Tablinum | Sitzungsort der Ermittlungskommission

  • Als Morrigan eintrat, vermochte Manius Minor sie nicht zu identifizieren, doch als sie zu sprechen begann, verspürte er eine seltsame Vertrautheit, selbst wenn ihre Stimme fundamental differierte von dem erotisch-geheimnisvollen Timbre, welches er von ihrem letzten Aufeinandertreffen memorierte. Während der Trecenarius also sie jeder Frage weiter einschüchterte, spintisierte der Quaestor, woher ihm diese Person bekannt war, bis endlich seine Reminiszenz zurückkehrte, was ihn mit einer gewissen Geniertheit erfüllte. Das Mägdlein, welches inmitten der Kommissionäre stand, war niemand anderes als jenes, an welches er seine Unschuld verloren hatte. Es erschien bizarr, dass sie nun grässlicher Verbrechen beschuldigt wurde, dass jene Gesellschaftsdame einen Sklavenaufstand unterstützt hatte.
    Als sich das Verhör aufs Neue den Christen zuwandte, war der junge Gracche indessen wieder ein wenig verwundert, nachdem der Tiberius selbst noch am Vortage sie eher als Sündenböcke denn als wahre Schuldige introduziert hatte.
    "Sofern die Zeugin in den Aufstand derart tief involviert war, wird sie uns doch zweifelsohne direkt die Frage beantworten können, welche Rolle die Christen innerhalb des Aufstandes einnahmen, respektive ob ihre Beteiligung überproportional zu ihrem Anteil an der Bevölkerung der Subura ausfiel."

  • Die Antwort reichte dem Consul nicht? Sie wusste nicht worauf er hinaus wollte. Sie gab ihm aber unmittelbar Antwort. „Viele derer die sich Christen nennen verkehren oder leben in der Subura.“ Sie stockte kurz, denn mit jeder weiteren Aussage würde sie sich nur selbst belasten, aber sie wusste auch, dass der Trecenarius ebenso auf einer Antwort bestehen würde. „In der Subura geschieht... geschah kaum etwas, was mir verborgen blieb. So auch nicht, dass jene die nur an den einen Gott glauben sich Varia anschlossen. Einige meinten sie sei von Gott gesandt.“ Ob nun tatsächlich der Christengott oder doch der Mars oder Ares gemeint war, dass wusste sie nicht und deswegen sagte sie es auch nicht.

  • Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus Minor
    "Sofern die Zeugin in den Aufstand derart tief involviert war, wird sie uns doch zweifelsohne direkt die Frage beantworten können, welche Rolle die Christen innerhalb des Aufstandes einnahmen, respektive ob ihre Beteiligung überproportional zu ihrem Anteil an der Bevölkerung der Subura ausfiel."


    Geradezu entzückt blickte der Consul zu seinem Quaestor. Hatte dieser doch erheblich lange geschwiegen, um sich später spärlich einzubringen und dann offensichtlich zu sammeln, um schließlich eine absolut hilfreiche und präzise Frage zu stellen. 'Donnerwetter', dachte der Consul und meinte es anerkennend.
    "Sehr gut", lobte Menecrates, bevor er wieder zu Morrigan blickte. Besaß Morrigan keine oder nur ungenügend Hintergrundwissen, würde sie die Kommission nicht mit eingetrichterten Antworten überzeugen können.


    "Morrigan?" Es klang auffordernd, wie der Consul ihren Namen nannte. "Welche Rolle spielten die Christen im Einzelnen während des Aufstandes und wie hoch war ihre Beteiligung? Bitte in einem Vergleich ausdrücken."

  • Am liebsten würde sie schreien, dass sie nichts aber auch gar nichts mit den Aufständen zu tun hatte. Und doch blieb sie stumm. Sie nahm auch jene Anschuldigung des Flaviers hin. Sie durfte sich nicht selbst verteidigen. Durfte nicht die Wahrheit sagen. Sie konnte nicht sagen, dass sie wohl ebenso angstvoll wie viele Bewohner der Stadt war und auf ein schnelles Ende des Aufstandes gehofft hatte. Sie durfte nicht sagen, dass es ein reines Fantasiegebilde der Prätorianer war, dass sie zur Schuldigen machten. Sie hatte das Geständnis erpresst und sie im Anschluss zu einem willigen Werkzeug gemacht. So antwortete nun auch kurz und knapp um nichts falsches zu sagen. „Es waren viele die sich ihr anschlossen. Zu den genauen Beteiligungen innerhalb des Aufstandes könnte euch nur Varia Auskunft geben, diese übersteigt mein Wissen.“

  • Menecrates tat genau das, was er eigentlich verpönte - es übte Druck aus und er WOLLTE, dass Morrigan eine mögliche einstudierte Fassade verlor. Er wollte an die Wahrheit kommen. Und nur auf diese Weise konnte er herausfinden, was einstudiert und was erlebt, was eingebleut und was den Tatsachen entsprach.

    "Deine Aussage ist so allgemein, wie sie von jedermann geäußert werden könnte, der sich zu damaligen Zeit in Italia aufhielt. Das heißt für mich, du weißt im Grunde nichts. Möchtest du DAS mit deiner Antwort ausdrücken?"

  • JA JA Genau das wollte sie ausdrücken. Genau das war es was sie sagen wollte. Doch sagen konnte sie es nicht. Nun war es nicht nur der Trecenarius, der allein durch sein Verhalten Druck ausübte, nein nun war es auch noch der Claudier. Morrigan taumelte. Sie wusste würde sie ja sagen war ihr Leben verwirkt und man würde früher oder später ihren geschundenen Körper im Tiber finden. Würde sie nein sagen, dann würden sie Antworten verlangen und so sah sie nur einen Ausweg. „Dominus." Sagte sie mit immer wieder abbrechender Stimme "Ich möchte damit ausdrücken, dass ich mich mit einer Aussagen nur selbst belasten kann. “

  • "Dann belaste dich, Morrigan. Wir sind hier um die Wahrheit zu erfahren und wenn du sie kennst, benötigen wir Einzelheiten." Auch Menecrates konnte unerbittlich sein. Er wollte dieses Gerüst, das Morrigan umgab, aufbrechen. Sie sollte ihn überzeugen und das war ihr bisher nicht gelungen. "Welche Rolle spielten die Christen? Sag uns Fakten, schildere Einzelheiten, werde konkret."

  • Verus lehnte sich interessiert auf seine Vorderbeine, um Morrigan und den Konsul zu betrachten. Der Konsul brachte dieser Situation eine neue Wendung. Die Prätorianer gewannen so oder so, da bereits die Christen im Themenzentrum standen. Interessant war ebenso, dass Morrigan, egal, was sie nun sagen würde, nur verlieren konnte. Wenn sie sich nicht belastete, würde sie stranguliert im Tiber enden, da sie die Prätorianer unterlief und wenn sie sich belastete, gewannen die Prätorianer, da die Christenthese obsiegte. Zynisch grinste der Trecenarius und zerbrach einen kleinen Griffel in seiner Hand.

  • Sie riss ihre Augen weit auf. Sie verstand nicht was der Consul wollte. Hätte er sie doch vorher gefragt, dann hätte sie ihm unter vier Augen und Ohren alles sagen können. Die Wahrheit! Aber hier? Was sollte sie sagen. Das Geräusch des zerbrechenden Griffel zog ihren Blick an und sie sah den Trecenarius grinsen. Sie sah sein zynisches Grinsen und wusste egal was sie tat sie hatte verloren. Träne stiegen in ihre Augen sie zitterte am ganzen Körper, ihre Lippen bebten und ihre Beine drohte nachzugeben. Ihr wurde heiß und kalt. Sie sollte sich belasten? Verlangte der Claudier das wirklich? Sie kramte in dem Wissen, was Dracon ihr vermittelt hat. Dracon er war an dem Aufstand beteiligt. Er war die rechte Hand von Varia und so wusste sie natürlich etwas von den Strukturen. Aber wie sollte sie erklären woher sie es wusste. Es war pure Verzweiflung die ihrem Blick als sie wieder zu ihm blickte. „ Varia hatte eine Art Struktur gebildet. Es gab viele kleine Gruppen, die über die Stadt verteil agierten. Mehr als die Hälfte dieser Gruppen wurden von Christen geführt. Es gab grobe Anweisung von Varia aber die Gruppen agierten eigenständig. Ich weiß das weil... weil...“ Sie brach hier ab ihre Stimme wollte versagen. „Ich bin eine... eine von ihnen.. eine ...Christin.“ Die letzten Worte fielen nur noch bruchstückhaft aus ihrem Mund und ihre Beine versagten ihren Dienst. Sie brach zusammen.

  • Alle Teile fügten sich zusammen. Doch damit hatte er nicht gerechnet. Wirklich nicht. Die Reste des Griffels fielen zu Boden, als Verus erstaunt seine Augen aufriss und das Lächeln abfiel. Sie war eine Christin. Er hatte mit ihrer Beteiligung gerechnet, diese schließlich auf Prätorianer-Art nachgewiesen und doch überrraschte diese Aussage. Sie war weitaus tragfähiger als der bisherige Versuch die gefühlte Wahrheit zu etablieren, dass es die Christen waren. Verus fiel überrascht in seinen Sedes zurück. "Eine Christin...," wiederholte Verus halblaut, da er selbst diese Information verarbeiten musste. "Wir wussten, dass sie verwickelt war aber...," begann er mit einer verblüfften Erklärung und sprach dann zum Konsul weiter: "... das sie eine Christin ist. Eine echte Christin. Es gab Hinweise aber diese Offenbarung ändert alles. Auch für uns, Konsul." In der Tat änderte dies alles. Auch für Morrigan. Nicht nur, war sie nun eine wertvolle Quelle, sondern war auch im Zentrum weiterer Ermittlungen betrefflich größerer Christen-Gruppen. Dem Trecenarius war es völlig egal, ob sie wirklich eine Christin war, durch diese Aussage hatte sie den Prätorianer ausreichend Munition gegeben. Offiziell war sie nun eine Christin und als Christin würde sie wertvolles politisches Gewicht für die Prätorianer haben. Vorerst hatte sie ihr Leben gerettet. In gewisser Ironie hatte der christliche Messias auch sie gerettet, da sie nun lebendig wertvoller für die Prätorianer war. Verus kam nicht um den Gedanken hin, dass er diese Frau unterschätzt hatte. Sie war klüger als angenommen. Dankbar für diesen neuen Umstand, ließ Verus seinen Blick durch den Raum wandern. Die entkräftete und scheinbar bewusstlose Morrigan ignorierte er. Andere würden sich darum kümmern. Zusammengebrochene Personen kannte er zur Genüge. In seinen Befragungen brachen regelmäßig Bürger und Peregrine zusammen.

  • Menecrates bemerkte die aufgerissenen Augen, aber er verstand sie nicht. Morrigan sollte hier nichts weiter als die Wahrheit sagen. Sie wurde bereits für diese Wahrheit bestraft, also fragte er sich, was bei den Göttern sie fürchtete. Ein zweites Mal konnte sie nicht versklavt werden. Übrig blieben nur zwei Erklärungen: Morrigan konnte sehr viel tiefer im Aufstand verwickelt sein als sie es bisher zugegeben hatte oder ihre Aussage im Kerker entsprach nicht der Wahrheit und sie befand sich deswegen im Konflikt.


    Spannung breitete sich aus, als die erhoffte Wahrheit über Morrigans Lippen drang und ihr letzter zerhackter Satz klang wie ein Paukenschlag in Menecrates' Ohren. Er konnte seine Überraschung nicht verbergen, ihm klappte förmlich die Kinnlade herunter. Mit ihrem Geständnis hatte Morrigan der Kommission zwar zum Durchbruch verholfen, denn Menecrates zweifelte die Aussage nicht an, aber gleichzeitig hatte sie ihr Bleiberecht in der Villa Claudia verloren. Menecrates würde keine Christin in seinem Umfeld dulden.
    Er atmete einmal tief durch, ging steif zur Tür und brüllte nach draußen: "Ein Becher Wasser!"


    Ein Sklave huschte herein und reichte Morrigan einen gefüllten Becher.
    "Sie soll sich hinsetzen", knurrte der Consul, wobei ihr der Sklave half. Während der Prozedur und als sich Morrigan wieder fing, überlegte der Consul das weitere Vorgehen. Ohne Zweifel an der Aussage zu haben, wollte er dennoch Fakten. Allerdings hatte sich seine Stimmfarbe veränderte. Sie ähnelte nun der des Trecenarius an Kälte, hervorgerufen durch die soeben erlebte Enttäuschung. Er blickte Morrigan nicht mehr an, als er fragte.
    "Zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort und in Bezeugung welcher Personen bist du konvertiert?" Er bemühte sich, zu Professionalität zurückzufinden, denn die private Enttäuschung gehörte nicht zu seinem Amt.
    "Ich erinnere noch einmal daran, dass vom Wahrheitsgehalt deiner Aussage nicht nur dein eigenes Leben abhängt, sondern das sehr vieler Bewohner Roms."

  • Zusammengebrochen, ob der Lüge, die eben über ihre Lippen kam hockte sie auf dem Boden. Ihr schwirrte der Kopf. Man hatte sie in die Ecke gedrängt und sie hatte einen Ausweg gesucht. Sie hatte den Claudier im Kerker nicht angelogen. Dort hatte sie noch genug eigene Kraft gehabt und ihm die Wahrheit gesagt. Aber dies hatten auch die Prätorianer bemerkt und nachdem Der Claudier den Kerker verlassen hatte wurde die Methoden der Prätorianer intensiviert jeden verdammten weiter Tag hat man sie den "Behandlungen" unterzogen. So lange bis sie wirklich bereit war alles, aber auch alles zu tun.
    Hoffnung hatte sie gehabt. Hoffnung, dass der Consul sie vielleicht wirklich beschützen konnte. Doch immer wieder waren es kleine Auslöser gewesen, die sie an ihre "Aufgabe" erinnerten. Sie durfte und die konnte sich nicht gegen die Prätorianer stellen.
    Hoffnung und diese zerschlug sich in eben jenen Moment, als die Stimme des Claudiers sich nun veränderte. Hatte sie noch einen kleinen Funken Hoffnung gehabt, dass der alte Claudier sie gut genug kannte um zu erkennen, dass sie nur wie ein verletztes in die Ecke gedrängtes Tier gehandelt hatte. Das es ein verdammte Lüge war was sie ihm auftischte. So erlosch dieser Funken nun. Sie völlig zusammengebrochen saß sie mit dem Becher Wasser in den zitternden Händen. Sie blickte nur kurz auf um festzustellen, dass der Consul sie nicht mal mehr ansah und nicht nur der Klang seiner Stimme war der des Trecenarius ähnlich, nein er bediente sich nun auch der Methoden des Prätorianer - wenn wohl auch unbewusst. Sie.. soll sich setzen. Kein Name mehr. Nur noch ein Ding.
    Tränen, die ihr bis eben noch in den Augen standen liefen nun still über ihre Wangen.
    Ja es ging um Leben um viele. Um so viele Leben. Er ahnte ja gar nicht um wieviel.
    Aber für sie gab es keinen Ausweg und keine Hoffnung mehr. Die Hoffnung stirbt zuletzt und ihre starb gerade einen qualvollen Tod. So sah sie nun auch nicht auf, als sie antwortete.
    "Ich habe alles gesagt. Wie schon vor Wochen in dem Kerker." Ob er den Hinweis verstand? Egal. "Habe ich auch heute hier alles gestanden. Wie es verlangt wurde." Nun hob sie doch ihren Blick. "Du Consul selbst hast gesagt ich bin als Zeugin hier und nicht als Angeklagte. Ich werde auch keine Namen nennen. Es geht um Leben so wie du sagst." Er konnte doch nicht - gerade wenn er annahm, dass sie wirklich eine Christin war verlangen, dass sie jemanden ans Messer lieferte im Beisein des Trecenarius? War es Mute der Verzweiflung oder das Bewusstsein, dass sie nun eh ausgeliefert war. Schwer zu sagen. Aber sie verschloss nun ihren Mund und sagte nichts weiter.

  • Menecrates fühlte sich weiterhin betroffen, dabei hätte er sich über den Durchbruch bei den Ermittlungen freuen können. Doch etwas nagte in ihm und er wusste nicht, was. Morrigans Worte rauschten an ihm vorbei, er konnte sich kaum konzentrieren. Natürlich stand sie hier nicht als Angeklagte, darum ging es ihm bei seiner letzten Frage auch nicht. Er wollte die Behauptung des Religionswechsels mit Fakten untermauert wissen, um sich selbst davon zu überzeugen. Fakten, die weiterhin fehlten.

    "Meine Herren, mir wäre eine kurze Pause Recht. Kurz genug, damit keiner den Raum verlassen müsste, aber lang genug, damit jeder das Gehörte verarbeiten und die neue Lage bewerten kann. Ich für meinen Teil benötige Zeit für Überlegungen."
    Damit erhob er sich und zog sich einige Schritte zurück.


    Er spürte die Erschütterung in sich, doch wo lag die Ursache dafür. Er fragte sich, ob es die Enttäuschung war, dass sich die Spekulationen der Preatorianer, die er verabscheute, im Nachhinein als wahr erwiesen. Durfte es sein, dass Fantasien plötzlich Bestätigungen fanden? Gehörte das zu irgendeinem Können oder waren hier mächtige Götter und Geister im Spiel? Menecrates horchte in sich hinein und stellte fest, er neidete dem Trecenarius den Erfolg nicht, im Gegenteil: Die Ermittlung des Consuls kamen mit denen der Kaisergarde auf eine Linie, was für Rom sicherlich das Beste war. Aber was beunruhigte ihn sonst? Morrigans Aussage zweifelte er nicht an.


    Sein Bauch rumorte, also stimmte etwas nicht. Er ging in Gedanken noch einmal Morrigans Befragung durch, erinnerte sich an geweitete Augen, eine sichtbare Unsicherheit, Angst, vielleicht sogar Panik und zum Schluss ein Zusammenbruch. Alles passte perfekt in das Bild einer Frau, die sich vor der Befragung fürchtete, weil für sie unangenehme Dinge ans Tageslicht kommen könnten. Ein schlechtes Gewissen stellte für Personen mit Gewissen eine erhebliche Last dar. So lange er suchte, Menecrates fand keine Unstimmigkeit, aber sein Bauch beharrte weiter auf einer eigenen Meinung.


    Er wischte sich nachdenklich über die Stirn und plötzlich dämmerte es ihm. Wenn die heutige Aussage stimmte, und der Consul zweifelte nicht daran, dann hatte ihn Morrigan im Kerker belogen. Er hatte ihr damals vertraut, sie wieder bei sich aufgenommen und sogar vor einem Brandzeichen bewahrt. Er atmete einmal schwer ein und wieder aus. Selbst WENN die Aussage im Kerker die richtige war und die heutige die falsche, er konnte es drehen und wenden wie er wollte: Sie hatte ihn einmal belogen. Diese Erkenntnis wühlte in seinem Bauch, aber immerhin wusste er die Gefühle jetzt einzuordnen.


    Er trat zurück an seinen Sitz und stützte sich auf die Lehne.


    "Hat noch jemand Fragen an die Zeugin? Andernfalls möchte ich gern den Zeitpunkt festlegen, zu dem wir Varia befragen." Sie würden sich vor der Castra treffen müssen. "Falls das noch jemand für erforderlich hält." Bitterkeit schwang in seiner Stimme.
    "Morrigan, wir sprechen uns nach der Sitzung. Komm in mein privates Arbeitszimmer."

  • Macer kam die vom Consul vorgeschlagene Pause ebenfalls recht, denn auch er wollte das Gehörte noch einmal im Kopf durchgehen. Der erste Teil der Aussage der Sklavin war für ihn durchaus erhellend gewesen in Bezug auf die Hintergründe der Aufstände und damit war sie in seinen Augen auch relevant für die Arbeit der Kommission. Der zweite Teil erschien ihm weniger relevant. Offenbar hatte sich Christen dem Aufstand angeschlossen, vielleicht auch viele Christen, aber wenn sie sich angeschlossen hatten, waren sie offenbar nicht der Auslöser und nach diesem wollte die Kommission suchen. Oder zumindest Macer wollte gerne danach suchen und wissen, ob es Ursachen gab, denen man begegnen konnte.

  • Nach diesen überraschenden Entwicklungen war Verus ebenso einer Pause zugeneigt. Er musste sich mit dem geheimen Boten der Prätorianer besprechen, um seiner Stammeinheit eine Botschaft zu übermitteln. Auch wollte er sich mit den zwei in der Villa anwesenden Speculatores austauschen, ob man Morrigan über- oder unterschätzt hatte. Ferner machte sich ein erstaunlicher Hunger breit. Der Tiberius gedachte sich ebenso einen Snack zu besorgen. Doch bevor er in die Pause gehen konnte, bot der dem Konsul noch falsch-bescheiden folgendes Angebot an: "Wenn sie nun eine Gefahr für dich darstellt, oder deinen Unwillen erntet, können wir sie gerne in unseren Gewahrsam zurücknehmen, Konsul." Natürlich hatte Verus ganz andere Absichten als einen schnöden Gewahrsam. Er wollte Morrigan für seine These verwenden, dass es Christen waren. Sie war ein geneigtes Opfer, um als Marionette zu fungieren. Ihre Worte waren bis jetzt überaus nützlich gewesen. Ja, diese Perserin hatte sich sehr nützlich gemacht und war somit von Wert.

  • Als Menecrates nach Ablauf der Pause feststellte, dass er noch immer keine ausreichende Ordnung in seine Gedanken gebracht hatte, fasste er einen Entschluss. Er rief die Kommission zusammen und verkündete: "Ich breche an dieser Stelle die Arbeit für heute ab. Wir treffen uns morgen zu gleicher Stunde wie heute und setzen die Befragung fort bzw. beratschlagen über die nachfolgende Befragung der Varia. Ich wünsche einen guten Heimweg."
    An Tiberius gewandt fügte er an: "Ich regele meine Angelegenheiten am liebsten selbst, aber danke für dein Angebot." Es klang nicht unfreundlich, aber erschöpft.


    Morrigan entließ er nicht. Erst als alle Kommissionsmitglieder die Villa verlassen hatten, wandte er sich an sie. "Ich sehe dich in Kürze in meinem Arbeitszimmer." Dann verließ auch er das Tablinum.



    ______________________________



    Der Consul begann den neuen Tag etwas sortierter als der gestrige endete. Ein Gespräch und weitere Erkenntnis lagen hinter ihm. Morrigan sollte sich wieder bereithalten, aber sie sollte nicht vor dem Tablinum stehen. Damit wollte der Consul eine Befragung außerhalb des Sitzungsraumes vermeiden.


    "Ich begrüße euch", begann der Consul, als die Mitglieder Platz nahmen. "Wir haben zwei Punkte, an denen wir anknüpfen können. Der eine wäre ein Beschluss über die Befragung der Varia im Kerker und der andere wäre die Auswertung der gestrigen Erkenntnisse bzw. eine Fortsetzung der Befragung. Gibt es Vorschläge, womit wir beginnen?"

  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    Als Menecrates nach Ablauf der Pause feststellte, dass er noch immer keine ausreichende Ordnung in seine Gedanken gebracht hatte, fasste er einen Entschluss. Er rief die Kommission zusammen und verkündete: "Ich breche an dieser Stelle die Arbeit für heute ab. Wir treffen uns morgen zu gleicher Stunde wie heute und setzen die Befragung fort bzw. beratschlagen über die nachfolgende Befragung der Varia. Ich wünsche einen guten Heimweg."
    An Tiberius gewandt fügte er an: "Ich regele meine Angelegenheiten am liebsten selbst, aber danke für dein Angebot." Es klang nicht unfreundlich, aber erschöpft.


    Morrigan entließ er nicht. Erst als alle Kommissionsmitglieder die Villa verlassen hatten, wandte er sich an sie. "Ich sehe dich in Kürze in meinem Arbeitszimmer." Dann verließ auch er das Tablinum.


    Das Häuflein Elend, als welches Morrigan sich vor den Augen der Kommission darbot, erregte ein wenig das Mitleid des jungen Flavius, der sie doch als orientalische Schönheit hatte kennengelernt. Sie war furchtsam und ihm schien, als würde insonderheit die Präsenz des Tiberius sie immer weiter einschüchtern.


    Ihre Aussagen hingegen erregten seine Verwunderung, hatte er doch bisherig dafürgehalten, dass die Christen eine harmlose Sekte aus Iudaea waren, über die man in Alexandria, wo Juden und Christen weitaus präsenter waren als in Rom, im Kreise der Myrmidonen bisweilen sich belustigt hatte. Seines Wissens beteten sie einen Halbgott an, der konträr zu Hercules jedoch nicht von gewaltiger Kraft oder dergleichen war gewesen, sondern eher einem Philosophen hatte geglichen, dessen Weisheit ihn jedoch mitnichten davor bewahrt hatte, zuletzt hingerichtet zu werden. Dass sie auf eine Wiederkehr dieses Halbgottes warteten, war ihm indessen ebenfalls bekannt, sodass es durchaus Sinn mochte ergeben, dass sie in dieser amazonenhaften Sklavin die Rückkehr ihres Heroen hatten gesehen.


    Dennoch irritierte ihn, dass Verus am ersten Tag ihrer Zusammenkunft erklärt hatte, die Christen seien geeignet, um Folgen für das Staatswesen abzuwenden, was darauf hindeutete, dass es sich bei ihrer Verfolgung eher um einen Vorwand handelte denn um eine wahrhaftige Strafverfolgung. Wäre dies der Fall, so würde man alles sorgfältig zu erwägen haben, was aus dem Mund der ehemaligen Gefangenen der Praetorianer stammte...

  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    Der Consul begann den neuen Tag etwas sortierter als der gestrige endete. Ein Gespräch und weitere Erkenntnis lagen hinter ihm. Morrigan sollte sich wieder bereithalten, aber sie sollte nicht vor dem Tablinum stehen. Damit wollte der Consul eine Befragung außerhalb des Sitzungsraumes vermeiden.


    "Ich begrüße euch", begann der Consul, als die Mitglieder Platz nahmen. "Wir haben zwei Punkte, an denen wir anknüpfen können. Der eine wäre ein Beschluss über die Befragung der Varia im Kerker und der andere wäre die Auswertung der gestrigen Erkenntnisse bzw. eine Fortsetzung der Befragung. Gibt es Vorschläge, womit wir beginnen?"


    Am folgenden Tag erschien Manius Minor neuerlich mit Patrokolos, der am Vorabend noch mit ihm das Protokoll der Sitzung hatte ausgewertet und in eine adäquate Form gebracht. Auch heute würde der Sklave assistieren, obschon der Quaestor es nicht für notwendig erachtete, dies erneut mit dem Consul zu besprechen, zumal diesen die Erkenntnisse des vergangenen Tages augenscheinlich ein wenig derangiert hatten, sodass ihm genügend zu erwägen aufgegeben war.


    Als Menecrates jedoch die Sitzung eröffnete und sogleich die Tagesordnung zu disputieren begann, hakte der Gracche als offizieller Sekretär der Kommission sogleich ein:
    "Mir scheint eine kurze Rekapitulation der gestrigen Ergebnisse geeignet, um nochmalig die Strategie im Folgenden zu erörtern. Gerade wenn wir Varia selbst interrogieren wollen, sollten wir zuvor klären, in welche Richtung diese Befragung weisen soll, um dies nicht in ihrer Präsenz tun zu müssen."
    Er blickte kurz zu dem protokollierenden Sklaven an seiner Seite.
    "Sofern ihr wünscht, könnte ich kurz das Protokoll der Vortage subsummieren."

  • Einmal eingeführt, nahm der Consul keinen Anstoß mehr an der Protokollierung durch einen hinzugezogenen Sekretär. Im Laufe der Zeit wurde dieser sogar Bestandteil der Kommission und als solcher nicht mehr als Fremdkörper wahrgenommen. Der Consul schenkte ihm keine Beachtung, sondern konzentrierte sich auf die erste Wortmeldung. Der Vorschlag seines Quaestors kam ihm gelegen.


    "Die Reihenfolge halte ich für angebracht und ich befürworte eine Verlesung des gestrigen Protokolls. Die letzte Nacht lässt mich einiges anders sehen als es gestern noch der Fall war und ich möchte die festgestellten Ungereimtheiten selbst gern noch einmal mit den Aussagen abgleichen.
    Konkret zweifle ich die Bedeutung der Christen als Ursache bei diesem Aufstand an. Sie sind sicherlich beteiligt, so viel steht fest.
    Ich habe mir noch einmal die Parolen zu Gemüte geführt. Ihren Zusammenhang mit dem späteren Aufstand zweifelt - glaube ich - niemand an. Es hieß, 'uns hilft kein Gott'. Da die Christen aber nur einen Gott haben und dieser als allmächtig gilt, wie ich herausgefunden habe, klingt diese Aussage wie ein Verhöhnen des Gottes seiner Schwäche wegen. Gläubige Christen können das nicht verfasst haben. Ich glaube eher, dass die Verfasser der Parolen, in denen ich den Kern der Aufständischen vermute, keine Christen waren, zumindest keine gläubigen. Ich tendiere dazu, dass sich die Christen nur dem Aufstand angeschlossen haben."


    Es gab weitere strittige Punkte, aber der Consul beschloss, zunächst das Protokoll noch einmal anzuhören. Durchlesen und Anhören wirkte mitunter verschieden auf den Konsumenten.
    Er wartete, ob jemand ähnliche oder andere Zweifel oder auch eine Gegenmeinung äußerte, dann gab er das Zeichen für das Verlesen des Protokolls.

  • Verus, der inzwischen zu einer gewissen geheimdienstlichen Pestilenz erwachsen war, nahm genüsslich Platz auf seinem Sedes. Er hatte gewonnen. In allen Belangen: die Prätorianer hatten gewonnen. Die Plagen, die über Rom gekommen waren, gaben sie mit Sturheit an die schwachen Opfer ihrer Willkür zurück. Sie konnten Ergebnisse präsentieren. Antworten auf Fragen, die aus Unfähigkeit eines Staates geboren worden waren. Rom war Macht und Verus diente dieser Macht mit brutalem Pflichtgefühl. Er diente Rom auf Befehl auch als Feind der Bürger und Freien. Die Prätorianer wurden nicht geliebt und Verus gewöhnte sich an diesen frostigen Hass, der jegliche emotionale Mühen ersparte. Wenn man gehasst und verachtet wurde, konnte man frei agieren, da jegliche Handlung keine Rücksicht mehr verlangte. Diese Taubheit machte das Überleben im System erträglich aber niemals angenehm. "Es ist nicht wichtig, ob die Christen führend waren oder nicht. Sie waren maßgeblich beteiligt und werden ihre falschen Zugen mit Blut bezahlen. Rom hat lange genug ihre Häresie und ihren Widerstand ertragen. Ihr Undank hat sich uns allen deutlich offenbart," sagte Verus eindringlich und machte somit klar, was er und seine Prätorianer bereits taten. Sie verfolgten Christen. Diese christliche Ideologie stand allem entgegen, was die Prätorianer waren und gleichsam waren sie Feinde des Kaisers sowie des göttlichen Rom. Es war eine kranke Furcht, die zu wahnhaften Handlungen trieb, weil die Prätorianer in den Christen eine ernste Gefahr sehen mussten: Sie lehnten nicht nur Rom ab, sondern auch die Fundamente der Weltordnung. Ihre Erlösungshoffnung untergrub die Furcht und den Horror der prätorianischen Macht. "Ich unterstütze eine Verlesung des Protokolls," antwortete der Trecenarius nun mit sachlich-ruhiger Stimme.

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