Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    "Der Jüngling? So hat den Terpander auch lange niemand genannt." Dann fiel Scato auf, dass Viridomarus wohl eher Tiberios meinte und Scato lachte freundlich. "Ach sooo ... danke ... finde ich auch. Gehört nur leider nicht mir, ist nur ausgeborgt. Er soll unseren Neuzugang ein wenig unterrichten."


    Tiberios kümmerte sich all die Zeit über rührend um Satibarzanes. Aber wo blieben nur Lurco und Terpander?


    "Pst, Tib", flüsterte Scato, "wie du selbst schon festgestellt hast, macht Terpander manchmal Scherze. Man darf nicht jedes Wort bei ihm auf die Goldwaage legen."


    Damit beantwortete er die Frage von zuvor. Denn Scato war seinerseits keineswegs nur über Schmerz und Angst von seinem Lehrer ausgebildet worden. Das Gegenteil war der Fall. Vermutlich wollte der alte Grieche eher deutlich machen, wer hier der Maiordomus war, obwohl er diesen Titel offiziell gar nicht führte. Wie auch, wenn es im Haus eigentlich nur ihn als Sklaven gab und er der Platzhirsch war.


    Scato wandte sich wieder Viridomarus zu. "Marmor? Tun es nicht auch Edelsteine? Nein, im Ernst, ich fürchte, diese Art der Zahnpflege ist mir zu teuer. Dann muss es eben weiter Urin tun. Tiberios, schenke unserem Gast bitte ein Glas Posca ein und für seinen Begleiter ebenso. Du wolltest also wirklich nur nach dem Haus schauen, Viridomarus?"


    Er musterte seinen Gast intensiv. So, wie Lurco den Mann beschrieben hatte, war dies nur eine Seite der Medaille. Trotz seiner weichen Statur war er ein harter Geschäftsmann. Er legte ihm eine stramme Wurst auf den Teller und schob ihm den hin.

    "Oh, wie schön", freute Scato sich über den Löwen und über den Fleiß des Tiberios gleichermaßen. Er wusste gar nicht, in welche Richtung er sich zuerst freuen sollte. "Lurco, Terpander! Kommt runter, wir haben Besuch! Ein paar Datteln oder Würste gefällig?" Scato schob Viridomarus die Teller herüber. "Posca haben wir auch. Was verschafft uns die Ehre? Dein Sklave hat ausgesprochen weiße Zähne, verrätst du mir das Geheimnis, wie man die bekommt? Außer, mit Urin von kleinen Jungen oder Fröschen in Essig zu spülen. Beides sorgt nicht gerade für einen angenehmen Nachgeschmack."

    "Das ist der Mann, der uns das Haus schenkte", rief Scato erfreut und stand auf. Da Terpander fort war und Satibarzanes nur glotzte fuchtelte er in der Gegend herum, um Tiberios aufzuzeigen, wo es überall etwas zu tun gab und ihn zur Arbeit zu motivieren. "Wenn du noch etwas Zeit hast, wäre es lieb, wenn du mir zur Hand gehen könntest, um unseren Gast zu bewirten. Du kannst auch Satibarzanes anweisen, dann beginnt er gleich zu lernen. Es ist kein Muss, du bist hier genau so Gast,aber ich weiß ja, dass du dich gern nützlich machst."


    Er zwinkerte ihm zu und Schritt dem Dicken entgegen. Scato mochte Viridomarus, so wie er jeden mochte, bis man ihm einen Anlass gab, seine freundliche Grundhaltung zu widerrufen.

    Scato lächelte glückselig vor sich hin. "Ich glaube, der gute Terpander hat vergessen, die Tür für den Gast offenstehen zu lassen. Geh doch bitte einmal nachsehen, Tiberios."


    Er nahm sich eine Datel zum Nachtisch und verzehrte sie mit Genuss. Den Kern spuckte er treffsicher auf den Teller.

    "Lurco", rief Scato vom Dach, da er das Gefühl hatte, sein Kamerad hätte ihn überhört. "Haben wir Feierabend? Frag mal die Arbeiter, ob die dann einen mit heben kommen!" Er fuchtelte mit dem Zeigefinger in Richtung von Scirus und Titus, die er auf Anhieb gut leiden mochte, weil sie ordentlich mit angepackt hatten. Er fand, sie sahen aus, als könne man mit ihnem gehörig Spaß haben, wenn sie erst einen Schluck über den Durst getrunken hätten. "Die erste Runde geht auf mich", fügte er hinzu.

    Die erste Welle genügte schon, den leicht gebauten Scato von den Füßen zu holen. Er versuchte sich auf allen vieren zu halten, doch er hatte keine Chance. Mit viel Geschrei kullerte er über das mit Schildbuckeln versehene Dach der Schildkröte, fiel von der Kante und landete mit einem "Ufff..." auf dem Boden, der hier viel härter war, als der weiche Sand des Exerzierplatzes. Er griff sich ans Kreuz und richtete sich etws steif auf. Morgen würde er grün und blau sein.


    Da der Angriff noch nicht beendet war schloss er sich seiner marodierenden Gruppe wieder an. Eine zweite Angriffswelle folgte, die sich diesmal an einer einzigen Stelle der Schildkrötenflanke konzentrierte und zwar an der rechten Seite - die Milites dort hatten den Schwertarm von ihrem Schild blockiert.

    Scato nahm wortlos am Tisch platz. Da Terpander gerade versteinert schien vor lauter Schreck, griff er sich eine der gebratenen Lukanerwürste und verzehrte sie mit der Hand. Das würde dem alten Griechen den Abwasch sparen. Dass jeder Satibarzanes für einen Sklaven hielt, fand er lustig. Der Mann gab sich auch keine Mühe, wie irgendetwas anderes zu wirken. Scato spülte die Bratwurst mit einem Schluck Posca herunter und ließ die anderen reden. Dass er mal den Mund hielt, war eine Seltenheit. Tiefenentspannt lehnte er sich im Klappstuhl zurück und lutschte seine Finger einzeln ab. Sonst liebte er seinen Dienst bei den Cohortes Urbanae, aber gerade hatte er überhaupt keine Lust darauf, seine Mittagspause zu beenden.

    Während Scato körperlich und seelisch zur Ruhe kam, genoss er die Zärtlichkeit, die Tiberios ihm schenkte. Hin und wieder erwiderte er sie, im Großen und Ganzen ließ er sich jedoch nun eine Runde verwöhnen, nachdem er geackert hatte. Irgendwann merkte Tiberios, dass Scato nicht mehr reagierte, weil er eingenickt war. Da der Arm des Miles auf ihm lag, konnte er nicht aufstehen, ohne ihn zu wecken, was sicher in der Absicht von Scato lag. Der wachte nach einer Weile von selbst wieder auf, weil ihm im Schlaf einfiel, dass Tiberios wirklich seinen Namen gestöhnt hatte. Er grinste, ehe er die Augen aufschlug. Na also. Er schien im Bett dazu zu lernen. Mit 20 war es nun wirklich an der Zeit dafür, er hatte es aus lauter Grusel lange genug vor sich hergeschoben. Alles, was ihm gefehlt hatte, war das gewesen, was Terpander ihm immer gepredigt hatte - ein Lehrer. Den hatte er in Lurco gefunden und Tiberios profitierte nun auch davon und half ihm seinerseits, sich auf andere einzustimmen.


    "Jetzt bin ich faul", gestand er. "Dabei ist das nur eine Mittagspause!"


    Für Tiberios war das sicher ein Glück, denn Scato machte nicht den Eindruck, als würde er ihn andernfalls zeitnah wieder ziehen lassen.

    Was ich mich gerade frage, ist das Mitglied einer ritterlichen Gens automatisch auch ein Ritter, wurde der Ritterstand vererbt? Hier im IR scheint das ja nicht so zu sein. Aber wie war das historisch?

    Salvete,


    ab morgen sind hier die Schulen und Kitas zum Teil wieder offen. Man darf also nun auch mit Anhang wieder kopfüber ins Arbeitsleben springen. Daher wird es hier im IR bei mir ein wenig langsamer voran gehen, was den einen oder anderen vielleicht auch freut. Den anderen gehe ich nicht verloren, nur das Pensum wird sich wohl so auf einen Beitrag am Tag einpegeln (müssen), wobei sich das auf alle IDs zusammen bezieht. Die Cohortes Urbanae genießen dabei die höchste Priorität. Wenn bei den CU die Kacke am Dampfen ist, bleibt das andere liegen. Ich bin nach wie vor täglich online und lese und beantworte PNs.


    Insofern sage ich mal: Wir lesen uns. :D


    Scato

    Einer der häufigsten Fehler war, dem Patienten zu viel Arbeit abzunehmen, damit es schneller ging oder auch aus falsch verstandener Fürsorge. Aktivierung hieß das Zauberwort, der Leitspruch lautete: Hilf ihm, es selbst zu tun. Tarpa musste aktiv werden, auch wenn er sich elend fühlte. Nur so wurde verhindert, dass es mit ihm allzu weit abwärts ging. Die meisten unterschätzten, wie rapide ein körperlicher und geistiger Verfall vonstatten ging, wenn sie nicht gefordert wurden. So half Scato seinem Kameraden zwar nach dem Auskleiden in den Zuber und reichte ihm den Lappen, aber den Rest musste Tarpa allein erledigen. Nur bei der böse aussehenden Wunde half er ihm, die Kruste aufzuweichen und sie zu lösen, so dass das Übel darunter austreten konnte. Mit Tüchern saugte er alles auf, bis nur noch reines Blut heraussickerte. Als das so weit geschafft war, bat er Lurco, ihm dabei zu helfen, Tarpa wieder aus dem Zuber steigen zu lassen. Nach dem Abtrocknen reichte er ihm eine frische Tunika, die Tarpa umgeschlagen tragen sollte, so dass der Oberkörper frei blieb. Sauber und nun deutlich menschlicher aussehend kuschelte Tarpa sich ins Bett ein, bis über den Bauch zugedeckt. Trotzdem sah er noch komisch aus mit dem Bart.


    "Sobald es dir besser geht, rasierst du dich", entschied Scato. "So kannst du nicht rumlaufen, sieht unmöglich aus. Gepflegt wirst du dich besser fühlen." Außerdem wollte er den originalen Tarpa wiederhaben, auch wenn er um zwei Zähne ärmer war.


    "Hm-hm", machte Tarpa, ohne die Augen zu öffnen.


    "Du bist jetzt gereinigt und deine Wunde auch. Die Medis werden sie vielleicht noch mal mit Essig spülen wollen oder mit Urin, damit sie wirklich sauber ist. Ob sie die noch nähen oder was damit geschieht, weiß ich allerdings nicht."


    "Hm-hm."


    "Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, sie legen frisches grünes Laub darauf mit einem Verband, so dass der nicht festklebt. Richtig gewählt helfen die Blätter. Bis ein Medi oder Capsi oder wer auch immer kommt, drückst du dieses Tuch drauf, damit sich nicht wieder irgendwelche Säfte in der Wunde ansammeln. Das Tuch saugt sie auf. Sonst sieht der Medi die Wunde nicht."


    Da Tarpa nun endgültig eingeschlafen zu sein schien, platzierte Scato das zusammengelegte Tuch auf seiner malträtierten Brust und legte Tarpas Hand drauf, so dass er es selber festpresste. Man nahm Gesundheit immer als etwas Selbstverständliches an. Dass sie das nicht war, daran wurde Scato einmal mehr erinnert. Er drückte aufmunternd Tarpas Schulter, auch wenn dieser es nicht merkte. Dann räumte er den Raum auf, warf die verkrustete Tunika in den Müll, genau wie das vollgesogene Tuch, brachte den Rest in die Wäsche und half Lurco, den Zuber zu leeren und fortzubringen. Zu guter Letzt trocknete er noch den Boden. Als sie Tarpa allein ließen, schlief er immer noch tief und fest. Allerdings sah er dabei mittlerweile recht zufrieden aus.

    Die Küsse auf seinen Narben sorgten dafür, dass Scato zu Wachs wurde. Der Unterschied zu den rauen Soldatenhänden, die er sonst auf der Haut gewöhnt war, war extrem. Sein vorheriges Misstrauen, seine großspurigen Pläne - sie schmolzen in der Wärme, die Tiberios ihm schenkte. Der Scriba konnte spüren, wie Scatos Muskulatur sich unter seinen Berührungen entspannte, während die Hitze aus seinem Inneren ihm unter die Haut stieg. Als Tiberios schließlich nackt vor ihm lag, schön und jung wie der Liebling des Pan und bereit für die größte Ehre, musste Scato kurz verschnaufen. Er war nicht unbedingt für seine Ausdauer bekannt. Da kam ihm das angewärmte Öl recht, das Terpander brachte.


    Er goss es aus der Amphore in Schlangenlinien über Tiberios´ weißen Rücken. Der Jüngling bekam eine Rückenmassage spendiert, vom Nacken angefangen über sein Kreuz hinab und spürte dabei immer wieder Küsse und Zwicken der Schneidezähne auf seinem Genick. Die Hornhaut an Scatos Fingern war leicht kratzig auf seiner Haut. Scato hatte viel Kraft aber er setzte sie umsichtig ein. Schließlich glitten seine Finger noch tiefer, die Berührungen wurden tastend. Scato war ganz dicht an Tiberios herangerückt, Mund und Nase waren zwischen seinem Hals und seine Schulter gedrückt, als sie eins wurden. Nur ihr Atem und das Rascheln der Strohmatratze unter ihnen waren noch zu hören, das zunehmend lauter wurde. Scato schloss die Augen, als er spürte, wie Faunus ihn rief. Er bat, dass er noch etwas durchhalten möge, denn auch Tiberios sollte in den höchsten Genuss kommen und er versuchte, das Verlangen des Jünglings zu erspüren und sich ihm anzupassen. So lange er konnte, zögerte er den entscheidenden Moment hinaus, ehe er plötzlich die eingesetzte Kraft verdoppelte und seine Welt sich auflöste in Ekstase.

    Das Schlafzimmer war nicht das Ziel. Dieser Raum warden Hausherren vorbehalten. Stattdessen führte Scato seinen Gast ins Triclinium, wo inzwischen mit Stroh gefüllte Matratzen die gemauerten Liegesofas gemütlich machten. Scato hörte in der Ferne, wie die Tür ging, als Terpander vom Einkaufen heimkehrte und er hörte auch den klagenden Ruf seines Pfaus, doch das war nun unwichtig. Seine Aufmerksamkeit fokussierte sich auf einen viel kleineren Raum, auf das leise Knistern des Strohs, als er sich niederließ und Tiberios mit sich zog und dann einen betörenden Duft, der von der Haut des Griechen aufstieg und den er erst jetzt wahrnahm, wo sie sich so nahe waren. Er betrachtete sein Gesicht, in dem sich die makellose Schönheit eines Jünglings fand, die dem Betrachter Unverdorbenheit und Reinheit vorgaukelte, als wäre Tiberios eine zarte Jungfrau.


    "Als hättest du für Daphnis Modell gestanden", flüsterte Scato. Ohne es bewusst zu merken reflektierte er damit seine eigene Vergangenheit, als sein Kosename Daphnis gewesen war. Nun war er selbst der Bote des Faunus, und das Zeichen des Gehörnten glitzerte um seinen Hals. Nun war er erwachsen. Seine Hand strich über die Flanke von Tiberios in Richtung seines Rückens. "Machst du mir dieses Geschenk?" Tief war der Blick, den Scato seinem Gast nun zuwarf, damit dieser in seinen Augen lesen konnte, welches Geschenk Scato erbat.

    Scatos Augen wurden schmal. Misstrauen kroch wie Gift durch seine Gedanken, als Tiberios erst für die unsägliche Gefangene sprach und ihm dann ein eindeutiges Angebot unterbreitete. So, so. 'Du verschlagener kleiner Mistkerl', ging es Scato durch den Kopf. Wie langfristig und subtil Tiberios plante, sich bei ihm einzuschmeicheln, um ihn sich nutzbar zu machen. Ein Urbaner als Werkzeug war natürlich ungeheuer praktisch, wenn man einer Schwerkriminellen verfallen war. Tiberios musste ihn ja für ungeheuer einfältig halten, das nicht zu durchschauen.


    Aber Scato lehnte das Angebot nun nicht wutschnaubend ab. Nein, die Sache gehörte ein für alle Mal geklärt und wenn dies über den gesunden Menschenverstand nicht möglich war, dann eben über die selben primitiven Gelüste, mit denen auch Eireann sich den jungen Griechen gefügig gemacht hatte. Feuer bekämpfte man mit Gegenfeuer, wenn ein Löschen nicht möglich war. Scato war nicht bereit, Tiberios aufzugeben und beschloss, ihm Eireann auszutreiben. Er würde ihre Leiber miteinander vereinigen, bis Tiberios vor Lust Scatos Namen hinauf zu den Göttern schrie. In wenigen Stunden würde Tiberios die bösartige Furie vergessen haben.


    Das Misstrauen wich aus seinem Blick, als ihre Augen sich trafen. Scato hielt den Blick, indem er die Lider leicht senkte und den Kopf kaum merklich schräg legte. "Die Mauern sind sicher", bestätigte er. Er erhob sich und bot Tiberios die Hand an, wie damals in den Thermen, um ihn an einen ungestörten Platz zu führen. Oben aus dem Fenster hatte er nämlich Satibarzanes glotzen gesehen.

    << Carcer - Der Prügelknabe


    Scato lungerte wieder mal "zufällig" im Valetudinarium herum. Sein auserkorener Lieblings-Miles-Medicus, Sextus Velanius Fenestella, der die fragwürdige Ehre genoss, von ihm zur Befriedigung der medizinischen Neugierde herhalten zu dürfen, musste sich nach den Wochen des Löcherns inzwischen fühlen wie ein Käse. Allerdings musste man dem jungen Mann zugute halten, dass er sich Mühe gab, während des Betriebes im seit einiger Zeit scheinbar chronisch unterbesetzten Valetudinarium auch noch Zeit für Scato zu finden, der manchmal wie Schleppscheiße an ihm klebte und offenbar ein Faible für möglichst große Wunden hatte, die es allerdings in der Castra Preaetoria selten gab. Wenn, dann handelte es sich in der Regel um Verletzungen, die bei den täglichen Kampf- und Leibesübungen entstanden waren.


    Anders sah das bei dem Mann aus, der gerade eher hineingeschliffen als geführt wurde, auch wenn er tapfer einen Fuß vor den anderen setzte. Scato erstarrte, als er Tarpa sah. Im Licht sah der Kamerad noch schlimmer aus, als es im Carcer den Anschein gemacht hatte. Sofort verwandelte sich der Kamerad in Scatos Geist in einen Patient.


    "Mensch, Tarpsi, du siehst grauenvoll aus", stellte er fachmännisch fest.


    "Ja, Mann", tönte heiser die Antwort. "Hol jetzt bloß keinen Spiegel."


    Tarpa hatte die Augen gegen das Licht zusammengekniffen. Sein Gesicht war nicht nur bärtig, sondern auch kreideweiß, schweißnass und verquollen. Netterweise war Fenestella gleich zugegen und zeigte Cerretanus und Lurco, wo ein freies Bett war, so dass Tarpa nicht erst im Wartebereich herumsitzen musste. Scato legte rasch eine dicke Wolldecke auf das Bett, damit das frische Bettzeug nicht sofort eingesaut war. Danach wurde Fenestella leider schon wieder anderswo gebraucht. Es war doch zum Mäusemelken, Tarpa sah nach Scatos Meinung aus, als ob er gleich starb und niemand hatte für ihn Zeit! Auch Cerretanus musste schon wieder fort, wobei der auch nichts weiter für Tarpa hätte tun können, er war Optio und nicht Optio Valetudinarii.


    "Wir machen die Erstbehandlung jetzt selber", entschied Scato. "Ich werde schon nichts noch kaputter machen, als es schon ist. Inzwischen weiß ich bisschen was und hier habe ich Licht und ganz andere Möglichkeiten als im verdammten Carcer, wo ich außer Essen nichts mit reinnehmen durfte. Lurco, du assistierst mir. Hol einen Zuber her und befüll ihn mit handwarmem Wasser. Ich organisiere derweile den anderen Kram. Tarpa, du machst gar nichts, bleib einfach da liegen. Wir kümmern uns schon."


    Das musste man sonst bei bei dem arbeitsfreudigen Burschen dazu sagen, der maßgeblich dafür verantwortlich war, dass in ihrer Stube immer beste Ordnung herrschte. Er antwortete aber nur mit einem zustimmenden "Hm-hm", und schlief ein.

    Die Fässer hatten ihren Bestimmungsort unterm Dach erreicht und Scato war glücklich. Alles fügte sich in einander, die Fässer und die Aussparung im Dach. Die Hände in die Hüfte gestützt stand er da und freute sich, dass alles so schön passte.


    "Das nenne ich römische Baukunst. Raffinesse sagt man dazu! Ist das nicht gut? So ein Brand wie im Ganymed kommt damit jedenfalls nicht mehr vor! Wenn sich das System bewährt, dann sollte man das künftig auf alle wichtigen Gebäude ausweiten. Noch was, oder haben wir Feierabend?"


    Er schirmte die Augen gegen die Sonne ab und schaute nach unten.

    Scatos Blick wanderte zu der grazilen Schreibhand auf seinem Arm. Sonst fühlte Scato sich immer als Lauch, was er im Vergleich zu den meisten anderen Urbanern auch war, aber gegenüber dem Scriba fühlte er sich nun muskulös und männlich. Dieses Gefühl hatte seinen Reiz. Vom Exerzieren und dem Dienst unter freiem Himmel waren seine Arme braun geworden und die Hand von Tiberios leuchtete darauf fast wie Milch. Scato legte seine andere Hand auf die von Tiberios.


    "Kluge und gute Worte, Tiberios. Ich nehme deine Bitte um Verzeihung an. Ich hätte dich meinerseits nicht in die Verlegenheit bringen dürfen, überhaupt agieren zu müssen. Du gehörst mir nicht und es lag keine Erlaubnis deiner Herren vor. Da wäre es an mir gewesen, korrekt vorzugehen."


    Sanft umfasste er die Finger, die weich und bar jeder Hornhaut waren.


    "Dass ich dich an der Porta Praetoria wie einen Fremden behandelt habe, hat jedoch nichts mit deinem Stand zu tun oder damit, dass ich dich behandel kann, wie ich will. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich jeden so behandelt hätte, auch meine eigene Familie. Persönliche Sympathien oder Antipathien enden, sobald ich den Gladius trage. Ich bin nicht mehr Scato, der Freund oder Sohn, sondern Miles Iunius Scato, der Urbaner.


    Das Prinzip der Gerechtigkeit wird im Feldzeichen der Urbaniciani als eine Waage symbolisiert, als einen mechanischer Apparatus. Die Waage fühlt nicht. Ich will dir erklären, warum.


    Rom wäre nicht, was es heute ist, wenn niemand für Recht und Ordnung sorgen würde. Was geschieht, wenn von aufgebrachten Laien Selbstjustiz geübt wird, sehen wir täglich in der Subura, zuletzt vermutlich im brennenden Ganymed. Hast du die Ruinen und die Verletzten gesehen? Wenn nicht, schau sie dir das nächste Mal an und dann denke zurück an Scato und Lurco. Das ist, was wir und unsere Kameraden von den Vigiles und den Prätorianern verhindern wollen. Dabei kann man nicht immer nett sein, denn die Feinde Roms sind das auch nicht. Es geht nicht darum, der Bevölkerung zu gefallen. Es geht darum, Rom und seine Bewohner zu schützen, auch vor sich selbst.


    Wir sind zu diesem Zweck bestens ausgebildet und schwer bewaffnet und haben gelernt, uns durchzusetzen. Was aber würde geschehen, würden wir nicht mehr das große Ganze im Auge behalten, sondern persönliche Belange in den Vordergrund stellen? Was, wenn wir uns in Kleinkriegen ergehen oder in die Seilschaften von Gefälligkeiten einreihen würden? Eine Macht wie die Cohortes Urbanae ist zweifellos in der Lage, ganze Existenzen zu ruinieren, würden wir persönliche Abneigungen oder Gefälligkeiten sprechen lassen und vielleicht sogar den Kaiser selbst vom Thron zu reißen und einen neuen an seine Stelle zu setzen. Aber dafür sind wir nicht da.


    Wir schützen, Tiberios, auch deine Herren und dich. Jene, die wir lieben und auch jene, die wir hassen - wir schützen sie alle. Und darum dürfen wir im Dienst nicht fühlen. So dienen wir Rom am besten. Und damit auch dir, denn du bist Teil davon."


    Er zog die Hand an sein Gesicht. Für einen Augenblick schmiegte er seine Wange dagegen und tiefes Verlangen lag in seinem Blick. Scato wollte diesen Jüngling, er wollte ihn so gern besitzen, doch er konnte nicht, denn Tiberios gehörte anderen Herren. Mit diesem Gedanken bettete er die Hand sacht zurück auf den Tisch, als hätte er eine wertvolle Reliquie dort abgelegt. Er strich ihm mit den Fingerspitzen noch einmal über beide Hände, als wolle er taktil von ihm naschen, und löste dann die Berührung. Tiberios hatte für sie beide ein Opfer gebracht, indem er die ersten Annäherungsversuche von Scato zu ihrer beider Wohl geblockt hatte. Wenn Scato sich jetzt nicht zusammenriss, brachte er Tiberios erneut in Verlegenheit und machte das Opfer zunichte.


    "Auch du hast mich geschützt, indem du mich an meinen Platz erinnert hast, obwohl du wusstest, was du damit auslösen würdest. Wir sind gar nicht so verschieden, Tiberios. Deine Herren müssen sehr stolz auf dich sein."

    "Schon wieder ein Geschenk für mich?" Scato schaute das Tüchlein mit den Früchten an. Datteln. Ein Geschenk, das des kleinen Griechen würdig war. "Das Wüstenbrot. Es nährt jene, die durch die weite Ödnis ziehen und ist hier keine alltägliche Frucht, es sei denn, man hat einen dicken Geldbeutel. Den hast du nicht, Tiberios. Ich erkenne den Wert dieses Geschenks. Danke! Und ich mag Datteln. Sie sind süß und matschig."


    Er nahm sich eine Frucht und aß sie langsam. Das verschuf ihm auch Zeit zum Überlegen. Die wertvollen Abschriften, die Datteln ... Tiberios war jemand, der zweifelsohne lieber gab als nahm. Er hatte ein großes Herz in einer engen Welt. Sie beide waren in irgendeiner Art von Verlegenheit. Scato ahnte, woher sie rührte.


    "Wir waren sorglos gewesen, bis du uns auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hast", sprach er schließlich aus, was in ihm vorging. "Lurco hat es mir erklärt, wie dein Verhalten gemeint war. Nach einigem Nachdenken und Bocken muss ich ihm Recht geben. Du warst klüger als ich. Und die drei wundervollen Schriftrollen ... ich muss gestehen, dass ich anfangs glauben wollte, dass ein Fluch darauf lasten würde. Es ist viel einfacher, jemanden zu verabscheuen, als jemanden zu mögen. Sie sind natürlich nicht verflucht, das hat Terpander überprüfen lassen, aber offen gestanden, habe ich das auch nicht wirklich geglaubt."


    Er wechselte die Hand, auf die er seinen Kopf stützte und schubste Tiberios eine Dattel hinüber, die eiernd über den Tisch rollte.


    "Wir waren neulich bei einem Großbrand im Einsatz. Dort habe ich das erste Mal erlebt, dass Menschen sterben. Der Moment, in dem ich am liebsten die Augen geschlossen hätte, war in Wahrheit ein Augenöffner. Ich sehe die Dinge nun ein wenig anders, das Leben, die Menschen. Es ist doch Unfug, wegen was für Kleinigkeiten man sich streitet oder über was für Banalitäten man sich ärgert. Bitte lass uns einander nicht mehr grollen, Tiberios."


    Genau genommen war es Scato gewesen, der gegrollt hatte und nicht Tiberios. Der hatte die Versöhnung gesucht. Aber wie sollte Scato all das sagen? So viel war passiert. Zwischen dem, was er fühlte und was er sagen wollte und dem, was letztlich aus seinen Lippen hervorstolperte, lagen Welten.