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Beim Anmarsch auf das Marsfeld, wo die zentrale Zeremonie stattfinden sollte, waren das Augenmerk deshalb besonders auf diese Helden Roms gesetzt, die ihr Leben für die Sicherheit der Stadt gegeben hatten: Jeder Kohorte gingen Soldaten voran, die auf großen Tafeln die Namen der Gefallenen vorantrugen. Ähnlich wie die Darsteller bei einer Pompa Funebris folgten dann Kameraden, die in der einen Hand die oft stark ramponierten und mit getrocknetem Blut benetzten Scuta der Toten, in der anderen Hand ihre Asche trugen. Natürlich hatte man die Leichname nicht so lange aufbewahren können, weshalb die Verbrennung der einzelnen Soldaten in der Stille der soldatischen Bestattungsvereine stattgefunden hatte. Heute würden die Urnen, die bisher im Fahnenheiligtum der Castra Praetoria verwahrt worden waren, jedoch an die Familien zurückgegeben werden - zusammen mit den Schilden.
Die Idee war nicht die von Tribun Petronius gewesen, der diese Feier federführend vorbereitet hatte. Es war sein Cornicularius Ulpianus gewesen, der sich an die Spartaner erinnert hatte. Dort hatte man die Gefallenen angeblich auf ihrem Schild liegend an ihre Mütter übergeben. Nun würden auch die Gefallenen im Sklavenaufstand ihren Schild mit nach Hause bringen und damit ihre Tapferkeit beweisen.
Lucius fand die Idee zwar ein bisschen affig - warum sollte ausgerechnet der Schild ein Symbol für Tapferkeit sein? Der Schild war die Defensivwaffe, mit der man sich vor den Schlägen des Feindes schützte - wäre es nicht sinniger gewesen, das Schwert zum Symbol des Mutes zu machen? Aber die Idee hatte Stertinius Quartus auch gut gefallen und im Grunde war es ihm ja auch egal, was die weinenden Mütterchen in die Hand bekamen. Die Gefallenen waren tot, ob sie jetzt tapfer gewesen waren oder feige - daran konnte weder ein ramponiertes Scutum, noch Gebete oder die Beisetzung eines Häufchens Asche in einem Columbarium etwas ändern! Wieder einmal einer dieser Beweise, wie irrational der Mensch doch war...
Aber egal - für ihn war heute nur wichtig, dass alles ordentlich ablief, dass der Praefectus Urbi und vor allem der Kaiser zufrieden war und dass er am Ende alles richtig gemacht hatte! Also war er besonders aufmerksam, als er in seiner frisch geputzten und polierten Uniform in der Reihe der Tribunen ritt - direkt hinter den Kommandeuren der Stadteinheiten und den Tribunen der Prätorianer. Selbst hier genossen diese aufgeblasenen Schwarzröcke den Vorrang, obwohl ihre Opferzahlen sehr viel geringer ausgefallen waren! In den Augen des Petroniers hatten die in den drei Chaostagen sowieso nur die entspannten Jobs gemacht und den Palatin und das Forum bewacht, während die Urbaniaci sich in den Straßen und Gassen der Stadt mit Hinterhalten, Plünderungen und Brandstiftungen hatten herumschlagen dürfen! Das war wieder einmal eine dieser Ungerechtigkeiten, die es umso erstrebenswerter machten, endlich weiter aufzusteigen: Wer oben war, blieb auch oben!
So oder so ähnliche Gedanken beschäftigten den Tribun also, während er auf den schwarzen Umhang seines Vordermanns schaute, der wie er hoch zu Ross unterwegs war. Zeit hatte Lucius dafür, weil während der Parade zum Marsfeld sowieso nichts anderes zu machen war - der Zug ging vorwärts und wenn irgendetwas nicht stimmte, würde Ulpianus schnell zu ihm rennen und Bericht erstatten.
Was aber nicht passierte - der kleine Heerwurm kam ohne weitere Hindernisse auf dem Marsfeld an, wo man Tribünen für die Ehrengäste errichtet hatte (natürlich ordentlich gruppiert um den Platz des Kaisers, der hoffentlich planmäßig auf den Stufen des Pantheon stand). Die Plebs musste sich dagegen in die Zwischenräume zwischen den zahlreichen öffentlichen Gebäuden drängen, die in den letzten Jahrhunderten den ehemals freien Platz für Heeresversammlungen immer kleiner hatten werden lassen...
Bildautor: Garitan
Bildquelle: Wikicommons (CC-BY-SA-4.0)