Beiträge von Sisenna Seius Stilo

    "Keine Kinder, keine Familie, ungebunden." Er lächelte in gespielter Wehmut bei seiner Lüge. Mit jedem Verwandten gab man einem Feind ein lohnendes Ziel mehr.


    "Gut, also kein Opfer für den Vater." Das war ja was. Setzte man hier einen Gott mit einem Menschen gleich oder einen Menschen mit einem Gott? Stilo würde darüber nachdenken müssen. "Den Herrn." Wenn der Gott den Christen ihr Vater und Herr war, waren ihm dann seine Söhne Sklaven? Dieses Joch trug Eudoxus in Form eines unscheinbaren kleinen Holzfisches um den Hals, sein Verderben und Untergang.


    Stilo ließ zu, dass Eudoxus auf den Boden fiel, auf die Knie, und sein Gebet begann. Er wollte beobachten und lernen. Seine eigenen Hände faltete er unwillig, denn die Vorstellung, Sklave zu sein, behagte ihm nicht im Geringsten. Es gab Menschen, die aus dieser Fantasie ihren Reiz zogen, doch Stilo gehörte zum gegenteiligen Ende des Spektrums. Auf die Knie ging er freilich nicht, sondern blieb sitzen an seinem Tisch, Ritus hin oder her. Kein Römer verneigte sich und noch weniger sollte er auf Knien rutschen.


    Doch er betete mit, das Experiment wagend, in sich hineinspürend - nichts. Da war nur die vertraute Leere. Erst, als Eudoxus für Stilos Frieden betete, rührte diese Geste der Milde an ihm. Das widerum behagte ihm nicht im Mindesten. Als das Gebet beendet war, befahl er schroffer als notwendig gewesen wäre: "Das wäre alles. Bringt ihn zurück in die Zelle."


    Zurück blieb Stilo, allein in der Finsternis über das Gesagte und Erlebte brütend. Er fragte sich, ob das Spiel, das er sich gönnte, nicht zu viel des Guten war. Er zog seine Konsequenz: Eudoxus würde keinen Besuch mehr erhalten, ganz so, als hätten sie ihn vergessen. Nicht einmal für ein Verhör holten sie ihn noch heraus.


    Als sei es ein Fingerzeig der von Eudoxus geschmähten römischen Götter, rutschte seine Akte versehentlich ins Archiv, so dass er tatsächlich für lange Zeit vergessen wurde.


    Sim-Off:

    Aufgrund des Exils des Eudoxus erfolgt hier erstmal ein Schnitt. Ich bedanke mich für das angenehme Spiel. Sollten dich eines Tages die Schritte wieder hierher führen, würde ich mich über eine Fortsetzung freuen.

    Dexter nahm die unterschriebene Wachstafel wieder entgegen, um sie später in der Poststelle abzugeben, wo sie schon ihren korrekten Bestimmungsort erreichen würde:



    Roma, ANTE DIEM VII KAL FEB DCCCLXXIII A.U.C.

    (26.1.2023/120 n.Chr.)


    BESCHWERDE


    Ich, Nero Aemilius Secundus, reiche hiermit Beschwerde über die Arbeitsweise der Administratio Imperatoris ein. Folgende Punkte möchte ich kritisieren:

    • Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben,
    • abwesende Domestiken,
    • abwesender Vorsteher,
    • nicht vorhandende Arbeitstätigkeit,
    • man wagt es, Mitglieder ehrenwerter Häuser warten zu lassen,
    • Vergeudung rarer und kostbarer Zeit,
    • Höhergestellte Gäste müssen auf subalterne Beamte warten,
    • Verschleuderung kaiserlicher Finanzen.


    Unterschrift:


    NAS



    Mit einem unterdrückten Schmunzeln nahm er wieder die übliche Körperhaltung ein, sich immer noch über die Formulierung "Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben" amüsierend. "Wenn man den Zeitpunkt für angemessen hält, Nero Aemilius Secundus." Der Prätorianer blinzelte verschmitzt. Da behaupte noch einer, Wachdienst sei langweilig.

    Dexter nahm sich eine Wachstafel und Griffel zur Hand. "In der Zwischenzeit helfe ich dir gern bei der Ausformulierung deiner Beschwerde - du brauchst nicht persönlich zu schreiben. Nur am Ende deine Unterschrift darunter zu setzen, so die Beschwerde in deinem Sinne ist."


    In - für einen Soldaten sehr schöner - Handschrift hielt er fest:


    Roma, ANTE DIEM VII KAL FEB DCCCLXXIII A.U.C.

    (26.1.2023/120 n.Chr.)


    BESCHWERDE


    Ich, Nero Aemilius Secundus, reiche hiermit Beschwerde über die Arbeitsweise der Administratio Imperatoris ein. Folgende Punkte möchte ich kritisieren:

    • Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben,
    • abwesende Domestiken,
    • abwesender Vorsteher,
    • nicht vorhandende Arbeitstätigkeit,
    • man wagt es, Mitglieder ehrenwerter Häuser warten zu lassen,
    • Vergeudung rarer und kostbarer Zeit,
    • Höhergestellte Gäste müssen auf subalterne Beamte warten,
    • Verschleuderung kaiserlicher Finanzen.


    Unterschrift:




    Dexter hielt dem Patrizier die Wachstafel und den Griffel zum Gegenlesen und Unterzeichnen hin.

    Dexter prägte sich also mit einem leichten Schmunzeln jene Sachverhalte ein, welche der Spross aus patrizischem Hause zu bemängeln hatte. Als Prätorianer besaß er ein vorzüglich geschultes Detailgedächtnis und memorierte laut:


    "Schlendrian in den kaiserlichen Amtsstuben,

    abwesende Domestiken,

    abwesender Vorsteher,

    nicht vorhandende Arbeitstätigkeit,

    man wagt es, Mitglieder ehrenwerter Häuser warten zu lassen,

    Vergeudung rarer und kostbarer Zeit,

    Höhergestellte Gäste müssen auf subalterne Beamte warten,

    Verschleuderung kaiserlicher Finanzen.


    Möchtest du noch etwas zu dieser Auflistung ergänzen? Darf ich zudem mitteilen, welcher wichtigen Säule der römischen Gesellschaft die wertvolle Zeit durch diesen untragbaren administrativen Schlendrian geraubt wurde? Welches Amt bekleidest du noch gleich, ehrenwerter Nero Aemilius Secundus, von dessen Ausübung du in diesem Moment abgehalten wirst...?"

    Dexter gehörte zur seltenen Gattung der feingeistigen Prätorianer. Dies mochte einer der Gründe sein, warum man bevorzugt ihn damit beauftragte, sich um anspruchsvolle Gäste zu kümmern, wenn Sempronius "Patiens" Sophus gerade am Tor verpflichtet war. Zunächst beabsichtigte Dexter, nicht zu antworten, doch dann wandte er dem Aemilius seinen Blick zu.


    "Wünschst du, ehrenwerter Nero Aemilius Secundus, dessen wertvolle Zeit durch die kaiserlichen Finanzbeamten vergeudet wird, dass ich deine Beschwerde über die Führung der Administratio Imperatoris weiterleite?" In seiner Stimme lag, kaum hörbar und doch für den Aufmerksamen Zuhörer wahrnehmbar, etwas Lauerndes.

    Der Prätorianer Faustus Faucius Dexter blieb demonstrativ bei dem Aemilier stehen, das Gesicht zu Stein erstarrt. Er sagte noch nichts, doch seine bloße Anwesenheit sollte dem Gast Warnung sein, es diesmal nicht zu übertreiben. Gleichsam war seine Präsenz eine Geste des Schutzes gegenüber den Mitarbeitern des Officiums. Kein Mitarbeiter des Palasts sollte Angst vor körperlichen oder verbalen Übergriffen haben müssen, und jene waren durch diesen Patrizier zu befürchten.


    Um die Ecke standen stumm Stilo und Pansa, lauschend und wartend. Niemand bemerkte sie, der es nicht sollte, und doch waren sie da. Sie wussten, wie die Architektur und Akustik des Palasts zu ihrem Vorteil zu nutzen sei, die Ausleuchtung, die keinem Zufall folgte, sondern einem System, das hier und dort strategische Schatten ließ. Sie wussten auch um den einen oder anderen Geheimgang.

    Eine Hand auf dem Schwertgriff ruhend verfolgte Stilo das Gebaren des aemilischen Großkotzes. Dieser Nero Aemilius Secundus wusste nicht, wie viel Glück er hatte, an Sempronius Sophus geraten zu sein und nicht an Stilo, der ihn nach diesem Theater schon aus Prinzip mit besonderer Ausführlichkeit durchsucht hätte, die Machtlosigkeit des Gastes in vollen Zügen auskostend.


    Sempronius Sophus war zu jeder Zeit Herr der Lage, so dass niemand eingriff, doch prägte man sich Gesicht und Namen ein. Es gab Zeiten, da hatte die Garde den Thron des Kaisers an den Meistbietenden versteigert und manche sagten, sie seien die wahren Herren Roms. Etliche Kaiser waren durch die Hand der Prätorianer gefallen. Niemand außer ihnen selbst wusste um die Macht, welche ihnen jetzt, in diesem Moment, tatsächlich innewohnte.


    Stilo nickte Sophus zu, als der Gast ins Innere des Palasts geleitet wurde, eine Geste der Anerkennung für die Arbeit, gleichsam Hinweis, dass Sophus niemals allein war und stets auf den Rückhalt seiner Centuria zählen konnte.


    Im Vorbeigehen legte Stilo ihm kurz die Hand auf die Schulter. Der aemilische Spross wäre bei dieser kameradschaftlichen Geste vermutlich weinend in sich zusammengebrochen. "Ich folge mit Pansa diesem Aemilius. Wir machen keine halben Sachen - wenn der noch mal zuckt, fliegt er achtkant raus. Danach kann er seinen Halbmond aus dem Rinnstein kratzen."


    Während Sophus den Wachdienst mit der übrigen Wachmannschaft fortsetzte, geleitete ihr Kamerad Dexter den Gast bereits durch die ehrwürdigen Hallen. Ihm folgte Stilo mit Pansa auf einem anderen Wege, so dass ihre Präsenz nicht gleich ersichtlich würde. Dieser Gast war weit davon entfernt, das Vertrauen der Garde zu genießen.

    Die Prätorianer, die in ziviler Kleidung und weitläufig verteilt auf dem Platz standen, waren allerdings nur für jene, die sie persönlich kannten, als solche zu erkennen, auch wenn ihre muskulöse Statur durchaus vermuten ließ, dass es sich hierbei um Soldaten handeln könnte. Die Einheit war durch nichts zu erkennen. Sie waren schließlich nicht dienstlich hier, sondern privat, weil ihr Optio es aus persönlichen Grünen "nett finden würde, wenn sie den Annaeer unterstützten". Wer stieß seinen Optio schon gern vor den Kopf? Außerdem winkte als Gegenleistung für diesen Gefallen eine Extraration Fleisch und Wein für jeden, der sich beteiligte.

    Annaeus Florus Minor galt als sehr korrekter Mann. Er war sicher keine schlechte Wahl. Als Patron von Stilos Neffen Iunius Caepio war es zudem praktisch Familiensache, ihn im Wahlkampf zu unterstützen. Doch Stilo wäre nicht Stilo, würde er nicht darüber hinaus denken.


    Sein Bruder, der exzentrische Ravilla, hatte es sich im Senat bei dem einen oder anderen schon verdorben, bevor er überhaupt selbst Senator war. Das musste einer erst mal schaffen. Ravilla würde in Zukunft bei seiner Karriere jede nur erdenkliche Hilfe nötig haben, sofern er nicht am Ende seines Tribunats im Triumphzug aus Germania wiederkehrte. Also galt es, dem alten Prinzip von Geben und Nehmen tatkräftig zu frönen und zu hoffen, dass der Annaeer sich zu gegebener Zeit daran erinnern würde.


    Stilo stand mit der gesamten Centuria in Zivil auf dem Platz verteilt, die Männer klatschten emsig und johlten aus voller Kehle beim Erscheinen des Senators, sie machten einen Lärm und pfiffen mit glänzenden Äuglein, als stünde dort nicht ein angehender Praetor, sondern ihr Lieblingsgladiator.

    Unter den Arbeitern befanden sich in wechselnden Schichten auch drei als Bauarbeiter verkleidete Prätorianer, zu diesem Anlass ärmlich gekleidet, unrasiert und ungekämmt. Angeblich kamen sie vom Land und wohnten nur für die Dauer der Bauarbeiten in der Stadt. Sie packten fleißig mit an und machten keinen Ärger. Sie schnüffelten auch nicht mehr als gewohnheitsmäßig herum, denn die Arbeit am Aquädukt galt nur ihrer Tarnung, damit sie "zu Feierabend" ihrer tatsächlichen Arbeit gegenüber der Casa Didia nachgehen konnten, ohne dass jemand daran Anstoß nahm, warum in diesem Haus auf einmal drei kräftige junge Männer ein gemeinsames Quartier bewohnten.

    "Danke, mein Guter." Er wusch sich die besudelten Finger und trocknete seine Hände ab. Wieder versöhnt überließ er Terpander seinen üblichen Tätigkeiten (wahrscheinlich wieder faul sein). Eigentlich mochte er den alten Sklaven, nur wurde er das Gefühl nicht los, dass dieser ihn herablassend ansah. Was Scato betraf, war Stilo sicher, dass Terpander seinen Herrn nicht für voll nahm, aber diesem war das auch egal. Stilo jedoch verlangte Respekt und ein Mindestmaß an Arschkriechertum. Immerhin schien Tacitus mit dem eigenwilligen Hellenen gut klarzukommen.


    Stilo widmete seine Aufmerksamkeit wieder Tacitus. "Ehrlich gesagt, verstehe ich nur die Hälfe. Ich würde es aber gern verstehen. Magst du mir den Unterschied in den rechtlichen Besonderheiten von Alexandria und Roma, was die Verurteilung der Christianer betrifft, kurz laienfreundlich zusammenfassen?"

    Stilo war zurückgekehrt, um sich ein Bild zu machen. Leise sanken die ersten Schneeflocken dieses Jahres auf die Dächer Roms. Um die Casa Didia herum schien alles ruhig. Keine Aktivitäten von Achatius. Lebte der überhaupt noch? Stilo saß im Haus gegenüber, wo er sich unter einem anderen Namen und in ziviler Kleidung ein Zimmer gemietet hatte. Dort saß er nun, eingehüllt in einen Wollmantel, auf seinem Stuhl schräg am Fenster und zeichnete auf seinen Wachstafeln herum. Hinter den Vorhängen hervor behielt er die Casa Didia im Auge.


    Eine vernachlässigte Pflicht, der er nun verstärkt nachkam.


    Sein Kopf schwirrte, er war nicht bei der Sache. Zu viele Verhöre, die endlose Dunkelheit, die gleichsam Teil von ihm war und doch bisweilen an ihm zehrte. Etwas stimmte nicht. Was das war, fand er einfach nicht heraus. Zu wenig Ablenkung in jedem Fall. Beim Gespräch mit dem Praefectus Urbi war er völlig durcheinander gekommen, hatte Achatius mit Theognis verwechselt und obendrein vergessen, die Observierung durchzuführen. Das war sehr peinlich. Er würde einen korrigierten Bericht anfertigen müssen. Der Präfekt hielt ihn wahrscheinlich entweder für jemanden, der schlampte, oder für einen Säufer. Dabei war Stilo schlichtweg nicht gut drauf. Es war eine unglückliche Momentaufnahme, die leider genau in dieses Zeitfenster fiel.


    Die Lupanare boten nicht seinen Geschmack. Es war wie einen Heißhunger mit trockenem Mehl zu stillen und Tag für Tag nichts anderes zu Essen zu bekommen. War es die ungewohnte Umgebung? Vermisste er gar Madara? Wohl kaum. Stilo war ja kein sentimentaler Trottel. Der Einzige, den er vermisste, war Sabaco. Ihm fehlte sein Herz, das in schwarzen Flammen stand, und an dem auch Stilo sich bisweilen entzünden konnte, wenn ihm danach war. Dann brannten sie gemeinsam. Er schloss kurz die Augen. Ja, ihm fehlte die schwarze, lodernde, kranke Freundschaft von Sabaco.


    War das alles? Er horchte in sich hinein. Doch wie immer, wenn er nach seinen Gefühlen suchte, verlor sein Blick sich im schwarzen Abgrund seines Inneren. Da war einfach nichts. Als würde ein Teil fehlen, den andere Menschen besaßen.


    Das Theater bot auch nur den üblichen Schund, der aber nicht schlecht genug war, um witzig zu sein. Liebe, immer wieder Liebe, als sei das ein Fluch, der ihn verfolgte. Er ging mit Pansa und Dexter nur hin, um die Handlung vohrerzusagen und zu lästern. Wie oft hatte er mit Pansa gerätselt, ob es Menschen gab, die sich wirklich wegen irgendeiner Frau derart zum Affen machten, und dann Dexter ausgelacht.


    Normalität ... Stilo brauchte wieder seinen vertrauten Trott. Alles stand Kopf. Als Freund der Gladiatorenkämpfe wartete er sehnsüchtig auf den ersten Auftritt der Kämpfer aus dem neu eröffneten Ludus Magnum. Sein Stift zeichnete wie von selbst einen Gladiator.


    Noch immer herrschte Schweigen in der Casa Didia.

    Die Vorführung des Nachwuchses war vielversprechend. Sie waren ausnahmslos gut gebaut und ihre Technik konnte sich sehen lassen. Doch der Höhepunkt kam, als der Meister höchstselbst in den Ring stieg und seinen Stab wirbeln ließ. Stilo ließ einen anerkennenden Pfiff hören, als der alte Gladiator den letzten Jungspund Staub fressen ließ. Als Paullus Stilo wie den Kaiser höchstselbst grüßte, lachte er herzlich und applaudierte. Der Bursche war ganz nach seinem Geschmack.


    Danach musste er sich noch ein wenig gedulden, bis der Gladiator sich umgezogen hatte und zurückkehrte.


    "Sauber, wirklich sauber, Paullus. Ich bin zwar kein Priester, aber ich prophezeihe dem Ludus Magnus eine blühende Zukunft. Priscus den Zerstörer gibt es übrigens garantiert immer noch! Wäre er tot, wäre ein Aufschrei durch meine Truppe gegangen. Dem hätte mein Kamerad sicher gern mal die Hand geschüttelt. Doch wenn ich deinen Nachwuchs sehe, dürfte er bald ernsthafte Konkurrenz haben. Ich nehm dann lieber deine Hand."


    Stilos Griff war kraftvoll, aber nicht unangenehm, und er lächelte dem alten Gladiator zu. "Das Vergnügen war ganz meinerseits. Hab Dank für die Vorstellung. Technisch astrein, das dürfte spannend werden. Ich freue mich darauf, deine Männer in der Arena zu sehen. Dein Angebot zur Leibesertüchtigung behalte ich im Hinterkopf."


    Sim-Off:

    Was sind denn Eleven? Ich habe Google befragt, aber kein Ergebnis gefunden.

    Divide et impera! Natürlich. Vielleicht war das der Schlüssel!


    Die Judäer hatten die Römer vor den Splittergruppen gewarnt. Was in Alexandria funktioniert hatte, mochte auch in Rom funktionieren. Ein recht konkretes Bild von dem, was zu tun war, erschien in seinem Kopf. Genauer - ein Gesicht. Nun war Stilo nur Optio, keiner der Planer hinter all den Aktionen der Prätorianer, nur ein Werkzeug. Doch stand es ihm frei, Vorschläge zu unterbreiten.


    "Interessant. Man mag von einer Situation durchaus auf die andere schließen können, wenn die Rahmenbedingungen sich ähneln. Es gibt klügere Männer als mich, die sich mit solchen Beobachtungen auskennen." Er würde jemanden konsultieren, doch jetzt futterte er noch drei oder vier Eihälften, die recht schnell in seinem Magen verschwanden, so dass er nicht genau nachzählte. Vielleicht waren es auch fünf.


    Wo blieb eigentlich dieser arschfaule Terpander, um ihm die klebrigen Finger abzuwaschen? Er blickte sich nach Scatos verwöhntem Sklaven um, fest entschlossen, keinen anderen Sklaven zu akzeptieren, von denen hier genug herumliefen, sondern nur genau diesen. Ihm ging es ums Prinzip. Die Masche des armen alten Mannes zog bei Stilo nicht.


    "Um was ging es denn bei diesem Rechtsgutachten? Ich bin eigentlich eher ein Freund der guten alten Arena, damit man garantiert Ruhe hat."

    Stilo sah den Glanz in den Augen des Eudoxus. Es war ein Jammer, was man aus diesem Mann gemacht hatte. So viel Geist, der dem Imperium hätte nützen können - verschwendet. Wofür? Was blieb am Ende übrig von den Träumen dieses jungen Mannes? Wenn die Prätorianer ihrer Aufgabe nachkamen - nichts. Wenn sie jedoch versagen sollten, mochte das anders sein. Hier saßen sie sich gegenüber, Stilo gegen Eudoxus, Römer gegen Christianer.


    Und Stilo spürte eine innere Kälte, die nach seinem Herzen griff, gleich einer Vorahnung, doch als er genauer hinzufühlen versuchte, war da nur seine eigene innere Leere. Vor ihm aber saß jemand, der vor lauter aufrechten Empfindungen schier erstrahlte, als trüge er zu viel Liebe in sich, als würde sein Herz davon überlaufen. Hier, in diesem dunklen Kerker, umgeben von den schrecklichsten Foltermaschinen, welche der menschliche Sadismus je hervorgebracht hatte, lächelte Eudoxus und bat den Mann, der ihn verhören und foltern sollte, mit ihm gemeinsam zu beten.


    Stilo war kein sonderlich gläubiger Mensch, er war ein eigenbrödlerischer Zweifler. Doch sprach nichts dagegen, das Beten einmal zu versuchen, um zu erforschen, wie diese eigenartigen Menschen funktionierten. Wie dieser Mensch funktionierte. Auch wenn die Christianer es hartnäckig leugneten - auch ihr Gott war nur einer von vielen und für einen Römer nicht besser oder schlechter als jeder andere.


    "Ich möchte gern mit dir beten, Eudoxus. Sag mir, was du dafür brauchst und was ich tun soll."

    "Ja, drum sprechen wir auch von einer radikalen Splittergruppe. Soll wohl auch andere geben, aber manche halten die Formulierung für unnötig." Ihm selbst waren bislang nur Fanatiker untergekommen, die sich in Rom scheinbar zusammenrotteten. Eine Entwicklung, die nicht nur ihm aufgefallen war und Anlass zur Sorge bot. Normalerweise müssten die Ermittlungen noch viel tiefgreifender sein. "Es gab in Alexandria also keinerlei Eskalationen? Es gab demnach auch keine Warnzeichen, die auf unerfreuliche Entwicklungen hinwiesen, weil es gar nicht so weit kam? Oder wurden diese nur zeitiger erkannt?"


    Wie diese merkwürdigen Holzfische, die sie sich um den Hals hängten - wer so ein Ding um den Hals trug, galt hier aufgrund der Ereignisse mittlerweile als überführt. Vielleicht gab es noch andere Kennzeichen dieser Fanatiker, an die sie gar nicht dachten, die aber Tacitus aus seiner Heimat kannte. Stilo fragte sich, ob die Milites aus Alexandria einfach besser aufgestellt waren, besondere Taktiken hatten oder ob sie schlichtweg nur wenige radikale Christianer in der Polis hatten, als sie hier in Rom ...


    "Ich hoffe, das klingt für eine gemütliche Cena nicht nach Verhör, die Neugier ist eine Berufskrankheit. Ich denke unentwegt über diese Dinge nach. Sie bereiten mir einiges Kopfzerbrechen."

    Stilo ließ sich genüsslich eine der matschigen Eierhälften schmecken. "Das Beste ist das flüssige Eidotter", schmachtete er, vertilgte noch zwei weitere Hälften und lutschte sich erstmal die Finger ab, um nicht wie ein Gierschlund alles auf einmal zu essen. "Freundlich von dir, mich nicht zu vergessen. Aber mach dir nicht zu viele Gedanken um irgendwelche Schuldigkeiten. Dafür hat man Verwandte, wenn auch um hundert Ecken des Stammbaums."


    Die Eier glitzerten verführerisch, aber er nahm erstmal noch ein wenig Wein, um seinen Appetit höflich herunterzukämpfen.


    "Alles, was unter das Dienstgeheimnis fällt, muss natürlich dort verbleiben. Aber ich kann dir die Dinge mitteilen, die im allgemeinen Klatsch und Tratsch von Rom umgehen. Es gab nicht nur Schmierereien an den Tempeln, sondern üblen Vandalismus. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Gemeinhin spricht man von einer radikalen Splittergruppe dieser Christianer, die dafür verantwortlich sein sollen."


    Ob dem wirklich so war, durfte er im Moment weder bestätigen noch dementieren, weil es dazu bislang kein Urteil gab und auch keinen Befehl, eine bestimmte Stimmung zu säen, wie es auch zu den regulären Aufgaben der Prätorianer gehörte.


    "Gab es in deiner alten Heimat ähnliche Probleme?"

    Der Blick des Prätorianers ruhte aufmerksam auf dem Gesicht des jungen Mannes. Er wusste, wie ein Mensch funktionierte, doch ihm war fremd, wie dieser Mensch dachte und fühlte. Die ihm vertrauten Gesetzmäßigkeiten wirkten ausgehebelt. Etwas ergab hier keinen Sinn. Eudoxus war zu klug, um wirklich blind zu sein in seinem Fanatismus. Er sprach wie ein Poet, wenn er von der Heimat sprach, oder von seiner Familie und seinen Gefühlen. Und wie ein Bauerntrampel, sobald es um den Glauben ging. Er hätte erkennen müssen, das in den Verbrechen seiner Christianerfreunde weder Nächstenliebe noch Barmherzigkeit lagen. Und er hätte es auch erkannt, wäre dort nicht diese Blockade.


    Doch wer hatte sie errichtet? Und wie konnte man sie einreißen?


    "Du siehst glücklich aus, wenn du von Antiocha sprichst. Warum hast du das Paradies verlassen?" Er zögerte. "Und eine Frage brennt mir schon länger im Herzen. Ich wollte sie dir schon früher stellen, doch es hat sich nicht eher ergeben. Würdest du für die Seele eines Feindes beten, Eudoxus? Würdest du für Optio Sisenna Seius Stilo von den Cohortes Praetoriae beten, damit der Herr ihm seine Taten verzeiht?"

    "Ich bin nun hier stationiert, ja." Stilo schaute sich die Umgebung an. Es blieb spannend, auf welche Weise Paullus seine Ausnahme zu machen gedachte. "Sieht doch aus, als würde hier mal wieder alles auf Vordermann gebracht werden. Schön. Stellst du mir auch deine Kämpfer vor? Ich muss doch wissen, auf wen ich setzen kann, wenn die Kämpfe eröffnet werden. Ein Bekannter ist ganz heiß auf Priscus den Zerstörer. Weiß gar nicht, aus welcher Schule der kommt. Ist Priscus zufällig einer von deinen Jungs?"