Beiträge von Galeo Claudius Myrtilus

    Tag um Tag war verstrichen, und Myrtilus erholte sich nur langsam von dem stechenden Schmerz, der seine Brust und den linken Arm eines Abends wie ein glühender Speer durchzuckt hatte. Dabei war er nur im Sonnenschein gesessen, mit einem Becher gutem Wein und die Augen auf Brutus gerichtet, der mit seinen Soldaten gespielt hatte. In den Wochen, die auf diesen Schmerz folgten, hatte ihm der Arzt ausdrückliche Ruhe verordnet. Seit etwas mehr als einer Woche bestand Myrtilus allerdings darauf, langsam in dem ihm eigenen Gang herumzustreunen. Es war müßig, in seinem Alter allein auf seinem Zimmer zu verweilen, nur in Gesellschaft verstaubter Schriftrollen und auf den gelegentlichen Besuch der flatterhaften Jugend hoffend, wenn sie sich des alten Opas erinnerten, der er mehr und mehr wurde. Myrtilus vermisste die contiones der Auguren, den frischen Wind um seine Nase, wenn er mit dem lituus ein templum in den Sand zeichnete und den Flug einiger Vögel deutete. Er vermisste auch seinen Sohn Severus, der zwar anwesend und durch Senator Macers Zutun in den ordo senatorius erhoben worden war, aber sonst nicht viel mit der Familie zu schaffen hatte und sich seines Vaters nur selten erinnerte.


    Mit der vielen untätigen Zeit kamen auch allerlei Gedanken und Erinnerungen an vergangene Tage zurück. Obwohl man von Myrtilus eher nicht behaupten konnte, er sei ein nachtragender Mensch, so kamen bei einigen Personen dennoch Wallungen in ihm auf, die seinem Zustand eher schadeten als nutzten, wenn Gedanken überhaupt eine Auswirkung haben konnten. Eines jedoch hatte durchaus Auswirkungen auf den betagten Claudier gehabt, nämlich die spindeldürre Thrakierin, die ihm mitgeteilt hatte, dass seine Tochter Callista von Stund an im Hause weilte.


    Myrtilus hatte die Sklavin fort geschickt und sich in der Dämmerung seines cubiculum gefragt, wie sie Kunde bekommen hatte von der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Sowohl seinem Sohn als auch Menecrates und den Seinen hatte er das Versprechen abgerungen, seine sonstigen Kinder nicht zu benachrichtigen. Immerhin war er, obwohl mit seinen bald einundsechzig Jahren betagt, nicht schwächlich oder anfällig, sondern ein Claudier durch und durch, und als solcher hatte ihn weder die schwere Beinverletzung damals bezwungen, als ägyptische Bastarde einen Übergriff auf eine nur gering bewaffnete römische Handelsflottille versucht hatten, noch würde ihn dieser lächerliche Stich besiegen, der seine Brust beengte und ihn zu Schweißausbrüchen getrieben hatte. Der verzierte Stock war nun unentbehrlich geworden, selbst bei kurzen Wegen, und diese Abhängigkeit ärgerte Myrtilus ungemein. Nicht nur, dass bei jedem seiner Schritte ein zusätzliches, arhythmisches "Klonk" zu hören war, sondern auch der Umstand, überhaupt auf etwas wirklich angewiesen zu sein, verstimmten ihn.


    So waren es nicht nur Schritte, die seine Tochter an diesem Vormittag nahen hörte. Myrtilus pflegte, seitdem er wieder herumlief, jeden Morgen eine Runde durch die villa zu spazieren. Er roch an Oleander- und Fliedergebüsch im prächtigen Garten, weilte lange bei den Rosensträuchern und erachtete selbst kleine Blümlein als Geschenk, da er sie nochmals bewundern durfte. An diesem Vormittag hatte er sich gesputet, denn obwohl er seinen Besuch für seinen Geschmack recht lange vor sich her geschoben hatte, so freute sich sein altersschwaches Herz durchaus, dass Callista sich augenscheinlich um ihn sorgte. Und dennoch war da die leichte Besorgnis, sie könnten nahtlos an die lange vergangenen Geschehnisse anknüpfen und den alten Disput fortsetzen. Ebenso fragte sich der Alte, warum Callista allein angereist war, ohne Fabius, denn es hieß, sie habe lediglich seinen Enkel mitgebracht.


    Er lenkte seine Schritte also der Tür entgegen, gestützt auf den verhassten Stock, der ihn schwach machte, und dann blieb er stehen. Noch bestand die Möglichkeit, unverrichteter Dinge sich umzuwenden und zu warten, bis Callista den ersten Schritt würde tun, doch wäre dies ein ebenso kindisches Verhalten gewesen wie das ihre, den Besuch nicht anzukündigen. Myrtilus sammelte sich kurz und klopfte sodann an, im Herzen bang und vorfreudig zugleich, erwartungsvoll und misstrauisch, erfreut wie skeptisch. Es dauerte nicht allzu lang, ehe ihm eine Sklavin den Zugang zum Inneren des Zimmers gewährte. Myrtilus trat ein, augenblicklich der sorgfältig zurechtgelegten Worte beraubt und vom doch so unverhofften Anblick seines Fleisch und Blut eingenommen. Nur wenige Schritte hinter der Tür blieb er stehen, schwer auf den Stock gestützt, und betrachtete mit nicht ganz verborgenem Stolz seine Tochter, die wunderschöne Callista, die im Sonnenlicht noch mehr erstrahlte und ein so lebendiges Abbild Coriolanas war, dass er das Gefühl hatte, sie selbst wäre präsent. Alle Zweifel fielen von ihm ab, zumindest für diesen Moment, und jedweder Gedanke an Vergangenes ward vorerst vergessen. Auf die Rechte gestützt, breitete Myrtilus nur den Linken Arm aus und wartete stumm darauf, dass Callista nun wenigstens die Initiative würde ergreifen.

    Ah, ich alter Mann hab gar nicht daran gedacht, dass ich auch nur Teile zusammenfügen kann.... Danke jedenfalls.
    Allerdings besteht das Problem mit den leeren Seiten im festgepinnten Porta-Thema nun immer noch.


    [klugscheiß-on]Scheinbar stimmt da was nicht mit der Datenbank-Zuteilung der gezählten und tatsächlichen Antworten.[/klugscheiß-off] :D

    Myrtilus betrachtete seinen Neffen schweigend. In gewisser Weise konnte er sogar nachvollziehen, was ihn dazu bewog, hart mit dem Jungen zu sein. "Nein nein, du missverstehst mich, Herius. Es ist nicht die Art der Strafe, vielmehr der Zeitpunkt. Lucius ist fünf, lieber Neffe. Er hat soeben seine erste Reise unternommen, verspürt sicherlich einen ernormen Bewegungsdrang nach dem langen Sitzen. Man präsentiert ihm seinen Vater, jemanden, den er nicht kennt und der ihn beinahe augenblicklich derb bestraft. Es ist doch nicht so, dass ich sein Verhalten billigen würde, nein, in seinem Alter sollte er von Sklaven und Familie unterscheiden können...es ist nur...nun, einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte es nicht geben können. So wie die Küken nach dem Schlupf auf die Henne geprägt sind, so ist ein erster Eindruck prägend. Jenen, den Lucius nun von dir gewonnen hat, kannst di nicht allen Ernstes gutheißen, das glaube ich nicht", erwiderte Myrtilus und schüttelte entschieden den Kopf. "Ich will dir einen Rat geben, mein lieber Neffe, den du annehmen solltest. Immerhin habe ich schon einige Kinder großgezogen... Lasse etwas Zeit verstreichen und hole dir dann den Jungen zum Übungskampf. Vielleicht schenkst du ihm ein gladius, wenn er sich gut macht. Solcherlei Beschäftigung kann die Bindung zwischen Vater und Sohn nur festigen." Myrtilus stellte seinen geleerten Weinbecher fort und seufzte. Er wollte das Thema nicht weiter vertiefen, was geschehen war, war geschehen und konnte nun auch nicht wieder dadurch bereinigt werden, dass Vesuvianus den Kleinen zurückholen ließ, denn damit würde er vollends sein Gesicht verlieren. Um das Thema zu wechseln, erkundigte er sich nach Vesuvianus' anderen Kindern. "Was machen Prisca und Epicharis? Ich bin mir sicher, sie gedeiehen prächtig und verdrehten der Männerwelt Roms gehörig den Kopf?"

    Myrtilus bemerkte, dass er sich allmählich in eine Sackgasse manövrierte. Was tun, sprach Zeus? Er dachte eine Weile nach und füllte diese Weile mit folgenden Worten, die sich aber durchaus nicht unintelligent anhörten: "Tjaa....weißt du...äh...also, das ist so....." Dann kamen ihm die Worte wieder in den Sinn, die damals der medicus Ofella gegenüber geäußert hatte, und er nickte. "Es gibt nur eine Hauptader, und die führt einmal rundrum durch den ganzen Körper. Aber am Hals kann man sie am leichtesten finden", sagte er und nahm Zeige- und Mittelfinger von Lucius Hand, um sie an seine Ader zu legen, die rhythmisch pochte. "Und das Blut kühlt ja ab auf dem langen Weg durch den Körper, deswegen erwärmt das Herz es wieder. Wenn wir sterben, wird unser Blut ganz kalt. Und wenn wir frieren, dann schafft das Herz es nicht mehr, das Blut genügend warm zu halten." So war das doch gewesen, glaubte Myrtilus sich zu erinnern.


    "Na, da hast du natürlich recht, Lucius. Und wenn man ein böser Mensch war, dann behält der Hund einen gleich dort. Darunter zählt auch, wenn man seinen Vater nicht leiden kann und böse zu ihm ist", fügte Myrtilus ernst hinzu. Er wusste ja, dass sein Neffe und Lucius nicht gerade den besten Start gehabt hatten, aber dass es nun schon wochenlang so weiter ging, betrübte sein Herz doch sehr. Er war eben ein harmoniebedürftiger Mensch. "Also sei besser respektvoll deinem Vater gegenüber, damit dich der Cerberus nicht in der behält!" lehrte Myrtilus und piekte den Jungen kitzelnd in die Seite. Lächelnd nickte er dann. "Ja, das stimmt. Was möchtest du denn wissen?"

    Na, da hatte er sich ja was eingebrockt mit seinem Erklärungsversuch, warum man besser einklopfen sollte, ehe man einen Raum betrat. Myrtilus wischte sich mit dem Tuch den roten Streifen aus dem Gesicht, sodass nur mehr eine dünne rote Linie zurück blieb. Er machte bereitwillig Platz, damit der Junge auf seinen Schoß kraxeln konnte und warf das Tuch dann auf den Tisch. Von schräg oben betrachtete er nun seinen liebsten Jungen des imperium. "Eine Hauptader. Hm. Stelle dir einmal die Via Flaminia vor. Die kennst du doch, da waren wir erst, ist noch gar nicht so lange her. Erinnerst du dich noch, wie viele Leute und Karren und SKlaven und Tiere dort unterwegs waren? Auf dieser Straße ist viel mehr los als in den kleinen Gassen in der suburba. In unserem Körper gibt es auch solche Bahnen. Auf denen einen ist mehr los, auf den anderen weniger. Wenn du dich in den Finger schneidest, dann blutet das gar nicht so stark, weil dort nicht die Hauptader sitzt. Wenn Ustebar eben aber mit dem Messer an meinem Hals abgerutscht wäre, dann wäre der ganze Boden rot, so viel Blut würde sprudeln. Im Hals sitzt nämlich die Hauptader, und wenn man die zu sehr trifft, dann endet das tödlich. Deswegen schneiden die Priester den Opferstieren auch immer den Hals durch, damit sie schnell tot sind und nicht noch lange herumlaufen, weißt du?" Manchmal schien es Myrtilus, als sei der Junge unersättlich in seiner Wissbegierde. Doch waren es nicht gerade Neugier und Interesse, die einen Menschen reifen ließen und ihn mächtig machten? Myrtilus schmunzelte über die Bemerkung was das elysium anging.


    "Ah, keine Sorge, so schnell werde ich nicht gehen, mein Lieber. Ich bleibe euch allen noch eine Weile erhalten, so die Götter wollen. Aber sag, verwechselst du nicht tartaros und elysium? fragte Myrtilus Lucius und hob fragend und schmunzelnd eine Braue.

    Myrtilus betrachtete die in der Ferne vorbeiziehenden Bäume und dei Meilensteine, welche sie passierten. Ihm erschien der Tiberier bedauerlicherweise nur wenig redselig. Gerade, als er diesen Gedanken dachte, erhob Durus erneut die Stimme und Myrtilus wandte sich ihm wieder zu, da er eine Unterhaltung witterte, die vielleicht nicht wieder recht einseitig verlaufen würde. "Oh, es müssen inzwischen..hm, knappe zwei Monate sein, die ich in Rom bin. Nach meiner Zeit in der classis habe ich einige Zeit in Baiae zugebracht und es ruhiger angehen lassen. Seit Tod meiner Frau hatte ich kein Amt inne, doch Untätigkeit liegt mir nicht, das muss wohl bei uns Claudiern im Blut verankert sein. Umso glücklicher schätze ich mich, nun ein augur zu sein." Myrtilus lächelte erfreut. "Weißt du, wer uns vor Ort empfangen wird Die Weihe ist doch erst übermorgen, nicht?"

    Der Opa saß gerade auf einem bequemen Stuhl, hatte die Hände auf dem Bauch gefaltet, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, als Lucius sozusagen hereinplatzte. Der Sklave, welcher sich gerade darum gekümmert hatte, die weißgräulichen Bartstoppeln des Patriziers zu rasieren, verstand zwar etwas von seinem Fach, erschreckte sich jedoch so, dass ein kleiner Schnitt auf Myrtilus' rechter Gesichtshälfte unvermeidbar war. Myrtilus zuckte zusammen und setzte sich auf, während der Sklave schon Entschuldigungen stammelnd zurückwich. Doch als der Blick des Alten auf den Jungen fiel, nahm er dem Sklaven nur das Tuch aus der Hand und schickte ihn mit einer wedelnden Handbewegung fort. "Naa, mein Sonnenschein? Tust du mir einen Gefallen? Würdest du das nächste Mal anklopfen? Stell dir nur mal vor, der tonsor hätte meine Hauptader getroffen, Lucius, dann hättest du ein Blutbad ausgelöst und ich wäre im elysium, obwohl du das gar nicht wolltest" belehrte Myrtilus den Jungen und tippte an die Schlagader am Hals, blinzelte jedoch sanftmütig dabei und fragte ihn anschließend: "Aber um deine Frage zu beantworten: ich habe Zeit. Warum fragst du?"

    Während die zwei sich miteinander beschäftigten, brummelte Myrtilus leise vergnügt vor sich hin und lauschte dem, was gesagt wurde. Wenn etwas gesagt wurde, hieß das, denn sowohl sein Neffe als auch sein Sohn schienen sich im gegenseitigen Anstarren und mimischen Gesten zu üben....

    Das Gespräch endete recht bald, da Myrtilus' Sohn das angesprochene Bad nehmen und sich dann etwas ruhen wollte. Kassandra wurde aufgetragen, sich um die Wünsche des frisch eingetroffenen Herren zu bemühen, und so kam es, dass Myrtilus allein mit Zahir in seinem Zimmer zurückblieb und beschloss, ein kleines Nickerchen zu machen. :]



    Sim-Off:

    Severus, einen Plot einfach offen zu lassen ist nicht ganz so nett für die Mitspieler, ich beende das daher einfach mal ganz knapp, ehe wir noch länger umsonst warten. ;)
    Kassandra: Ich mache gleich oder später einen seperaten Thread auf für ein gemeinsames Spiel, auch mit den anderen. :)

    "Dann hatte er ja noch einmal Glück", erwiderte Myrtilus und nickte. Durus ging zwar auf seine Äußerung ein, vertiefte sie jedoch nicht, sondern schwieg nach seinem Kommentar, was den Alten etwas ratlos machte. Um die nun aufkeimende Stille zu überbrücken, sah er nun also fortan aus dem Fenster.

    Myrtilus nickte nachdenklich. Der junge Tiberier hatte ja recht, seine Ernennung lag noch nicht allzu lange zurück. "Ja, da kann ich dir nur beipflichten. Allerdings kursieren Gerüchte um den Bau eines weiteren Tempels in Mantua. Wir werden sehen, was an diesen Behauptungen dran ist."


    Eine weile ruckelten sie stumm voran, dann gab Durus preis, dass er sich Erfahrung angelesen hatte. Myrtilus schien belustigt, kleine Fältchen bildeten sich beim Lächeln um seine Augen herum. "Oh ja, ich habe auch einiges an Zeit in den Archiven verbracht. Hast du dir die Berichte des C. Trebellius Vibullus angeschaut? Es muss ein schmerzlicher Verlust für das collegium gewesen sein, als er vor vier Jahren starb. Der Mann ist für mich der Inbegriff der Sorgfalt. Mit welcher Inbrunst er jeden Handgriff, jede Tätigkeit seiner Aufgaben verzeichnet hat... Seine Aufzeichnungen sind gerade für Neulinge wie uns beide eine Stütze und im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert", erzählte Myrtilus.


    Kurz darauf kam ihm in den Sinn, dass Durus eben von Alexandrien gesprochen hatte, und er griff diese Bemerkung nochmals auf. "Alexandria... Darf ich fragen, welche Wirrungen des Schicksals dich seinerzeit in das goldene Land des Nils geführt haben?" fragte er, da er ja nicht wusste, dass Durus in Alexandrien sogar geboren worden war.

    Wenigstens war Vesuvianus' Stimme nicht mehr von solcher Wut beseelt wie eben noch, sondern klang nur mehr streng und entschlossen. Myrtilus seufzte ergeben und ließ bedauernden Blickes zu, dass man ihm den Jungen vom Schoß zerrte und mit ihm verstand. Es blieb ihm ohnehin nichts anderes übrig, als sich dem Willen des Hausherren zu beugen, selbst wenn Vesuvianus jünger war als sein Onkel. Als der kleine Brutus fort war, schüttelte Myrtilus bedauernd den Kopf. "Ach Herius, das war unklug. Der Junge wird dich nicht als seinen Vater akzeptieren, wenn du ihn beständig so strafst und ignorierst. Er ist noch sehr jung, übe Nachsicht, zumindest etwas, ich bitte dich. Dann wird er dir vielleicht eines Tages nacheifern." Myrtilus seufzte und ließ sich mit einem Wink einen Becher Wein reichen, sprach jedoch ohne ausreichend lange Unterbrechung weiter, sodass Vesuvianus nichts anderes blieb, als ihm entweder zuzuhören oder ihm ins Wort zu fallen. "Lieber Neffe, du kennst doch dein Weib. Es ist nicht des Jungen Verdienst, dass er so ist, wie er ist. In ihm steckt großes Potential, glaube mir. Er hat bereits beachtliche Fortschritte gemacht. Ich kann mich noch an die Besuche bei der Familie deines Vaters erinnern - oh, ich muss etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein - du warst in Lucius' Alter und hast dich in keinster Weise für Gespräche interessiert. Nur dein Holzgladius konnte dir Freude bereiten - und mir blaue Flecke. Vielleicht erwirbst du das Vertrauen des Jungen, wenn du ihn den Umgang mit dem Holzgladius lehrst? Gewiss wird er Freude an solcherlei Übungen haben und seinem Vater ein Stück näher kommen - was mir unabdingbar scheint. Höre auf den Rat deines alten Onkel, Herius, und nutze die Gunst der Stunde, ehe Ofella den Kleinen erneut umgarnt."

    Innerlich gespannt, äußerlich jedoch zuversichtlich, betrachtete Myrtilus die Rückansicht seines Neffen, bis dieser sich umwandte und eine viel zu strenge Entscheidung traf. Mit einer Spur Bedauern und gehörigem Missverständnis sah er Vesuvianus in die Augen, nachdem dieser sein Urteil nicht revidierte, sondern bestätigte. Der Junge machte es dem Alten auch nicht gerade leichter, sodass sich nun eine steile Falte auf Myrtilus' Stirn zeigte. Er seufzte und wandte den Blick von Vesuvianus ab, um Lucius anzuschauen. "Na na na, sie wird doch nicht sterben! Dazu ist sie doch noch viel zu jung, hm? Und sie hat auch ganz viele Sklaven, die auf sie aufpassen. Mach dir da mal keine Sorgen", besänftigte Myrtilus den kleinen Brutus. "Deine Mutter ist viel zu stark, und außerdem will sie dich doch einst auf einer großen Rednertribüne sehen, wo dich alle bewundern werden." Und dass dies früher oder später gelänge, dessen war sich Myrtilus sicher.


    Als die Worte des Vaters jedoch den Jungen erreicht hatten, war klar, warum Myrtilus wohl kaum mehr etwas hörte: Während Lucius den Kopf schüttelte, brüllte er intervallweise dem Opa ins Ohr. Dieser sah perplex und erschrocken Vesuvianus an und versuchte, trotz des Klammerns des Jungen noch irgendwie zu atmen. "Lucius.... Lucius!..." versuchte Myrtilus es anfangs kläglich, ehe er ziemlich bestimmt wurde und den Jungen einfach festhielt. "LUCIUS! Ich bitte dich, führe dich nicht so auf! Hast du vergessen, dass die Germanen mit dieser Art des Aufbegehrens stets scheitern?" polterte er, doch kaum hatte er geendet, wich der grimmige Ausdruck erneut einem Großvatergesicht, auch wenn es etwas unglücklich dreinsah. Myrtilus sah Vesuvianus mit einem Blick an, der stimm fragte: Siehst du, was du angerichtet hast?

    Der Claudier nickte erleichtert. Er war ja nun nicht gerade der schnellsten Einer, und mühte sich stets, Pünktlichkeiten einzuhalten. Nicht immer gelang es, aber in diesem Fall hatte er wohl Glück gehabt. "Gut gut, sehr gut", gab er daher von sich und nickte einige Male zerstreut. Ein Sklave half ihm schließlich in den Reisewagen hinein, den der Tiberier organisiert hatte. Ächzend nahm Myrtilus Platz und rutschte sich in eine angenehme Position, während Durus einsteig und dem Fahrer verdeutlichte, dass es nun losgehen konnte. Sekunden später zogen die Pferde an und der Wagen begann sein typisches Ruckeln.


    "Oh ja, durchaus. Wenngleich ich noch nie bei einer Weihe eine entscheidende Rolle eingenommen habe, sondern stets unter den gottesfürchtigen Zuschauern zu finden war", schmunzelte Myrtilus. "Wie steht es mit dir? Hat dir das collegium schon viele Aufträge dieser Art erteilt?" wollte er wissen.

    Myrtilus hob eine Braue. "Na, nun sage mir nicht, dass du noch nie etwas vom lupanar 'Zur siebten Glückseligkeit' in Mantua gehört hast! Das kenne ja selbst ich, und ich komme aus dem Süden und war seit einer halben Ewigkeit nicht mehr in Mantua" ereiferte sich Myrtilus und grinste breit. "Ach ja, bedauerlich, bedauerlich. Karriere und Frauen lassen dich doch stets vereinbaren, zumindest war das zu meiner Zeit so. Damals, als ich noch jung war... Warum kaufst du dir nicht eine nette Dirne auf dem Sklavenmarkt, ich hörte, nubische Frauen seien offen für so manche Dinge. Und eine Sklavin würde für die nötige Zerstreuung sorgen, gerade, wenn du unseren Namen erneut in den Senat bringen willst. Du wirst dich sonst noch einmal zu Tode ackern, glaub mir." Von Rom nach Baiae war es zudem nicht gerade weit, und eine andere Provinz war es auch nicht, Myrtilus fragte sich, ob er vielleicht etwas wissen sollte, was er nicht wusste. Wenn Vesuvianus sich nicht versprochen hatte, so meinte er gen Ende vielleicht gar nicht Ofella? Überrascht sah der Alte seinen Neffen an. "Gibt es etwas, das ich wissen sollte? Beabsichtigst du gar, dich Ofella zu entledigen?" Das wäre ja...das wäre... Myrtilus machte große Augen und schüttelte irritiert den Kopf. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ein Claudier sich je von seiner Frau getrennt hatte. Das Eintreffen seines Sohne unterbrach die schockierten Gedanken. Tiberius setzte sich, und Myrtilus nickte ihm grüßend zu. "Tiberius, ja, ganz recht. Es geht um deinen Werdegang. Herius wird dir dabei behilflicher sein können als ich selbst. Er kennt die Gesellschaft Roms und auch einen ehemaligen Legaten, der zudem Senator ist und sich für sich einsetzen könnte. Herius wird dir dabei helfen, den ordo senatorius zu erlangen." Myrtilus lehnte sich zurück und sann über die Aussage nach, dass zu wenig Claudier im Senat saßen, während sein Neffe und sein Sohn ein ernsthaftes Gespräch führten.

    Myrtilus beobachtete zufrieden, wie sein Schützling seine Empfehlung annahm und sich sehr glaubwürdig entschuldigte. Sicher hatte der Kleine verstanden, dass er seinen Vater demnächst besser nicht mehr wie einen Sklaven behandeln sollte. Der Alte sah auf und zu seinem Neffen hin. Dass dieser sich erweichen ließ, daran glaubte Myrtilus nicht, doch eine Entschuldigung dieser Art würde ihn sicher dazu bewegen, doch Milde walten zu lassen, zumal dies doch ein äußerst geschickter Schachzug wäre, um das Vertrauen des Jungen zu gewinnen. Myrtilus schwieg, sah Vesuvianus indes aber abwartenden und ruhigen Blickes an. Der Junge meinte es ehrlich, keine Frage, befand des Myrtilus' nachsichtiger Verstand. Doch wie ihm klarmachen, dass es vorerst nicht mehr zurück nach Baiae gehen würde? Lucius zog bereits wieder an seiner Hand, doch statt dem nachzugeben, angelte sich Myrtilus einfach den Jungen und nahm ihn kurzerhand auf den Schoß. "Lucius, deine Mutter muss sich erholen, du kennst doch ihren Husten und weißt doch, dass sie sich oft nicht gut fühlt. Aber pass auf, ich mache dir einen Vorschlag: Gleich morgen früh schreiben wir ihr zusammen einen Brief und fragen wie es ihr geht und ob sie vielleicht schon eher kommen möchte. In Ordnung? Du bist doch schon ein großer Junge, Lucius. Erinnerst du dich noch an das, was deine Mutter gesagt hat, als wir abgereist sind? Ich habe es nämlich vergessen...." fragte Myrtilus und versuchte damit, einerseits den Jungen abzulenken und andererseits ihm die bestimmten Worte seiner Mutter, zwecks Artigkeit und patrizischer Stärke, ins Gedächtnis zu rufen.

    Vor lauter Aufregung ob der ersten Amtshandlung, die Myrtilus an der Seite des Tiberiers durchführen würde, hatte der alte Mann an jenem Morgen kaum etwas herunter bekommen. Schnell war die Sänfte gerichtet, die nötigen Utensilien gepackt und Myrtilus angekleidet gewesen, und dann ging es auch bereits durch das wirre Treiben Roms, an Händlern und patroullierenden Soldaten vorbei, schnurstracks zur porta viminalis, welche den vereinbarten Treffpunkt darstellte. Durus hatte sich bereits eingefunden, wie Myrtilus schnell feststellte, denn das Wappen der tiberischen Sänfte kündete schon aus der Ferne davon.


    Kurze Zeit später ließen die claudischen Träger die Sänfte ab, Zahir kam herbei und half seinem Herren aus dem Gefährt, und dieser begrüßte den Tiberier. "Ah, salve Durus, wartest du schon lang? Ich hoffe nicht..." sagte er. Der Einfachheit halber würde man einen gemeinsamen Reisewagen benutzen, und jener wartete bereits vor dem Stadttor. Zwei flinke Sklaven trugen eine kleine Truhe hinaus, welche persönliche Dinge und unter anderem auch eine frische toga enthielt, denn der Alte hatte es Durus gleich getan und war in einer mattroten tunica angereist. "Eh - können wir?" fragte Myrtilus freundlich, und Runzeln überzogen sein Gesicht beim Lächeln.