<< Valetudinarium - Nach dem Brand

Tarpa
Tarpa schmorte nun schon seit zwei Wochen im Carcer. Ziemlich lange für eine Prügelei, fand er. Langsam begann er sich Sorgen über noch ernstere Konsequenzen zu machen. Sein Tagesablauf bestand darin, in der winzigen Zelle im Kreis zu gehen und Leibesübungen mit dem eigenen Körpergewicht auszuführen, damit er in Form blieb und etwas zu tun hatte. Allerdings konnte er nicht verhindern, dass er bei der kargen Kost an Masse verlor. Die Schmerzen in seiner Brust machten nicht alle Übungen angenehm. Hunger, Einsamkeit und Zukunftsängste waren keine gute Mischung. Besonders, dass auch die Kameraden vom Wachdienst Zurückhaltung wahren mussten und ihn nicht mehr als einen Kameraden behandelten, machte ihn fertig. Da hörte er in der Dunkelheit eine vertraute Stimme.
"Jemand hier? Tarpsi?"
"Ja, Mann."
Tarpa trat aus dem hinteren Teil der stockfinsteren und fensterlosen Zelle vor zum Türgitter, so dass Scato ihn schemenhaft erkennen konnte. Ein Wachmann war so freundlich, ihn mit einer Öllampe begleitet zu haben, aber er blieb in gebührlichem Abstand stehen, so dass die Lampe außerhalb der Gefahrenzone blieb. Ein zweiter wartete mit den Schlüsseln. Beide waren, wie das Vorschrift war, bewaffnet. Wer allerdings annahm, der Abstand der Gitter wäre groß genug, um einen Arm hindurchstecken oder auch nur effektiv hindurchspucken zu können, irrte. Es handelte sich nur um ein winziges, eng vergittertes Fenster in Gesichthöhe zur Belüftung und zur Lebendkontrolle, wie sie jeden Morgen stattfand. Da Tarpa keinerlei Ärger gemacht hatte, wurde auch ihm nicht mehr Ärger gemacht, als nötig. Das Prinzip der Waage, das auf ihrem Banner prangte, der ausgleichenden Gerechtigkeit. Weder wurde Tarpa an die Wand gekettet noch anderweitig schickaniert. Nun bekam er sogar Besuch. Für einen geselligen Menschen wie Tarpa war Einsamkeit nicht leicht zu ertragen, weshalb er sich sehr freute.
"Eine Stunde Besuchszeit", blaffte der diensthabende Kamerad, schloss für Scato auf, ließ ihn eintreten und schloss hinter ihm wieder ab. Selbstverständlich hatte Scato alle Waffen abgeben müssen und der Beutel, den er bei sich trug, war genau untersucht worden. Der Wachmann mit der Lampe blieb freundlicherweise im Gang stehen, da Scato ihn aus gutem Grund darum gebeten (und mit einer kleinen, mit Wachs versiegelten Amphore unverdünnten Weines dafür bezahlt) hatte. So hatten sie ein Minimum an Licht. Sie setzten sich auf den Strohsack.
"Wie riechst du denn, hat es gebrannt?", erkundigte Tarpa sich.
Scato erzählte ihm von dem Brand im Lupanar Ganymed. Und Tarpa bedauerte, dass er nicht hatte dabei sein können, freute sich aber, als er hörte, dass auch Ramnus das nicht vergönnt gewesen war, weil er noch immer im Valetudinarium lag.
"Apropos Valetudinarium", meinte Scato in beiläufigem Ton, während er betont in eine andere Richtung sah, "kann ich deine Wunde mal anschauen?" Dabei versuchte er, nicht allzu neugierig zu klingen, was ihm nur mäßig gelang.
"Nein. Du willst nur meine Titten sehen."
Das entgeisterte Gesicht von Scato belohnte Tarpas kleinen Scherz mit seinem ersten Lachen seit zwei Wochen. Ein Geräusch, was im Carcer sicher auch nicht allzu oft zu hören war. Als Scato merkte, dass er verarscht worden war, wurde er böse.
"Schön", fauchte er. "Dann nehme ich das hier eben wieder mit." Er hob den Beutel.
"Ach, komm", gluckste Tarpa. "Ich zieh mich schon aus."
Das tat er auch und gab Scato die Gelegenheit, ihm fahlen Licht der Lampe die Bisswunde zu bewundern. Der untersuchte sie interessiert, so etwas bekam man nicht oft zu sehen. Ramnus hatte gute Arbeit geleistet. Seine Zähne hatten sich oberhalb und unterhalb der Brustwarze durch alle Hautschichten bis ins Fleisch gegraben und eine geschwollene Entzündung hinterlassen. Die Brust fühlte sich heiß an. Scato drückte an den Wundrändern herum und versuchte, mehr zu erkennen. Irgendwelche Wundflüssigkeit trat aus.
"Sieht nicht gut aus und ich glaube, du hast auch Fieber. Da muss noch was gemacht werden. Das hättest du morgens bei der Kontrolle sagen sollen."
"Mir wurde nahegelegt, nicht zu jammern."
"Dann jammer ich für dich. Ich rede dann noch mal mit dem Optio carceris." Damit durfte Tarpa sich wieder anziehen. Erst jetzt, wo seine Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, fiel Scato auf, dass es immer noch die Gleiche war und dass der Fleck auf der Brust immer noch feucht war. "Dreh die mal um, damit die Wunde nicht dauerhaft nass ist. Immer wenden, sobald der Fleck auf der anderen Seite getrocknet ist."
Etwas anderes konnte er zur Schadensbegrenzung nicht tun. Nun durfte Tarpa in seinen Geschenkbeutel sehen. Jeder Kamerad hatte etwas Kleines hineingepackt: einen Apfel, ein Stück Hartkäse, ein Stück Schinken, eine Lukanerwurst, einen kleinen Kuchen ... Tarpa zählte sieben Geschenke.
"Ramnus hat mir was mitgegeben?", fragte er verblüfft.
"Ja, klar", log Scato. Die fehlende Gabe hatte er selbst beigesteuert. "Warum sollte er auch nicht? Du bist sein Kamerad."
Tarpa schwieg gerührt. "Richte ihm bitte aus", sagte er schließlich, "dass es mir leid tut. Das Lachen war mies von mir."
"Mache ich, na klar." Scato war erleichtert. Der erste Schritt zur Versöhnung war gegangen. "Jetzt iss erstmal was. Du bist dünn geworden."
Sie redeten die verbleibende Zeit, während Tarpa langsam am Hartkäse kaute. Die übrigen Gaben sparte er sich für später auf. Scato blieb bis zur letzten Minute, als der Wachmann verkündete, die Zeit sei nun um. Der Abschied war etwas wehmütig und Scato musste schnell gehen. Tarpa hier zurückzulassen, fiel ihm nicht leicht. Er versprach, dass bald wieder Besuch kommen würde, wenn der Optio carceris es zuließ. Den informierte er noch über Tarpas gesundheitlichen Zustand, ehe er zurück zur Baracke VII ging.
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