund den ich ihr gerne vorstellen möchte." befahl Scato seinem Sklaven und blickte dann wieder zum Tiberius...


    Angus hier, Angus dort. Schlimm genug, dass ich heute zum Weineinschenker degradiert worden war, jetzt kam auch noch die Funktion des Botenjunge hinzu… und das auch noch mit der verdammten Kanne in der Hand. Aber was tat man nicht alles, um eines Tages all das hinter sich lassen zu können! Mit einem ziemlich aufgezwungenen Lächeln nickte ich dem Flavier zu und begab mich direkt an die Front. Doch kurz bevor ich zum Angriff übergehen wollte, überlegte ich es mir dann doch anders. Die Flavia war gerade im Gespräch, nicht gerade der beste Augenblick, um mir einer Kanne Wein vor ihr aufzutauchen. Deshalb entschied ich mich, den weitaus bequemeren Weg über die Leibsklavin der Flavierin zu wählen. Candace hatte einen weitaus besseren Draht zu ihr. „Der Flavier, ähm Scato .. also deine Domina.. sie soll mal zu ihm rüber kommen. Kannst du ihr das ausrichten? Bitte!“ Naja, das zeugte nicht gerade von Wortgewandtheit, aber das verlangte ja auch keiner von mir.

    Mhh, beim Hineinbeißen trat ein wenig vom heißen Fett im inneren der Wurst aus und sog sich in die Brottasche, die das Ganze umgab und es zu einer schmackhaften Mahlzeit machte. Beim Abgang schmeckte ich einen Hauch Thymian, den ich hier im Süden zu schätzen gelernt hatte und der mich dazu bewog, gleich noch einmal beherzt zuzubeißen. Jetzt noch ein Becherchen Wein, dann wäre alles perfekt, dachte ich so bei mir als ich just in diesem Augenblick diesen Kerl entdeckte, der mir freundlich zunickte und den ich schon irgendwo einmal gesehen hatte. War das einer aus der Villa? Nein. Woher kannte ich den nur? Na, war ja auch egal, dachte ich mir und grüßte einfach mal zurück. Früher oder später bekam ich das schon noch raus.


    „Fön in der Fonne, mift!? Wilft du dif fetzen? Ift noch Plapf“, meinte ich ganz unkontrolliert, da ich mit vollem Mund sprach. Dann rückte ein Stück zur Seite, schließlich wollte ich ja nicht, dass er sich mit mir fetzte, sondern sich einfach nur friedlich setzte. Und wieder stellte ich einmal mehr fest, welchen Vorteil es doch hatte, wenn die Mundhöhle beim Sprechen leer blieb.
    Diesmal schlang ich den Bissen einfach runter, um nicht weiter wie ein Idiot klingen zu müssen. „Woher kennen wir uns eigentlich?“ , fragte ich, diesmal wesentlich befreiter. Ha, das klang doch gleich viel besser!

    Verhältnismäßig oft hatte ich in letzter Zeit jede Möglichkeit genutzt, die sich bot, um die Villa verlassen zu können. Mal hatte ich Besorgungen zu machen, mal musste ich den Postboten spielen. Aber mir war das völlig egal, Hauptsache ich kam in die Stadt und zwar ohne lästige Begleitung oder gar einem Aufpasser an meiner Seite.
    Der Morgen hatte vielversprechend begonnen. Draußen schien es, als sei nun endlich der Winter vorbei. Die Vögel im Garten zwitscherten, kein Wölkenchen schob sich über den schönen blauen Himmel, nur die Sonne schien dazu.
    Inzwischen hatte ich mich wohl als recht zuverlässig erwiesen, so dass ich auch heute wieder Botengänge erledigen durfte. Danach würde ich mir noch etwas Zeit genehmigen für gewisse private Angelegenheiten. Dank meines Peculiums, welches ich in einem kleinen Lederbeutelchen mit mir führte, konnte ich mir eventuell sogar eine Kleinigkeit unterwegs leisten. Vielleicht einen Becher Wein in einer Taberna, oder eine leckere Wurst aus den Garküchen, die es zu Hauf gab. Aber vielleicht fand ich auch eine Kleinigkeit für mein Rabenmädchen, mit dem ich sie überraschen konnte, wenn ich mich wieder mit ihr traf.


    Zuerst aber hatte ich einige Erledigungen zu machen, weswegen ich überhaupt losgeschickt worden war. Ein paar Briefe mussten zu ihren Adressaten und auf dem Markt waren ein paar kleine Besorgungen zu machen. Zielstrebig steuerte ich ein paar einschlägige Läden an, in denen ich das Gesuchte fand.
    Nachdem das endlich geschafft war, war es Zeit für eine kleine Pause. Mein Magen knurrte bereits ein wenig und so ließ ich mich durch das Angebot der Garküchen inspirieren. Schließlich entschied ich mich für eine gebratene lukanische Wurst in der Brottasche. Mhh, wie das Duftete! Das musste man den Römern schon lassen, die wussten was gut schmeckte… naja meistens.


    Ich suchte mir irgendein Plätzchen, wo ich mich setzen konnte und auch noch etwas von den ersten warmen Sonnenstrahlen abbekam, die meine Stimmung gleich um ein Vielfaches ansteigen ließ. Schließlich fand ich eine Steinbank, von der aus man gut das Treiben auf dem Markt beobachten konnte. Hier setzte ich mich und biss genüsslich in meine Wurst.


    Sim-Off:

    Reserviert ;)

    Vollkommen ahnungslos, war ich mit Candace mitgegangen. Natürlich hatte ich begonnen, sie zu löchern, sobald wir das Atrium verlassen hatten. „Was für einen Ersatz? Wofür? Na, sag schon?“ Die Sklavin aber hatte sich nicht erweichen lassen. Sie schwieg wie ein Grab. „Na komm schon, Candace! Erzähl mir, was hier los ist!“ Es war absolut nichts zu machen. Schließlich blieb sie vor einer Tür stehen. Wir befanden uns bereits in dem Teil der Villa, in der die Sklaven lebten und arbeiteten.
    Ich begriff immer noch nicht was ich hier sollte. Nur eins ahnte ich, dass das was mich hinter dieser Tür erwartete sicher nichts Gutes sein konnte. Candace öffnete die Tür und trat ein. Ich folgte ihr auf dem Fuß und erkannte gleich, neben der germanischen Sklavin, auch einen guten (?) Bekannten. Naja, als ich Dracon das letzte Mal gegenübergestanden hatte, hätte ich mich beinahe mit ihm geprügelt, wenn nicht… mein Rabenmädchen… ich atmete tief ein und dachte an Morrigan. Wenn er da war, dann war sie sicher auch nicht weit.
    „Salve Dracon, was machst du denn hier? Ist Morrigan auch da?“ erkundigte mich. Eigentlich hätte ich spätestens jetzt kapieren müssen, was hier los war. Der claudische Sklave war lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet, ganz so als ob er gleich ein nettes kleines Kämpfchen absolvieren sollte. Fragt sich nur wer sein Gegner war...
    Aber auch diese Frage klärte sich recht schnell auf, nachdem mir Candace ein wenig unwirsch zu verstehen gab, dass ich mich meiner Kleider entledigen sollte. „Äh, was? Wieso das denn?“ Jetzt begriff ich, was die Flavia gemeint hatte, ich sei ein würdiger Ersatz für Diomedes. Im Gegensatz zu dem altgedienten Custos wirkte ich allerdings eher wie ein zartes Knäblein. Alleine schon Diomedes´ Erscheinung schlug jeden in die Flucht, der es wagte ihn auch nur schräg anzuschauen. Gegen den hätte Dracon niemals eine Chance gehabt! Nun ja, das behauptete ich jetzt einfach mal, ohne ihm zu nahe treten zu wollen. Bei mir sah das allerdings vollkommen anders aus. Bei unserem letzten Zusammentreffen hätte ich mich ohne nachzudenken mit ihm geprügelt. Allerdings hatte ich da auch schon ein paar Becher Wein intus. Jetzt aber war ich nüchtern und ich wusste, worauf ich mich einließ... oder besser gesagt, wozu man mich zwang. Und genau da lag das Problem, ich konnte mich nicht dagegen wehren. Ich musste gehorchen, sonst konnte ich das Versprechen des Flaviers, mich irgendwann freizulassen, abschreiben. Also begann ich mich widerwillig auszuziehen, auch wenn Irmhilta mir dabei zusah.

    Offenbar war meine Strategie nach hinten los gegangen, wenn man hier überhaupt von Strategie sprechen konnte. Das Antlitz der Flavierin verdüsterte sich gefährlich, als würde jeden Moment ein unbändiger Gewittersturm über mich hereinbrechen. Natürlich hielt ich sofort meine Klappe und ersparte ihr und mir noch mehr von meinen vergeblichen Reuebekundungen. Ich rechnete eh schon mit dem Schlimmsten. Meine Haltung verkrampfte sich etwas, bei dem Gedanken, jetzt richtig Ärger zu bekommen. Zu meinem Erstaunen aber blieb der erst einmal aus. Wie ein gescholtener Hund musste ich wohl wirken, während Candace und ein anderer Sklave die Flavia trocken legten. Ich vermied es, sie noch mehr zu reizen, indem ich sie etwa direkt ansah oder mich gar bewegte. Die nächsten Sekunden und Minuten waren wie Blei. Niemand konnte mich aus dieser Situation befreien, es sei denn ein Wunder geschah… oder so etwas ähnliches.


    Der Flavierin gefiel es sicher, mich so zappeln zu lassen. Genüsslich trank sie erst einen Schluck. Erst dann schien sich in ihrem Kopf ein Plan zu festigen, wie sie mit mir weiter verfahren wollte. Der Zorn wich schrittweise aus ihrem Gesicht, was mich wieder ein wenig hoffen ließ. Jedoch schwand meine Hoffnung sofort wieder, als sie mich als einen „Ersatz“ titulierte. Ein Ersatz für was? Und wofür sollte mich Candace vorbereiten lassen? Noch ehe ich mir länger darüber den Kopf zerbrechen konnte, forderte mich die Leibsklavin bereits auf, mit ihr zu gehen. Der andere Sklave nahm mit die Kanne ab, noch ehe ich richtig protestieren konnte. Eine Mischung aus Verwunderung und Hilflosigkeit war in mein Gesicht gemeißelt, als ich notgedrungen Candaces Aufforderung nachkam und mit ihr ging. Als wir beide da Atrium verließen, blickte ich mich noch einmal wehmütig um, so als ob ich dies mein letztes Mal sein würde, doch die Sklavin zog mich erbarmungslos mit sich fort.

    Ich trat einige Schritte näher, als der Flavier aufsah und bevor ich die Tür wieder schloss, ließ ich auch Sehrja eintreten. Die Kleine schob sich an mir vorbei und setzte sich in die ihr zugewiesene Ecke.
    So weit, so gut, dachte ich. Die Kleine war nicht dumm und lernte sehr schnell. Vielleicht ein bisschen zu schnell! Als sie sich gesetzt hatte, trat ein Schwall von Worten aus ihrem Mund hervor, der mir die Kinnlade nach unten klappen ließ. Offenbar musste sie das alles eben erst aufgeschnappt haben. In Zukunft musste ich darauf achten, was ich von mir gab.
    Das warf natürlich kein besonders gutes Licht auf mich und meine Fähigkeiten als Sprachlehrer. Dementsprechend verlegen schaute ich aus der Wäsche. Am besten war es jetzt wohl, wenn ich ganz schnell Land gewann und mich auf die Suche nach der Flavia machte, ehe es hier vielleicht noch ungemütlicher für mich wurde.