Officium | MFGM et GSR - De re publica

  • Über die Inkohärenz seiner Worte, wegen der Erreichung bestimmter Ziele in die Politik gehen zu wollen, ohne jene Ziele benennen zu können, ging der Flavius hinweg, nicht ohne ein wenig Amusement darüber zu empfinden, dass nicht selten doch junge, aufstrebende Emporkömmlinge den etablierten Kreisen des Senates allzu gerne vorwarfen, ohne jedwede Ideale oder Anliegen und schlicht um der Macht willen hohe Ämter zu bekleiden, was indessen ein wohlfeiler Gemeinplatz war, dem etwas entgegenzusetzen doch nicht wenigen jener Spötter schwer fiel.


    Immerhin war Ravilla doch imstande, eine konkrete Initiative zu benennen, von deren Kontexten man in der Tat in letzter Zeit häufiger hörte und welche dem jüngeren Gracchen nicht uninteressant erschien, da er doch selbst in die Anfänge jener Debatte involviert war gewesen, als er als Quaestor dem Consul Claudius hatte assistiert.

    "Nun, so du mich fragst, erscheint mir jene Thematik überaus relevant, da doch der Sklavenaufstand und vieles mehr zeigen, dass hier eine Problematik besteht, die der Lösung harrt. Indessen stehe ich zugleich recht ratlos vor den Verworrenheiten jener Umstände, welche die Plebs in deplorabler Lage und ihre Gewaltbereitschaft hoch halten. Zweifelsohne könnten mehr Sicherheitskräfte hier für bessere Ordnung sorgen, doch frage ich mich hier wie bei den von dir insinuierten Wohltaten für das Volk, ob hier nicht derartige finanzielle Aufwände zu leisten wären, um einen nachhaltigen Erfolg zu erreichen, dass unser Imperium nur schwerlich sie wird aufbringen können oder wollen. Oder welche Maßnahmen hast du konkret im Sinn?"

  • Ravilla zeigte sich erfreut ob des Umstands, dass seine Gedanken bei Flavius Gracchus Minor nicht auf pauschale Ablehnung stießen. Mit einem entsprechenden Verlauf des Gesprächs hätte er durchaus rechnen müssen. Indes lehrte ihn diese Situation, seinerseits nicht in zu engen Bahnen zu denken, wenn er von bestimmten Reaktionen seines Gegenübers ausging, sondern den Geist offenzuhalten.


    "An erster Stelle stünde eine Analyse. Ich würde eine Befragung in den Elendsvierteln durchführen lassen, denn in diesen liegen die schwelenden Unruheherde, in denen sich die Unzufriedenheit explosiv zu entladen neigt. Möglichst viele Menschen, welche die Innensicht kennen, sollten im Zuge dessen zu Wort kommen dürfen.


    Der zweite Schritt wäre die Auswertung. Anhand der Ergebnisse könnte man in Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung ein Konzept erarbeiten, welches die ermittelten Probleme sehr zielgerichtet angeht. Minimale Ausgaben bei maximaler Effizienz wären das Ziel, bildhaft vergleichbar mit einer Tröpfchenbewässerung in wasserarmen Gebieten.


    Bei solchen Betrachtungen ist, wenn es dereinst nach mir gehen darf, Nachhaltigkeit oberste Maxime. Ein bloßes Bereitstellen von Geldern oder Gütern für die Armen hätte den gleichen Effekt wie eine Erhöhung militärischer Präsenz: Es würde die Symptome zwar recht zuverlässig bekämpfen, jedoch die eigentlichen Probleme nicht lösen und einen dauerhaften Kostenfaktor bilden. Also müssen wir die Ursachen der Armut ermitteln und beheben. Langfristig sollen diese Ausgaben keine Verluste sein, sondern eine Investition in die Zukunft des Imperiums."

  • Analyse und Auswertung - hier sprach zweifelsohne ein Philosoph aus dem jungen Seius, wie Manius Minor anerkennend notifizierte. Indessen implizierte jene theoretisch höchst kohärente Vorgehensweise einen Pferdefuß:

    "Eine Befragung in den Elendsvierteln? Was erwartest du, dass du dort wirst erfahren?"
    , warf der Aedil daher kritisch ein.

    "Selbstredend kann man dies tun, doch reicht zumeist der Horizont der Plebs kaum hin, die eigene Situation umfassend zu erfassen oder gar adäquate Mittel zur Lösung aus ihrer Misere zu erdenken, da sie sonst ja zweifelsohne nicht in dieser würden verharren!"

    Als Aristokrat vermochte der Flavius selbstredend nicht different zu denken:

    "Sie werden mehr Getreidespenden, günstigeren Wohnraum, mehr Spiele und höhere Löhne fordern, wie ich vermute. Doch ob jene Wünsche tatsächlich genügen würden, wage ich zu bezweifeln. Eben deshalb ist es ja gute Tradition in unserer Res Publica, dass nicht alle, sondern die besten Männer die Geschicke des Staatswesens lenken."

    Die Agitation der alexandrinischen Demokratie zumindest, die zweifelsohne auf ähnlichen optimistischen Überlegungen beruhte, hatte Minor nicht sonderlich erquickt, zumal auch dort der Pöbel ja diesem oder jenem Demagogen nachlief, anstatt selbst darüber nachzusinnen, was das beste für ihre eigene Situation mochte sein.

    "Insofern ist es durchaus recht, kluge Menschen mit einer Innensicht zu befragen, doch wirst du jene, wie ich vermeine, weniger in den Elendsvierteln finden als in den Hallen des Senates, in der kaiserlichen Administration und an anderen exaltierten Positionen, wo sich die Erfahrenen und Gebildeten innerhalb unseres Staatswesens zu versammeln pflegen. Ob diese dir dann tatsächlich ein leichtes Konzept werden verraten können, um die Probleme der Armut, der Seuchen und dergleichen zu beheben, wage ich ebenfalls zu bezweifeln, da doch sonst zweifelsohne bereits unsere Väter oder deren Väter, welche an Klugheit uns nicht nachstanden, sie bereits zur Anwendung hätten gebracht, sodass wir nunmehr auf einer Insel der Seligen würden leben. Dennoch hast du selbstredend Recht: Wir sollten nicht schlicht uns mit dem Erschröcklichen abfinden, sondern beständig daran arbeiten, das Leiden zumindest relativ zu mindern."

  • "Die Leistungen unserer Vorväter können nicht genug gelobt werden! Jedoch ist eine Gesellschaft kein statisches Konstrukt, sondern ein beständiges Auf und Ab, ein Kreisen und Walken unterschiedlichster Kräfte. Probleme werden gelöst, neue Probleme entstehen, alte Sorgen, die einstmals gelöst waren, kehren zurück. Feinde erheben sich an den Grenzen, werden niedergeschlagen, Bündnisse entstehen und zerfallen. Stabilität ist stets relativ, Optimierungen waren zu allen Zeiten notwendig. Und wie gut wir uns auch schlagen werden, auch in Zukunft wird es Probleme geben, die gelöst werden wollen."


    Er hob einen Finger.


    "Der Plebs ist keine realistische Lösungsfindung zuzumuten. Mir geht es bei der Befragung in jenem Umfeld um eine Schwerpunktsetzung für die Eindämmung der Kriminalität. Klagt der Pöbel vor allem über fehlendes Essen, über mangelnde Hygiene, über Feuer? Hat er Angst vor Seuchen oder vor marodierenden Kriminellen? Was ist es, das die Menschen zuvorderst in die Kriminalität treibt? Je nach Häufigkeit der Klage wissen wir, wo wir zuerst ansetzen müssen, wollen wir das in der Unterschicht florierende Verbrechen eindämmen. Die Lösungen indes müssen freilich von kompetenteren Köpfen erarbeitet werden."

  • Nachdenklich strich sich Manius Minor über das feiste Kinn, als Ravilla seine Haltung erläuterte. Panta rhei, wie bereits der weise Heraklit hatte bemerkt, war zweifelsohne ein stets gültiger Gemeinplatz, der doch gerade für die Politik war von größter Bedeutung!

    "Ich muss konzedieren, dass es gerade ob der Komplexität der Problemlagen einiges für sich hat, Schwerpunkte zu bilden und diese an den vordringlichsten und augenscheinlichsten Problemen der Plebs selbst auszurichten. Ich würde zwar, wäre ich dem Glücksspiel ein wenig holder, eine beachtliche Summe darauf wetten, dass weniger Seuchen oder Schmutz als der Hunger, respektive die Begierde nach dem Haben Menschen dazu treibt, illegale Aktivitäten zu verfolgen."

    Dies wie die Unerschöpflichkeit jener Begierde war es wohl auch, warum sich in allen Schichten und Klassen kriminelle Subjekte fanden, da letztlich nur die Tugend oder Ataraxie der Philosophen den Menschen gefeit machte, sich zu derartigen Verlockungen frei zu machen, was indessen gerade dem Pöbel bereits ob der fehlenden Bildung kaum zugänglich war.

    "Indessen gebe ich dir recht, dass man jene ungefilterten Wünsche und Klagen mit erfahrenen Köpfen erörtern muss. Denn eines ist gewiss: Werden wir fünfhundert oder tausend Annona-Marken mehr ausgeben, so werden trotzdem noch weitaus mehr Menschen nicht begünstigt sein als jene, die begünstigt sind. Alle Mäuler durch den Fiscus zu stopfen, wird hingegen empfindliche Kosten verursachen. Und hier, mein Freund, beginnt im Grunde das schnöde Handwerk der Politik: Nicht in den Visionen, sondern in den Kompromissen und Konflikten, um jene Visionen in die Realität zu bringen.

    Daher möchte ich nun umgekehrt fragen: An welchen Stellen würdest du denn Gelder einsparen, um neue Segnungen für die Plebs zu finanzieren?"
    Der Flavius freute sich ein wenig, jene in seinen Augen durchaus schwierige Frage ersonnen zu haben, welche seinen Tiro womöglich ein wenig von dem Idealismus des Nachwuchs-Politikers zum Realismus des praktizierenden Staatsmannes würde führen.

  • Ravilla hob eine Schulter, so weit dies in der liegenden Haltung auf der Kline möglich war. "Ob tatsächlich die Not es ist oder niederes Trachten, welches die Menschen zu kriminellen Handlungen veranlasst, muss wohl empirisch ermittelt werden. Tritt trotz guten Willens und engagierter Maßnahmen keine Besserung der Lage ein, so trüge in jenem Fall die Plebs selbst Schuld daran, wenn der Staat die einst wohltätige Hand zur Faust ballt. Doch ginge es nach mir, so würde ich einen Versuch wagen, sobald meine Stellung dies ermöglicht."


    Ergeben nickte Ravilla, als sein Gegenüber die Grenzen der Visionen vor Augen führte, sobald es darum ging, diese Wirklichkeit werden zu lassen.


    "Dem ist nichts hinzuzufügen, verehrter Flavius Gracchus Minor. Wo die notwendigen Gelder eingespart werden könnten, müsste man mit der Finanzabteilung erörtern. Langfristig schwebt mir zwar die Einsparung beim Militär vor, jedoch wäre es unklug, dies bereits am Anfang der Maßnahmen zu tun, so lange deren Erfolg ungewiss ist. Gegenwärtig ist das Militär das einzige Gegengewicht zur Kriminalität. Eine Einsparung an dieser Stelle wäre fatal. Verschieben wir diesen Gedanken also auf jene Zeit, da die Kriminalität bereits erfolgreich eingedämmt wurde.


    Jedes Jahr werden in einem Ausschuss öffentliche Mittel bewilligt, die sich aus den erwirtschafteten Überschüssen speisen. Diese werden nach Bedarf verteilt. An dieser Stelle gilt es, davon zu überzeugen, dass meine Ideen zu verfolgen sich zukunftsträchtig gestaltet. Es würde demnach keine Einsparung erfolgen, sondern für die von mir anvisierten Maßnahmen würden Mittel aus jenem Überschuss aufgewendet werden, welche sonst beispielsweise in die Sanierung eines Theaters fließen würden, Dinge, die durchaus ein Jahr oder länger warten können, ohne dass das Imperium zusammenbricht."

  • "Nun, ob der Hunger oder die Gier den Taschendieb treibt, dürfte kaum von sonderlicher Relevanz für die Verantwortung sein, welche ein Krimineller für seine Missetat trägt, ebenso wie deren Resultate stets gleich sind."

    , gab Minor zu bedenken. Die Frage nach der Motiven oder Schuldigkeiten der Massen war ethisch und selbst juristisch zwar relevant, doch aus politischer Perspektive zumindest nach Meinung des Flavius beinahe vernachlässigbar.

    "Den meisten Römern ist es immerhin gleich, ob sie aus Hunger oder aus Habsucht bestohlen oder hinterrücks erdolcht werden. Die Schärfe der Verteidigungsmaßnahmen und Sanktionen kann somit nicht von den Motiven der Täter abhängig gemacht werden."

    Die Jurisprudenz offerierte zwar hier und da die Option für den Richter, in Notlagen mildernde Umstände geltend zu machen, doch spielte dies auf gesetzlicher Ebene, die politisch zu erörtern war, in der Tat keine Rolle.

    "Gelänge es dir indessen, die Kriminalität zu senken, so wäre dies zweifelsohne ein Grund, die Präsenz der Cohortes Urbanae und Praetoriae einzuschränken und die Gelder in präventive Maßnahmen zu stecken."

    Wieder echappierte dem Flavius ein mildes Lächeln, als er auf seine Ausgangsfrage zurückkam:

    "Dennoch muss ich auf meine Frage beharren: Woher die Gelder nehmen, um solche Maßnahmen zu finanzieren? Letztlich ist es nahezu gleichgültig, ob es hierbei um haushaltlich fest verplante Gelder oder Überschüsse geht, die ja ebenso zu verteilen sind wie reguläre Erträge. Du erwähnst die Sanierung eines Theaters: Würdest du also an öffentlichen Bauten sparen, um jene Experimente mit der Plebs zu finanzieren? Oder doch den Sicherheitsapparat?"
    Das Militär zählte weitgehend wohl nicht dazu, selbst wenn die urbanen Stammeinheiten jenem zugezählt wurden. Den Löwenanteil der Militärkosten verschlangen indessen die Legionen und Auxiliares, die gleich einer Perlenkette an den Grenzen des Imperiums waren aufgereiht und somit zwar vor Ort, nicht jedoch in Italia einen sicherheitspolitischen Faktor repräsentierten.

  • "Die Aburteilung der Taten muss dem geltenden Recht entsprechen, nicht an der Motivation des Täters gemessen werden. An dieser Stelle stimme ich dir zur Gänze zu. Doch ohne vorherige Evaluierung der Motive können wir immer nur die Symptome der anwachsenden Kriminalität bekämpfen und werden das Übel nie an der Wurzel zu fassen bekommen. Mir erscheinen die Ursachen der Kriminalität in dieser Hinsicht daher durchaus relevant. Ihre Kenntnis würde die Effizienz der Kriminalitätseindämmung vermutlich erhöhen. Doch bewegen wir uns hier im spekulativen Bereich, bis es nicht getestet wurde."


    Auf den Einwand zur Finanzierung hin nickte der Seius.


    "In der Tat tendiere ich zur Einsparung an öffentlichen Bauwerken, im Sinne von erwirtschafteten Überschüssen, die zur freien Verteilung vorgesehen sind, wohlgemerkt, nicht in einer kompletten Streichung der Gelder an bestimmter Stelle. Du scheinst mir skeptisch zu sein im Anbetracht meiner Visionen. Deine Erfahrungen sprechen, wie es scheint, dagegen, ein entsprechendes Vorhaben in Erwägung zu ziehen?", erkundigte Ravilla sich interessiert. Ihm selbst erschienen seine Ausführungen logisch, doch mochte es sein, dass der erfahrenere Magistrat Dinge sah, für die Ravilla noch keinen Blick entwickelt hatte.


    "Wenn die Frage nicht zu persönlich ist, hattest du Visionen, als du den Cursus Honorum einst mit dem ersten Schritt betratest oder war es die reine Pflichterfüllung, welche dich auf deinem Weg leitete? Und so du Visionen hattest - konntest du sie verwirklichen oder musstest du sie zu Grabe tragen?"

  • Dem Flavius gefiel, dass sein Tiro fori eigenständige Gedanken evolvierte und jene zu defendieren bereit war, obschon es ihm ebensolche Lust bereitete, den Advocatus diaboli zu geben, um jenen juvenilen Ungestüm mit der harten und bisweilen mäßig inspirierenden Realität zu konfrontieren.

    "Unsere Res publica und deren Erfolg fußt auf den Mores Maiorum, wie du weißt. Nicht Spekulationen machten unser Imperium groß, sondern die Bewahrung des Bewährten und deren Fortschreibung. Indessen heißt dies nicht, dass man starr in dem verharren müsste, was war - es bedarf lediglich einer besonderen Begründung, welche die Gründe für das Fortführen des Hergebrachten übertrifft! Experimente mit offenem Ausgang werden die Patres nicht leicht billigen.


    Die Kunst der Politik sind nicht die guten Ideen, sondern darin, jene Ideen in Realitäten zu verwandeln. Und an dieser Stelle ist es eben die Frage, welche Anreize du offerieren kannst, um Unterstützer zu generieren und Argumente für alternative Entscheidungen zu übertreffen. Öffentliche Bauwerke mögen für das Gemeinwesen in einer gewissen Sichtweise von subsidiärer Bedeutung sein, indessen verleihen sie deren Erbauern weit mehr Ruhm als die Leistung, für einige Jahre einen Aufstand des Volkes vermieden zu haben. Folglich wirst du auch hier argumentieren müssen, denn das Bestehende ist ein fein austariertes System, bei dem das Neue stets nur auf Kosten von etwas Bestehenden erwachsen kann."

    , resümmierte er endlich seine Bedenken. Roms Foren waren voll von Basilicae, Triumphbögen und dergleichen, die irgendeines Imperatoren Namen trugen und sich so im Gedächtnis hielten. Strebsame Administratoren, die derartige Gelder lieber in Getreidespenden investiert hatten, waren hingegen vergessen.


    Die letzte Frage musste in ähnlicher Weise eine gewisse Desillusion als Replik erhalten, wobei Manius Minor einen Augenschlag genötigt war nachzusinnen, ob tatsächlich seine Intentionen schnödes Pflichtgefühl allein waren, wie ihm dies auf den ersten Blick erschien, zumal er ja nicht eben freiwillig die politische Bühne hatte betreten, sondern vielmehr geradehin aus Zwang respektive Furcht vor Strafe, was ein noch weitaus niedereres Motiv repräsentierte als die Pflicht.

    "Was ist eine Vision?"

    , sann er daher laut nach, während sein Geist noch selbst sich mühte, seinen eigenen Intentionen eine positive Deutung abzutrotzen. Einen Augenschlag verharrte er erneut, um sodann vorsichtig und gleichsam tastend eine Replik zu formulieren:

    "Einjeder von uns hat zweifelsohne ein Bild von einem Staatswesen, wie es sein sollte: Für Platon war dies das Reich der Philosophenkönige, die Spartiaten die Aristokratie der Krieger. Wir Römer hingegen haben eine Tradition der pragmatischen Visionen, denke man an Ciceros De re publica und seinem Lob der gemischten Verfassung, welches eben dem entspricht, was unser Staatswesen auszeichnet. In jener Weise war wohl auch meine Vision geartet: Das zu erhalten und zu stärken, was unsere Stadt zum Imperium ohne Grenzen ließ erwachsen: die Tugend, das Gleichgewicht der Kräfte und die Concordia aller."

    Dies mochte eine überaus konservative Vision darstellen, doch war sie es wohl, der sich die meisten der honorigen Herren im Senate verschrieben, sodass sie als Antwort weitaus adäquater war als Minors individuelle Wahrheit.

    "Wie jene Vision zu realisieren wäre und welcher Weg am ehesten zu ihr führt, darüber lässt sich indessen trefflich disputieren. Ob ich dabei jeweils den besten Weg wählte und mich mit meiner Haltung stets durchsetzen konnte, muss ich bezweifeln. Ob deshalb meine Vision gescheitert ist, allerdings ebensowenig."
    Er lächelte milde.

    "Auch dies mag eine Lehre sein: Die Politik verteilt Siege und Niederlagen oft nicht sehr klar verteilt: Wer heute eine Debatte gewinnt, mag lediglich einen Pyrrhus-Sieg errungen haben und bei seinem nächsten Ansinnen am Unterlegenen straucheln. Wer sich geduldet, mag letztlich triumphieren und wer allzu rasch steigt, mag ebenso rasch fallen. Insofern möchte ich dir raten: Bewahre dir Ideale und Visionen, doch ziehe in Betracht, sie erst nach einem langen Weg oder gar auf verschlungenen Pfaden zu realisieren. Und solange mühe dich, das Ganze, die Pax Deorum, die gesamte Res publica und das Gefüge des Senates im Auge zu bewahren."

  • Ravilla senkte leicht das Haupt, wie er es zu tun pflegte gegenüber eines Mannes, dem er besonderen Respekt zollte.


    "Dein Rat ist von unschätzbarem Wert. Ich entnehme deinen Worten die Empfehlung, mit diesem Thema noch zu warten und für den Wahlkampf ein anderes zu verwenden, um nicht die Patres Conscripti zu pikieren. Dass es sich als derart ... revolutionär gestaltet, war mir nicht bewusst."


    Vielmehr war der Gedanke dazu geeignet, Ravilla innerlich zu erschüttern! Trotz seiner Ideen zur Optimierung der Gesellschaft betrachtete er sich als Traditionalist. Jedoch musste er erkennen, dass die höchsten Riegen der römischen Gesellschaft in ihrer Handhabung weniger flexibel waren als die kappadokischen Tempelfürsten, deren Herrschaft sich als gesichert darstellte und die sich folglich um die Methoden des Umgangs mit ihrem Volk recht freie Gedanken machen konnten. Die Position eines Priesterfürsten war göttlich legitimiert - die Position eines Senators unterlag den Launen der Patres Conscripti. Hier musste Ravilla für seine Gens erneut lernen, die Welt durch die Augen eines Römers zu betrachten und nicht durch die eines aristokratischen Cappadox, der sich in den Kopf gesetzt hatte, das provinzielle Zeitalter seines Zweiges hinter sich zu lassen.

    "Mir erschien mein Anliegen insofern praktikabel, als ich erwäge, das Vigintivirat in den Reihen der Tresviri Capitales zu bekleiden", fuhr in seinen Überlegungen er fort, "doch pikieren möchte ich den Senat freilich nicht mit meinen Ideen. Ich möchte ihn um eine wertvolle Facette ergänzen, mich funktional einfügen und nicht das Steinchen im Getriebe sein."


    Zumal ein verstimmter Senat einen lästig fallenden Homo novus daran zu hindern wusste, sich in ihre erlauchten Reihen zu erheben. Nachdenklichkeit verschleierte den Blick seiner dunklen Augen. Concordia konnte nicht immer gewahrt werden, ein Senator musste streitbar sein, doch galt es die offene Konfrontation zu meiden und klügere Wege zu finden - so verstand Ravilla den Rat seines Gegenübers, den er gleich eines güldenen Geschmeides in seinen Gedanken verwahrte.


    "Darf ich dich höflich um eine Empfehlung bitten, wie folglich am besten zu verfahren ist im Hinblick auf meine Karriere? Für den Wahlkampf muss breite Unterstützung gesichert sein und mein bisheriges Konzept scheint sich zu diesem Zeitpunkt als für Werbezwecke ungeeignet darzustellen. Gleichwohl würde ich dem amtierenden Praefectus Urbi zuarbeiten wollen, so dass es mir eben sowenig ratsam erscheint, Gedanken zur Sicherheit gänzlich außer Acht zu lassen. Was also rätst du mir zu tun?"

  • Augenscheinlich trafen seine Worte den juvenilen Elan seines Tiro fori mehr denn intendiert, sodass der Flavius sich mühte, seine Bemerkungen ins rechte Licht zu rücken:

    "Das Sujet ist durchaus ehrenwert, gewiss! Und mitnichten möchte ich dir empfehlen, jene Vision ad acta zu legen. Ich möchte dir lediglich den Rat geben, die einzelnen Schritte zu ihrer Realisierung wohl zu bedenken und zu beachten, dass jede Initiative ihren Preis hat, den es zu ästimieren gilt. Willst du Gelder für eine Sache akquirieren, wird man dir diese kaum schenken, sondern du wirst erwägen müssen, woher sie stammen und jene überzeugen müssen, die bisherig von ihnen profitierten."

    Auf jene recht konkrete Frage hinsichtlich seiner eigenen Kampagne, bedurfte Manius Minor indessen einer neuerlichen Pause des Nachsinnens, war es doch durchaus diffizil, einen Homo novus, welcher bisherig nur mäßig über Kontakte innerhalb der Urbs verfügte, in der gleichen Weise anzupreisen, wie dies bei einem Aristokraten mit einem Stammbaum voller Senatoren war. Letztlich erwiderte er aber:

    "Obschon du aus honorigem Hause stammst, wirst du den meisten Senatoren nicht sonderlich bekannt sein und nicht wenige werden sich fragen, warum sie einem Homo novus aus der Provinz ihre Stimme leihen sollen. Ihnen gegenüber mag es geraten sein, weniger die Disruption, als die Kontinuität zu loben, ergo die Verheißung zu geben, die Tradition und den Erfolg unserer Res publica fortzuführen.


    Von einem Tresvir capitalis wird niemand erwarten, dass er binnen eines Jahres die Kriminalität in der Stadt besiegt oder auch nur leidlich mindert. Von ihm wird erwartet, dass er seinen Obliegenheiten gerecht wird, die Justiz kundig administriert und nichts vernachlässigt, was zu seinem Amtsbereich zählt. Kluge Ideen, erfolgverheißende Initiativen können hierauf aufsetzen und helfen, sich vom Feld der Kandidaten abzusetzen und hier wird man zweifelsohne auch eher Freiraum gewähren - insonderheit, wenn jene Aktionen nicht mit Kosten oder Umwälzungen des übrigen Staatswesens verbunden sind."
    Dies mochte ein wenig ennuyant wirken, doch war es das einzige, was der Aedil seinem Tiro fori offerieren konnte.

    "Mein Rat wäre somit: Nimm deine Ideen zur Hand und ersinne kleine Schritte, die du im Rahmen deines angestrebten Amtes verwirklichen kannst. Sprich durchaus im Vorfeld darüber mit mir oder auch Claudius Menecrates. Er ist ein Freund von mir, gerne könnte ich eine Unterredung mit ihm arrangieren."
    Wertvoller als sein Rat mochten dem Jüngling seine Kontakte sein, von denen das flavische Haus zahllose sein Eigen nannte.

  • Einst in der ihm heute geradezu luxuriös anmutenden Entscheidungsfreiheit seines Heimattempels aufgewachsen, auch in pekuniären Angelegenheiten, waren Ravilla jene von derart inniger Rivalität durchdrungenen Gedanken der Finanzpolitik noch fremd, die der Magistrat ihm geduldig zu erläutern geruhte. Doch langsam meinte der Seius zu verstehen, auf welche Gesetzmäßigkeiten Flavius Gracchus Minor hinauswollte.


    "Die Frage, was etablierte Senatoren bewegen sollte, einem Homo novus ihre Unterstützung zu offerieren, ist in der Tat relevant", sprach der Seius langsam, denn parallel verzogen sich komplexere kognitive Prozesse, als er sich mühte, seine vertrauten Gedankenbahnen zu verlassen und neues Denken zu erlernen. "Unterstützung erhält, wer Unterstützung ist. Do ut des, auch - und vielleicht gerade - als Emporkömmling im Senat. Auf dem Weg in die Curia Iulia ist es folglich eine ratsame Strategie, Nützlichkeit für die bereits laufenden Projekte der älteren Senatoren zu generieren. Wer bereits geholfen hat, wird es leichter haben, selbst positive Antwort auf die Bitte um Unterstützung für ein eigenes Projekt zu erhalten. Erst recht sollte man in diesem Stadium keinen Senator pikieren, indem man durch suggieriert, die traditionelle Methodik der Staatslenkung sei unvollkommen.


    Bis auf dieser stabilen Basis und mit dem gewonnenen Erfahrungsschatz einst erwogen werden kann, auch eigene, moderner anmutende Ziele in das Gesamtgefüge zu weben, welche nicht revolutionär wirken sollten, sondern als eine Perfektionierung des bereits gut funktionierenden Bestehenden fungieren müssen. Tradition als Trittleiter zur Moderne. Das Eine muss langsam und mit der Zeit gehend - diese nicht überholend - aus dem Anderen heraus wachsen."


    Während der letzten Worte sah Ravilla sein Gegenüber fragend an, um zu evaluieren, ob das gezogene Fazit mit der beabsichtigten Aussage deckungsgleich war.


    "Gern nehme ich dein Angebot an, mich auch künftig an dich zu wenden. Mir sei die Aussage gestattet, dass mir der Rat eines so erfahrenen und umsichtigen Mannes teuer ist und ich dankbar bin für die investierte Zeit. Es ist besser, im Vorfeld beraten oder gar an unklugen Schritten gehindert zu werden, als im Nachhinein die Scherben der eigenen Vision zusammenfegen zu müssen und seine Träume mitsamt der Jugend zu Grabe zu tragen."


    Im Gegenteil erachtete Ravilla es als unklug, sich eigenbrödlerisch gegen Rat zu verschließen und das ehrliche Wort von sich zu weisen, nur weil es womöglich eine unangenehme Wahrheit enthielt.


    "Über das Arrangement eines Gesprächs mit dem Praefectus Urbi wäre ich in hohem Maße verzückt! Ich hatte bereits Gelegenheit, während eines Opfers für Mars mit ihm und Senator Annaeus an einem Tisch zu speisen1, auch dein geschätzter Vater saß in dieser Runde."


  • Die Rekapitulation seines Ratschlages durch den Seius kommentierte Minor mit einem Nicken der Satisfaktion, implizierte diese doch, dass sein Lehrling verstanden hatte, worauf die Ratschläge des erfahreneren Senatoren abzielten, was indessen ihn nicht sonderlich verwunderte, da doch Ravilla bisherig stets sich als gelehrig hatte erwiesen.


    "Wie bereits gesagt, steht meine Tür dir stets offen: Du bist ein Klient unseres Hauses und als dein Lehrmeister erachte ich es als meine besondere Obliegenheit, dir stets mit Rat und Tat zur Seite zu stehen!"

    Einen Augenschlag sann der Flavius nach, ob er dem greisen Menecrates ein Empfehlungsschreiben für seinen Schützling sollte ausstellen oder schlicht ihn zu einem gemeinsamen Gastmahl laden, hatte er dem Claudius doch eben jenes angedroht.

    "Ich werde in jedem Fall etwas für Menecrates arrangieren. Dass ihr bereits bekannt seid, ist umso besser, denn der alte Consular ist bisweilen durchaus ein wenig kritisch. Würdest du es favorisieren, ihn selbst aufzusuchen oder soll ich ihn lieber hierher zu uns zum Gastmahle laden?"

  • "Ein Gastmahl wäre die Gesprächsform meiner Wahl, werter Flavius Gracchus Minor! Im Zuge der Kandidatur ist es Sitte, eine Cena zu halten, um über die politischen Themen des aktuellen Geschehens zu konversieren.


    Für deine freundliche Hilfe kann dir nicht genug gedankt werden, doch wenn es an der Zeit ist, werden nicht Worte allein meinen Dank verkünden. Deine Müh und die deines Vaters, sie trifft auf fruchtbaren Boden und es werden reiche Gärten daraus sprießen, wenn die Götter es so wollen!"


    Da die Flavii dem Dienst an den Göttern familiär tradierten, hegte Ravilla am Wohlwollen der Unsterblichen keinen Zweifel.

  • "Nun, dafür werde ich Sorge tragen!"

    , erwiderte der Flavius vergnügt ob des ungebrochenen Ehrgeizes seines Klienten. Dass Ravilla just die Garten-Metaphorik verwendete, derer auch Minor sich bei seinen Senatsreden zu bedienen pflegte, erachtete er als geschickte rhetorische Entscheidung und würde einst ihm als Inspiration für seine Res gestae dienen.

    "Gerne lade ich in meinem Hause zu einem Gastmahl, indessen solltest du spätestens zum Antritt deines Vigintivirates ein eigenes Haus hier in Rom erwerben."

    Dass dies mit immensen Kosten war verbunden, reflektierte der wohlgeborene Aristokrat selbstredend nicht, zumal er davon ausging, dass es seinem Tiro fori zwar an Kontakten in Rom, mitnichten aber an Geld fehlte.

    "Gibt es abseits von Menecrates jemanden, den wir zu unserem Mahle sollten laden?"

  • Da Ravilla noch über keine eigene Unterkunft in Roma verfügte, stellte der Flavius diesem edelmütig die eigenen Hallen zur Verfügung, was Ravilla in freudvolle Verzückung versetzte. Zwar hätte er auf die Gastfreundschaft seines Neffen in der Casa Leonis zurückgreifen können, doch war ein Gastmal in der Villa Flavia Felix als ungleich glamouröser zu werten! Der Eindruck wäre ein völlig anderer.


    "Freundlichkeit und Großmut der Flavii bleiben unübertroffen. Dankbarkeit erfüllt mein Herz.


    Meine bescheidene Sklavenschar hat sich inzwischen gut hier eingearbeitet und findet sich in den Räumlichkeiten zurecht. So müssten nicht zwingend mehr flavische Sklaven als nötig ihre Arbeitskraft bei jenem Gastmal binden. Gern trage ich meinen Anteil bei, was die Bewirtung und Unterhaltung der Gäste anbelangt. Meine Unfreien sind allesamt östlichen Geblüts und von exotischem Erscheinungsbild, da ich mir mit ihnen ein Stück Heimat nach Rom gebracht habe. Empfiehlst du, ihre Exotik zum Anlass des Gastmahls zu betonen, oder im Gegenteil sie konservativ zu gewanden?


    Sehr gern würde ich neben dem Praefectus Urbi auch den Senator Annaeus Florus Minor in den Reihen der Gäste sehen. Zweimal durfte ich bereits bei ihm daheim zu Gast sein, zur Neujahrsfeier und zu seiner Hochzeit, und ich würde mich gern für die erwiesene Gastfreundschaft revanchieren. Zumal er als Senator gleichwohl Interessantes aus dem aktuellen Geschehen wird beitragen können.


    Natürlich, nicht zuletzt, wäre von Relevanz, dass du, lieber Flavius Gracchus Minor, und dein hochverehrter Vater zugegen seid. Dies wäre nicht nur eine Ehre, sondern auch eine große Freude für mich.


    Folgende Namen würde ich summa summarum als das Minimum geladener Gäste präferieren:


    Herius Claudius Menecrates

    Manius Flavius Gracchus den Älteren

    Manius Flavius Gracchus den Jüngeren

    Lucius Annaeus Florus Minor

    sowie meine Wenigkeit.


    Allesamt Namen aus den Kreisen der Politik. Eine solch eher kleine und spezialisierte Runde hätte den Vorteil, die Gesprächstiefe zu begünstigen, da ein jeder häufiger zu Wort käme. Gibt es weitere Personen, welche du in unsere Runde zu laden empfehlen würdest?"

  • "Nun, selbstredend kannst du deine eigenen Sklaven engagieren, ebenso aber auch die des Hauses - dies stelle ich dir frei!"

    Ob Exotik oder quiritische Schlichtheit für einen derartigen Anlass dominieren sollten, war letztlich eine gustatorische Frage, in welcher der Flavius seinem Tiro nicht wollte vorgreifen.


    Der erwähnten Gästeliste vermochte er ebenfalls nichts zu addieren:

    "Jene Gäste sollten genügen, in der Tat. Die Erfahrung lehrt, wie du bereits sagst, dass eine zu große Gesellschaft zur Folge hat, dass es kaum gelingt, jeden Gast hinreichend zu würdigen. Insofern sollten wir lieber mehrere Gastmähler präparieren, ehe es zu viele honorige Gäste auf einmal werden. Und dass du Annaeus Florus zu deinen bereits Bekannten zählst, mag auch für mich nützlich sein, da ich doch bisherig noch kaum die Ehre hatte, mit ihm zu parlieren. Sein Vater ist ja durchaus bekannt, doch der junge Annaeus scheint ja ebenfalls in der Gunst des Princeps zu stehen, wie man hört."
    Zwar hatte ein Flavius selbstredend es nicht nötig, den Sohn eines Emporkömmlings wie jenen Annaeus zu hofieren, selbst wenn er das Ohr des Kaisers mochte haben, doch verspürte Manius Minor doch einen gewissen Vorwitz, jenen aufsteigenden Stern am politischen Himmel Roms ein wenig näher kennenzulernen, um sich ein Urteil zu bilden.

  • Da Ravilla die Gestaltung der Atmosphäre anvertraut ward, sinnierte er über die ihm sich reizvoll darbietenden Optionen. Ginge es allein nach den Motiven seines persönlichen Gustos, so würde die kleine Feierlichkeit nicht schillernd genug sein können was Sinnesreize anbelangte. Farbenpracht, Duftkompositionen, Klangweberei und Geschmacksreisen, selbst die haptischen Aspekte des Mobiliars, der Kleidung und der Speisen floss in seine Betrachtung ein. Zu seiner Kümmernis empfand der durchschnittliche Stadtrömer jedoch bereits jene Eindrücke, die Ravilla als hauchfeinde Dezenz erachtete, als überwältigenden Kitsch. Man mochte meinen, Römer würden im Westen und Osten des Reiches als zwei unterschiedliche Spezies existieren, deren Sinnesorgane voneinander differierten, doch freilich war Ravilla sich im Klaren darüber, dass es allein die kulturelle Prägung war, welche diese Differenzen induzierte.


    "Mir will scheinen, ein Plan formiert sich in meinem Geist, nimmt wie sich verdichtender Nebel eine Gestalt an, doch bedarf er noch einiger Zeit der Reife, ehe in Manifestation er münden wird. Möge es ein vergnüglicher Abend werden, wenngleich ich nicht verhehlen möchte, dass mich die Aussicht, solch, wie du sie zu Recht nennst, honorigen Gäste zu empfangen, auch mit einem Quantum an Nervosität erfüllt." Insbesondere freilich im Hause seines Mentors und seines Patrons, die er gleich mit blamieren würde, sollte ein Fehltritt ihm selbst unterlaufen, was die Götter verhüten mochten. "Doch der Mensch wächst mit seinen Aufgaben, nicht wahr? Wer hoch hinaus möchte, sollte eine Leiter mit nicht zu kleinen Sprossen wählen, sonst wird er zu Lebzeiten nicht sehr weit gelangen."

  • "In der Tat, mein guter Ravilla, und du wirst ohnehin zu lernen haben, wie man sich in derartiger Gesellschaft bewegt."

    , erwiderte der Flavius mit einem Lächeln. Er war gewiss, dass der Seius jene Herausforderung mit Bravour würde lösen, zumal er im vergangenen Jahr bereits diverse Gelegenheiten hatte gehabt, sich in der Hautvolee der Urbs zu bewegen, da er im Rahmen seines Tirocinium fori bereits an diversen Gastmählern und Audienzen partizipiert und stets eine gute Figur dargeboten hatte.

    "Ich bin sicher, dass du dies hervorragend wirst meistern!"

  • Dankbar ob des Zuspruchs neigte Ravilla ein wenig das Haupt. Optimismus legte sich gleich einem weichen Seidenschleier um seinen rege arbeitenden Geist.


    "So darf ich vorschlagen, das heutige Gespräch zu beenden in der Aussicht, bald wieder miteinander so angenehm zu konversieren? Spätestens bei der Cena sollte sich erneut Gelegenheit bieten."


    Wenngleich der Anlass eher formeller Natur war, so war es doch üblich gegen Ende solcher Veranstaltungen, wenn die Weinkaraffen weniger Inhalt aufwiesen als zu Beginn, informellen Gesprächen in aufgelockerter Stimmung zu frönen.

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