Welch unmäßige Ehre war es, hier zum Juror berufen zu sein. In der allererlauchtesten Gesellschaft lauschte ich den Reden, mal gefesselt, mal anerkennend, mal mit kritischer Miene, mal schmunzelnd über die rhetorischen Kühnheiten der aufsteigenden Sterne am Rednerhimmel über der Ewigen Stadt. Als es dann schließlich galt den hellsten dieser Sterne zu küren, da begann mich die Frage zu quälen, ob überhaupt statthaft war sich nicht dem Votum unserer erhabenen Augusta anzuschließen...? Glücklicherweise hatte mich die erste der Reden ebenfalls bei weitem am meisten gefesselt, darum blieb mir dieses Dilemma zum Großteil erspart.
Gegenüber den beiden anderen Juroren votierte ich also:
"Ich stimme ebenfalls dafür, den Siegerkranz dem Helvetius Severus zuzusprechen. Sei Stil war elegant ohne zu blumig zu sein, die Argumente klar, die Gesten feurig. Zudem hat er sehr schön das gesunde römische Ehrgefühl bei seinen Hörern angesprochen." Denn für mehr Patriotismus in unserem verkommenen römischen Alltag, da war ich immer zu haben! "Wenn er seine Stimme noch etwas kräftigt, wird ihm das weiteren Schliff verleihen."
Meinen jungen Vetter unvoreingenommen zu beurteilen, das fiel mir natürlich nicht leicht. Mir gefiel sein mutiger Auftritt, und zweifellos würde seine Idee mit Cascas kleinem Sklavenmädchen als Helena-Darstellerin lange im Gedächtnis bleiben.
"Mein Vetter Decimus Scipio... hat sich einfallsreich mit seiner extravaganten Requisite hervorgehoben und schwungvoll gesprochen. Das Plädoyer, dass das vorherbestimmte Geschick der mythologischen Dame ihre persönliche Schuld aufhöbe, das will mir jedoch nicht so ganz munden."
Da war ich mal lieber etwas strenger, auch um den Ruch der Vetternwirtschaft zu vermeiden. Scipios würde es schon überstehen, wir Decimer mussten da alle mal durch.
Der nächste Redner war insofern interessant, als mir dieser Name bisher vollkommen unbekannt gewesen war. Wer war das, woher kam dieser Octavius Maro? Ich würde es herausfinden lassen.
"Auf dem dritten Platz sehe ich Octavius Maro. Er hat einen ausgesprochen schweren Fall, ich denke gar den schwersten heute, wacker und unerschrocken verteidigt, und er hat als einziger im Auftakt seiner Rede die Kunst der Rhetorik, der zu Ehren dieser Wettkampf stattfindet, ausgiebig gerühmt." Und nicht nur der Rhetorik, auch Manius als dem Veranstalter hatte er geschickt seinen Respekt gezollt, was mich doch sehr für diesen Rede einnahm.
"Der launige Auftritt des Sergius Plautus war wirklich amüsant, doch..." Wie sollte ich das nun sagen, ohne den Geschmack der Augusta zu kritisieren. Ach herrje! "...die Gestik noch ausbaufähig, und... obgleich bisweilen geistvolle Ironie aus seinen Nebenbemerkungen sprüht" – zum römischen Recht, köstlich! – "würde ich ihn wohl eher auf einem Symposion als hier in seinem Element sehen."
Mir schien sein respektloser Stil dem Auftritt in diesem Rahmen nicht angemessen. Vor dem Kaiserpaar! Dem Kaiserpaar!!
"Die Rede des jungen Petilius war klassisch, klar und höchst eloquent. Er hat geschickt den Leumund des Theseus aufgebaut und den der Ariadne vernichtet. Eloquent an das Ehrgefühl der Hörer apelliert." (Würde ich jemanden bei der Ermordung meines eigenen Bruders unterstützen? Wenn der ein menschenfressendes Monstrum wäre? Hm. Wenn ich an meinen widerwärtigen Stiefbruder Flavus dachte, da war ich mir meines empörten NEINs nicht mehr ganz so sicher...) "Ich sehe ebenfalls Petilius Rufus auf dem zweiten Platz."