Ich lachte auf :„Kronos finde ich durchaus amüsant. Ich kam an den Achäern wirklich nicht vorbei.“, gestand ich:
„Ich bin in Parthenope aufgewachsen, im ältesten Teil von Neapel, sozusagen direkt in der Magna Graecia.*
Und die letzten drei Jahre habe ich größtenteils in Athen und ein wenig in Alexandria verbracht, wobei du nicht denken darfst, dass mir meine Jugendzeit da einen Vorteil brachte, dazu hat man meinen italischen Akzent zu sehr bespöttelt.“
Den für junge Römer üblichen Bildungsabschluss in Achaea hatte ich zeitlich so weit ausgedehnt, wie mir meine Finanzen erlaubten:
„Der griechische Osten war für mich ein wie ein langer dösiger Sommernachmittag zwischen Gesprächen und Studien, Wein und ab und an in den Armen von willigen Geliebten – sehr selten, ich war nicht wohlhabend genug - gewesen.“
Ich lächelte vermutlich etwas blöde in seliger Erinnerung:
„In Eleusis habe ich das erste Mal gespürt,dass es mehr gibt, als ich mit bloßem Auge sehen oder studieren kann, und dass es vielleicht nicht genug war, mit den Göttern auf dem Wege überlieferter Formeln und akribisch dargebrachte Opfer zu sprechen.“
Ich trank einen tiefen Schluck Wein und ließ mir von meinem Ganymed nachschenken.
Ob ich Conservator die Anziehung deutlich machen konnte, die von dieser Welt ausging?
Hunderte von Jahren waren wir zufrieden gewesen, uns in den festgelegten Bahnen zu bewegen, die die Vorväter geebnet hatten. Unsere ordnende Hand ließ unser Imperium blühen. Auch ich war ein kleines Rädchen, und ja, stolz darauf, der Patria dienen zu können.
Aber neue Ideen wurden aus dem Alten in der Ferne geboren. Sie brandeten unaufhörlich wie eine Sturmflut an die starke Hafenmauer, die das Imperium war. Der Osten brachte die Sirenenklänge des reinen Intellektes. Der Osten brachte aber auch die Sirenenklänge des Irrationalen.
Aus diesem langen Sommernachmittag mit seinen wirren Träumen hatte ich mich noch einmal in das tätige Leben eines civis retten können.
Annaeus Conservator erwies sich übrigens als profunder Kenner der Verhältnisse im Osten, obwohl er diesmal Partei ergriff – für die Achäer als kleineres Übel vermutlich, wenn man die Wahl zwischen Pest und Cholera hatte.
„Es gab auch einmal andere Zeiten; Zeiten in der die alexandrinischen Judaäer ihre heiligen Schriften in Griechische übertrugen, die so genannte Septuaginta** nicht allein, um sie in ihrer Alltagssprache lesen zu können, sondern auch um sie als Philosophie mit anderen Philosophen zu diskutieren.“, wandte ich ein:
"Aber du hast recht damit, dass die Zeiten eines Philon Alexandrinus*** leider lange vorüber sind. Und als ich im letzten Jahr in Alexandria war, gab es niemanden mehr, der darüber sprechen wollte. Kein Kunststück, fast jede ansässige Familie hatte Opfer oder den Verlust von Besitztümern zu beklagen.
Was du mir erläuterst, erschreckt mich aber zutiefst, werter Freund.
Meinst du denn, diese monotheistischen Religionen haben überhaupt irgendeine Chance, an die Macht zu kommen?
Sie sind meines Erachtens nach völlig unlogisch, nimm doch nur das Beispiel, dass zwei Völker im Krieg stehen.
Wie kann ein Gott die eine und die andere Seite gleichzeitig beschützen?"
Bei den nächsten Erläuterungen spürte ich, wie das Blut mir in den Kopf schoss – vor Scham. Denn auch ich hatte es meinen Studienkollegen gleichgetan und mich über die Sekte der Christianer lustig gemacht:
„Also dieser Iesus ist ein gewöhnlicher Mensch gewesen, der sich den Königstitel angemaßt hat, wenn auch nicht so schlimm wie König Andreas, der in der Cyrene das Massaker anrichten ließ?“****,
fragte ich nach:
„Mir erzählten die Alexandriner, der Gott der Christianer hätte einen Eselskopf *****– oder war es ein Fischkopf? Ein Zimmermann, der gekreuzigt wurde....“, das war eine sehr erniedrigende Todesstrafe, und ich schüttelte fassungslos den Kopf:
„Offen gesagt betrachtete ich sie damals noch als harmlose Verrückte, doch deine Erläuterung gibt weit mehr Sinn. Und man sieht ja auch, dass sie gefährlich sind. Danke dafür, dass du mir die Augen geöffnet hast.“
Wieder etwas dazu gelernt:
„Leider sind derartige Fanatiker von den christiani sogar schon hier in der Stadt, es gab kürzlich eine Schändung des Flaviertempels.“,
ich hielt mich selbst nicht für grausam, aber Heiligtümer waren zu respektieren, und der Glaube des Nachbarn, auch wenn man den betreffenden Gott nicht verehrte, auch; alles andere war unrömisch:
„Ich hoffe, sie werden ad bestia verurteilt, da tun die Löwen ein frommes Werk.“
Auf die Empörung hin brauchte ich erst einmal einen frischen Becher Wein und einen gehäuften Teller mit dulcia domestica und Honigkuchen.
Und da Conservator den Caesar Augustus erwähnt hatte – ich zuckte leicht zusammen, denn auch ich wusste, was aus Männern geworden war, die Ansprüche auf den Thron entweder anmeldeten oder auch nur verdächtigt wurden, welche haben zu können – brachte ich einen Trinkspruch dem Kaiser zu Ehren aus.
Sim-Off:* Magna Graecia** Septuaginta*** Philon **** Immer noch der Diaspora-Aufstand *****Diese Ansicht basierte auf einer Behauptung des Alexandriners Apion, dass Juden einen Esel verehrten