Beiträge von Decima Valeria

    Bitte mich wieder ins Exil stecken. Ich schaffe es RL-bedingt nicht, hier regelmäßig mitzuschreiben. Mir fehlt momentan einfach die Zeit, weil sich viele Dinge geändert haben und ich meine Prioritäten neu verteilen musste. Tut mir leid um die Themen mit Sermo, Gracchus, Venusia und Musa. Ich hoffe, ich kann irgendwann wieder mit mehr Zeit einsteigen.


    Sim-on fährt Valeria erstmal nach Spanien zu ihrem alten Zuhause, vielleicht mit einem Abstecher nach Gallien zu Lucilla.

    "Danke." Valeria nahm Platz und drehte ihren Becher kurz in den Händen. Dann legte sie sich in den Schoß. Avarus schien nicht unbedingt begeistert davon zu sein, dass sein Sohn in Alexandrien studierte. Valeria hätte eigentlich versichert, dass er da wohl bestens aufgehoben war, aber angesicht von Avarus' geringer Begeisterung kommentierte sie seine Worte besser nicht.


    "Er war zu seiner Zeit der bedeutendste Iatros am Iatreion zu Alexandria und kam eigens für den Medizinkurs nach Tarraco. Soweit ich weiß, war die Schola sehr zufrieden mit seiner Leistung", erzählte sie. "Inzwischen lebt er auf Capri. Wir halten immer noch Kontakt."


    Auf Avarus' nächste Worte hin wiegte Valeria den Kopf. "Vertiefen nicht unbedingt. Wenn das mein Ziel wäre, würde ich kaum nach Rom kommen, sondern viel eher zurück ans Iatreion gehen. Aber ich möchte mein Wissen gern anderen vermitteln, das ist richtig." Sie nickte zustimmend. Ursus unterstützte sie ein wenig. "Den Archiven der Schola kannst du entnehmen, dass ich damals den Kurs mit einer Auszeichnung bestanden habe. Ich bin mir sicher, dass auch das Iatreion mir eine Empfehlung ausstellen würde, wenn ich darum bäte. Und nicht zuletzt kann ich Apollonius von Samothrake selbst als Referenz benennen", half sie nach.

    Valeria bemerkte natürlich den ungläubigen Blick, mit dem Sermo sie maß. Sie schlussfolgerte daraus, dass er nicht eben angetan war von ihrer Ablehnung und versuchte, das mit einem entschuldigenden Lächeln zu kompensieren. "Mir ebenso, Quintilius", erwiderte sie höflich. Von den Quintiliern hatte sie noch nie etwas gehört, soweit sie sich erinnerte. Allerdings hatte sie ja in der letzten Zeit öfter einiges vergessen.


    "Hm, das hört sich doch gut an. Vielleicht ist ja noch ein Zimmer frei für heute Nacht", sagte sie leichthin und klang dabei recht optimistisch. "Dann kommst du also auch nicht aus Ostia?" fragte sie weiter, denn wenn er hier leben würde, müsste er sich schließlich kein Zimmer mieten. Valeria fröstelte. Ein bisschen bereute sie schon, dass sie seine Schuhe nicht angenommen hatte. Es war doch ziemlich kalt. Aber sie war eine Decima. Und auch wenn sie vielleicht ein wenig dünn war, so hatte sie doch schon Schlimmeres überstanden. Sie dachte an die Lungenentzündung damals, als sie mit Maximian ausgeritten und in einen Regen gekommen war. Das schien ihr nun Jahrzehnte entfernt. Maximian war inzwischen schon fast neun Jahre tot. Valeria bedrückte dieser Gedanke, aber sie befand sich in begleitung, also gab sie sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.

    Valeria sah Livianus ausdruckslos an. Sie sagte dazu nichts. Überhaupt wirkte alles so unwirklich, als sei weder die Kriegsgefangenschaft noch diese Situation tatsächlich passiert.
    Livianus bat sie daraufhin dann, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Und er schaltete um, als sei das alles nichts gewesen. Valeria wandte den Blick ab. Gut, sie würde mitmachen. Sie hätte ohnehin nicht gewusst, was sie darauf erwidern sollte.


    "Wie du möchtest. Ich werde versuche, wieder eine Anstellung an der Schola zu finden", sagte sie ihm. Von Heiratsabsichten erwähnte sie nichts, und das war Absicht. Sie wollte mit ihm nicht darüber reden, und sie fand auch nicht, dass es ihn etwas anging. Außerdem hätte das alles nur wieder komplizierter gemacht. "Das hat man dir berichtet? Seltsam. Ich war bisher zweimal außer Haus und beide Male im Capitolium. Ich frage mich allerdings, warum dir das berichtet wird. Hast du ein besonderes Interesse daran, was ich tue und lasse?" Die Schola wollte sie erst in den nächsten Tagen aufsuchen. Sie war ja vor wenigen Tagen erst angekommen und hatte noch Probleme damit, sich wieder einzuleben. Ihre Antwort war ziemlich schnippisch gewesen. Das war ihr bewusst. Aber sie verstand den Sinn hinter der Überwachung nicht, und es wäre wohl kaum ein Sklave zu Livianus gegangen, um ihn ungefragt über ihre Ausgehgewohnheiten zu unterrichten. Also musste er das angeordnet haben. Nur warum?

    Valeria sah Livianus an und wartete, dass er weitersprach. Was er schließlich sagte, musste sie erstmal verarbeiten. Valeria blinzelte einige Male. Die Zeit verging. Valeria saß dort und sagte nichts. Sie sah Livianus nur an und versuchte ihn einzuschätzen, indem sie seine Augen musterte, sein Gesicht. Es war schlimm, dass er gefangen worden war, ohne Zweifel. Aber er sah gut aus und wirkte nicht gebrochen, und das hätte sie eigentlich erwartet. Dass er nun ein gebrochener Mann war, wie es jeder normale Mann sein würde. Dass er nachts aufwachen würde von seinen eigenen Schreien, aber gehört hatte sie nichts. Dass er das Thema vermeiden würde wo es nur ging, aber er hatte es direkt angesprochen. Und sie konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.


    "Wie bist du entkommen?" fragte sie dann im gleichen Tonfall wie er zuvor. Einfühlsam ruhig und sachlich, als redete sie mit einer flüchtigen Thermenbekanntschaft über das Ende von deren Kurzbeziehung.

    "Ja, natürlich, Senator. Und stimmt, meine Wurzeln liegen in Tarraco", sagte Valeria und nickte. Ihr Blick streifte die Sitzgelegenheiten, aber sie fragte nicht, sondern sah Avarus wieder an. "Wie geht es Lucilla denn? Ich war eine Weile unterwegs und habe seit einer Ewigkeit nichts mehr von ihr gehört. Und ich hoffe sehr, dass du mir weiterhelfen kannst", fuhr sie freundlich fort. Sie bemerkte zwar, dass es Ursus wohl etwas befremdlich erschien, dass sie selbst das Wort ergriff, aber so wichtig war ihr das nicht. "Ich habe vor einigen Jahren einen Medizinkurs der Schola belegt. Apollonius von Samothrake hat ihn gehalten, vielleicht erinnerst du dich noch? Im Anschluss war ich mit ihm auf Reisen und habe meine Fähigkeiten weiter ausbauen können. Ich habe auch Erfahrung während meiner Zeit im Iatreion in Alexandrien gesammelt, und jetzt, wo es mich wieder nach Rom verschlagen hat, wollte ich mich in den Dienst der Schola stellen. Ich war ja zuvor schon einmal ein paar Jahre Curatrix in Spanien. Und Aurelius hier erzählte mir vorhin, dass ihr einen Medizinkurs anbietet, der allerdings nur rein theoretischer Natur ist." Valeria stockte und lächelte entschuldigend. "Verzeih mir, wenn ich dich damit überfalle."

    "Griechenland steht besonders beim Adel hoch im Kurs, was die Bildung angeht", bemerkte Valeria und nickte. "Viel zu wenige suchen in Ägypten nach Wissen. Dabei lohnt sich das allein schon wegen des Museions in jedem Falle. Jetzt wo du Senator bist, wirst du dort nicht mehr hinkommen." Sie warf Ursus einen freundlichen Seitenblick zu. "Ich habe selbst eine Weile in Germanien gelebt. In Ägypten war ich auch. Ich habe schon viel von der Welt gesehen", erklärte sie und stutzte. Dann musste sie lachend den Kopf schütteln. "Wenn ich mich so reden höre, glaube ich sogar selbst, dass ich eine alte Frau bin. Ist das nicht dumm von mir? Ich sollte jedem erzählen, ich sei ein naives Landei, das nicht mehr kennt als ihr Geburtsdorf in Spanien und ein wenig von Rom." Valeria kicherte vor sich hin und schüttete weiter den Kopf. "Ich war sogar mal in Mantua und habe eine Weile als Priesterin dort gearbeitet. Man kommt viel rum, wenn man mit einem Legaten...reist." Dass sie mit ihm zusammen gewesen war, ging niemanden etwas an.

    An jenem Ohr baumelte sogar ein tropfenförmiger Anhänger, genau wie an dem anderen, das ihm noch vom blonden Haar verborgen blieb. Der kalte Wind allerdings verstärkte sich noch etwas, was ihr das Haar ohnehin wieder verzwirbelte. Böig strich er am Strand entlang, verwirbelte den trockenen Sand und zupfte auch an Sermos Haaren. "Ja, bis nach Ostia", sagte Valeria und schmunzelte. "Aber ich wohne eigentlich in Rom." Mit einer Sänfte oder Kutsche wäre man schnell wieder zu Hause, oder zu Pferd. Aber Valeria wollte sich lieber erstmal aufwärmen, auch wenn das hieß, dass sie erst am nächsten Tag zurückfahren konnte. Die Gasthäuser in Ostia waren allerdings erschwinglich, da machte sie sich keine Sorgen.


    Der Fremde ging ein paar Schritte und Valeria folgte ihm. Sie wusste nicht, was das für eine Idee sein sollte. Auch als er sich einen Schuh auszog nicht. Sie sah fragend auf den Schuh hinunter und dann dem Mann ins Gesicht. "Ich verstehe, Wir hüpfen zusammen auf einem Bein mit einem Schuh am Fuß die Promenade hinauf", sagte sie und musste einen kurzen Moment später lachen, als er sein Vorhaben erklärte. "Du möchtest also solidarisch sein und auch kalte Füße bekommen? Ich dachte, das wäre sonst Frauensache. Nein bitte, zieh deinen Schuh ruhig wieder an. Das ist wirklich nett von dir. Aber die paar Schritte schaffe ich auch so." Valeria lächelte ihn an. "Aber ich lasse mich gern auf einen heißen Wein einladen. Allerdings nur, wenn du mir deinen Namen verrätst. Ich bin Valeria von den Decimern", sagte sie freundlich verzichtete aber darauf, ihm die Hand zu geben, weil sie ihre feuchten Sachen weiterhin festhielt.

    Nicht lange vor ihrem Gespräch hier hatte Valeria von Livianus selbst erfahren, dass er ein Kriegsgefangener gewesen war. Das mutete ihr immer noch seltsam an, die Vorstellung, deswegen nickte sie nur. "Ja, ich habe heute früh erst davon gehört. Ein Wunder, dass er das überlebt hat und sie alle heil wieder zu Hause angekommen sind." Mehr wollte sie auch gar nicht darüber reden. Sie fühlte sich seltsam, wie betäubt, wenn sie daran dachte, dass sie einmal mehr als üblich für Livianus empfunden hatte. Deswegen stürzte sie sich umso begieriger auf das Einkaufsthema. "Morgen passt mir prima! Direkt nach dem Frühstück? Ich könnte auch ein paar neue Tuniken gebrauchen." Aus ganz offensichtlichen Gründen. Sie lächelte.

    Valeria nickte und schmunzelte dann. "Im Ernst? Und Mattiacus hat noch keinen Blick riskiert?" fragte sie belustigt. Anschließend nickte sie. "Ja, mit einigen Geschäften hatte ich es auch mal versucht. Das war gar nicht so schwer, aber letzten Endes habe ich sie dann an einen Aelier verkauft, ehe ich mich auf die Reise gemacht habe", erzählte Valeria und zuckte mit den Schultern. Heute trauerte sie keinem der Läden mehr nach. Sie fand, es lebte sich viel einfacher, wenn man keine Verantwortung dahingehend hatte.


    Scheinbar hatte sie mit ihrer Bemerkung allerdings etwas angerichtet, denn der arme Serapio sah sich nun gleich drei fragenden Blick gegenüber. Valeria kicherte leise. Und jüngster Centurio, Donnerwetter, das konnte sich schon sehen lassen. Die nächste Information ließ Valeria doch vorerst wieder zu Seiana schauen. "Du bist verlobt?" fragte sie überrascht, dabei war das doch nur verständlich. Seiana war in genau dem richtigen Alter, nicht so wie sie, eine alte Schachtel. Zumindest was die Ehe anging. Sie schmunzelte Serapio an. "Ich kann ihm das nicht verdenken, sofern er die Decimafrauen richtig einschätzt", bemerkte sie und lachte.


    Urplötzlich kam dann noch jemand herein, und Valeria brachte den Namen - Celest - auch sofort mit der Frau da in Verbindung, ohne zu wissen, ob sie das tatsächlich war, die besagte Freundin. Es war wohl sowas wie weibliche Intuition. Serapios Frage konnte Valeria allerdings nicht wieder einfach ignorieren. Das wäre zu auffällig gewesen. So seufzte sie ergeben und stand Antwort. "Um ehrlich zu sein, möchte ich die Umstände nicht unbedingt näher erläutern. Allerdings gedenke ich, diesen Missstand demnächst zu ändern."

    Valeria hatte keine Ahnung, worauf Livianus hinaus wollte. Ganz allmählich aber verlor sie die Geduld. Warum sagte er nicht einfach, was er zu sagen hatte? Sie kniff die Lippen zusammen und sah ihn ungeduldig an. Er war also nicht mit der Legion zurück gekommen. Aha? Valeria sah ihn nur fragend an, sagte aber nicht. Was sollte das? Sicher würde er auch so gleich damit herausrücken, was er ihr erzählen wollte.

    Ein Sklave hatte sie hierher geführt und sie scheinbar auch schon angekündigt. Selbstbewusst trat Valeria vor Ursus in den Büroraum ein. "Salve, Senator Germanicus", grüßte sie ihn und nahm direkt danach auch gleich das Heft in die Hand. Vermutlich überraschte sie aber nur den Aurelier damit, denn Avarus durfte das selbstsichere Auftreten schon von Lucilla gewohnt sein. "Es freut mich, dass du ein wenig Zeit erübrigen konntest, obwohl wir unangemeldet kommen. Ich bin Decima Valeria, du erinnerst dich viellecht. Aurelius Ursus kennst du ja schon. Ich hatte es zuerst direkt in der Schola versucht und dabei habe ich ihn getroffen." Sie hatten sich auf der Hochzeit gesehen und hin und wieder bei einigen Familienangelegenheiten. Ob es Avarus bewusst war, dass sie mal in der Schola gearbeitet hatte, wusste sie nicht.

    Ganz offensichtlich war er ein wenig verwundert. Nur warum und weshalb, da konnte sich Valeria keinen Reim drauf machen. Sie musterte ihn ihrerseits natürlich genauso wie er sie, und sie kam zu dem Schluss, das er bestimmt ein Geschöftsmann war. Oder zur Stadtverwaltung gehörte. Vielleicht auch zum Hafenamt. Er hatte eine Art, die ihr ein wenig steif anmutete, schien aber sonst ganz höflich zu sein. Und er konnte sie gewählt ausdrücken, wie sie mit einem unbefangenen Lächeln zur Kenntnis nahm. Ihr Blick folgte ihm, als er sich bückte und eine Sandale aufnahm, deren Tropfen der Wind nicht in einer geraden Linien hinabfallen ließ. Valeria hob die Brauen und schmunzelte verlegen. Sie strich sich in dem sinnlosen Unterfangen, ihr Haar bändigen zu wollen, selbiges hinter ein Ohr und zuckte dann mit den Schultern. "Ich wollte eigentlich nur ein wenig nachdenken", gab sie dann preis und lächelte flüchtig. Sie nahm ihm die Sandale ab und drehte sie in den Händen. "Wie es scheint, habe ich darüber die Zeit vergessen." Sie seufzte, ging in die Hocke und sammelte den Rest ihrer nassen Habseligkeiten ein. "Es ist tatsächlich etwas kühl", gab sie zu, spielte aber gleichzeitig seine Bemerkung mit der Lungenentzündung herunter. "So schnell passiert das schon nicht. Man muss nur sehen, dass man dann schnell wieder ins Warme kommt", fügte sie hinzu und lächelte ihn an, als sie wieder aufrecht stand. Im selben Moment wich das Lächeln einer erschrockenen Miene und Valeria machte leise quietschend einen Satz zur Seite, denn das Meer leckte mit gierigen Fingern über den Sand und hatte dabei ihre Füße umspült. Mit zerknirschtem Gesicht sah sie auf ihre nackten Füße und dann den Fremden an. "Tja... Nach Hause zu kommen, wird so allerdings ein Problem, glaube ich." Sie würde sich in einem Gasthaus aufwärmen, überlegte sie. Und dann fand sich schon eine Sänfte, die man mieten konnte, um am Abend wieder zu Hause zu sein. Ansonsten übernachtete sie eben hier. Sie sah das vermutlich weniger problematisch als der Fremde.

    Die Kälte, so hoffte sie, würde ihren Blick klären. Allerdings wurde ihr nur kalt, und da half auch die wollene Palla nicht viel. Sie malte mit ihrem großen Zeh kleine Kringel in den feuchten Sand. Bestimmt würde es bald regnen, überlegte sie. Vielleicht sollte sie...


    Da hörte sie jemanden rufen und fuhr herum. Jemand stand bei ihren Sachen! Valeria raffte die lange Tunika und ihre Palla zusammen und lief dem Fremden entgegen. Warum sie das tat, wusste sie selbst nicht so genau, und erst nach ein paar Schritten fragte sie sich, ob das nicht vielleicht ein Dieb war, der...was, ihre durchgelaufenen Schuhe klauen wollte? Die unförmig ausradierte Wachstafel und die paar Haarklemmen? Sie schalt sich in Gedanken eine Närrin und lief weiter, jetzt allerdings langsamer. Der Wind war beim Laufen doch kühler, als wenn man nur ging, und außerdem würde es bald dämmern. Sie warf dem Mann einen schwer deutbaren Blick zu, der ebenso als Vorsicht, aber auch als Skepsis interpretiert werden konnte. "Salve", sagte sie höflich, nachdem sie vor ihm zum Stehen gekommen war. Sie warf einen Blick auf ihre nun unbrauchbaren, da nassen Schuhe und seufzte. Auch wenn die Gezeiten hier nicht sonderlich ausgeprägt waren, so stieg und fiel das Wasser doch schon ein wenig, wenn auch unmerklich. "Was gibt es denn?" fragte sie dann, obwohl es doch ganz offensichtlich war, dass der Mann sie nur auf das baldige Wegtreiben ihrer Sachen hatte aufmerksam machen wollen. Unwillkürlich fröstelte sie nun doch ein wenig.

    Valeria sah Livianus an, als hielte er sie für komplett durch den Wind. "Natürlich. Du hast als Legat der Prima dort Krieg geführt. Ich habe damals das Lanzenritual auf dem Marsfeld geleitet, du erinnerst dich sicherlich", erwiderte sie lakonisch auf seine Frage. Immerhin ahnte sie nicht, was er eigentlich hatte wissen wollen. Sondern sie dachte, er würde sie für verwirrt und dement halten. Ein wenig pikiert glättete sie ihre Tunika.

    Wenn Valeria gewusst hätte, in wessen Hände Musa da ihr Schicksal legte, wäre sie weniger zuversichtlich gewesen, aber sie wusste es ja nicht. "Ich war vor einer Weile erst in Griechenland", erzählte sie. "Allerdings nicht in Athen oder Olympia, sondern in kleinen Fischerdörfern am Meer. Du hast Recht, es ist sehr schön dort." Valeria dachte kurz darüber nach. "Und du bist nach Rom gekommen, weil sich dort niemand um deine Heirat kümmern kann", vermutete sie und nickte. Dann musste sie lachen.


    "Mir würde es schon reichen, wenn er mich nicht wie ein stupides Heimchen hinterm Herd behandelt und man sich gut mit ihm unterhalten kann", erwiderte sie mit entsprechend schmunzelndem Seitenblick. "Leider sind die meisten, auf die das zutrifft, entweder im falschen Ordo oder schon vergeben. Da muss man schon Glück haben. Ich wünsche dir jedenfalls, dass du Glück haben wirst, und dein Zukünftiger noch hübsch obendrein sein wird." Valeria schmunzelte. Ihr selbst war es wirklich egal, ob ihr Zukünftiger ein Peregrinus oder sogar ein Patrizier war, aber das konnte sie ihrer Familie nicht einfach antun, das wusste sie. Deswegen musste sie schon darauf achten.

    Glücklicherweise wich man vom Thema Krieg ab. Allerdings war zumindest Valeria nicht sonderlich glücklich mit der Richtung, in die das Gespräch dann lief. Ehe und Techtelmechtel waren nicht das, worüber sie sich auslassen konnte. Zumindest nicht, solange sie selbst weder das eine noch das andere erfolgreich und guten Gewissens vorweisen konnte. Deswegen war sie dankbar, einfach nur zuhören zu können, statt selbst im Mittelpunkt der Diskussion zu stehen. So ließ sie mit ihrem Schweigen ein wenig Gras über die spitze Antwort der Claudierin wachsen. Warum sie sie so anfeindete, war Valeria ein Rätsel.


    Nachdem Calvena von der besten Dienerin gesprochen hatte, entschloss sich Valeria, vom Ehethema so weit als möglich abzulenken und sich auf ein Terrain zu begeben, das ihr weitaus besser lag. "Wann hat denn die Captio stattgefunden, wenn du sagst, dass du in Misenum warst deswegen?" Lange konnte das noch nicht her sein, überlegte sie. Oder war der Kaiser schon so lange nicht mehr in Rom gewesen?

    Nicht tief genug? Valeria hob überrascht die Augenbrauen und musterte erneut das Profil des Mannes. Er schien ein Senator zu sein, sogar ein Patrizier. Vielleicht war das ein zu großes Kaliber für sie, überlegte sie kurz. Jetzt hatte sie noch die Möglichkeit, sich mit einer Ausrede davonzustehlen, aber der Moment verstrich, ehe sie sich dazu entschließend konnte, ihn zu ergreifen. Seine Worte faszinierten sie, denn er hatte schlicht und einfach recht.


    Valeria erwiderte erstmal nichts, sondern sah ihn nur an. Sie selbst war ganz plötzlich von Melancholie ergriffen, und außerdem hätte sie sowieso nicht gewusst, was sie daraufhin antworten sollte. Sie kannte ihn ja kaum! Ein wenig verlegen umschlang sie sich selbst mit den Armen und zupfte geistesabwesend ihre Palla zurecht, bis er dann plötzlich wieder etwas sagte. Bis eben hatte sie noch mit sich selbst ausgehandelt, ob sie ihn so nicht einfach stehen lassen sollte, aber eigentlich konnte sie das nicht verantworten. So viele hatten sich hier schon in den Tod gestürzt, da war es ein Wunder, dass der felsige Boden nicht blutrot war.


    "Nein", erwiderte sie schlicht auf die ebenso schlichte Frage. Sie sah sich kurz um, aber niemand schien das Stückchen Stoff zu vermissen. Und Valeria selbst war etwas ratlos, was sie überhaupt hier tat. Sie folgte seinem Blick und betrachtete wie er einen Moment den seidigen Schal, der von dem gratigen Felsen festgehalten wurde, dann zuckte sie mit den Schultern und richtete den Blick wieder auf ihn. "Ein Tuch kann man ersetzen, ein Leben nicht", meinte sie ein wenig gleichgültig und betrachtete ihn forschend. Er sah nicht aus, als würde er springen wollen, aber er sah sehr wohl aus, als hegte er ziemlich trübe Gedanken. Vielleicht hatte er auch tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, zu springen. "Es geht da recht tief runter, vielleicht solltest du ein Stückchen zurücktreten, ehe der Wind statt einem wertlosen Schal etwas anderes zu Fall bringt und da hinunter weht", bemerkte sie lakonisch. Sie hatte keine Lust, eine Art Retterin zu spielen, aber einen Mann vor ihren Augen springen zu sehen, das wollte sie auch nicht. Abgesehen davon, dass man tatsächlich nur schlecht an einen zerschmetterten Leichnam heran kam, hatte sie keine Lust auf das Bild, das sich ihr dann bieten würde - und auf die Gewissheit, dass sie es vielleicht hätte verhindern können.

    Wind zerzauste die ehemals penibel hochgesteckte Frisur der schmalen Gestalt am Strand. Valeria zupfte sich die letzten Haarklammern heraus und legte sie neben sich in den Sand. Der Wind spielte mit ihren goldenen Strähnen, zupfte und zerrte daran, als wollte er sie zum Spielen einladen. Sie sah hinaus aufs Meer. Blaugraue Wellen mit weißen Schaumkronen versuchten einander zu überholen. Sie verlor sich in dem Anblick, der eine Sehnsucht in ihr wach rief, die sie nur selten erlebte. Mit einem tiefen Seufzer senkte sie den Blick auf die Wachstafel, die sie in der Hand hielt. Mit der flachen Seite des Stylus löschte sie die letzten Zeilen. Leise murmelte sie mürrisch vor sich hin, schrieb wieder einige Worte und radierte sie erneut aus. Schließlich platzierte sie frustriert die Tafel neben sich, erhob sich und klopfte sich den Sand von den Kleidern.


    Mit dem Blick nun wieder Richtung Meer gewandt, ging sie am Strand entlang. Einige Schritte weiter streifte sie ihre Sandalen ab und ging barfuß weiter. Sie steuerte die flachen Wellen an, die über den Sand leckten und sich dann wieder zurückzogen. Hin und wieder verirrte sich ein Sonnenstrahl durch die hellgrauen Wolken aufs Meer und ließ die Wellen verheißungsvoll glitzern. Valeria war zwar hier, aber in Gedanken war sie weit, weit fort. Eine ganze Weile ging sie so dahin, blieb stehen und ging wieder. Und merkte dabei nicht, wie die Dünung ganz langsam der Tafel, den Klammern und den Schuhen immer näher kam, als wollte sie sich diese Dinge klammheilig stehlen.



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