Beiträge von Iunia Caerellia

    Was Proximus betraf hatte sie wohl wirklich nicht gelogen. Nach ihrer Verhaftung konnte sie jetzt noch von Glück sprechen, dass sie die Domus Iunia verlassen durfte. Und der neue Custos war spurlos verschwunden. Er würde mit einer Bestrafung rechnen müssen. Doch er würde leben. Er würde noch auf dieser Erde verweilen. Und Catullus? Lebte er noch? Nein. Zu oft sah Caerellia Catullus Gesicht vor ihren Augen. Sie hatte sein Todesurteil gefällt. Sicherlich er war ein Sklave und somit keiner von ihnen. Außerdem mochte sie ihn nicht einmal besonders. Nicht so sehr wie ihren Custos in Mogontiacum, aber der Gedanke daran, dass sie der Grund war, warum er nicht mehr den Iunier dienen konnte, der belastete sie. Immer wenn sie an ihn dachte, verkrampfte sie sich und ihr wurde übel. War das ihr Gewissen? Es war doch richtig was sie getan hatte. Aber warum tat es dann so weh? Sie verstand es nicht. Sie war kein Prätorianer. Sie war nicht wie Verus, der jeden Tag mit solchen Dingen zu tun hatte. In ihrer Seele nahm eine Dunkelheit die Überhand und sie wusste nicht, ob sie dieses Gefühl zulassen konnte.


    Caerellia runzelte die Stirn bei Canus Worten. Natürlich war ihr nicht entgangen, dass er seine ursprünglichen Satz geändert hatte. Sie überlegte, ob sie ihn darauf ansprechen sollte, aber er schien die Worte nicht für richtig gehalten zu haben und daher ließ sie davon ab. "Ich würde es nicht aushalten. Oder er schickt mich heim nach Germanien.", kam es ihr auf einmal. Wie sollte sie nur ihrer Mutter von all den Dingen, die ihr hier widerfahren waren, erzählen können? Und zuhause wurde sie wieder an ihren verstorbenen Bruder erinnert und dieser Tod hatte so sehr an ihr gezehrt. Warum hatte sie Scaevina und Appius geholfen? Warum sagte sie es nicht einfach. Wenn sie ihm sagte, dass sie Christen seien, würde er wohl einen Lachanfall bekommen und sie dann festnehmen. Immerhin hatte sie ihnen zur Flucht verholfen. "Weil sie keine Christen sind und ich fürchtete du würdest sie dazu bringen, dass sie genau die Antworten geben würden, die du hören willst.", redete sie sich heraus. Aber auch Verus hatte solch eine Taktik angewandt und sie hatte gefruchtet.


    Das er dann auch noch versuchte sie aus dem Konzept zu bringen, machte es nicht besser. Obwohl viele Iunier den militärischen Weg wählten, war es für Caerellia doch anders, Canus nun an ihrer Seite zu haben. Er war ihr vollkommen fremd und er schien verbissen darauf zu sein, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Er war höflich zu ihr, aber diese Höflichkeit hatte seinen Preis. Und der war nichts anderes, als Caerellia zum Sprechen zu bringen. Meinte er es wirklich in ernst, dass er ihre Gesellschaft genoss? War es nur eine gespielte Freundlichkeit von ihm? Sie konnte es nicht feststellen. "Dann habe ich ja nochmal Glück gehabt.", antwortete sie ihm lächelnd. Sie wurde nun tatsächlich offener und musste über Canus Bemerkung mit den Blumen ebenfalls lachen. Es war, als würde ihr ein Stein vom Herzen fallen. Als würde sich die Dunkelheit in ihr für einen Moment zurückziehen. Doch es dauerte nicht lange bis sie wieder Einzug hielt. Die Dunkelheit war wie ein Schatten, der ihr überall hin folgte. Sie war nie alleine. Sie war dabei und der Miles schien das zu spüren. Mit ihrer rechten Hand fuhr sie sich über den Hals. Sie spürte noch die Narbe des Halsrings und auch er würde sie erkennen, wenn er darauf aufmerksam wurde. Sie spürte seinen Blick auf sich und zog sofort die Hand davon weg und senkte ihre Lider. Hatte sie sich nun verraten? Ihm einen Hinweis darauf gegeben, dass ihr etwas zugestoßen war, was ihr Leben verändert hatte?

    Caerellia konnte nicht anders. Langsam kristallisierte sich ihr wirklicher Charakter heraus, da die Christen nun fort waren. Sie konnte nicht glauben, dass sich durch ihren Aufenthalt im Kerker ihre Persönlichkeit komplett verändert hätte. Es hatte etwas mit ihr gemacht und es war eine Finsternis in ihre Seele eingekehrt, die Besitz von ihr ergriffen hatte, aber nicht ihre Stärken und Schwächen beeinflusste. Denn in Wirklichkeit war Caerellia ein liebes Kind. So hätte ihre Mutter sie bezeichnet. Und sie war naiv. Sie musste sich erst in der römischen Gesellschaft zurecht finden, deswegen hatte man sie zu Seneca nach Mogontiacum geschickt. Schon beim Abendessen bei Iulius Antoninus in Roma hatte sie sich ungeschickt verhalten. Gerade jetzt befand sie sich in einem Gefühlschaos. Denn sie wusste nicht, welches Ich sie Canus zeigen sollte. Wie sollte er sie sehen? Welches Gesicht brachte ihr einen Vorteil? Und was wollte sie wirklich? Sie sollte nicht mit ihm spielen. Sie war dazu nicht wirklich in der Lage und es war sehr gefährlich. Und sie hatte keine Ahnung wer dieser Mann vor ihr war.


    Sie hatte befürchtet, dass er ablehnen könnte, weil die Strecke nicht allzu kurz war. Aber er tat es nicht. Sie hatte ihn wirklich überzeugen können. "Ich danke dir. Wenn ich alleine Zuhause ankomme und das wird bemerkt...mein Bruder würde mir verbieten, die Domus jemals wieder zu verlassen.", offenbarte sie ihm und es war nicht gelogen. Natürlich wollte er die Wahrheit wissen, deswegen willigte er ja nur ein. Er hakte ständig nach. Und da war noch mehr. Viel mehr. "Ja, da ist mehr.", bestätigte sie ihm jetzt nicht direkt, aber er kannte die Antwort bereits. Als sie ihn ansah, schenkte er ihr ein Lächeln. Er sah ihre Schwäche. Ihre Angst. Aber er fragte sie nicht weiter aus. Für den ersten Moment jedenfalls nicht. Endlich ließ er die Iunia gewähren und ging einen Schritt zur Seite. Caerellia setze sich in Bewegung und Canus folgte ihr. Doch sein Verhör ging weiter. Er ließ einfach nicht locker. Sollte sie nun lügen oder die Wahrheit sagen? Sie sah zu ihm auf und wartete einen Moment bis sie antwortete. "Ich kenne Scaevina solange ich dich kenne.", antworte sie ihm lächelnd. Und es war die Wahrheit. Dann sah sie wieder auf die Straße und ging weiter bis ans Ende der Gasse. Die nächste Frage von Canus brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Sie lief rot an. Vielleicht hatte er aus diesem Grund solch eine Frage gewählt oder sie müsste gar nicht so reagieren, aber sie tat es. Warum wollte er das wissen. "Ich war ungeschickt. Ich hätte dich fragen sollen, was du möchtest. Aber ich dachte, weil du mich mit dieser schweren Ausrüstung verfolgt hast, hättest du Durst?" Ihre Worte waren liebenswert und auch sie musste grinsen. Sie tappte in seine Falle und merkte es nicht einmal. "Ach ja! Entschuldige, dass ich dir die Blumen ins Gesicht geworfen habe.", ergänzte sie noch entschuldigend. "Ich hoffe du verzeihst mir diesen Fehler."

    Caerellia hatte Glück bei Canus. Gewiss befolgte er seine Befehle, aber er hinterfragte diese Situation, sonst hätte er sie schon längst abgeführt. Doch sein Interesse an ihr war nicht ungefährlich. Sie musste ganz genau darauf achten, was sie zu ihm sagte. Und darin war sie nicht geübt. Er erkannte, dass mehr hinter dem allem steckte und sie wusste nicht, ob sie sich verraten sollte oder nicht. Nein, sie durfte und sie konnte es auch nicht. Noch nicht. Außerdem wusste sie auch immer noch nicht mit Gewissheit, ob er sie jetzt als Christin betrachtete oder nicht. Wahrscheinlich tat er es noch. Sie konnte ihm ja noch immer keinen Beweis bringen, warum sie keine war.


    Diese Antwort hätte er wohl nicht von der jungen Iunia erwartet. Und das zeigte er auch kurz mit Neugierde, aber dann wiederum mit Belustigung. Das schmerzte sie. Aber wer war sie schon? Eine Frau. Für ihn war sie nur eine Frau, die dumme Ausreden suchte. "Ich kann es nicht sagen.", antwortete sie ihm und hoffte er konnte erkennen, dass sie nicht log. Natürlich war ihr Angebot Bestechung. Er war sowas von genau. Aber ein Versuch war es wert gewesen. Und eine gute Erziehung hatte er auch noch. Das Geld zog er ihr nicht aus der Tasche, aber lieber führte er sie ab. Das sagte sie ihm aber besser nicht, denn er hatte sein Gladius griffbereit. "Ja, es ist eine Bestechung! Verzieh mir! Und ja es wäre nicht schicklich, wenn ich dir etwas ausgebe.", antworte sie ihm leicht geniert über ihren Fehler. Ihre Mutter wäre entsetzt gewesen über das Verhalten ihrer Tochter so mit einem Miles zu feilschen. Was würde ihre Mutter überhaupt über sie denken? Nach all dem was geschehen war. Sie würde ihre eigene Tochter nicht mehr wiedererkennen.


    Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass er auf ihr anderes Angebot einging. Aber warum sollte er das tun? Er machte sich doch ständig über sie lustig und hatte doch besseres zu tun. Und war es auch nicht riskant von einem Fremden begleitet zu werden? Er war zwar Legionär, aber dennoch ein fremder. Er würde ihr nichts tun. Sonst hätte er es schon getan. Außerdem hatte sie keine Ahnung was sie ihm sonst anbieten sollte. Kaufen durfte sie ihm nichts. Sie trug ein Armband, aber das war auch Bestechung. Ihre Mutter würde sie hassen. Immer wieder kam sie ihr in den Sinn. Vermisste Caerellia sie auf einmal? Sie tat es. Canus überlegte, ob er ihr zweites Angebot annehmen sollte. Er nahm es an und Caerellia lächelte erleichtert. Auch wenn sie damit rechnen musste, dass er sie aushorchen würde.
    "Da bin ich aber erleichtert. Ich hätte nicht gewusst, was ich dir sonst noch hätte bieten können als meine Gesellschaft. Bitte verstehe das jetzt nicht falsch. Ich rede zu viel." Aber etwas anderes war es nicht. Sie bot ihm ihre Gesellschaft an. "Nein, nein. Ich werde nicht noch einmal unvernünftig sein. Das verspreche ich dir." Versprechen sollte sie ihm besser gar nichts. „Aber was die Domus Iunia betrifft. Sie liegt in der Nähe des Forum Romanum. Eine kurze Strecke ist es nicht. Aber ich kann unmöglich ohne meinen Custos diesen Weg zurücklegen.“ Und jetzt sah sie ihn auch noch als ihren Beschützer an. „Ich will nicht alleine nachhause gehen. Ich darf das gar nicht.“ Und noch eine Prise Mitleid.


    Aber natürlich wollte er Antworten. Und das stellte ein Problem dar. Ihre Magen verkrampfte sich und sie wich seinem Blick aus. "Ich rede nicht gerne darüber. Ich habe Angst davor.", gestand sie ihm. "Und es würde dir nicht gefallen.", antworte sie leise. Dann sah sie, dass seine Hand langsam von seiner Waffe gilt und sie sucht wieder seinen Augenkontakt. "Gehen wir, Quintilius Canus?"

    Eigentlich konnte sie sich glücklich schätzen, dass Canus sie nicht einfach abführte ohne ihr eine Antwortmöglichkeit zu geben. Denn sie hatte sich mehr als fehl verhalten und es war eigentlich auch nicht mehr seine Aufgabe, ob sie nun eine Christin war oder nicht. Doch sie schien seine Neugierde geweckt zu haben und das war ihr Vorteil, denn so konnte sie der Verhaftung entkommen. Jetzt lag es nur noch an ihr sich herausreden zu können. Irgendwie.


    Caerellia versuchte sich zu konzentrieren und folgte seinen Worten. Doch du hättest sie abgeführt, war ihr Gedankengang. Weil nur dieses einen Wort gefallen war. Dieses entscheidende kleine Wörtchen, dass sie selbst verführt hatte. Arsinoes Brief war so von Schmerz erfüllt und doch so wohlklingend gewesen, wenn man selbst keinen Ausweg mehr fand. Wo auch immer Arsinoe jetzt war, sie sollte Qualen erleiden müssen für diesen schändlichen Brief. Ob man ihn schon entdeckt hatte? Am liebsten würde sie zurück in das Gefängnis gehen, um ihn selbst zu vernichten. Doch sie hatte nun andere Probleme.
    Wie ging sie nun mit Canus vor? Sollte sie bei der Wahrheit bleiben? Ein leichtes Schmunzeln war auf ihrem Gesicht zu erkennen, als Canus meinte Scaevina und Appius wären wohl entkommen. Aber sie ging nicht mehr weiter diese Worte ein. Es war auch unwichtig. Nun ging es erst einmal um sie.


    "Ja, ich wollte dich von den anderen ablenken. Aber warum ich das getan habe kann dir nicht sagen.", gestand sie Canus. Natürlich konnte sie ihm nicht die ganze Wahrheit gestehen. Sie konnte es ja nicht einmal ihren Bruder oder Axilla erzählen. Er scherte sich um Papierkram. Er sollte froh sein, wenn ihm zwei Christen in die Hände fallen würden. Aber sie musste ihm die charmante Caerellia zeigen. Er würde ihr niemals glauben, wenn sie ihm die Wahrheit sagen würde. Und sie wollte ihm auch nicht dieses Gesicht von ihr zeigen. Und aus irgendwelchen Gründen hatte sie ihn dann auch wirklich so weit. Er wollte diese Situation zufriedenstellend lösen. Sie auch. Misstrauisch sah sie ihn an. So recht wollte sie ihm nicht glauben und was verlangte er dafür? "Ist es Bestechung, wenn ich dir etwas ausgebe? Oder du könntest mich nachhause bringen, dann siehst du ja, dass ich keinen geheimen Messen beiwohne.", fragte sie ihn unsicher. Wie kam sie nur darauf, dass er ihre Gesellschaft wollte. Aber es war doch gar nicht so ungeschickt einen Miles besser zu kennen. Sie hasste sich. Konnte sie nicht einfach für einen Moment normal sein und keine Hintergedanken bei ihren Ideen haben.

    Nein, sie hatte kein Glück gehabt, denn der Miles erschien in der Sackgasse und kam immer näher. Er war bei weitem nicht so außer Atem wie sie. Immerhin war er durchtrainiert und die Iunia lief nicht jede Woche vor einem Legionär davon. Natürlich dachte sie zuerst an Flucht, aber sie rang noch immer nach Luft und auch, wenn sie sich an Canus vorbeistehlen konnte, würde es nicht lange dauern bis er sie eingeholt hätte. Jetzt hatte sie einen sichtlich verärgerten Miles vor sich, der sie ohne weiteres abführen könnte. Immerhin war sie geflohen und da gestand sie irgendwie auch ihre Schuld, auch wenn sie eigentlich nicht schuldig war. Es war wichtig, dass Scaevina mit Appius fliehen konnte. Aber wie sie nun aus dieser Situation herauskommen würde, dass hatte sie noch nicht wirklich bedacht. Sie musste reden. Sich irgendwie herausreden. Am besten war es wohl erst einmal Reue zu zeigen.


    Es entging ihr nicht, dass er seine Hand bedrohlich auf sein Gladius legte und er baute sich auch vor ihr auf, was Caerellia zusammenzucken ließ. Außerdem grinste er sie doch tatsächlich für einen Moment an, da er wohl seine Überlegenheit vor ihr zeigen wollte. Die er nun auch hatte. Flucht war nun keine gute Idee mehr, dass war nun vollkommen klar. Er hatte wirklich recht. Sie hatte sich nun mehr als schuldig gemacht, wie sollte sie ihm da vom Gegenteil überzeugen können. Sie hörte ihm zu und es schien, als würde er sie noch nicht gleich abführen wollen. Er wollte Gründe für ihr Verhalten. Und er machte sich lustig über sie. Sie hatte nicht viel Zeit zu überlegen. "Ich weiß, dass ich einen Fehler begangen habe und du hast nun jedes Recht mich abzuführen. Und Angst, die sollte ich jetzt wohl haben.", antwortete sie demütig, dabei fiel ihr Blick wieder auf sein Gladius. "Ich wollte den beiden kein Verhör antun. Sie würde es nicht durchstehen und sie tragen keine Schuld. Du hättest sie aber abgeführt. Und was mich betrifft. Ich kann dir meine Unschuld nicht beweisen, aber würdest du wollen, dass ich eine Christin wäre?" Ihre Stimme wirkte nun nicht mehr so gehetzt. Sie war ruhiger geworden. Caerellia sah den Soldaten in die Augen und auch wenn sie ihm keine wirklichen Gründe vorgebracht hatte, sondern eher eine Gegenfrage stellte, hoffte sie doch den richtigen Weg gewählt zu haben. Sie wollte vor ihm unschuldig und vollkommen ungefährlich wirken. Caerellia wollte für ihn eine Person sein, die man nicht verhaften mochte, sondern deren Gesellschaft man genoss, weil man sich sicher war, diese junge Frau würde niemals gegen ein Gesetz verstoßen. Sie wollte die alte Caerellia sein, welche Mars dienen wollte und so voller Lebensfreude war. Doch existierte diese Person noch in ihr? Sie wusste es nicht, aber wenn das nicht mehr der Fall war, dann musste sie es ihm eben vorspielen.

    Wohlmöglich redete sich Caerellia hier um Kopf und Kragen. Anstatt gehorsam zu sein, auf die Worte des Miles zu hören und ihn somit bittend anzuflehen, dass er sich doch irrte, widersprach sie ihm. Dabei machte sie sich wohl noch verdächtiger, als sie es schon war. Und nicht nur das. Keinen Soldaten gefiel es, wenn man ihm widersprach. Vor allem welcher Mann wurde gerne von einer Frau an der Nase herumgeführt und kritisiert seine Arbeit nicht gut genug zu machen? Sie hatte gewiss Respekt vor ihm. Sehr sogar. Doch Caerellia hoffte, dass sie schon bald die Situation aufklären konnte. Sie musste nur zusehen, dass er ihr auch Glauben schenkte und sie nicht als vollkommen verrückt hielt.


    Die Angst des Jungen war nicht gespielt und eigentlich hatte er keinen Grund sich vor einem Legionär zu fürchten. Er war zu respektieren, aber auf keinen Fall jemand vor dem man sich so sehr erschreckte, wie es bei Appius der Fall war. Doch der Junge war kein gewöhnliches Kind. Er war ein Christ. Er war noch nicht getauft worden, denn er wurde erst auf dieses Sakrament vorbereitet. Doch Scaevina war erst kürzlich getauft worden. Dafür waren sie nicht in Roma gewesen. Scaevina wurde am ganzen Körper eingesalbt, dabei durfte der kleine Appius natürlich nicht zusehen, dafür waren andere Frauen zuständig gewesen und daraufhin wurde sie in einem Fluss getauft. Als er das gesehen hatte, wollte Appius nichts Anderes. So ergreifend war für ihn dieser Moment gewesen. Appius wusste, dass man in Roma die Christen nicht besonders mochte und hörte Schauergeschichten über die Soldaten, wenn Christen in ihre Fänge gerieten. Und jetzt wurden sie von einem Legionär zur Rede gestellt.


    Caerellia hofft nur, dass die beiden den Urbanern entkamen. Aber jetzt musste sie erst einmal Quintillius Canus entkommen, der ihre Verfolgung aufnahm. Sie hatte auch nicht erkennen können, ob die restlichen Urbaner, die bei dem Verrückten standen, ihre Flucht bemerkt hatten. Der Urbaner war schnell und geschickter als sie um den Passanten auszuweichen. Sie konnte einen gewissen Nervenkitzel nicht leugnen, aber mehr schuldiger als jetzt konnte sie sich nicht mehr machen. Viele Menschen drehten sich um, als sie die Rufe des Miles vernahmen. Doch Caerellia lief und lief, bis sich die Straße vor ihr teilte. Sie entschied sich für die Gasse, die weniger Menschen säumte und vielleicht konnte sich man hier auch verstecken. Sie hastete hinein und bog dann gleich wieder rechts ab. In der Gasse, in welcher sie sich nun befand, war es finster und es roch unangenehm. Doch das Schlimmste war, dass sie sich als eine Sackgasse herausstellte. Vor ihr ragte auf einmal eine Hausmauer empor. Sie blieb davor stehen und krümmte sich vor Anstrengung. Ihr Herz raste und sie keuchte. Caerellia war vollkommen außer atmen. Dann dreht sie sich langsam um. Vielleicht hatte er nicht gesehen wohin sie verschwunden war. Doch dann hörte sie seine Schritte und er erschien in der Gasse. Caerellia presste sich mit den Rücken gegen die Wand. Sie war gefangen. "Gut...ich...sehe es ja...ein.", antwortete sie keuchend. "Ich hätte das nicht tun sollen." Erschöpft und auch verängstigt sah sie in das Gesicht des Miles, der nun garantiert stinksauer war. Wo war überhaupt ihr Custos abgeblieben?

    Die junge Iunia hörte dem Miles aufmerksam zu. Natürlich glaubte Canus ihr nicht. Diese Hexe war verschwunden, welche sie in die Situation gebracht hatte und doch nur so war sie hinter das Geheimnis Scaevinas bekommen. Einen Zeugen konnte der Legionär dennoch vorweisen, diesen Verrückten. Eigentlich war er ja schuld, dass sie nun die Urbaner am Hals hatten. Doch auch ihm konnte sie nicht wirklich böse sein. Er tat das richtig. Doch man musste wohlüberlegt handeln, damit man mehr von diesen Christen auslöschen konnte. Wer wusste schon wie groß Scaevinas Netzwerk war? Sie war nur eine junge Frau. Da gab es bestimmt privilegierte Leute bei den Christen, die mehr Namen nennen konnten. Caerellia atmete bei Canus Worten tief durch. Nein, sie konnte die Anwesenheit der anderen Frau nicht beweisen. Er schien auch überrascht zu sein, dass Scaevina Angst vor ihm hatte. Caerellia stellt dabei fest, dass sie wirklich nicht gut mit ihren Emotionen umgehen konnte und das als Anhängerin einer verhassten Sekte. Ihre neue Freundin musste da noch ein bisschen geschult werden, sonst würde sie ihre ganzen Brüder und Schwestern in Gefahr bringen. Ein weiterer Hinweis für Caerellia, dass sie nicht viel wissen konnte.


    Da hatte er eben ihren Namen. Auch die Prätorianer hatte ihn. Glaubte sie etwa, gerade diese würden ihr helfen, wenn sie festgenommen würde? Darauf durfte sie sich auf keinen Fall verlassen. Sie musste vorsichtig sein, denn hier war sie vollkommen auf sich alleine gestellt und der Miles vor ihr, war ihr Freund und nicht ihr Feind. Der Feind stand neben ihr mit seiner Brut.


    Sie hatte ihn verärgert und somit ihr Ziel erreicht. Er blaffte sie an und Caerellia wich dabei sofort zurück. "Nein.", antworte die Iunia. Es werde besser gewesen den Mund zu halten und doch tat sie es nicht. "Appius hat Angst. Er hat Angst abgeführt zu werden. Sogar er weiß was mit uns geschehen könnte. Ich versuche doch nur unsere Unschuld zu beweisen.", versuchte sie Canus aufzuklären. Umso mehr weiteten sich Caerellias Augen, als er sie direkt als Christen betitelte. "Natürlich glaubst du uns nicht und hörst lieber auf das Geschwätz dieses Mannes." Ihre Stimme war leicht aufgebracht, doch der Qunitilier entschuldigte sich sogleich wieder für sein verhalten. Er sah seinen Fehler ein und nannte ihr sogar seinen Namen. Aber es war eine Anschuldigung gewesen, auch wenn er sie nun zurückzog.


    Canus wies sie erneut zurecht und seine Worte erzeugten einen Schwall Vergangenheit. Dunkelheit. Der todtraurige Gesang. Überall war der Tod. Catullus. Ob er noch lebte? Oder der Christ, welcher mit ihr auf dem Transportwagen saß? Sie glaubte nicht wirklich daran, dass sie noch lebten. Sie antwortete nichts auf seine Drohung, sondern sah ihn nur vollkommen verängstigt an. Es waren die Bilder, welche wieder in ihr aufblitzen. Caerellia stellte sich Scaevina im Kerker vor. Sie würde nicht lange dort leben. Wie recht er doch hatte. Es war eine Ablenkung. Deswegen reagierte Scaevina so nervös, als ihr das Geld auf den Boden fiel. Sie musste eine von ihnen sein. Caerellia musste also ihr Vertrauen gewinnen. Sie biss sich auf die Unterlippe und hatte einen riskanten Plan, aber vielleicht klappte es ja. "LOS! RENNT!!!", rief sie den Mädchen und den kleinen Jungen zu. Daraufhin warf sie ihre Blumen in Canus Richtung und begann selbst wegzulaufen. Sie rempelte einige der Passanten an, doch lief sie um ihr Leben. Er würde ihr folgen. Vielleicht gelang es ihr auch zu entkommen. Aber Canus war wie gesagt ein sehr pflichtbewusster Miles, der sich nicht so leicht abschütteln ließ.

    Caerellia hatte keine Zeit nachzudenken. Es ging alles so schnell. Erst die Identifizierung Scaevinas als Christin und dann dieser Tumult. Aber eins war ihr bewusst. Sie musste eine gute Römerin sein. Es gab eine Zeit, da hatte sie nicht verstanden wer gut und wer böse war. Sie hatte sich verleiten lassen. Doch die Christen waren das verführerische Böse. Das hatte sie am eigenen Leib spüren müssen. Durch diese Sekte wäre sie fast für immer verdammt gewesen. Sie wussten wie man manipulierten und sie taten es im geheimen. Es war nicht leicht an ihnen heranzukommen. Doch Scaevina war vielleicht ihre Chance. Und wenn sie nur ein paar Namen von ihnen erfahren würde. Dieses Mädchen vor ihr, war nicht wie sie. Auch wenn sie so wirkte. Sie war falsch. Deswegen hatte sie sich für Scaevina eingesetzt, um sie zu hintergehen und es fiel ihr so leicht zu lügen. Zu leicht. Das hatte sie bereits damals gemerkt.


    Sie schenkte ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem Miles. Sollte sie sich dafür bedanken, dass man diesen Verrückten von ihnen fernhielt? Sie lächelte ihm erleichtert bei dieser Bemerkung von ihm zu, doch dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig. Sie waren noch immer verdächtig und der Mann vor ihr schien sehr strebsam und genau zu sein. Er wollte Namen. "Es war nicht der Mann, der solch eine Anschuldigung machte und behauptete eine von uns wäre Christin. Es war eine Frau, die.." Caerellia sah sich um. "...spurlos verschwunden ist." Diese Hexe hatte sich doch tatsächlich aus dem Staub gemacht. Obwohl sie hätte sich bei ihr bedanken müssen. Dann giftete der Miles Scaevina an, die noch immer am ganzen Leib zitterte. So hätte Caerellia vor ein paar Wochen auch noch reagiert, doch eine solche Schwäche ließ die junge Iunia nicht mehr zu. "Sie hat Angst vor dir.", antwortete Caerellia für Scaevina. Der Junge versteckte sich nun hinter Sceavina und Caerellias Custos warte auf Befehle von seiner Domina.


    Caerellia nickte bei seiner Warnung, dass er entscheiden würde, wem er glaubte oder nicht. Sie musste ihm von Scaevinas Unschuld überzeugen. Nur so würde ihr Plan funktionieren. Es war nicht nur schwierig, sondern auch gefährlich und das machte er mit seinen nächsten Worten mehr als deutlich. Er wollte die Namen, aber die kannte Caerellia nicht einmal. Es war riskant ihren eigenen Namen zu nennen. Doch so kompliziert durfte sie jetzt nicht denken. Sie konnte Scaevina immer noch sagen, dass sie den falschen Namen angegeben hatte. "Ich bin Iunia Caerellia und ich weiß was uns erwartet, wenn sich diese Anschuldigung bewahrheitet, Miles.", antworte sie ihm leicht nervös. Sie sprach in bewusst mit Miles an, da sie hoffte, dass er vielleicht so auch seinen Namen offenbarte. Dann zeigte sie auf ihren Leibwächter. "Das ist mein Custos." Langsam fand auch das dunkelblonde Mädchen ihre Stimme wieder. "Ich bin Rutilia Scaevina und das ist mein Bruder Appius.", antworte Scaevina schüchtern. Das waren also ihre Namen. "Nimmt der Soldat uns nun mit?", fragte der kleine Appius verängstigt und sah zu seiner Schwester hoch. Appius war wohl sechs oder sieben Jahre alt. Älter schätze ihn Caerellia nicht. "Wenn wir unschuldig sind dann nicht.", sagte Caerellia zu dem Jungen. "Aber siehst du Appius. Einen Christen kennzeichnet nicht ein äußeres Merkmal. Und auch kein Miles kann vollkommen sicher sein, ob wir welche sind oder nicht. Doch wenn er uns genau betrachten würde, könnte er sehen, dass wir Opfergaben für Iuno gekauft haben. Das würde doch kein Christ tun." Ging sie hier zu weit? Sie kannte Canus nicht und wusste nicht wie er mit Kritik umgehen würde. Doch vielleicht war es klüger, seine Aufmerksam auf sie zu lenken, anstatt auf die wirkliche Christin.

    Caerellia wirkte von außen wie eine ganz normale junge Römerin. Nichts wies auf die Strapazen vor wenigen Wochen hin. Keine Spuren waren mehr davon zu sehen. Auch ihre Wunde am Hals war verheilt. Doch sie war nicht gesund, denn ihre Seele war noch immer schwer verwundet. Ihre Familie konnte ihre körperlichen Wunden versorgen, doch ihre Seele blieb unversorgt. Albträume plagten sie so sehr, dass sie schweißgebadet nachts aufwachte. Sie hatte vor der Dunkelheit und vor der Einsamkeit Angst. Und doch konnte sie sich niemanden öffnen. Sicherlich hatte sie ihre Familie über den Inhalt des Verhörs in Kenntnis gesetzt, doch vieles hat sie unerwähnt gelassen. Weil sie Böses getan hatte und niemand würde ihr das verzeihen. Wer würde sie schon verstehen können. Caerellia war sich eines bewusst, wenn sie ruhig und verschlossen sein würde, dann würden die Fragen nicht aufhören. Sie musste so tun, als wäre sie wieder auf den Weg der Besserung, dass alles wieder gut werde könnte. Doch schon den Schritt, welchen sie heute machte zeigte, dass nicht alles in Ordnung war.


    Sie befand sich auf dem Aventin in der Nähe des Tempels der Iuno. Weit weg also von der Domus Iunia. Natürlich war sie nicht alleine. Ein neuer Custos stand ihr zur Seite. Sie hatte auch zu diesem Mann keine wirkliche Beziehung. Nicht so wie sie es zu dem ehemaligen Gladiator in Mogontiacum hatte. Das war auch besser so. Es wurde ihr dadurch noch mehr Schmerz erspart. Carellia trug eine lavendelfarbige Tunika und schritt mit ihren Custos gerade am Tempel entlang. In der Nähe des Tempels befanden sich Händler, die Blumen oder Weihrauch als Opfergaben an Iuno verkauften. Zwei junge Frauen standen in der Schlange vor einem der Stände, welcher Blumen verkaufte. Ein kleiner Junge war bei ihnen und zappelte nervös herum. Dabei stieß er an eine der beiden junge Frauen und ihre Münzen vielen auf den Boden. Caerellia bemerkte dieses Missgeschick und blieb stehen um der junge Frau zu helfen die Münzen aufzusammeln. Auch ihre Freundin half. Nicht das ein Langfinger schneller war. Das Mädchen wirkte sichtlich nervös und dankte Caerellia. So kamen die drei Mädchen ins Gespräch und sprachen nur über den lieblichen Duft dieser exotischen Schätze auf dem Stand. Aber alles änderte sich, als ein Mann und eine weitere Frau auf den Stand zukamen und anscheinend eine der Gesprächspartnerinnen von Caerellia kannten. Worte kamen nun über die Lippen dieser Frau, die alles andere als freundlich waren. Schlimme Dinge hatte sie über sie zu sagen und ja man bezeichnete das junge hellbraune Mädchen bei Caerellia als Christin. Scaevina, so lautet ihr Name, zuckte zusammen und der Mann, der mit dieser tratschenden Frau kam, war dadurch so aufgebracht, dass er begann Scaevina zu drohen und dann davon lief um Soldaten zu holen. Das tratschende Weib machte sich dabei aus dem Staub. Sie wollte auf keinen Fall da hineingezogen werden. Caerellia sah dem Mann nach, glaubte aber nicht mehr daran, dass er zurückkommen würde. Sie hoffte es jedenfalls. Nein, es interessierte sie nicht. Das was sie hörte, war viel interessanter. Innerlich musste sie schmunzeln. Sie konnte nie glauben was sie da gehört hatte. Sie war doch tatsächlich einer Christin in die Hände gelaufen, wenn das stimmen sollte.. Aber was machte sie hier? Warum kauft sie Opfergaben für Iuno?
    "Das...das ist nicht wahr was die Frau sagt. Ich bin keine von denen. Ich will doch in den Tempel der Iuno gehen.", sagte sie an Caerellia gewandt. "Ich glaube dir. Diese Frau hatte doch nur Unsinn zu sagen. Kauf dir schnell die Blumen und dann gehen wir in den Tempel.", versuchte Caerellia sie zu trösten und der kleine Junge sah zwischen den beiden Römerinnen hin und her. Die andere sagte gar nichts, was wohl auch besser so war.
    Glauben. Das war das Wichtigste. Das man jemanden glaubte, was er sagte. Ihr hatte niemand geglaubt. Bis sie zeigt auf welcher Seite sie stand.


    Gerade eben wollten sie zum Tempel der Iuno aufbrechen, als sie doch tatsächlich von einem Miles angesprochen wurden. Caerellia sah kurz zu ihrem Custos. Sie wusste genau warum der Soldat hier war. Die Iunia musterte Canus, der nach seiner Begrüßung sofort auf den Verrückten zu sprechen kam. Die beiden anderen Mädchen waren viel zu eingeschüchtert um zu sprechen. Und Caerellia war viel zu sehr davon ergriffen, dass sie hier tatsächlich auf eine Christin gestoßen war, dass sie sich nun zurückhalten konnte.


    "Salve! Du solltest ihm keinen Glauben schenken. Ich denke er ist verrückt. Er weiß nicht was er sagt und beleidigte meine Freundin und somit uns alle." Dabei meinte Caerellia sich selbst, den Jungen und das andere Mädchen. "Und er jagt uns Angst ein." Das entsprach sogar der Wahrheit. Sie hoffte nur der Legionär glaubte ihr und nicht ihm. Denn dann wären sie wirklich in Gefahr. Aber wenn Scaevina wirklich eine Christin war, dann musste sie ihr helfen. Denn sie wollte ihr Vertrauen gewinnen. Weiter wollte sie nicht darüber nachdenken, denn was für schreckliche Gedanken hatte sie nur. Aber das war ihre Pflicht. Das war der richtige Weg.

    Oh nein! Da startet Halloween schon mit einer traurigen Nachricht. :(
    Ich hab mir schon gedacht das irgendwas nicht stimmt. Bin wirklich sehr traurig über deinen Entschluss. Ich habe so unglaublich gerne mit dir gepostet, weil du Verus so gut schreibst. Kann aber deine Entscheidung verstehen und hoffe das du bald wieder zurückkehrst.


    Bis bald hoffentlich!

    Jetzt war auf einmal alles so einfach. Hätte sie von Anfang an die richtigen Antworten gegeben, wie viel Leid hätte sie sich erspart? Sie hätte nur gehorchen müssen. Und das hatte sie doch bereits ihr ganzes Leben getan. Sie war immer gehorsam gewesen. Warum war es ihr jetzt nur so schwergefallen? Konnte sie das Gute und das Böse nicht mehr unterscheiden? War sie so blind dafür geworden? Sie hatte doch immer gewusst, dass die Prätorianer Rom symbolisierten und die Christen den Feind. Warum war sie ins Grübeln geraten? Sie hatte sogar gewankt. Sie wusste nicht mehr was der Grund war. Es war wie ausgelöscht. Sie konnte nicht mehr sehen warum sie so gezweifelt hatte. Lag es an ihrer Erleichterung, dass dieser Albtraum bald vorbei war? War das der Grund für ihr Vergessen? War sie so auf sich selbst bedacht, dass sie all ihre Vernunft verloren hatte. Nein, Verus war die Vernunft. Die Christen waren nur so ein Gefühl das nicht sein durfte. Fast wäre sie diesem Gefühl verfallen, nachdem Catullus sie zu den Christen geführt hatte um sie zu verändern. Sie hätte ihr Leben verloren, ihre Familie, ihre Freunde. Doch in letzter Sekunde kamen ihre Retter. Die Prätorianer, welche es noch schafften sie aus den Fängen dieser Sekte zu befreien.


    All der Hass den Verus ihr entgegengebracht hatte, war nötig gewesen. Er hatte zur Heilung geführt, sonst wäre sie verloren gewesen. Jetzt verstand sie es endlich. Nun wurde ihr alles klar. Sie hatte so handeln müssen. Sie hatte Catullus verraten müssen, weil sie nur so gerettet werden konnte und auch nur so konnte Catullus gerettet werden. Das hoffte sie jedenfalls. Doch war das möglich? Verus sprach von ihrer Rettung und das wollte sie so sehr. "Ja...das weiß ich nun.", hauchte sie zur Antwort und versuchte sich sogar an einem Lächeln, als er ihren Namen so vertraut aussprach. Jetzt brauchte sie keine Angst mehr zu haben. Sie war in Sicherheit. Und sie hatte dem Reich einen großen Dienst erwiesen. Caerellia befand ihn nicht als groß, aber sie hatte das richtige für Rom getan. Sie atmete erleichtert tief durch, als er davon gesprochen hatte. Für die Iunia gab es ab keine andere Option mehr. Catullus war ein Christ und er wollte sie bekehren, daran gab es keinen Zweifel. Sie hatte es sich nun so lange eingeredet, dass sie es selbst glaubte und ihr Prozess war somit vollendet.


    Verus versicherte ihr dann, sie, nachdem sie Catullus gezeichnet hatte nachhause zu bringen. Er würde sie gehen lassen. Der Schrecken würde endlich sein Ende haben. Alles würde wieder gut werden. Die Schatten hatten sich vorerst verzogen. Sie sah nicht was sie getan hatte, doch die Erinnerung würde zurückkehren und mit ihr der Schmerz. "Dann lass es mich schnell hinter mich bringen, damit ich nachhause kann.", antworte sie müde. Als er dann davon sprach, dass sie so viel trinken dürfte wie sie wollte, konnte sie nur noch an dieses Bedürfnis denken. Dass sie mit dem Aufbrennen des Strafzeichens Catullus Todesurteil unterschrieb, war uninteressant für sie. Es musste so sein. Er musste sterben. Verus bat ihr beim Aufstehen Hilfe an, doch Caerellia versuchte es alleine. Sie stand wackelig auf ihren Beinen und konnte sich gerade noch am Stuhl festhalten, bevor sie gefallen wäre. "Ich schaffe das schon.", meinte sie erschöpft, doch das entsprach nicht ganz der Wahrheit.

    Was war das für ein seltsames Gefühl, das sich hier in ihr zeigte? Sie konnte es nicht identifizieren. Noch nicht. Doch es war ihr leichter gefallen als sie gedacht hatte. Eine Lüge nach der anderen war ihr so leicht über die Lippen gegangen. So einfach war es doch gewesen. Und sie hatte Erleichterung gespürt als log und wieder log. Weil der trecenarius genau diese Worte hören wollte. Darum. Sie war auf dem richtigen Weg. Doch dieser Weg würde nicht wirklich nach draußen in die Freiheit führen mit all der wundervollen frischen und reinen Luft und den Geräuschen dieser riesigen und dennoch wunderbaren Stadt. Wahre Freiheit würde es für Caerellia nicht mehr geben. Denn sie war in der Dunkelheit gefangen. Sie war in die Fänge eines Menschenfängers geraten. Es gab kein Zurück mehr. Denn eine Umwandlung würde ihren Tod bedeuten. Sie würde danach nicht mehr lange zu leben haben. Daher musste der Zweifel vernichtet werden, denn die Prätorianer hatten ihr gezeigt, wo das wirkliche Böse zu finden war. Das Böse waren die Christen mit ihren bedrohlichen Zielen, welche ihre ganze Welt erschüttern könnte.


    Vielleicht war der Brief von Arsinoe tatsächlich ein Test gewesen, welcher aufzeigen sollte wie leicht man von dieser Sekte manipuliert werden konnte. Sie versteckten sich hinter schönen Worten damit man gefügig wurde und ihre Mission ausführte. Es war eine Art Wandlung. Wobei Caerellia nicht erkannte, dass die eigentliche Wandlung bei ihr die Prätorianer durchgeführt hatten. Sie konnte nicht wirklich sagen, ob das die Christen auch gemacht hätten. Aber sie malte es sich jedenfalls so aus. Obwohl sie eigentlich von den Schwarzen gelenkt und geführt wurde, so wie man sie brauchte. So grausam die Prätorianer auch zu Caerellia waren, sie waren nicht ihre Feinde, dass hatte sie von Anfang an gewusst. Die Christen waren die Eindringlinge. Sie hatte nur all den Hass während ihrer Gefangenschaft erfahren, weil man herausfinden musste, ob sie eine loyale Römerin war. Treue und Verbundenheit waren nicht mehr äußerlich zu erkennen, da die Christen stets im Geheimen agierten. Nur Rom würde für sie Freiheit und Leben bedeuten und dies galt es zu schützen. Um jeden Preis. Auch wenn sie damit das Todesurteil eines Unschuldigen unterzeichnen musste. Der sie, wer wusste das schon genau, vielleicht getäuscht hatte und ein Mitglied dieser Christen war. Wem konnte sie überhaupt noch vertrauen? Man musste ihr zeigen wie sie diese Verräter entlarven konnte. Sie wollte nicht wieder unbewusst in ihre Fänge geraten.


    Sie hörte auf zu hinterfragen was richtig und falsch war. Für Verus zählte nur eine einzige Antwort und diese war die richtige. Nur mit dieser Antwort zeigte sie, dass sie nicht von den Christen beeinflusst wurde. Aber reichte ihm diese Antwort? Das wusste sie immer noch nicht. Auch die Schläge der Gehilfen hatten das schnelle Geständnis herbeigeführt und schon waren die Worte ausgesprochen. Dann sah sie mit einem tränenreichen Gesicht zu Verus auf. Sie konnte es nicht fassen. Er glaubte ihr. Er glaubte ihr endlich. Der trecenarius erhob sich und umkreiste die Iunia, während er weitersprach. Jetzt machte er ihr auch noch weiß, dass er sie gerettet hätte und Caerellia glaubte ihm das wirklich. Hätte man diese Christenversammlung nicht so brutal beendet, dann wäre sie noch eine von ihnen geworden und Verus Worte hätten nichts mehr ausrichten können. Sie wäre verdammt gewesen. Sie hätte alles verloren. Ihre Familie. Ihre Freunde. So wie Arsinoe. Sie wollte keine Außenseiterin sein. "Ja, jetzt erkenne ich es erst wie nahe ich am Abgrund stand.", wimmerte sie und ihre Worte klangen wie ein Dank an den Prätorianer. Würde er sie nun endlich gehen lassen? Sie hatte ihn doch nun zufriedengestellt. Doch sie täuschte sich. Für Verus war das noch nicht genug. Abermals wurde seine Stimme bedrohlich, als würde er in ihr wieder die Gefangene sehen und Caerellia erschauderte vor Angst. Seine Worte waren für sie wie ein Stich ins Herz. Er quälte sie und sie konnte nichts dagegen tun. Sie war viel zu weich. Catullus war nun ein Christ und er würde in den Steinbruch gebracht werden. Sie wollten ihn zu Tode schuften lassen. Doch sie war es doch, die man bestrafen sollte. Hatte sie bei der Frau noch guten Willen gezeigt. Catullus hatte sein nun verraten. Sie sah zu Catullus. Er war noch bewusstlos und dennoch sollte er heute an seinen Hinrichtungsplatz geführt werden, nachdem sie ihn gekennzeichnet hatte. Sie konnte darauf nichts antworten. Sie konnte es einfach nicht. Der trecenarius befahl sie loszumachen. Erst jetzt bemerkte sie, dass er sie nicht mehr mit ihren Namen angesprochen hatte und es nun wieder tat. Das war eindeutig positiv zu betrachten. Die beiden Gehilfen befreiten sie von der Vorrichtung, die sie festhielt. Caerellia bewegte vorsichtig ihren Kopf, der schrecklich schmerzte. Sie hatte es bald geschafft. Sie musste nur noch ein bisschen durchhalten. Und auch von diesen schrecklichen Halsring wurde sie endlich befreit. Sie biss sich auf ihre Lippe, als man ihn ihr abnahm. Caerellia wagte es nicht ihren Hals zu berühren, aber ihr war bewusst, dass er aufgeschunden war. Sie kam sich auf einmal so frei vor und langsam erhob sie sich. Aber sie war kaum in der Lage zu stehen. Daraufhin erfolgte der Befehl Catullus in den Innenhof zu bringen. Sie sah den beiden Soldaten nach, als sie ihren Custos aus den Raum brachten und spürte ein Ziehen in ihrem Herzen.


    Sie war so müde und doch würde sie sich nicht mehr auf diesen Stuhl setzen. Verus fing an sie zu loben und seine Worte brannten sich in ihre Seele ein. "Ja, das habe ich. Ich könnte Rom nie verraten. Niemals!", antworte sie ernst, aber mit müder Stimme. "Beinahe hätte ich einen großen Fehler begangen. Wie wütend ich doch auf mich bin.", gestand sie und Verus begann zu schreiben. "Wenn ich dort draußen das Werk beendet habe, bekomme ich dann etwas zu trinken?", fragte sie vorsichtig. Sie wagte es kaum einen Wunsch auszusprechen. Aber ihr Hals war so trocken, dass ihr bereits das Schlucken schmerzte. Sie war auf ihr Wohl bedacht, anstatt für das Leben des Sklaven zu kämpfen.

    Es waren wohl diese Art von Entscheidung, welche sie zu so einer Denkweise anregte. Solche Arten von Entscheidungen, sollten nicht gefällt werden dürfen. Sie waren grausam und egal wie man sich letzten Endes entschied, es war immer mit schrecklichen Folgen zu rechnen. Nun war sie sogar soweit einen unschuldigen Menschen zu opfern, weil sie selbst vor dem Tod Angst hatte und vor dem was ihr vor dem Tod erwarten würde. Unvorstellbare Schmerzen. Sie hatte wohl noch mehr Angst vor den Schmerzen als vor dem Tod, der dann folgen würde. Wenn sie an Arsinoes Brief dachte war der Tod eine Erlösung, nachdem man all diese Qualen durchstanden hatte. Aber wer sagte ihr, dass sie leben durfte, wenn sie Catullus an die Prätorianer verkaufen würde? Doch anders würde es nicht gehen, um zu überleben. Caerellia suchte nach einem Schuldigen. Wer trug die Schuld an ihrer jetzigen Lage? Waren es die Christen? Oder Rom und die Prätorianer? Oder war sie selbst sogar schuld daran? Die Lösung war offensichtlich geworden. Es lag auf der Hand, dass es diese Christen sein mussten. Niemand konnte einer Römerin verwehren auf einen Markt zu gehen. Das war lächerlich. Und diese Christen, man warf ihnen so unglaublich viel vor. Diese Religion würde sie alle verderben. Alles zerstören an was sie glaubten. Ihre Welt würde nicht mehr existieren. Wollte sie das wirklich? Nein, sie wollte in Frieden leben. Und diese Art von Veränderung würde keinen Frieden zulassen. Wenn es für Verus der blinde Hass war, warum er so grausam handelte, war es bei Caerellia doch viel mehr der Hass auf die Christen, denn sie kannte Verus dunkle Welt nicht. Aber die musste sie auch nicht kennen. Ihr Hass auf die Christen sollte nur angestachelt werden. Das reichte ihm schon und so langsam schien ihm das zu gelingen. Würde es diese Sekte nicht geben, wäre sie nie hierhergebracht worden. Nie hätte sie über Leben und Tod entscheiden müssen und nie hätte sie Catullus Todesurteil unterschreiben müssen.


    Caerellia war ein guter Mensch. Jedenfalls glaubte sie das. Sie war selten unhöflich. Kaum nachtragend und pflichtbewusst. Sie glaubte an das Schöne und das Gute, so wie Arsinoe geschrieben hatte, doch nun hatte man ihr die Augen geöffnet. Sie konnte nur überleben, wenn sie die Verbündete des Teufels werden würde. Und das war wohl das größte Hindernis für sie. Wie konnte sie dem trecenarius nur diesen Gefallen tun? War er gar nicht so grausam, wie sie glaube? War es nur eine Vorsichtsmaßnahme so wie er mit allen Gefangenen umging? Aber sie konnte sich Verus nicht menschlich vorstellen. Sie schaffte es einfach nicht. Es nagte immer noch der Zweifel an ihr. Er war das Böse. Sie konnte nicht in ihm hineinsehen, dass er selbst ein Opfer war. War sie so grausam? Sie würde ihm nicht vergeben können für das was er gesagt und getan hatte. War sie hier der schlechte Mensch?


    Caerellia war klar, dass ihm ihre Antwort nicht genügte. Sie hatte gezögert und nicht deutlich gesagt, ob Catullus nun Christ sei oder nicht. Weil sie es nicht wusste. Auch wenn es ganz klar war, dass es vollkommen unwichtig war, ob sie nun die Wahrheit über Catullus kannte oder nicht. Wie viele Unschuldige hatten hier wohl schon ihr Leben gelassen? Es ging nur darum, wie sie handelte. Es ging darum zu sehen, ob sie bereit war seiner Sache zu dienen und sich somit zu unterwerfen. War das der Weg und somit Preis für ihre Freiheit? Sie hoffte es inständig. Dieser Mann war zu jeder Grausamkeit fähig und wenn das der Weg war den sie gehen musste um zu überleben, dann musste sie genau diesen wählen. Aber war das auch der richtige Weg? Konnte sie mit so einer Entscheidung leben? Ihr gewohntes Leben gab es jetzt schon nicht mehr, aber sie würde noch viel mehr verlieren, wenn das sagte, was er hören wollte. Doch sie war so schwach und so voller Angst. Er verlangte von ihr eine klare Antwort. Nichts Anderes zählte für ihn. Und ehe sie sich versah, gab er dem Gehilfen ein Zeichen, dass dazu führte, dass sie einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf bekam. Durch den Schlag drückte sich ihr Metallring in ihren schmalen Hals. Caerellia schrie vor Schmerzen auf. Jetzt würde es mit den Schmerzen beginnen. Noch nie war sie so erniedrigt worden. Aber sie hatte damit rechnen müssen. Verus, den sie so sehr hasste und doch derjenige war, der ihr die Freiheit schenken konnte, redete weiter auf sie ein. Genau das wollte sie, dass was er da sagte. Er hatte recht. Doch schon folgte der nächste Schlag auf ihren Hinterkopf und sie schrie auf. "Ja...", brach es aus ihr heraus. "Das will ich. Ich will eine gute Römerin sein und ich will Mars dienen und ich habe gesehen wie Catullus..." Sie stocke und Tränen liefen ihr über das Gesicht. "Wie Catullus mit diesen Christenleuten redete. Er kennst sie.", gestand sie unter Tränen und nichts davon war wahr. Sie wollte nicht wieder in dieses Loch zurück. Sie konnte das einfach nicht mehr ertragen. War es Blut das ihr da vom Hals lief? "Er ist Christ. Und er hatte wohl vor mich auch zu einer Christin zu machen. Deswegen waren wir dort. Aber ich wollte nicht. Er hat mich gezwungen." Sie log und log und erschreckenderweise viel es ihr immer leichter zu lügen.

    Verus Worte trafen Caerellia hart. Denn in Vergleich zu Verus hatte sie nur wenig Schicksalsschläge ertragen müssen. Sicherlich war erst kürzlich ihr Bruder verstorben und mit diesem Umstand hatte sie schwer zu kämpfen gehabt. Doch sie musste lernen, dass der Tod zum Leben dazugehörte. Von der Hölle, die Verus erlebt haben musste, hatte sie keine Ahnung. Seine Seele war in Finsternis getaucht worden und mit dieser Finsternis vergiftete er alle in seiner Nähe. Und so vergiftete er auch Caerellia. War da wirklich nichts mehr Menschliches in ihm? Doch. Einmal hatte er etwas durchblitzen lassen. Nur für einen kurzen Moment. Sie erinnerte sich. Aber sie dachte, dass er nur schauspielte. Ihr etwas vormachte. War es wirklich da gewesen? Diese Traurigkeit. Sie wusste es nicht. Sie stand so unter Schock. Was malte sie sich da aus? Da schlimmste war, dass Verus sie immer mehr vergiftete. Sie sollte an das Gute glauben. Das wollte Arsinoe, doch dafür musste man übernatürlich sein, damit einem dieses Gefühl gelang.


    Caerellia versuchte Verus Worte zu folgen, während die Männer sie zu sich rissen, um ihr die schmerzenden Fesseln aus Stahl anzulegen. Die junge Iunia biss vor Schmerz die Zähne zusammen. "Aber es muss das Böse geben.", antwortete sie ihm schmerzerfühlt. Anders wäre nämlich nicht Verus Existenz zu erklären. Aber das sagte sie besser nicht. Obwohl es würde ihn wohl amüsieren. Und abermals redete er ihr die Schuld ein. So wie sie es geahnt hatte, dass sie einmal selbst an ihre Schuld glauben würde. Er wollte sie wandeln. Gefühle in ihr auslöschen. Sie sollte überzeugt sein, dass er das richtige tat für Rom. "Dein Rom ist unfähig Freund und Feind auseinanderzuhalten. Und es sieht nicht die Loyalität seiner Bürger. Du siehst sie ja nicht mal in mir.", gab sie schwach zurück. Sie konnte seine Worte nicht schweigend hinnehmen, auch wenn er sie besiegt hatte. Rom war ihr Zuhause nicht ihre Familiencasa. Stimmte das bei ihr? Würde sie Rom ihrer Familie vorziehen? Das machte ihr Angst. Doch da packte man sie schon und sie wurde an Verus vorbeigeführt. Natürlich sagte er nicht, was er nun vorhatte. Er wollte viel lieber ihre Angst schüren. Das schien ihn zu gefallen. Man brachte Caerellia in das Zimmer. Sie sah sich um. Zwei Stühle und ein Tisch befanden sich darin. Die Gehilfen zerrten sie zu einem Stuhl auf dem sie Platz nehmen musste. Dann ließen sie den Halsring in die Vorrichtung fallen. Sie konnte nicht aufstehen und da war dieser stechende Schmerz an ihren Schultern, der durch ihre Sitzposition entstand. Es dauerte nicht lange und Verus erschien. Er nahm ihr gegenüber Platz und die beiden Helfer legten ihre Hände auf Caerellias Schultern. Zitternd sah sie Verus in die Augen. Sie fürchtete sich so sehr. Sie konnte nicht aufstehen und war diesen Männer vollkommen ausgeliefert. Was würde nun geschehen? Warum sagte er nichts? Dann endlich befahl er einen Gefangenen hereinzuführen.


    Es war Catullus, den sie durch die offene Türe hereintrugen. Er sah entsetzlich aus. "Catullus.", sagte sie erschrocken. Was hatte man ihm angetan? Gerade ihm, der die Christen zu hassen schien. Dann wandte sich ihr Verus wieder zu und stellte eine Frage, die grausamer nicht sein konnte. War er ein Christ? Verus sah ihr eindringlich in die Augen. Er sehnte sich nach einer Antwort, der Antwort und Caerellia widerte sein Wunsch an. Der Leibwächter wurde neben der Iunia zu Boden geworfen und rührte sich nicht mehr. Caerellia musterte ihn. Was hatten sie ihm nur angetan? Dann sah sie wieder zu Verus. Er war so blind. Er war so kaltblütig. Er war dieser Hass. Caerellia kannte die Antwort auf seine Frage. Es gab nur eine Antwort. Doch konnte sie das? Wollte sie das? Catullus war kein Christ. Christen widerten ihn an. Das glaube Caerellia jedenfalls. So hatte sie es gedeutet. Aber stimmte das auch? Vielleicht hatte er sie mit Absicht in diese eine Straße am Forum Boarium geführt, weil er wusste, dass sich dort die Christen trafen? Aber warum sollte er das tun? Er würde nicht so dumm sein und unnötig seine Domina in Gefahr bringen. Wenn er das vorgehabt hätte, dann nur, wenn er geglaubt hätte, Caerellia wäre an dieser Sekte interessiert. Und sie hatte nie das Wort Christ in seiner Gegenwart erwähnt. Also war er unschuldig? Wenn sie Verus Frage bejahte würden sie ihn töten. Was war sein Leben wert? War es mehr oder weniger wert als Caerellias? Er war nur ein Sklave und sie mochte ihn nicht einmal sonderlich gerne. Nur sein Tod könnte sie befreien, aber war sie dann wirklich frei? "Ich...ich weiß es nicht.", gestand sie. Sie sagte ihm die Wahrheit, aber die wollte er gewiss nicht hören. "Es wäre möglich.", fügte sie dann hinzu. Erschrocken über sich selbst. Was hatte sie getan? Was hat er mir ihr angestellt? Die Christen hatte man zu hassen und wenn der kleinste Verdacht bestand, dass dieser Leibwächter ein Christ sei, dann musste er sterben. So und nicht anders durfte sie denken.

    Caerellia urteilte über Verus. Für sie war er nicht nur im Unrecht. Er war viel mehr. Die Dunkelheit. Das Böse. Der Hass. Und das, obwohl er eigentlich alles richtig machte. Bis jetzt war ihr nicht gelungen einen Beweis vorzulegen, dass sie keine Christin war. Langsam beschlich sie aber das Gefühl, dass Verus keinen Beweis für ihre Unschuld wollte. Sie war für ihn schuldig. Etwas Anderes zählte nicht. Und irgendwann würde Caerellia selbst glauben, dass sie schuldig war. Irgendwann würde er ihr einreden, dass sie eine Christin sei und sie würde ihm wohl glauben. Denn sie war nicht stark. Sie hatte nicht die Kraft sich zu wehren. Und das ihr Versuch sich zur Wehr zu setzen nach hinten losging, bekam sie gerade jetzt zu spüren.


    Verus sagte, dass auch ihm Mitgefühl begegnet war. Was wusste sie schon über ihn? Nichts. Doch klangen seine Worte wie eine Erinnerung, die er irgendwo herauskramen musste. Caerellia fragte sich, wo ihm wohl Mitgefühl begegnet war? Als er über Tote und Lebende stieg? "Dann scheinst du dieses Gefühl verloren zu haben.", erwiderte Caerellia. Jedes Wort von ihm, schürte in ihr Hass und Wut. Er wollte gehasst werden. Es war unmöglich ihn zu besiegen. Wie sollte sie ihn jemals davon überzeugen unschuldig zu sein?
    Natürlich war er grausam. Was sollte sie denn sonst in ihm sehen? Sie müssten Plätze tauschen. Wie er wohl regieren würde, wenn man ihm sonst was vorwarf? Dann würde er wahrscheinlich bereuen, in seinem Leben nicht mehr Mitgefühl empfunden zu haben. Sie ließ seine Worte über sich ergeben. Doch geschah das nicht spurlos. Er schürte einen Hass in ihr und diese Gefühlsregung würde ihr nur Ärger bereiten.


    Sie war gefangen. Denn jedes Wort von ihr würde er so auslegen, dass es seinem Zwecke diente. Caerellia befand sich bereits in einem System, das Verus führte und dem zu entkommen war unmöglich. Hier in seinem Reich hatte sei keine Wünsche zu stellen. Die Iunia durfte nur das wählen was er ihr anbot und dabei würde sie versuchen die Wahl zu treffen, die es ermöglichte, dass sie beide überleben würden. Ging das überhaupt? Das hatte sie nun versucht und er lachte innerlich über sie, weil sie sich auflehnte. Sein Blick war vernichtend und löste auch in Caerellia die gewünschte Reaktion aus, dass sie sich nun wieder schwach und hilflos fühlte.


    Für Caerellia war es immer ein Schlag ins Gesicht, wenn Verus sie über ihre Schuldigkeit in Kenntnis setzte. Es klang stets, als wäre hier bereits ein Urteil gesprochen, auch wenn keine Anschuldigung der Wahrheit entsprach. Als würde er alleine befähigt sein über ihr Leben und ihren Tod zu entscheiden. Und er hatte sich schon für ihren Tod entschieden. Sie schluckte schwer, als er mit einem Schlag all ihre Hoffnungen zunichtemachte. Ihr Name war hier nicht weiter von Bedeutung. Wann hörte dieser Albtraum endlich auf? Sie ertrug das alles nicht mehr. Dieser Mann vor ihr lebte für seine Berufung. Er war eins mit ihr und so war auch keine Regung auf seinem Gesicht zu erkennen, als er ihre Vergehen aufzählte. Verteidigend wollte sie ihm bei der Auflistung ihrer Beschuldigungen ins Wort fallen, aber sie tat es nicht. Ihr Körper begann zu zittern und sie schüttelte ihren Kopf, aber sie hatte wie immer ganz genau zugehört, was er ihr sagte. Sie war keine Christin und auch keine aufständische Christin. Die Zeugen würde er kaufen und für sie gab es kein Entrinnen. Ihr Name hatte hier keinen Wert. Nur den Wert den er bestimmte. Er nannte unsittliches Verhalten gegenüber den Prätorianern und Widerstand gegen den Kaiser. Gewaltanwendung und Verletzung des öffentlichen Friedens. All das sollte sie verbrochen haben? Sie?
    Caerellia besaß hier keinen Namen. Hier war sie nur eine der vielen Gefangenen. Aber eins was er sagte, schien sehr wichtig zu sein. Es war entscheidend was die Prätorianer von ihr hielten. Nur so würde sie überleben. Das glaubte sie jedenfalls. Aber auch wenn sie überlebte, was würde man ihr davor alles noch nehmen? "Ich habe nichts von all dem getan.", wimmert sie nun. "Aber ich werde gehorsam sein und das tun was du verlangst, nur damit ich Nachhause gehen kann.", gab sie schmerzerfüllt preis. Sie glaubte an der Last seiner Beschuldigungen zu ersticken. Sie war tot. Mit so einem Strafmaß war man Tod. Vielleicht sollte sie ihm gleich bitten, sie zu erlösen. Wie schwach sie doch nun wieder geworden war. Doch das war wohl Verus Ziel. Er wollte sie brechen.


    Natürlich hatte sie einen Fehler gemacht, als sie sich für die Frau entschieden hatte. Die Frau an der Wand war eine Christin. Sie hatte es geahnt, aber dennoch wollte sie kein Blut an ihren Händen haben. "Ja, ich helfe einer Verräterin und Feindin Roms. Ich ahnte es, dass sie Christin ist und habe ihr trotzdem geholfen. Du hast doch gewollt, dass sich so handle.", antworte sie ihm fast schon ergeben. Im Moment war sie besiegt worden. Und er sah, dass ihr Mut nicht mehr existierte.


    Der Dämon sprach von Caerellias schwindenden Mut. Auch wenn sie jetzt aufgab es war nicht vorbei. Sie war nicht frei und das sollte sich auch nicht so schnell ändern. Dann trat eine quälende Stille ein. Sie wusste nicht was jetzt geschehen würde und suchte in den Augen der Männer nach Antworten. Und dort sah sie nur eins, die Finsternis. Sie war ihnen ausgeliefert. Niemand konnte sie retten. Daraufhin gab Verus den Befehl, Caerellia in ein Zimmer zu bringen. Reflexartig ging sie einen Schritt zurück. Sie hatte Angst. Angst, dass sie ihr Schmerzen zufügten, weil sie sonst was von ihr erfahren wollten. Einer der Soldaten befahl ihr schreiend zur Wand zurückzugehen. Caerellia sah die Knüppel und eilte daraufhin zur Wand. Wenigstens die Frau wurde von den Ketten befreit. Auch wenn sie eine Christin war und die Iunia sich dafür hasste einer Christin geholfen zu haben. Caerellia sah Verus abseitsstehen. "Was hast du mit ihr mir vor?", fragte sie vollkommen verängstigt. Sie hatte so große Angst vor ihm, dass sie sich selbst dafür hasste. Neben ihrem Lager lag Arsinoes Brief. Sie würde ihn zurücklassen müssen. Wie gerne hätte sie ihn nochmals gelesen, um den Mut wiederzufinden, der nun verloren war. Oder vielleicht nicht ganz verloren, sondern nur versteckt? Sie war nicht stark. Sie war schwach. Sie wollte doch nur leben. Doch solch ein Urteil würde sie nicht überleben.

    Caerellia hörte das Lied des Todes. Auch wenn sie glaubte, dass der Ton am Abend nachgelassen hätte, sie hatte sich getäuscht. Er war immer da. Befand man sich hier im Kerker, siegte stets der Tod über das Leben. Der Tod schien hier zu herrschen und wenn Iunia einmal der Unterwelt nahe sein wollte, dann war der Kerker, der geeignete Ort dafür. Ihre Mitgefangene war diesen unheilvollen Ort noch näher als sie. Der Kerker aber war auch kein Ort für Zärtlichkeiten, dass hier war ein Ort der rohen Gewalt. So erschrak auch Caerellia als die Frau bei ihrer Berührung zurückwich. Sie hatte Angst vor ihr. Sie konnte nicht mehr erkennen wer gut oder wer böse war. Die Frau wagte es nicht mal ihr ins Gesicht zu sehen, dabei war sie doch kein Monster wie die anderen Männer hier. Caerellia spürte wie die Traurigkeit wieder über sie kam. Doch nicht mal diese Emotion ließ er nun zu.


    Ein Schrei, so furchterregend und nah, riss sie aus ihrem Leid. Caerellia wandte sich um und sah in das Gesicht des Todes. Ein Gesicht, dass bereits einen Weg in ihre Träume gefunden hatte. Stets verbunden mit Gewalt. Er könnte ihr alles nehmen was sie liebte, das wusste sie. Wie lange war er bereits dort gewesen mit seinen Knechten? Lange genug, um sie mit der geschundenen Frau zu beobachten.


    "Ich denke nicht, dass dir in deinem Leben schon einmal Mitgefühl begegnet ist.", gab sie ihm monoton zurück. Dann drehte sich Caerellia zurück zu der Gefangenen. "Sieh dir diese Frau an und dann denkst du wirklich, dass du Mitgefühl besitzt? Du weißt nicht wirklich was mit Mitgefühl und Mitleid gemeint ist." In ihrer Stimme lag Traurigkeit, aber auch ein Anflug von Wut. Dennoch sollte sie sich in Acht nehmen. Sie war keine Christin und sie wusste auch nicht was diese Frau verbrochen hatte. Sie durfte nicht vergessen wer sie war. Er durfte sie nicht manipulieren. Ja, er war es. Er war schuld, dass sie Mitleid für diese Frau empfand, die sie doch gar nicht kannte.


    "Ich bin keine Christin. Ich begann in Mogontiacum eine Ausbildung zur Aeditua des Mars. Ich will Mars dienen und nicht diesem Christengott.", erklärte sie ihm verzweifelt. Doch dann offenbarte er noch mehr von seiner Abscheulichkeit. Caerellia hörte ihm mit größter Konzentration zu. Soweit ihr das möglich war bei ihrem Durst. Sie steckte in einem Dilemma. Was war er nur für ein Bastard? Wie konnte er nur so grausam sein? Das war unmenschlich und gerade eben sprach er noch von Mitleid und Mitgefühl. Sie musste überlegen, aber wie lange gab er ihr Zeit dafür. Jetzt durfte sie nicht die Nerven verlieren. Ihr, dieser Frau, sollte das Wasser und das Essen zustehen. Die Frau war schwach und kaum noch bei Sinnen. Doch vielleicht war das ein Test. Immerhin kannte sie diese Frau nicht und sie würde doch eine Christin nicht das Leben retten. Die Iunia grübelte und grübelte. Nein, sie musste kämpfen. Kämpfen für sie beide.
    Caerellia atmete tief durch. Sie durfte keine Angst vor ihm haben. Sie war unschuldig. Sie war nicht so wie er. Langsam ging sie auf das Gatter zu und blieb kurz davor stehen.


    "Du sagst, dass mir als Römerin Wasser und Nahrung zusteht. Wer sagt, dass diese Frau keine Römerin ist? Also steht ihr das auch zu. Und wenn sie keine Römerin ist, dann gib ihr zu essen und zu trinken, denn ich werde keine vier Tage hier sein, denn man sucht schon nach mir und ich bin unschuldig. Und schon gar nicht will ich Schuld sein am Tod dieser Frau. Denn im Gegensatz zu dir, könnte ich mit solch einer Tat nicht leben. Das liegt wohl am Mitgefühl." Ihre Wangen färbten sich rot, nachdem sie geendet hatte. Vielleicht waren diese Worte ein Fehler gewesen, aber im Gegensatz zu ihm strahlte sie ein Feuer aus und er diese Eiseskälte.

    Sie fühlte sich nicht besser als sie Verus verflucht hatte. Keine Genugtuung spürte sie dabei. Caerellia wusste nicht wie spät es bereits war, doch es wurde ruhiger an diesen elenden Ort. Trotzdem waren die Geräusche nicht ganz fort. Der traurige Gesang und das Flehen war immer noch zu vernehmen. Vielleicht war das gar nicht die Realität, sondern die Geräusche hatten sich in ihren Kopf festgesetzt. Die Iunia war noch ein paar Schritte durch die Zelle gegangen. Sie quälte der Durst. Doch sie hatte nichts zu trinken erhalten. Endlich nahm sie auf ihrem Lager Platz und strich über ihre Tunika. Sie war schmutzig und rissig. Ihre Palla musste sie noch auf beim Forum Boarium verloren haben. Die Bilder dieses Szenario mochten ihr einfach nicht mehr aus den Kopf gehen. Die Mutter, welche nach ihrem Kind griff und der deswegen die Kehle aufgeschlitzt wurde. All das Blut, die Schreie, die Gewalt, dieser Hass. Und dieser trecenarius, der es schaffte einen Schatten über ihr reines Herz zu legen. Sie ging auf ihre Matte und ihr Körper war eiskalt. Es war stockdunkel geworden. Wahrscheinlich war es Nacht, denn die Wände ihrer Zelle verschmolzen mit der Finsternis. Jemand hatte die Öllampe ausgemacht. Sie deckte sich mit er Decke zu und diese große Müdigkeit überkam sie wieder. Man würde sie und Catullus gewiss schon suchen. Was wohl mit Catullus geschehen war?


    Sie träumte. Sie war Zuhause in Germanien. Der Herbst war bereits da und bunte wie auch goldene Blätter fielen von den riesigen Bäumen. Sie segelten mit einer Seelenruhe auf den Boden nieder. Kinderlachen war zu vernehmen. Es war ihr kleiner Bruder Titus. Er wollte gefangen werden und lief lachend voraus. Caerellia lief nicht wirklich schnell, sonst hätte sie den kleinen Kerl gleich eingeholt. Sie glaubte, dass man ihren Namen rief. Weit in der Ferne. Es war das Rufen ihren Mutter. Titus lief immer weiter bis er das Ufer eines Flusses erreichte. Er blieb abrupt stehen und sah in das Wasser. Caerellia erreichte ihren Bruder und zog ihn an sich. Sie fragte ihn, was er wohl da im Wasser entdeckt hatte, weil er seinen Blick nicht davon lösen konnte. Irgendwas war darin zu sehen. Sie nahm ihren kleinen Bruder zur Seite und betrachtete das Wasser genauer, bis da finstere Augen aufblitzen und eine Hand nach der ihren Griff um sie hinzuziehen. Sie schrie auf und fiel ins Wasser. Caerellia wehrte sich, doch die Hände hatte sich um ihren Oberkörper geschlungen. Dann vernahm sie Stimmen. Sie sah wie sich am Ufer Männer Titus näherten. Sie traute ihre Augen nicht. Schwarze Tuniken. Der trecenarius. Sie packten Titus und zogen ihn davon. Sie nahmen ihren kleinen Bruder mit. Er war unschuldig. Ein kleines Kind konnte doch nichts verbrochen haben. Sie konnte ihn nicht retten, etwas hielt sie fest. Caerellia wehrte sich immer mehr, doch die Dunkelheit zog sie nach unten. Die Iunia streckte ihre Hände aus, damit sie jemand retten könne. Doch da war niemand und die Finsternis zog sie immer weiter in die kalte Tiefe.


    Dann erwachte sie und ihr Herz raste. Ganz benommen sah sie sich um. Sie musste sich erst wieder orientieren, wo sie hier war. Und dann kam die Erinnerung wieder zurück. Sie war in der Castra Praetoria, als Gefangene. Hätte sie nicht geträumt, hätte sie es nicht für möglich gehalten, dass sie hier wirklich geschlafen hatte. Doch sie hatte nicht viel Zeit sich von dem Albtraum zu erholen. Auf dem Korridor war das spärliche Licht der Öllampe wieder zu erkennen. Es musste Tag sein. Oder bestimmten die Prätorianer, wann für sie Tag und wann für sie Nacht war? Einer von ihnen war nun an ihrer Zelle angelangt und sah in Caerellias Zelle. Sie hatte sich auf ihrer Matte bereits aufgesetzt und versuchte sich immer noch zu beruhigen. Der Soldat verweilte nicht lang bei ihr. Er war wohl nur gekommen um zu sehen, ob sie noch lebte. Wenn der Durst sie nur nicht so plagen würde. "Bitte! Ich habe schrecklichen Durst. Bitte gebt mir was zu trinken.", flehte Caerellia, aber der Legionär ging einfach weiter. Mit einer Hand fuhr sie sich langsam durch ihr Haar. Es war struppig und sie fühlte sich schmutzig. Sie konnte sich auch nicht waschen. Langsam drehte sie sich zur Seite und da lag noch immer Arsionoes Brief. "Hilf mir.", sagte sie leise zu dem Brief gewandt, als würde dort Arsinoes Gott wohnen.


    Doch dann hörte sie erneut Schritte auf dem Gang. Abermals näherte sich jemand ihrer Zelle. Sie fürchtete bereits, dass es Verus war. Doch es waren drei Soldaten, welche eine Frau mit sich führten. Caerellia erhob sich sofort, als man das Gatter öffnete und die drei Männer mit ihrer Gefangenen, welche einen Sack über den Kopf hatte und Fesselketten tragen musste, ihre Zelle betraten. Einer der Soldaten sagte, dass diese Frau nun in ihrer Zelle untergebracht werden sollte. Mit großen und ängstlichen Augen beobachtete Caerellia das Vorgehen der Männer. Sie warfen die mitgenommene Frau achtlos neben Caerellia auf den Boden. Dann packte man die Frau wieder und kettete sie an die Wand. Die Frau schrie auf, als ihrem Körper die Belastung dieser Haltung bewusst wurde. Zum Schluss rissen ihr die Legionäre noch den Sack vom Kopf und gingen wieder aus der Zelle. Lautstark wurde das Gatter geschlossen und sie verriegelten es bevor sie verschwanden. Caerellia sah ihnen nach bis sie die Männer nicht mehr sehen konnte. Sie hatte noch einmal Glück gehabt, aber diese Frau nicht. Dann sah sie zu ihr. Sie sah sehr mitgenommen aus. Ihre Haare...Man hatte ihr die Haare genommen. Ihre Tunika war zerrissen und man hatte sie geschlagen. Caerellia wurde ganz schwindelig.


    War sie eine Christin? War sie wie Arsinoe? Würde das mit ihr auch geschehen? Die Angst in Caerellia wuchs und wuchs und ihre Hoffnung wurde dabei erdrückt. Langsam ging Caerellia auf sie zu. "Was sind das nur für Menschen?", sagte sie leise und blieb neben der Frau stehen. Wie sollte sie ihr helfen? Sie hatte kein Wasser, dass sie ihr zu trinken geben konnte. Was sollte sie ihr geben? "Kannst du mich hören?", fragte sie ganz sanft. Caerellia streckte ihre Hand aus und ganz langsam berührte sie ihre Wange. Sie war ganz vorsichtig, denn Zärtlichkeit hatte sie schon lange nicht mehr erfahren. Dann sah Caerellia zu dem Schloss. Sie musste sie von diesen Fesseln befreien. Aber das würde ihr nicht gelingen.

    Caerellia schluchzte. Auch wenn sie ihn verfluchte, retten konnte sie das nicht. Retten konnte sie nur er und das stellte keine Option dar. Natürlich hatte Caerellias Drohung ihn zu verfluchen überhaupt keine Wirkung. Natürlich hatte er solche Worte schon viele Male gehört und konnte darüber nur noch lachen. Entweder weil er nicht daran glaubte oder da er schon zigmal verflucht worden war, da kam es auf das eine oder andere Mal mehr nicht an. Ihr Mut prallte an ihm ab. Das sich Menschen wehren, welche sich in Gefangenschaft befanden, war für den trecenarius etwas Alltägliches. So kam sie nicht an ihn heran. Daher machte er den nächsten Schachzug.


    Sie wusste nicht ,was er mit seiner nächsten Frage bezwecken wollte. Sie musste auf der Hut sein. Die Antwort auf seine Frage konnte vielleicht zu der nächsten Entscheidung führen. Er spielte mit ihr. Gewiss konnten sich Menschen ändern. "Jeder Mensch kann sich ändern, wenn er den Willen dazu hat.", antwortete sie nach einem Räuspern. Hätte sie das nicht sagen sollen? War das ihr Todesurteil? Sie konnte es nicht sagen und sie war noch mehr überrascht, als er wieder von den Christen sprach. Was hatte er vor? "Wer ist dazu schon in der Lage so sehr zu lieben, dass man den Hass vergessen kann? Ich kann es nicht.", redete sie sich schnell heraus. Seine zitternde Hand war ihr nicht entgangen, aber sie glaubte nicht, dass er zum Fühlen noch in der Lage war. Verus war ein sehr guter Schauspieler. Sie hatte keine Ahnung von seiner Zerrissenheit. Caerellia würde ihm das nicht abkaufen. Er war ein Monster, der sich vom Hass armer Seelen ernährte.


    "Ein Fluch vergeht nicht. Erst wenn ich ihn von dir nehme. So wie auch Hass erst vergeht, wenn die Liebe stärker ist. Aber was weißt du schon davon." Redete sie jetzt da wie ein Christ? Caerellias Stimme wurde fester, auch wenn sie noch immer in der Ecke saß mit mehr als genügend Abstand zu ihm. "Glaubst du das ich Mitleid für dich empfinde? Nein, ganz gewiss nicht.", warf sie ihm vor. Was sollte denn da mehr als eben Hass in ihr sein? Vergebung? Weil er so ein Monster war? Dann wurde sein Tonfall wieder spöttisch, so wie am Anfang und auch sein Gesichtsausdruck wurde es. Caerellia runzelte die Stirn, als er meinte er würde ihr etwas verraten wollten. Sie wusste jetzt schon, dass das nichts Gutes heißen würde. Sie sah ihn mit großen Augen an und ließ seinen Vortrag über sich ergehen. Er versuchte sie zu manipulieren, als er meinte, dass er die Sichtweise auf ihre kleine Welt verändern wollte. Als er begann wusste sie, dass sie es bereuen würde.


    Was hatte er nur für eine schwarze Seele? Bilder zeichneten vor ihren Augen ab. Schreckliche Bilder. Seine Worte fraßen sich in ihren Kopf. Ein widerlicher Gestank drang wieder in ihre Nase. Sie nahm ihn nun viel stärker war oder bildete sie sich das nur ein? Seine Worte. Sein Gedicht. War das ein Blick in seine dunkle Seele? So viel Grausamkeit war darin zu erkennen. So viel unnötiges und falsches. Kein einziger Lichtblick. War die Welt wirklich so ungerecht? Dass selbst die Unschuldigen darin ihr Ende fanden? Caerellia konnte das nicht glauben. Sie wusste, dass er schon mehr in seinen Leben gesehen hatte als sie. Aber wie konnte man so kaltherzig werden? Vor allem der Abschluss seiner Rede widerte sie an. Nein, aus ihnen machten man keine Schweine. Sie war nicht in diesem System gefangen. Es gab dieses System nicht. Wie wahnsinnig war er nur zu glauben, dass man sich am Ende selbst vernichtete? Als er geendet hatte verschwand er im Dunkeln, genauso mysteriös so wie er gekommen war. Ihre Zelle kam ihr kleiner vor und die Temperatur fiel, während der Gestank anstieg. Caerellia saß weiterhin in der Ecke und begann erneut zu wimmern. Sie waren keine Schweine. Er war hier das Schwein. Sie würde sich nicht von ihm verunsichern und manipulieren lassen. Sie hob ihren Kopf und ihr Blick viel wieder auf Arsinoes Brief. Caerellia glaubte an das Gute und das Schöne und verfluchte dabei Verus, auch wenn sie seinen Namen nicht kannte.

    Caerellia war so blind, dass sie seinen Schmerz nicht spüren konnte. Nein, sie würde es nie für möglich halten, dass er litt. Dazu war er doch gar nicht in der Lage. Niemand war Gefangener seiner Funktionen. Er war nur Gefangener seiner selbst. Er liebte das was er tat, denn sonst könnte man diese Tätigkeit nicht durchstehen. Niemals! Es war wohl ein kindliches Denken von Caerellia. Aber es war ehrlich und er war für sie auf keinen Fall einer der Guten. Er war ein Geist aus der Unterwelt, der sein Handwerk mehr als alles andere begehrte. Verus konnte kein Mitleid empfinden, denn das passte nicht in sein Spiel und an die Regeln musste sich unbedingt gehalten werden.


    Caerellia sah keine Traurigkeit in seinen Augen. Sie sah nur den Hass. Wie er seinen Kopf schief legte und nach der Wichtigkeit des Namens fragte. Für Caerellia war es vollkommen klar. Er machte sich lustig über sie. Er lachte sie aus. Und obwohl sie so große Angst vor ihm hatte, war da ein Funken in ihr, der eine Wut auf ihn auslöste. Sie hasste ihn. Da war kein Mitleid, denn wie sollte sie seine Gedankengänge verstehen. Für Caerellia gab es das Gute oder das Böse, keine Mischung aus beiden. Doch es schien ihn zu beschäftigen, warum sie seinen Namen wissen wollte. Er tritt noch näher an das Gatter und offenbarte sein hasserfülltes Gesicht. Caerellia zog ihre Beine näher an sich heran und schluckte unsicher, bevor sie den Mund aufmachte. "Ja, damit ich dich verfluchen kann." Ihre Stimme war leise, aber die Worte waren klar und sie konnte nicht glauben, dass das sie eben gesagt hatte. Bildete sie sich ein, dass das Gatter sie vor ihm schützte? Wie lächerlich.


    Die Worte waren ausgesprochen und ihre Gedanken waren bei ihrer Mutter. Sie hätte sie für solche unverschämten Worte bescholten und diese Vorstellung machte ihr seltsamerweise Mut. Sie war immer folgsam gewesen und hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen und nun wurde sie beschuldigt eine Christin zu sein. Weil er in ihre eine Christin zu sehen glaube, wo keine war. Wie sollte sie ihn jemals vom Gegenteil überzeugen können.