Beiträge von Lucius Decimus Maximian

    Während Mercator sich um die kleine Familie kümmerte, war Maximians Interesse für Viola Annaea geweckt - sie hatte Ähnlichkeiten mit einem Mädchen, dass Maximian in seiner alten Heimat sehr gut gekannt und gemocht hatte. Ein Teil Vertrautheit, das ihn erfreut lächeln ließ, als sie ihm zuzwinkerte.
    Er sah seinem Onkel hinterher, wie er mit der einen Besucherin und ihren Kindern verschwand, um ihr das Gästezimmer zu zeigen und nahm sich an ihm ein Beispiel, um mit Viola Annaea das selbe zu tun. Gallus brauchte er nur ein knappes Zeichen zu geben, dann wandte er sich an die Besucherin, mit der er während sie sprachen ins Gästezimmer I lief.


    Bitte, nenne mich Maximian. Ich bin der Sohn von Maximus Decimus Meridius und sicherlich noch nicht sehr bewandert in diesen Dingen... Gastfreundschaft und so... aber wenn du mir folgen magst, zeige ich dir das Gästezimmer."

    Nachdem er sich von Nigidius Wohlergehen überzeugt und sich dabei beinahe die Zehen abgefrohren hatte, lief Maximian schnellen Schrittes und sich wieder die Hände reibend zum Eingang der Casa.
    Schon von Weitem erkannte er eine Figur, die sich schließlich als eine Frau erwies, als er nah genug war. Allmählich verlangsamte Maximian, der für sein Alter wirklich groß und breit war, sein Tempo und kam neben ihr mit neugierigen Blicken zum Stehen.


    "Ave. Was führt dich hierher?"

    Maximian war wie er sich vorgenommen hatte, nachdem er Tarraco erkundet hatte, in den Garten der Casa gelaufen. Auch hier hielt sich eine dünne Schneeschicht - auf den Straßen waren die Flocken schnell wieder verschwunden.
    Nachdem er einen kurzen Rundgang gemacht hatte und inzwischen so sehr frohr, dass er sich wünschte nur noch ins Warme zu kommen, suchte er noch flugs die Ställe auf, wo er sein Pferd vermutete. Tatsächlich wurde er auch zu seinem Wallach geleitet. Nigidius, so hieß der inzwischen leicht gealterte, pechschwarze Wallach, stand in einer mit Heu aufgefüllten einfachen Box und fraß begierig. Als er seinen Besitzer erkannte, hob er den Kopf und schnaubte erfreut.


    "Wie ich sehe, ergeht es dir hier bestens, mein Guter."


    Das Pferd ließ sich den Hals abklopfen und widmete sich schließlich wieder einer der Hauptbeschäftigungen eines Pferdes. Maximian gönnte es ihm, schließlich hatte er ihn den Weg hierher auf seinem Rücken getragen.
    Dieses Pferd und den jungen Mann verband eine alte Geschichte. Nigidius galt einmal als unzähmbar und sollte geschlachtet werden, nachdem er einige Besitzer verletzt oder gar mit einem kräftigen Hufschlag getötet hatte. Maximian, gerade 9 Jahre damals, hatte in seiner freien Zeit oft die Gelegenheit gehabt, das Tier zu pflegen und nie hatte er ihm irgendeine Bosheit gegenüber gezeigt. Das und der innige Wunsch nach einem eigenen Pferd hatte ausgereicht, seinen Ziehvater zu überreden, dass er Nigidius kaufte - da er eh geschlachtet werden sollte, bekam er ihn sogar recht günstig und hatte deshalb kaum Widerworte.
    Seit diesem Tag an war Maximian täglich auf dem Rücken des Wallachs ein paar Stunden durch die Natur geritten, so waren sie im Laufe der Zeit ein eingespieltes Team geworden. Und immernoch war er etwas ganz besonderes, denn auch heute noch ließ er keinen anderen als Maximian aufsitzen. Jeder, der es versucht hatte, musste schnell aufgeben, um am Ende nicht das Leben auszuhauchen oder als Krüppel davonzukommen.


    Noch ein paar Minuten lang hielt Maximian sich bei seinem treuen Ross auf, klopfte und tätschelte es, bis er die Kälte schließlich nicht mehr aushielt und sich schleunigst daran machte, ins warme Haus zu kommen.

    Kaum war der junge Maximian aus der Casa seines Vaters getreten, erfasste ihn ein Windstoß und ließ ihn erschauern. Es war wirklich verdammt kalt geworden und auch die pelzbesetzte Tunika konnte die eisige Kälte nicht komplett abhalten. Er rieb sich die Hände und vergrub sie tief in seiner Kleidung, während er sich eine Richtung aussuchte, in der seine Stadterkundung beginnen sollte. Er wählte die Richtung, aus der er gekommen war und stapfte durch den Winterwind.


    Nachdem er irgendwo abgebogen war, passierte er das öffentliche Bad, neben dem auch gleich ein riesiges Gebäude stand, das das Krankenhaus der Stadt beherbergte. Beide waren riesige Bauten, die Maximian mehr als erstaunten, denn aus seiner alten Heimat kannte er nur kleine, einfache Häuser, vor denen zudem nicht annähernd so viele Menschen herumwuselten, wie hier in Tarraco - und das trotz der bitteren Kälte.
    Seine Füße, an denen er die Kälte am meisten verspürte, trugen ihn weiter, vorbei am Stadtpark, der weißer als der Rest der Stadt war, und am Rathaus vorüber. Aus der Taverne vernahm er Stimmen, die auf irgendetwas ihre Becher erhoben, vom Bauhof her konnte er einige Rufe hören, die anordneten, irgendetwas höher zu halten und der Tempelbezirk zog langsam zu seiner Rechten vorbei, denn den wollte er sich später erst genau ansehen; Maximian hielt es mit den Göttern nicht so ernst, wie seine Mutter es gerne gesehen hätte.


    Über den Wochenmarkt und durch ein Wohnviertel lenkte er seine Schritte schließlich frierend aber zuverlässig zur Casa Decima zurück. Tarraco war groß, das hatte er auf seiner Erkundungstour erfahren. Nun wusste er auch, wo er was finden konnte und fühlte sich ein wenig wohler. Ein Mann, der nicht wusste, wo er sich befand, konnte sich nicht Zuhause fühlen.
    Auf der Straße, die zur Casa seiner Familie führte, erwachte die Neugier auf seinen Vater wieder. Er hatte gehofft, er würde ihn schon bald kennenlernen, doch anscheinend musste er sich noch ein wenig in Geduld üben. Mercator hatte nicht so geklungen, als würde man Meridius schon bald zurück erwarten. Er freute sich aber schon auf den Tag, wenn es so weit sein würde.
    Ob Meridius inzwischen die Nachricht über seinen Sohn erhalten hatte, die Mercator losgeschickt hatte? Diese und viele andere Fragen kamen dem Jungen, vor allem aber eine immer wieder: Wie er wohl reagiert hatte, wenn er es erfahren hatte?
    Mutter hatte ihm nicht viel verraten, weil sie sich zu sehr fürchtete. Er wusste nur, dass sein Vater eindrucksvoll war, ein guter Mann und sie schien ihm vertrauen zu können, da sie eigentlich keinen Anlass gehabt hätte, Maximian zu ihm zu schicken. Ihr Mann hielt Maximian für seinen älztesten Sprössling, ergo wurde er so auch von ihm behandelt. Allerdings war er nicht so gut betucht wie Meridius offensichtlich und vielleicht war das ein weiterer unausgesprochener Grund für ihre Entscheidung, dachte Maximian.


    Maximian selber wusste nur, dass er seinen Vater kennenlernen wollte und er seine Mutter sicherlich einmal wiedersehen würde. Heimweh hatte er nicht, dazu hatte Tarraco einfach viel zu viel Neues zu bieten und außerdem hatte er sich in seiner alten Heimat nie so wirklich Zuhause gefühlt.
    Sich die Hände mit warmen Atem aufwärmend trat er vor die Villa und beschloss bevor er hineinging, sich erst einmal den Garten genauer anzusehen und sich nach seinem Pferd zu erkundigen.

    Ziestrebig hielt Maximian auf die Eingangstür zu und wollte gerade aus ihr herausschlüpfen, ohne noch irgendjemandem zu sagen, wo er sich aufhalten würde, wie er es Zuhause immer getan hatte. Jetzt allerdings war er woanders, zog die Tür also wieder zu und drehte sich wieder um, um nach irgendjemandem zu suchen, der vielleicht eine Nachricht für ihn aufnehmen konnte. Aber es war keiner in der Nähe, weshalb Maximian mehr als unbeholfen mal in den Raum und mal in einen anderen Raum sah.


    "Jemand dort?"


    Niemand dort.
    Was nun? Maximian räusperte sich und erinnerte sich an den Sklaven, der ihm das Bad gerichtet hatte. Wie hatte er sich ihm noch gleich vorgestellt? Gaurus, Gaius, nein. Galerus, auch nicht. Gallus! So hieß er.


    "Gallus, könntest du bitte kurz ins Vestibulum kommen?"


    Blinzelnd wartete Maximian, ob er von irgendwo her herrannahende Geräusche vernahm oder ob er lauter rufen musste.

    Ein paar Minuten oder Stunden später, dass konnte der junge Mann nicht genau sagen, wachte Maximian wieder auf. Zuerst wusste er nicht, wo er sich genau befand, aber nachdem er sich kurz umgesehen hatte, kamen die Erinnerungen an das Haus seines Vaters zurück, in dem er von nun an leben sollte.
    Er rutschte vom Bett herunter und besah sich einen fein säuberlich zusammengelegten Haufen Tuniken, von denen einige weniger dick, andere mit Pelz besetzt waren und gegen die kalte Witterung dort draußen sicherlich bestens schützen würden. Eine von den letzteren nahm er aus dem Stapel, betrachtete die feine Art der Verarbeitung des Kleidungsstückes und zog es sich schließlich über. Noch nie hatte er etwas derart kostbares getragen. Mit einem zufriedenen Grinsen stellte er rasch fest, dass es nicht schwer werden würde, sich daran zu gewöhnen.


    Maximian verließ sein Cubiculum mit der Absicht, sich in Tarraco umzusehen.

    Nachdem Maximian das Bad verlassen hatte, war er mehr oder weniger in dem großen Haus herumgeirrt, bis er das Zimmer fand, in dem er sich laut seines Onkels ungestört ausruhen konnte.
    Dort angekommen, sah er sich um. Es war ein relativ großer Raum, hell, warm, gut ausgestattet und er wusste, dass er sich darin wohl fühlen würde.
    Die Müdigkeit steckte ihm nach wie vor in den Knochen, weshalb er es sich auf dem Bett bequem machte. Er wollte gar nicht schlafen, nur ein bisschen dösen. Doch kaum hatte er den Kopf gebettet, wurden die Augen schwer und er schlief doch ein.

    Auf dem Weg hierher hatte Maximian einen Sklaven getroffen, dem er wegen seines nicht sehr vornehmen Aussehens erst erklärte, wer er war und dann darum bat, ein Bad einzulassen. Nachdem er das Bad gefunden hatte und mit einem flüchtigen Blick feststellen konnte, dass die Vorbereitungen schon getroffen wurden, lief er noch ein bisschen weiter und sah sich andere Räume an, die ihm offen standen.
    Als er schließlich zurückkam, war das Wasser bereitet. Er schickte den Sklaven aus dem Raum, entkleidete sich und stieg langsam in das warme Nass, das sofort einigen Staub und anderen Dreck aufnahm.


    Hier war er also - im Haus eines reichen Mannes, der sein Vater war. Ob seine Mutter um den wirklichen Umfang des Reichtumes wusste, als sie ihn gehen ließ? Maximian bezweifelte es.
    Er war nicht gerade in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, dennoch aber kam er sich hier wie einer der Sklaven vor, der einfach nur mehr Rechte hatte als andere. Er würde sich hieran erst gewöhnen müssen und hoffte, dass man ihm dabei die Hand reichen würde.


    Sein Blick fiel auf das Bildnis der Venus, die ihn anzusehen schien. Würde er seine Mutter wiedersehen? Sie war eine gute Frau, hatte versucht ihm immer nur das beste zuteil werden zu lassen. Schon früh war ihm aufgefallen, dass sie ihn anders als ihre anderen Söhne behandelte. Neuerdings wusste er warum und war ihr dankbar, dass sie den Mut gehabt hatte, es ihm zu erzählen. Hätte ihr Gemahl davon erfahren, wäre er vermutlich wie so häufig ausgerastet und er hoffte sehr, dass Damian, so hieß ihr Mann, nicht doch noch misstrauisch geworden war.


    Er genoss das Bad, das seine Haut reinigte und ihn aufwärmte, und die guttuenden Dämpfe, die ihm in die Nase stiegen und den Geruch von Pferden und Dreck verschwinden ließ, in vollen Zügen. Er war eine ganze Weile unterwegs gewesen und hatte ein Bad genauso wie ein weiches Bett entbehren müssen - und das bei dieser Jahreszeit. Seine Mutter hatte sich zwar Sorgen gemacht, aber da Maximian so gut wie noch nie krank gewesen war und auch sonst viel Zeit an der frischen Luft verbrachte, konnten diese besiegt werden. Wie vermutet, hatte ihm das Wetter auch auf einer solchen Reise nichts anhaben können, denn er erfreute sich bester Gesundheit.


    Nur widerwillig konnte er sich vom Wasser trennen, das inzwischen seine Hände in die einer Waschfrau verwandelt hatte und nun nicht mehr so klar war, wie als er eingestiegen war. Er rieb seinen dampfenden Körper mit einem weichen Tuch ab, band sich dieses dann um die Hüfte und griff zu einem Rasiermesser, mit dem er die Stoppeln im Gesicht sorgfältig so zurechtstutzte, wie er es mochte. Nie würde er das einem Fremden überlassen, deshalb hatte er von Anfang an geübt und konnte nun meist ohne einen Schnitt und blutende Wunden im gesicht die scharfe Klinge wieder beiseite legen. So auch dieses Mal.
    Schließlich zog er sich die Tunika, die er kurz vor der Stadt angezogen hatte, wieder über und verließ das Bad, das bis auf das trübe Wasser kaum Gebrauchsspuren aufzuweisen hatte. So würde er nicht unangenehm auffallen, dachte er.

    Maximian sah seinem Onkel erst noch einen Moment hinterher, dann sah er sich hilflos um. Wo hier wohl was lag? Schließlich ging er einfach los und sah sich so einen großen Teil der Casa an, ehe er im Bad ankam.

    Maximian stand ebenfalls auf und nickte lächelnd. Er hatte also seinen Onkel kennen gelernt. Wie groß die Familie wohl war, wenn er sagte, das alle unterwegs seien?


    "Ich bedanke mich für die Gastfreundschaft, Onkel Quintus. Ich versichere dir, ich werde keinem zur Last fallen. Wenn du es gestattest, würde ich gerne ein Bad nehmen und mir den Staub abwaschen."

    Ehrliche, große Augen musterten den alten Mann. Maximian konnte verstehen, dass es für ihn alles andere als leicht nachzuvollziehen war, dass Meridius, in welcher Beziehung auch immer zu Mercator stehen mochte, plötzlich einen Sohn hatte. Vielleicht einen weiteren.


    "Sie blieb bei meinem Ziehvater, Herr. Es war mein Entschluss."

    Maximian nahm auf dem angewiesenen Sitz platz und sah sich mit fliegenden Blicken um. Diese Casa war luxuriöser als alles, was er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Der Hausherr musste ein reicher Mann sein.


    "Nun ja, meine Mutter Iulia Severa, ihr Gemahl, meine Brüder und ich, leben in der Nähe des Meeres. Zu meinem letzten Geburtstag erzählte sie mir, dass ich kein Kind ihrer Ehe mit Magnus Severus Damian bin. Mein Vater, Meridius, und sie sollen sich vor langer Zeit getroffen haben. Sie meinte, er würde sich sicherlich an sie erinnern, trotz der nun beinahe 17 jahre, die vergangen sind, und auch meine Ähnlichkeit mit ihm soll nicht übersehbar sein."

    Maximian, ein überdurchschnittlich kräftiger und reifer junger Mann von 16 Jahren kam mit einem Pferd, das er an den Zügeln führte, die Straße entlang. Es wurde ihm gesagt, dass er die Casa Decima hier irgendwo finden würde und wie sie in etwa aussah.
    Seine Augen flogen von einem Anwesen zum nächsten, bis er eins passierte, das durchaus auf die Bescheibungen passen konnte. Er ging näher, besah sich das Haus und "entledigte" sich des Pferdes, als er auf die Tür zuschritt, die zu der prächtigen Villa gehörte.
    Als er direkt vor ihr stehen blieb, hielt er einen Moment mit bereits hochgehobenen Arm inne. Er war weit gereist, sah dementsprechend müde aus. Kurz vor seiner Ankunft in Rom hatte er sich eine "frische" Tunika übergezogen, damit er nicht völlig verdreckt dort auftauchte, wo sein Vater von seiner Existenz wahrscheinlich nicht einmal wusste. Schließlich klopfte der junge Mann kräftig an, trat dann ein paar Schritte zurück und nutzte die verstreichenden Sekunden dafür, sich von hier aus aus dunklen Augen die nähere Umgebung anzusehen.