Beiträge von Sisenna Seius Stilo

    Wenn Blicke töten könnten, wären der Prätor und der Angeklagte in diesen Augenblicken von plötzlich aufklaffenden Schlünden des Orcus verschluckt worden. So viel Zorn in den Augen des enttäuschten Patriziers. Welche Empörung und welch unverhohlene Abneigung schlugen dem amtierenden Magistrat von dem kleinen Vigintivir mit dem großen Namen doch entgegen.


    Und Stilo war um die Namensliste betrogen worden, welche die Cohortes Urbanae am Ende einheimsen würden, doch er hatte eine Information erhalten, die vielleicht noch interessanter war, falls Nero Aemilius Secundus den Weg der Macht noch weiter zu beschreiten gedachte. Mit dem Blick eines ruhenden Panthers beobachtete der Prätorianer die Szenerie, während ein Baldachin aus Schatten sich mit sanfter Kälte um seinen Geist legte.

    Stilos Aufgabe war groß. Sein Ehrgeiz ebenfalls. Optio der Cohortes Praetoriae zu sein, bescherte ihm Zufriedenheit, doch keine Befriedigung. Er wollte mehr, er brauchte mehr, um sich vollständig zu fühlen. Seine neuesten Befehle trugen diesem Bedürfnis Rechnung. Und so traf er sich mit einem wohligen Gefühl in der Bauchgegend in einer Schreibstube der Cohortes Urbanae, um mit einem Verantwortlichen des Archivs zu sprechen ...

    Auf das Ergebnis der Anhörung wartete sicher nicht allein Stilo gespannt. Kläger und Angeklagter hatten Gehör gefunden, durch persönliche Befragung und durch das Wort des Advokaten. Nun lag es beim Prätor, zu entscheiden. Leider, zu Stilos Missfallen, wollte er scheinbar nicht die Namensliste hören. Die Gründe waren offensichtlich, das scheinbare Desinteresse vorhersehbar gewesen, doch für Stilo wären die Namen von höchstem Interesse.


    Er kratzte sich den Unterarm, der von der letzten Enthaarung juckte. Das angebliche Körperpflegeöl mit sogenannten wohltuenden Essenzen hatte sich als Geldschneiderei erwiesen, auf die hereinzufallen Stilo mit einer Hautreizung bezahlte. In Zukunft würde er wieder auf Olivenöl ohne Zusätze zurückgreifen. Vielleicht war die Hautreizung aber auch nur eine Reaktion auf den Stress der letzten Zeit? Beim Orcus, er musste sich konzentrieren. Er unterließ das Gekratze und fokussierte sich wieder auf die Verhandlung.

    Die Worte des Präfekten nahm Stilo mit höchster Aufmerksamkeit auf. Licht und Schatten im Geschäft des Zwielichts, Verheißung und Drohung in ein und derselben Gestalt. Stilo wurden Aufgaben anvertraut, die für einen Optio unverhältnismäßig hohe Verantwortung bargen. Er würde büßen, sollte die Akte nicht frei von allen Zweifeln sein, nicht der Mann vor ihm, ganz gleich, wessen Name darunter stand. Doch wenn die Aufgaben zu aller Zufriedenheit erledigt würden, so winkte Stilo die Aussicht auf eine Beförderung.


    Das Lächeln von Stilo war so falsch wie das seines ranghöchsten Vorgesetzten, man könnte fast meinen, sie hätten voneinander gelernt, doch wäre ein Irrtum. Sie kannten einander nur flüchtig und hatten auch dienstlich fast ausschließlich indirekten Kontakt zueinander.


    "Ich wiederhole: Meine Aufgaben sind der Abschlussbericht für Didius Volusus Molliculus, die Liste mit den kriminellen Bürgern in der Causa Christenrazzia, die Organisation der Hinrichtungen sowie der Abschlussbericht. Keine Fragen, Praefectus. Du wirst zeitnah von mir hören."


    Er legte die Faust auf sein Herz, das falsche Lächeln erlosch und der Optio kehrte zurück in seine Unterkunft, um den Feierabend mit Grübeln anstatt mit der notwendigen Erholung zu verbringen. Die nächsten Tage und wochen würden arbeitsintensiv werden, das stand außer Frage.

    Stilo stellte seine Schüssel ab, in der ein fetter Getreidebrei mit Gemüse und Fleischeinlage dampfte. Wenn er wiederkehrte, würde sein Abendessen erkaltet sein, doch das war in diesem Moment gleichgültig. Der Praefectus Praetorio persönlich wollte ihn sehen. Stilo vermutete, es ging um die Christenrazzia. Während er den Kameraden in die Principia begleitete, plauderten sie ein wenig, doch nichts von Gehalt, und Stilo fragte sich, ob es angemessen wäre, nervös zu werden. Ganz sicher war es das - Caius Heius Vibulanus würde ihn zerquetschen wie eine Fliege, sollte er Grund zur Beanstandung von Stilos Arbeitsweise gefunden haben.


    Officium des Praefectus Praetorio >>

    "Mahlzeit." Der unangebrachte Gruß hallte schamlos durch den Saal. Mit einem jovialen Grinsen stand Sisenna Seius Stilo in der Tür, der "zufällig" in der Nähe etwas zu erledigen gehabt hatte und nun "mal eben" vorbeischaute, was es Neues in den ehrwürdigen Hallen der Basilica Ulpia gab. Im Vorbeigehen stupste er Tarpa mit dem Handrücken an und zwinkerte Ferox zu. Dann machte er es sich in bester Zuschauer- und vor allem Zuhörerposition bequem. Obwohl es hinten noch genügend Platz gab, war er sich nicht zu fein, sich auf einen Stuhl zu quetschen, den zwei weitere Zuschauer zum Zwecke des Höflichkeitsabstands zwischen sich freigelassen hatten. Das sichtliche Unbehagen der beiden störte ihn nicht im Geringsten.


    Seinen Verwandten, der heute als Advokat fungierte, hatte er unterdessen absichtlich ignoriert. Es brauchte hier niemanden zu interessieren, dass Aulus Iunius Tacitus Verwandtschaft unter den Prätorianern besaß. Stilo allerdings interessierte sehr, was sich heute hier zutragen würde, welche Rolle der Aemilier auf dem politischen Parkett zu spielen gedachte und wie Tacitus sich bei der Konfrontation anstellte.

    An seinem Schreibtisch hatte Stilo sich daran gesetzt, den Abschlussbericht für den Spezialeinsatz in der Casa Didia anzufertigen. Bei der Durchsicht der Akte bemerkte er, dass Eudoxus seit der letzten Befragung sich bis zum heutigen Tage selbst überlassen worden war.


    Stilo stieg also noch einmal in den Kerker hinab, um nachzuschauen, ob die lange Zeit der Einsamkeit den Delinquenten noch etwas gefügiger gemacht hatte. Doch dieser saß in der Dunkelheit, das Gesicht zur Wand gedreht, und rührte sich nicht mehr. Stilo rief Verstärkung und betrat die Zelle. Die folgenden Gewalteinwirkungen erwirkten zwar Schreie, doch kein einziges Wort. Auch Drohungen und Versprechungen änderten nichts.


    Selbst der herbeigerufene Medicus konnte daran nichts ändern. Seine professionelle Diagnose lautete: Eudoxus hatte den Verstand verloren.


    Stilo zischte verärgert. In der Fallakte würde sich das nicht gut machen. Trotzdem wollte er den Bericht endlich zu Ende bringen und mit dieser Christensache abschließen. Er kehrte zurück in sein Officium, um sich der ungeliebten Schreibarbeit zu widmen, ob nun ein weiterer Zeuge ausgefallen war oder nicht.

    Das Spektakel war vorüber, die Menge zerstreute sich. Auch die Cohortes Praetroriae durften gehen. Pansa, der Stilos Gemütszustand bemerkte, rempelte ihn freundschaftlich mit der Schulter an, während sie nebeneinander her gingen.


    Stilo rempelte zurück. "Was machst du heute noch, Pansa?", fragte er.


    "Mal schauen, ich wollte in die Therme gehen. Ich bin so was von verschwitzt. Und du?"


    "Nimmst du mich mit?"


    "Blöde Frage." Er rempelte Stilo ein zweites Mal an.


    Stilo grinste kurz und ein wenig kraftlos, dann wurde er wieder ernst. Noch war der Dienst nicht beendet. Er sammelte seine Männer und gemeinsam kehrten sie zurück in die Castra Praetoria, wo sie alle noch mindestens eine Stunde damit zu tun haben würden, anzutreten und sich anzuhören, was Stilo ihnen zum Abschluss des Dienstes sagen wollte, und zu guter Letzt ihre Ausrüstung in Ordnung zu bringen.

    Die Gemonische Treppe

    Die Gemonische Treppe war ein Treppenbau, der vom Kapitol über das Forum bis zum Tiber hinabführte und dabei am Staatsgefängnis, dem Carcer Tullianus, entlanglief. Unter den ersten, deren Leichname dort in entehrender Absicht ausgestellt worden waren, war der Prätorianerpräfekt Lucius Aelius Seianus gewesen, Stilos Vorfahr. Die Zeiten änderten sich. Mit bitterem Blick und ohne jedes Mitleid im Herzen wohnte Stilo dem heutigen Ereignis bei, das er selbst in die Wege geleitet hatte.


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    Die Sonne brannte auf Rom und vom Tiber kroch der Gestank von Fäkalien und Verwesung hinauf. Stilo rann der Schweiß die Schläfen hinab, während er fest geradeaus sah. Hier, an der Gemonischen Treppe, blies der Herold heute ein vertrautes Signal. Es lockte jenen Schlag Menschen herbei, die sich gern an Tod und Elend weideten. Wer noch nie einem solchen Ereignis beigewohnt hat, wäre vielleicht erschrocken über ihre völlige Durchschnittlichkeit. Sie alle waren normale Leute, Männer, Frauen und Kinder, die nun die Hälse reckten, um mehr zu sehen und wurden belohnt: Ein bleicher, aufgedunsener Leichnam wurde an einem Haken durch Rom gezerrt. Diese infame Aufgabe übernahmen der Carnifex und seine Gehilfen im Auftrag des Tresvir capitales. Niemand außer ihnen wusste, dass der Tote einer von jenen war, welche die unmenschlichen Haftbedingungen der Prätorianer nicht überlebt hatten. Doch wen sie hier und heute an seinen Bestimmungsort verbrachten, das wussten auch sie nicht. Niemand außer den Prätorianern selbst kannte den Namen des Mannes oder wusste, wofür er einst festgehalten worden war.


    Bei der Gemonischen Treppe angelangt ließen die Gehilfen des Henkers den Toten fallen. Kurz darauf folgten weitere Körper, drei an der Zahl, alle in schauderhaftem Zustand, sei es durch das Schleifen ihrer unbekleideten Körper über den blanken Boden Roms oder schon zu Lebzeiten verstümmelt durch das, was ihnen widerfahren war.


    Die Bestrafung von Hochverrätern endete nicht mit ihrem Tod: Es war generell untersagt, einen Hingerichteten zu bestatten. Bei Verurteilungen für Hochverrat und Verwandtenmord wurde der Leichnam auch nicht auf ein Ersuchen hin an die Verwandten ausgehändigt, sondern unwürdig entsorgt. Weder Totentrauer noch Feiern zu Ehren des Toten durften stattfinden. Sein gesamtes Andenken wurde vernichtet, seine Bilder und sein Name ausgelöscht. Auch die radikalen Christen fielen der Damnatio memoriae anheim.


    Und so wusste niemand außer den Prätorianern, die dem Prozedere gleichmütig beiwohnten, dass die vier Toten folgende waren:

    Dann ertönte erneut das Hornsignal und der Herold gebot Stille. Der Tresvir capitales, zu diesem Anlass im Trauergewand, trat vor, flankiert von seinen Liktoren. Hinter ihm stieg ein Schwarm Möwen auf, die sich auf das Aas freuten. Er hielt eine zornsprühende Rede, in der es um den Sieg der römischen Götter ging, um ein Signal an alle Feinde Roms und um Gerechtigkeit vor allen Dingen. Alles folgte festem Ritual, bis er den Platz wieder verließ. Die Menge wurde entfesselt, eine Meute durchschnittlicher Menschen, welche die Toten nun traten, verhöhnten, schlugen, bespuckten und am Ende wie Schakale zerrissen. Man würde die Reste hier liegen lassen, bis die Verwesung stattgefunden hatte, und sie dann mit dem Haken in den Tiber ziehen, wo sie ins Tyrrhenische Mehr hinabtrieben. Ein Hund, der vielleicht einem Toten gehörte oder ein Menschenfreund war, schrie herzerweichend, am ganzen Körper zitternd, ohne etwas gegen dieses Treiben unternehmen zu können. Das Tier besaß mehr Herz und Menschlichkeit als die Menschen selbst.


    Stilo wandte den Blick von dem Hund ab und wieder der Menge zu, im Gesicht ein Ausdruck tiefer Herablassung. Was immer dieser Menschheit jemals widerfuhr, sie hatte es verdient. Er sah die Fluten des Tiber, die in der heißen Sonne glitzerten, und dachte noch einmal an Seianus, jenen großen Mann, der zu gut gewesen war für eine Menschheit, der nichts als Verachtung gebührte.

    Das Gespräch mit dem Prätorianer war nicht zu Calvus' Gunsten verlaufen. Obwohl er schon zu Beginn alles gebeichtet hatte, um seine Frau zu schützen, war er nicht vor der Dunkelheit verschont geblieben, die durch diese Gemäuer kroch. Alles Schlechte, was in einem Menschen liegen konnte, fand er personifiziert in Sisenna Seius Stilo, der in seiner Zeit als Optio carceris ein schreckliches Werkzeug der von den Christen verhassten Römer geworden war. Am Ende der monatelangen Behandlung war von Calvus nicht viel mehr als ein lebender Toter übrig. Und seine Frau, die ihren Mann nicht wieder erkannte, war die Nächste. Hoffnung hatte es nie gegeben, das erkannten sie nun, als der Tod nach ihnen griff.


    Gemonische Treppe >>


    Sim-Off:

    Da sich der Spieler dieser beiden NSCs leider ins Elysium verabschiedet hat, bringe ich diesen Thread zu einem Ende.

    Am Ende hatte Theognis alles gesagt, was Stilo von ihm hören wollte. Der Griffel des Schreibers war über die Wachstafel geflogen, hatte Namen und Orte notiert, Zeiträume und Verbindungen. Theognis erwies sich als wahre Goldgrube. Und der Prätorianer hielt Wort: Anstatt den Sklaven zu Tode zu foltern, legte Stilo ihm fast zärtlich die Hände an den Kopf, eine an den Kiefer, die andere auf der gegenüberliegenden Seite an die Schläfe. Er blickte über den erschöpften Delinquenten hinweg an die Wand und fühlte, wie seine Hände lagen. Mit einem entschlossenen Ruck brach er dem Sklaven das Genick.


    Gemonische Treppe >>


    Sim-Off:

    Da sich der Spieler dieses NSCs leider ins Elysium verabschiedet hat, bringe ich diesen Thread zu einem Ende.

    Stilo mahlte verärgert mit den Zähnen. Er wusste, was ihn erwarten würde, noch bevor er durch die Luke in die Zelle von Volusus Didius Molliculus blickte. Er kannte den würgereizerregenden Geruch, der an die Hinterräume einer Fleischerei erinnerte, den übelerregenden Gestank alten Fleisches an der Schwelle zur Verwesung. Pansa hatte es geschafft, Didius noch vor der Zeit zu Tode zu mästen. Stilo traf keine Schuld, jetzt so wenig wie je, und Pansa würde disziplinarische Konsequenzen zu spüren bekommen. Doch all das änderte nichts an dem ärgerlichen Resultat. Um der Form Genüge zu tun, ließ Stilo einen Medicus in die Zelle rufen und den Tod feststellen. Dann gab er den Befehl, wie üblich zu verfahren.


    Die Bestrafung von Hochverrätern endete nicht mit ihrem Tod. Sie erstreckte sich weit darüber hinaus. Die Wunden von Roms Schwertern reichten tief und bluteten weit, besonders, wenn sie von schwarzen Klingen geschlagen wurden.


    Gemonische Treppe >>

    Stilo nahm den Aushang zur Kenntnis. Er würde tun, was man von ihm verlangte.


    Letzten Endes konnte jeder den Aushang lesen, aber beim nächsten Appell würde er trotzdem noch mal mündlich darauf hinweisen. Auslöser für die Bekräftigung des Befehls war wohl die endlose Diskrepanz zwischen der obersten Zielsetzung der Sicherheit des Kaisers und einer oberflächlichen und daher sinnlosen Abtastung bei Respektspersonen durch besonders höfliche oder, wie Stilo sie nannte, zimperliche Prätorianer. Beides war unvereinbar und eine klare Anweisung überfällig.


    Die Reaktionen seiner Männer auf den neuerlichen Befehl, die Durchsuchung von Senatoren künftig zu unterlassen, folgte auf dem Fuße: Von bildhaften Witzen über innige Durchsuchungsorgien bei den hässlichsten bekannten Senatoren und der empörten Kritik am Durchsuchen der heiligen Pontifices bis hin zu Dexters trockenem Kommentar "Die will eh keiner anfassen" war alles dabei. Wobei man munkelte, dass der neue Pontifex Maximus gar nicht so hässlich sei, doch bis Stilo den Mann zu Gesicht bekam, würde er das nicht glauben.

    "Keine Kinder, keine Familie, ungebunden." Er lächelte in gespielter Wehmut bei seiner Lüge. Mit jedem Verwandten gab man einem Feind ein lohnendes Ziel mehr.


    "Gut, also kein Opfer für den Vater." Das war ja was. Setzte man hier einen Gott mit einem Menschen gleich oder einen Menschen mit einem Gott? Stilo würde darüber nachdenken müssen. "Den Herrn." Wenn der Gott den Christen ihr Vater und Herr war, waren ihm dann seine Söhne Sklaven? Dieses Joch trug Eudoxus in Form eines unscheinbaren kleinen Holzfisches um den Hals, sein Verderben und Untergang.


    Stilo ließ zu, dass Eudoxus auf den Boden fiel, auf die Knie, und sein Gebet begann. Er wollte beobachten und lernen. Seine eigenen Hände faltete er unwillig, denn die Vorstellung, Sklave zu sein, behagte ihm nicht im Geringsten. Es gab Menschen, die aus dieser Fantasie ihren Reiz zogen, doch Stilo gehörte zum gegenteiligen Ende des Spektrums. Auf die Knie ging er freilich nicht, sondern blieb sitzen an seinem Tisch, Ritus hin oder her. Kein Römer verneigte sich und noch weniger sollte er auf Knien rutschen.


    Doch er betete mit, das Experiment wagend, in sich hineinspürend - nichts. Da war nur die vertraute Leere. Erst, als Eudoxus für Stilos Frieden betete, rührte diese Geste der Milde an ihm. Das widerum behagte ihm nicht im Mindesten. Als das Gebet beendet war, befahl er schroffer als notwendig gewesen wäre: "Das wäre alles. Bringt ihn zurück in die Zelle."


    Zurück blieb Stilo, allein in der Finsternis über das Gesagte und Erlebte brütend. Er fragte sich, ob das Spiel, das er sich gönnte, nicht zu viel des Guten war. Er zog seine Konsequenz: Eudoxus würde keinen Besuch mehr erhalten, ganz so, als hätten sie ihn vergessen. Nicht einmal für ein Verhör holten sie ihn noch heraus.


    Als sei es ein Fingerzeig der von Eudoxus geschmähten römischen Götter, rutschte seine Akte versehentlich ins Archiv, so dass er tatsächlich für lange Zeit vergessen wurde.


    Sim-Off:

    Aufgrund des Exils des Eudoxus erfolgt hier erstmal ein Schnitt. Ich bedanke mich für das angenehme Spiel. Sollten dich eines Tages die Schritte wieder hierher führen, würde ich mich über eine Fortsetzung freuen.

    Dexter nahm die unterschriebene Wachstafel wieder entgegen, um sie später in der Poststelle abzugeben, wo sie schon ihren korrekten Bestimmungsort erreichen würde:



    Roma, ANTE DIEM VII KAL FEB DCCCLXXIII A.U.C.

    (26.1.2023/120 n.Chr.)


    BESCHWERDE


    Ich, Nero Aemilius Secundus, reiche hiermit Beschwerde über die Arbeitsweise der Administratio Imperatoris ein. Folgende Punkte möchte ich kritisieren:

    • Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben,
    • abwesende Domestiken,
    • abwesender Vorsteher,
    • nicht vorhandende Arbeitstätigkeit,
    • man wagt es, Mitglieder ehrenwerter Häuser warten zu lassen,
    • Vergeudung rarer und kostbarer Zeit,
    • Höhergestellte Gäste müssen auf subalterne Beamte warten,
    • Verschleuderung kaiserlicher Finanzen.


    Unterschrift:


    NAS



    Mit einem unterdrückten Schmunzeln nahm er wieder die übliche Körperhaltung ein, sich immer noch über die Formulierung "Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben" amüsierend. "Wenn man den Zeitpunkt für angemessen hält, Nero Aemilius Secundus." Der Prätorianer blinzelte verschmitzt. Da behaupte noch einer, Wachdienst sei langweilig.

    Dexter nahm sich eine Wachstafel und Griffel zur Hand. "In der Zwischenzeit helfe ich dir gern bei der Ausformulierung deiner Beschwerde - du brauchst nicht persönlich zu schreiben. Nur am Ende deine Unterschrift darunter zu setzen, so die Beschwerde in deinem Sinne ist."


    In - für einen Soldaten sehr schöner - Handschrift hielt er fest:


    Roma, ANTE DIEM VII KAL FEB DCCCLXXIII A.U.C.

    (26.1.2023/120 n.Chr.)


    BESCHWERDE


    Ich, Nero Aemilius Secundus, reiche hiermit Beschwerde über die Arbeitsweise der Administratio Imperatoris ein. Folgende Punkte möchte ich kritisieren:

    • Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben,
    • abwesende Domestiken,
    • abwesender Vorsteher,
    • nicht vorhandende Arbeitstätigkeit,
    • man wagt es, Mitglieder ehrenwerter Häuser warten zu lassen,
    • Vergeudung rarer und kostbarer Zeit,
    • Höhergestellte Gäste müssen auf subalterne Beamte warten,
    • Verschleuderung kaiserlicher Finanzen.


    Unterschrift:




    Dexter hielt dem Patrizier die Wachstafel und den Griffel zum Gegenlesen und Unterzeichnen hin.

    Dexter prägte sich also mit einem leichten Schmunzeln jene Sachverhalte ein, welche der Spross aus patrizischem Hause zu bemängeln hatte. Als Prätorianer besaß er ein vorzüglich geschultes Detailgedächtnis und memorierte laut:


    "Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben,

    abwesende Domestiken,

    abwesender Vorsteher,

    nicht vorhandende Arbeitstätigkeit,

    man wagt es, Mitglieder ehrenwerter Häuser warten zu lassen,

    Vergeudung rarer und kostbarer Zeit,

    Höhergestellte Gäste müssen auf subalterne Beamte warten,

    Verschleuderung kaiserlicher Finanzen.


    Möchtest du noch etwas zu dieser Auflistung ergänzen? Darf ich zudem mitteilen, welcher wichtigen Säule der römischen Gesellschaft die wertvolle Zeit durch diesen untragbaren administrativen Schlendrian geraubt wurde? Welches Amt bekleidest du noch gleich, ehrenwerter Nero Aemilius Secundus, von dessen Ausübung du in diesem Moment abgehalten wirst...?"

    Dexter gehörte zur seltenen Gattung der feingeistigen Prätorianer. Dies mochte einer der Gründe sein, warum man bevorzugt ihn damit beauftragte, sich um anspruchsvolle Gäste zu kümmern, wenn Sempronius "Patiens" Sophus gerade am Tor verpflichtet war. Zunächst beabsichtigte Dexter, nicht zu antworten, doch dann wandte er dem Aemilius seinen Blick zu.


    "Wünschst du, ehrenwerter Nero Aemilius Secundus, dessen wertvolle Zeit durch die kaiserlichen Finanzbeamten vergeudet wird, dass ich deine Beschwerde über die Führung der Administratio Imperatoris weiterleite?" In seiner Stimme lag, kaum hörbar und doch für den Aufmerksamen Zuhörer wahrnehmbar, etwas Lauerndes.

    Der Prätorianer Faustus Faucius Dexter blieb demonstrativ bei dem Aemilier stehen, das Gesicht zu Stein erstarrt. Er sagte noch nichts, doch seine bloße Anwesenheit sollte dem Gast Warnung sein, es diesmal nicht zu übertreiben. Gleichsam war seine Präsenz eine Geste des Schutzes gegenüber den Mitarbeitern des Officiums. Kein Mitarbeiter des Palasts sollte Angst vor körperlichen oder verbalen Übergriffen haben müssen, und jene waren durch diesen Patrizier zu befürchten.


    Um die Ecke standen stumm Stilo und Pansa, lauschend und wartend. Niemand bemerkte sie, der es nicht sollte, und doch waren sie da. Sie wussten, wie die Architektur und Akustik des Palasts zu ihrem Vorteil zu nutzen sei, die Ausleuchtung, die keinem Zufall folgte, sondern einem System, das hier und dort strategische Schatten ließ. Sie wussten auch um den einen oder anderen Geheimgang.