Puh, der Einstieg war geschafft. Ich nahm, wie angeboten, Platz.
"Naja. Ich stelle mir vor, dass man als Stationarius hier viel Schreibkram zu tun hat. Ich hab gehört, dass jeder eingehende Brief in eine große Liste eingetragen werden muss. Und dann müssen ja auch die ganzen Wertkarten verwaltet werden. Die von den Familien und die von den Institutionen. Um das alles auch erledigen zu können, muss ein Stationarius vermutlich auf jeden Fall lesen und schreiben und wegen der Wertkarten auch rechnen können. Ich kann alle drei Sachen."
Das Super-Totschlag-Argument war das wahrscheinlich jetzt noch nicht. Ich überlegte nochmal kurz, ob mir nicht noch mehr einfiel:
"Außerdem denke ich mal, dass man als Stationarius auch gesellschaftliche Fähigkeiten beherrschen muss. Denn wenn man die Briefe und Schreiben der Leute annimmt, dann hat man ja direkt mit ihnen zu tun. Man muss also immer freundlich sein, höflich.. ähm.. wissen, wie man einen Römer oder eine Römerin richtig anredet, ohne ihm oder ihr damit auf die Füße zu treten. Sowas eben. Und ich glaube, das liegt mir eigentlich ganz gut, ehrenwerte Praefecta Vehiculorum Sergia."
Mit der erneuten Nennung ihres Titels und Namens versuchte ich meine Behauptung gleich mal etwas zu beweisen. Dazu schenkte ich ihr ein angetanes Lächeln. (War ja auch nicht schwer, bei ihrem Aussehen von ihr angetan zu sein. Ein heißer Feger, wie sie hier so saß. Vor allem, wenn sie so ernst und sachlich und streng guckte.)
"Achso, und dann ist natürlich auch wichtig, dass man eine gute Arbeitsmoral hat. Denn die Leute, die hier ihre Postsendungen aufgeben, die erwarten ja auch, dass man sich darum kümmert. Und wenn ein Brief nach Alexandria geschickt werden soll, dann muss man natürlich auch dafür Sorge tragen, dass nicht der Bote nach Londinium den Brief versehentlich mitnimmt. Und solche Verantwortung, die kann ich tragen. Ich habe ein gutes Pflichtbewusstsein und bin eigentlich auch ein sehr pünktlicher Mensch."
Naja. So ganz war ich selber nicht überzeugt von meinen letzten Worten. Ob der Decimus seiner Klientin auch von meiner ersten Salutatio bei ihm geplaudert hatte? Ich wollte lieber kein falsches Risiko eingehen, weshalb ich ganz von mir ausgehend noch hinzufügte:
"Dass ich zur ersten Salutatio bei meinem Patron jetzt ein bisschen spät dran war, falls er dir das erzählt hat, das kann ich natürlich erklären. Ich war gerade neu in Rom angekommen und.. ähm.. hatte mich dann ein bisschen verfranzt und verlaufen. Aber normalerweise da bin ich wirklich immer so pünktlich wie heute. Da hab ich in diesem großen Tempel hier zwar auch wieder nicht gleich den richtig Weg gefunden, aber das gibt sich dann ja spätestens bei zweiten Anlauf."
Denn beim zweiten Anlauf hatte ich den richtigen Weg ja dann schon einmal gefunden. Und wenn man etwas einmal gefunden hatte, dann fand man es auch wieder. Das hatte mein Paps mir mal so oder so ähnlich gesagt. Nur ging es bei ihm immer mehr in die Richtung: Wenn man einmal einen Job gefunden hatte, dann fand man auch wieder einen. Aber besser, ich sparte meine Eltern als Thema hier aus. Beeindrucken konnte ich mit denen nämlich ganz sicher niemanden.