Beiträge von Valeria Maximilla

    Die Leere und die Stille *


    Der lange Tag nach der Audienz beim Caesar Augustus war zu Ende.

    Schwester Valeria lag in ihrem Bett in ihrem Cubiculum, die Arme hinter ihrem Kopf verschränkt und versuchte, in den Schlaf zu finden. Doch der Schlaf floh sie, wie alles andere sie floh, und als sie den kleinen Schatten ihres getigerten Katers Kersas erblickte, wollte sie ihn halblaut rufen, um ihr Gesicht in sein weiches Fell zu drücken und einfach zu weinen.

    Sie hatte lange nicht geweint. Immer wenn die Tränen fließen wollten, kam ihr die Erinnerung an das Aufblitzen des Messers dazwischen und brannte in ihren Augen, und sie wurden trocken und tränenlos. Dann wie sie, Valeria Maximilla, langsam nickte, damit der Lictor sein Werk tat.

    Und dennoch: Die heillose Welt war nicht wieder heil geworden. Die Ordnung wieder herzustellen, diese Aufgabe war zu groß für ihre Seele, zu groß für ihren Körper gewesen.


    "Kersas!", wollte Maximilla ihr Haustier zu sich rufen.

    Doch kein Laut entwich ihrem Mund, so sehr sie es einige Male versuchte. Sie erhob sich, gab einer Sklavin mit verängstigter Miene ein Handzeichen, und diese rief die anderen Vestalinnen herbei:

    Valeria Maximilla brachte kein Wort heraus.

    Was ist geschehen, o du unsere Schülerin?, fragten sie sie und drückten ihr einen Stilus in die Hand: Schreib es auf. Hat die göttliche Vesta selbst dir Schweigen auferlegt?

    Schwester Valeria schrieb ungelenk, wie es ihre Art war:


    Ich wǝiß ǝs nicht.


    Dann legte sie den Griffel aus der Hand...


    Einige Wochen später:


    Da sie weiterhin mit niemandem mehr ein Wort sprechen konnte, brachte man Schwester Valeria in die Casa Mamilla in die Obhut der verschwiegenen Matrone Sentia Tigellina. Die griechische Medica, die gerufen wurde, fand jedoch keinen körperlichen Makel an der jungen Discipula.

    Dennoch: Solange sie offensichtlich mit Stummheit geschlagen worden war, kam sie für den Dienst an der Göttin nicht in Frage.


    Sim-Off:

    *" Die Leere schauend geht Wahn in Stille über" Hahn Shan, 7. Jrh.

    Maximilla wunderte sich, dass die ältere Vestalin sich noch Sorgen um die Sittsamkeit der Schwestern machte. War nicht durch jenes Prodigium, jener Bluttat, der Friede mit den Göttern selbst zerbrochen? Was wog da der Anblick von Soldaten, mochten sie auch in stolzer Jugendkraft stehen?


    Die Gegenwart des Caesar Augustus beruhigte derweil Schwester Papiria; vielleicht würden er in seiner Eigenschaft als Pontifex Maximus gar die Sybillinischen Bücher konsultieren, um zu erfahren, welche Sühne zu tun war oder die Götter würden sich ihm auf andere Weise kundtun, da war sie wesentlich zuversichtlicher als die junge Schwester Valeria:

    "Eine Einzeltäterin - vielleicht.", sagte sie: "Aber so wie ein faules Ei andere Eier verdirbt, so ist die Brut dieser Frevler in unserer Stadt erstanden und hat die Reinste der Reinsten dahingestreckt. Wo dieser Hass geboren wurde, gibt es noch andere, die hassen, dessen bin ich mir sicher. Wir danken dir, Vater für deinen Schutz."


    "Bitte lass uns wissen, Vater, was getan werden wird, um unsere Götter wieder auszusöhnen.", bat nun Schwester Valeria den Caesar Augustus, und Schwester Papiria nickte dazu. Auch nach der angemessenen Trauerzeit für die Vestalis Maxima würde eine Zeit ernster Besinnung im Atrium Vestae regieren, und selbst die kleineren Vergnügungen der Vestalischen Jungfrauen wie gemeinsame Essen würden strengem Dienst, vermehrtem Studium und einer, wenn überhaupt möglich, noch eifrigeren Befolgung aller Vorschriften weichen.

    Schwester Papiria blinzelte den Kaiser an, bevor sie den Kopf etwas senkte und sprach: " Praetorianer ...hmm, das sind ja...nun stattliche Erscheinungen, die eventuell.......hmmm, also es wäre gut, wenn es ältere Veteranen wären. Mindestens vierzig, besser fünfzig Jahre alt Zumindest wenn sie das Atrium Vestae selbst betreten und die Priesterinnen begleiten.

    Es ist nicht so, dass wir den Anblick von Männlichkeit nicht gewöhnt sind; immerhin stehen uns im Circus Ehrenplätze in vorderster Reihe zu, aber nicht der Schatten eines Verdachtes darf...du verstehst.

    Bisher ist es so, dass das Atrium Vestae tagsüber für Besucher geöffnet ist, und dass wir darauf verzichtet haben, Leibesvisitationen durchzuführen, doch angebracht der veränderten Lage... Schwester Valeria sagte, die Mörderin der Maxima habe sie angesehen, als würde sie uns alle hassen, könnte auch das angebracht sein. Vielleicht gibt es noch mehr Feinde des Menschengeschlechts wie diese Täterin da draußen.

    Wir danken für deine Großzügigkeit, Vater. Unter dem Schutz der Praetorianer werden wir uns sicherer fühlen."


    Maximilla hörte ihren Namen und schaute auf. Wieder war sie abgedriftet in jenes Grau, indem Erinnerungsfetzen und Geräusche sie umgaben. Sie schalt sich und zwickte sich heimlich kräftig in den linken Unterarm, doch das Gefühl ließ nicht nach. Das war beängstigend, da der Dienst an Vesta ihre volle Konzentration erforderte, und sie zwickte sich gleich noch mal.

    Schwester Papiria schloss kurz die Augen zum Zeichen der Verneinung: "Danke Vater für deine Worte.", sprach sie: "Und wir danken dir dafür, dass du unserer verstorbenen Maxima solch ein großzügiges Begräbnis zukommen lässt. Wir werden dich darüber informieren, wenn der Tag angesetzt ist.", sie zögerte einen Moment, bevor sie noch anfügte:

    "Die Beziehungen unserer Schwesternschaft zu ihrem Vater waren nicht immer gleich intensiv: Es macht mich sehr froh, wie gütig du die junge Discipula Valeria und mich heute aufgenommen hast. Deine Gemahlin, Veturia Serena Augusta, liebt und beschützt uns schon seit langer Zeit. *
    Wir bitten dich in diesen schweren Tagen auch um deinen besonderen Schutz und Beistand. Der Anschlag auf die Maxima hat uns im Mark erschüttert. Vielleicht wäre es möglich, die Anzahl der Liktoren zu erhöhen, die dem Atrium zur Verfügung steht?"



    "Es gibt keine festgelegten Fristen, sondern es ist die göttliche Vesta, die uns leitet, Vater.", erwiderte Schwester Papiria: "So vertrauen wir Virgines Vestales auf deine Weisheit, da wir unter deiner Gewalt stehen und auf die Inspiration der Göttin, die Roma beschützt, dass die Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen werden."

    Die Totenwache dauerte sieben Tage wie bei anderen Bürgern in vergleichbarer Stellung auch, und danach würden die Reinigungsriten und Opfer stattfinden müssen, um die kultische Reinheit wieder herzustellen.

    Diese Frage beantwortete die Sacerdos Vestalis Papiria. Tatsächlich starben weniger Schwestern im Dienste,als man annehmen mochte, da sie bei ihrer Auswahl gesund sein mussten und körperlich nicht den geringsten Makel aufweisen durften. Und von den Gefahren des Gebärens, das so viele junge Frauen dahinraffte, waren sie naturgemäß befreit:


    "O Vater, eine Vestalin, die der Tod in ihren Dienstjahren erteilt, erhält ein funus publicum, ein Begräbnis auf Staatskosten. Doch im Gegensatz zu dem Gepränge für verdienstvolle Bürger, findet ihr Begräbnis im Geiste der Zurückgezogenheit statt, welches einer Vestalischen Jungfrau ansteht. Keine Soldaten begleiten den Zug, keine Bilder der Ahnen werden gezeigt und natürlich kämpfen keine Gladiatoren.
    Beigesetzt wird sie in unserer gemeinsamen Begräbnisstätte innerhalb des Pomerium. *

    Und dann sollte eine Jungfrau berufen werden. Diese Jungfrau muss allerdings nicht in jugendlichem Alter sein; es schickt sich durchaus, dass ihr Alter dem der Verschiedenen entspricht.**

    Und aus dem Kreise von uns Priesterinnen bestimmst du in deiner väterlichen Weisheit die neue Virgo Vestalis Maxima."


    Sim-Off:

    * Quelle
    **LEX IUNIA ET SCRIBONIA DE VESTABLIBUS, doch, anscheinend kein geltendes Recht im IR.

    Der Kaiser schaute einen Moment lang irritiert drein, sagte jedoch nichts und fragte auch nicht nach, was Schwester Valeria unter "Aufräumen des Tatortes" genau verstanden hatte. Es war auch nicht leicht zu verstehen, dass sie einen Moment lang gedacht hatte, alles ungeschehen zu machen und die Ordnung wieder herzustellen zu können, in dem sie tat, was sie tat.

    Doch da der Caesar Augustus und Pontifex Maximus nun konkrete Maßnahmen anordnete, nickten beide Priesterinnen eifrig: Ja, die Kooperation hätte schon begonnen, und in der Casa Mamilla wüssten sie Bescheid, dass der Medicus käme.

    In den Händen der Urbaner würde nun liegen, dass ein Schuldiger präsentiert werden konnte. Aber das war Politik, und Maximilla verstand nichts von Politik, aber dass der Friede mit den Göttern wieder hergestellt werden würde, das verstand sie. Die heillose Welt würde wieder heil werden, und dieser tatkräftige Mann, der Auserwählte der Götter,Aquilius Severus Augustus, würde dafür sorgen.

    Valeria Maxilla schloss einen Moment die Augen vor Erleichterung:

    "Ich danke dir, Vater", sagte sie, und dann dachte sie, dass die Heilung nur für alle anderen galt, nicht aber für sie. Sie musste damit leben, sich doppelt schuldig zu fühlen: Weil sie den Mord nicht hatte aufhalten können, doch noch mehr an dem, was danach geschehen war.

    Schwester Papiria tätschelte kurz beruhigend Maximillas Hand. Dann warteten beide Frauen, ob es noch weiteres zu besprechen gab oder ob der Kaiser sie entließ.

    "Die Cohortes Urbanae haben sich sozusagen von alleine eingeschaltet.", erklärte Maximilla :

    "Cornicularius Octavius und seine Leute hatten einige unsere Sklaven beim...Aufräumen des Tatortes entdeckt und darauf hin ins Atrium Vestae begleitet.

    Die Mörderin war uns nicht bekannt. Ihre Leiche werden die Urbaner mitgenommen haben, da sie unsere Sklaven an ihrer Entsorgung hinderten - genau weiß ich es freilich nicht. Vielleicht haben sie mittlerweile ja herausgefunden, wer die Frau war.

    Der Cornicularius war sehr diskret und meinte, dass der Bericht dann an dich ginge."


    Maximilla schluckte, als sie an den irren Blick der Attentäterin dachte und wünschte sich, die Urbaner hätten ihren entseelten Leib im Tiber gelassen. Niemand würde der Unheiligen die Begräbnisriten ausrichten, niemand eine Münze mitgeben, und kein Grab würde sie aufnehmen.

    Unter Lebenden und Toten schien sie gleichermaßen verflucht.


    "Die Aeditua Herminia hat Cornicularius Octavius dann noch zum Leichnam der Maxima in die Casa Mamilla geführt. Er wollte die Tatwaffe haben, und später noch wollte ein Miles Medicus vorbeikommen.", berichtete Maximilla weiterhin über die vorgesehenen Ermittlungen der Cohortes Urbanae.


    Papiria Occia schaute etwas missbilligend drein, als sie das hörte, was vermutlich damit zusammen hing, dass der Medicus ein Mann war und auch eine verstorbene Vestalin immer noch eine Vestalin. Zu Lebzeiten hätte sich Decima Messalina nie von Männerhänden berühren lassen. Allerdings waren die Geschehnisse gerade so verquer und außergewöhnlich, und daher hatte es den Urbanern bisher niemand verwehrt.

    Ave Pater“, erwiderten beide Vestalinnen den Gruß des Caesar Augustus, der auch der Pontifex Maximus war. Manche Leute glaubten ja auch, sie seien nach der Captio Töchter des Augustus, doch es war eher so, dass sie Töchter des Staates waren, die unter dem Schutz des Kaisers standen. Die Schwesternschaft war viel älter als das Kaisertum.


    Maximilla erinnerte sich gut daran, wie gütig der Kaiser zu ihr gewesen war, als damals ihre Captio besprochen worden war. Und wie sie so stolz und glücklich gewesen war,von der göttlichen Vesta erwählt worden zu sein. Und nun war das der einzige Gedanke, an den sie sich festklammern konnte: Die gütige Göttin machte keine Fehler. Aus irgendeinem Grund musste sie sie in ihren Dienst berufen haben.

    Maximilla wurde nun gewahr, dass beide, der Kaiser und ihre Mitschwester sie ansahen und darauf warteten, dass sie das Wort ergriff. Sie war es gewesen, die den Brief geschrieben hatte.

    Sie sagte:

    „Ich danke dir, dass ich so schnell zu dir kommen durfte. Ich schrieb meinen Brief an dich, weil ich Zeugin von einem großen Unheil wurde: Unsere geliebte Virgo Vestalis Maxima Decima Messalina und ich waren zusammen unterwegs, als sie von einer uns völlig fremden Frau hinterrücks erstochen wurde.

    Es war so unfassbar. Und dann – lag auch die Mörderin plötzlich tot zu meinen Füßen. Ich erinnere mich daran, dass ich ihr zuvor befohlen hatte, mir das Mordmesser zu geben, und sie hat es getan. Und dann dachte ich, dass niemand von diesem Frevel wissen darf, bevor du davon weißt, o Vater. Aber die Geschehnisse … es fühlt sich so seltsam an, als hätte ich den Kopf unter Wasser.“


    Nun warf Schwester Papiria ein: „Aber Schwester Valeria, dein begleitender Liktor an jenem Tag, Caius Lucceius Aterianus hat doch bereits gestanden, dass er die mörderische Frevlerin getötet hat, weil sie sonst auch dich angegriffen hätte. Das hat Lucceius dem Urbaner berichtet, der dich dann im Atrium aufgesucht hatte: Sein Name war Cornicularius Octavius. Er und seine Männer hatten wenig später die Leiche der Mörderin entdeckt.“

    Maximilla dachte angestrengt nach und rümpfte ihre Nase. Doch die Erinnerungen, an diesen Moment dehnten sich unendlich und waren dabei undeutlich wie ein verblasster Traum, so oft sie sie fassen wollte: „Wenn es alle sagen, wird es wohl gewesen sein.“, sprach sie leise:

    „In der Öffentlichkeit weiß niemand etwas davon, dass die Oberste Vestalin gemeuchelt wurde und nicht eines natürlichen Todes starb. Wir haben es bisher geheim halten können. Der Friede mit den Göttern jedoch ….“, sie machte eine hilflose Geste:

    „….ist in großer Gefahr. Und ich, ich hätte nicht einmal jenes fürchterliche Messer an mich nehmen dürfen. Wir Priesterinnen dienen doch der Güte und dem Leben, niemals dem Tod.“


    Sie seufzte und neigte den Kopf, dann erhob sie beide Hände zu einer flehenden Geste:

    „Was soll nun werden, o Pontifex Maximus?“, wisperte sie fast unhörbar.

    Die Vestalischen Jungfrauen Papiria Occia und Valeria Maximilla wurden von der Palastwache eingelassen und zum Officium geführt, in dem die Audienz stattfinden sollte. Da es zwei Stühle gab, nickte Schwester Papiria der Jüngeren zu, Platz zu nehmen.

    Beide Frauen saßen nun schweigend da, jede in ihre eigenen Gedanken versunken.

    Papiria war strahlte innere Gelassenheit aus, und Maximilla, die in der schweren Tracht mehr als je zuvor wie eine kleine Puppe wirkte, versuchte, es ihr gleich zu tun, obwohl ihr Herz bis zum Halse klopfte.


    In der Stille summte eine Fliege, die versuchte aus einem der verglasten Fenster zu entkommen. Welch törichtes Unterfangen, dachte Maximilla: Es ist wahrscheinlicher, dass sie sich den Schädel einschlägt als dass sie in die Freiheit fliegen kann.


    Papiria Occia tätschelte kurz und beruhigend Maximillas Hand. So warteten sie.

    Die Priesterinnen der Vesta waren stets zu zweit in der Öffentlichkeit unterwegs und so auch heute.

    An Schwester Valerias Seite schritt Papiria Occia, eine schon ältere, mütterlich wirkende Frau. Sie waren mit einem Wagen gekommen, und ein Liktor, auch er ein älterer Mann, machte ihnen den Weg frei.

    Er zeigte die Einladung zur Audienz den Palastwachen vor:




    Ad

    Virgenem Vestalis

    Valeria Maximilla

    Atrium Vestae


    Primicerius ab Epistulis A. Furius Saturninus s.d.


    Bezüglich deines Schreibens vom ANTE DIEM III NON SEP DCCCLXXI A.U.C. (3.9.2021/118 n.Chr.) habe ich die Ehre, dich hiermit am

    PRIDIE ID SEP DCCCLXXI A.U.C. (12.9.2021/118 n.Chr.) zur vierten Stunde


    zu einer kaiserlichen Audienz in das

    an jenem Tage bezeichnete Officium Imperatoris in die Casa Flaviana zu bitten.


    Dieses Schreiben gilt als Legitimation für den Eintritt.


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    Das Szenario:

    Der Leichnam der Virgo Vestalis Maxima war gewaschen, mit wohlduftenden Harzen parfümiert, in blendend weiße Gewänder gehüllt und mit den Füßen in Richtung der Tür in dem Cubiculum aufgebahrt worden, in das man sie zunächst gebracht hatte.

    Nach der Abnahme des Wachsabdruckes legte man ihr nach griechischer Sitte eine Münze unter die Zunge. Hier war es ein römischer Denar aus der Zeit der Republik  mit der Abbildung des Atrium Vestae .

    Die Totenwache, die durch die Hausherrin und ihre Frauen gehalten wurde, das rituelle Klagen und Weinen, dauerte sieben Tage an. Danach würde die Priesterin - die Vestalinnen hatten das Recht, innerhalb des Pomerium bestattet zu werden - in einem pompösen Leichenzug in die gemeinschaftliche Grabkammer überführt werden. *

    An der Porta der Casa Mamilla waren zum Zeichen, dass darin eine Totenwache stattfand, Zweige von Immergrün und Stechpalmen aufgehängt.

    Die Urbaner und andere Amtspersonen würden sich jedoch unter den wachsamen Augen der Matrone Tigellina und deren Ehemann, dem schon greisen Mammius Planta, frei bewegen und alle ihre notwendigen Untersuchungen anstellen können.**




    Sim-Off:

    ** dürfen alle mitgespielt werden

    "Das Messer liegt noch in meinem Einkaufskorb. Dieser befindet sich in dem Cubiculum in der Casa Mamilla, in dem die Virgo Vestalis Maxima nun aufgebahrt wurde, Cornicularius Octavius.", erwiderte Valeria Maximilla:

    "Ich konnte die Tatwaffe ja nicht hierher in das Atrium mitbringen."

    Ihr Lächeln war reine Höflichkeit, aber erreichte ihre Augen nicht. Sie biss sich auf die Lippen:

    "Wenn du es wünschst, führt Herminia Tarpa dich und deine Männer hin."


    Im Leben hätte die oberste Vestalin nicht erlaubt, dass ein männlicher Medicus sie berührte. Es gab ein, zwei Heilerinnen, die sich auf Gynäkologie spezialisiert hatten, und die man in Krankheitsfällen rief. Aber die Betreffende war nun tot, und ihre Sittsamkeit würde von niemandem in Zweifel gezogen werden können.

    „Oh natürlich, ihr habt die Leiche der Mörderin gefunden.“, sprach Valeria Maximilla immer noch so freundlich wie abwesend und schaute kurz zu Herminia Tarpa hinüber, die ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkte.

    Wie im Traum sprach sie weiter:

    „Also gelang es mir nicht, alles einfach ungeschehen zu machen? Einen Moment lang dachte ich, das würde funktionieren, Cornicularius Octavius, doch das übersteigt wohl menschliches Vermögen.

    Was geschehen ist, ist nun unwiderruflich geschehen, und so werde ich dir berichten, an was ich mich erinnere:

    Die Oberste Vestalin, die meine Lehrerin war, und ich gingen über den Markt, um Zutaten für die kommenden Feste zu begutachten. Sie fragte mich gerade, wie es mir denn dabei ginge, dass die Bürger uns auswichen...da sprach sie nicht weiter und stürzte wie ein Baum, der durch eine Axt gefällt wird.

    Ich drehte mich um und da sah ich eine Frau, schon älter mit grauen Strähnen; ein Messer in ihrer dürren Hand, drei Palmi * wohl maß die Klinge – ich habe während meiner Kindheit auf dem Lande schon öfter Messer gesehen – und die Klinge war rot vom Blut der Maxima.

    Sie blickte mich an, und ich fürchtete mich viel mehr vor ihrem Blick als vor der Waffe, obwohl das dumm von mir war, denn natürlich war die Waffe gefährlicher.

    Sie sah mich an, als wären wir, die vestalischen Jungfrauen, das Abscheulichste und Niedrigste auf das Welt, als hätte sie noch nie so etwas Ekelhaftes erblickt wie uns Priesterinnen, die der gütigen Vesta dienen.

    Sie hasste mich aus tiefstem Herzen.

    Ich weiß nicht, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging, doch ich befahl dem Weib mir die Waffe zu geben und sie gab sie mir.

    Und dann erinnere ich mich nicht mehr, was genau geschehen ist.“ Valeria Maximilla schob ihren Schleier zurecht:

    „Plötzlich lag die Mörderin mir tot zu Füßen. Aber irgendwie war sie ja schon vorher tot, nicht wahr, denn wer uns gegen unseren Willen berührt, hat sein Leben verwirkt. Es war reiner Zufall, dass sie noch atmete. Die göttliche Vesta beschloss ihren Tod.“


    Der Liktor machte in diesem Moment eine Geste, als wolle er etwas sagen, aber er fiel der Vestalin nicht ins Wort.

    Er würde nachher noch die Worte der Priesterin ergänzen.


    „Mittlerweile waren Bürger darauf aufmerksam geworden, dass die Obervestalin gestürzt war. Welch schlechtes Omen, welch furchtbares Ereignis ein Mord an ihr in aller Öffentlichkeit. So tat ich so, als hätte sie nur einen Schwächeanfall gehabt, um jede Panik in der Bevölkerung zu vermeiden. Aber meine Lehrerin war tot, und als dann Herminia Tarpa in weiser Voraussicht mit der Sänfte kam...“

    Die Vestalinnen durften innerhalb Romas mit Pferdewagen fahren, aber eine Sänfte, wie sie andere Damen auch benutzten, war wesentlich unauffälliger:

    „...brachten wir ihren Leichnam in die Casa Mammilla."

    Sie schüttelte den Kopf:

    „Warum nur hat diese Frau uns, die Vestalinnen, so lodernd gehasst?Wir tun doch niemandem etwas Böses.",
    fragte sie leise.


    Nun sprach der Liktor Lucceius. Eines verschwieg er jedoch, nämlich die Rolle von Schwester Valeria. Sie hatte ihm zugenickt, sein Werk zu tun. Doch er wollte die junge Discipula beschützen. Sie war noch keine fünfzehn Jahre alt, so alt wie seine eigenen Töchter:

    „Es ging alles sehr schnell. Und es war sehr tapfer von der Vestalin Valeria, sich der Wahnsinnigen in den Weg zu stellen...“, seine Miene drückte freilich aus, dass es leichtsinnig gewesen war:

    „...die Mörderin von Decima Messalina bewegte sich rasch auf Valeria zu. Ich hielt sie auf, in dem ich das fragliche Messer benutzte. Ich...ich wollte nicht in der gleichen Stunde gleich zwei Priesterinnen verlieren.“

    Valeria Maximilla lächelte ihm beruhigend zu, bevor sie sich wieder an Octavius Frugi und seine Kameraden wandte:


    Ich habe sofort an den Pontifex Maximus geschrieben, Milites“, sagte sie: „Er muss nun darüber befinden, wie das Unheil von unserem geliebten Rom abgewendet werden kann.“


    Sim-Off:

    ein palmus = ca. 7.5 cm

    Valeria Maximilla betrat das Atrium. Der Liktor Caius Lucceius Aterianus, ein älterer Mann in Toga, ging in gebührendem Abstand voraus.

    Die Discipula war ganz neu eingekleidet in strahlendem Weiß. und da sie sich sehr aufrecht hielt, wirkte sie größer als sie war, doch sie erreichte kaum die römische Durchschnittsgröße.

    Das junge Mädchen ging sehr langsam, was daran lag, dass ihr Schleier niemals verrutschen durfte. Ihr Gesicht war kaum weniger hell als der Stoff, der es umgab, und ihre dunklen Augen waren noch gerötet vom Weinen.

    Sie blickte nicht unfreundlich, aber wie abwesend auf die drei Urbaner:

    „Salvete“, sagte sie leise und setzte sich auf eines der Kissen. Ihre Hände lagen nun in ihrem Schoß:

    „Ich bin die Virgo Valeria Maximilla. Was kann ich für euch tun?“

    Der Flug nach Hause


    Remigius war von der valerischen Familia Maximillas Lieblingssklave gewesen. Aber sie hatte ihn nicht mit in das Atrium Vestae genommen, und seine Aufgabe war es, die zurückgebliebenen zahmen Tiere der jungen Valeria zu pflegen.

    Graius, die zahme Krähe in ihrem Käfig (Man musste sie einsperren, da sie allzu viel Unfug anrichtete) hüpfte aufgeregt hin und her, als Remigius mit dem Futter kam. Mit einem schwarzen Auge blickte er den blonden Jugendlichen an, krächzte und schlug mit den Flügeln.

    Remigius pfiff leise vor sich hin, um den Vogel zu beruhigen. So unruhig war Graius normalerweise nicht. Er kannte ihn ja schon lange und wusste, dass der Sklave ihn kraulte und ihm Leckerbissen brachte. Auch heute hatte er ein honigtriefendes Kuchenstück aus der Küche dabei.

    "Schau, Graius, was ich dir mitgebracht habe.", wisperte der Junge und öffnete den Draht der Käfigtür: "Honigkuchen, den magst du doch."

    Er wollte die zahme Krähe kraulen, da stieß sie mit dem Schnabel zu. Fluchend zog Remigius die blutende Hand zurück.

    Da schoss Graius an ihm vorbei, flog kurz unter der Zimmerdecke und zur Tür hinaus.

    "Graius!", rief der Junge und hob trotz der blutenden Hand den Kuchen hoch: "Graius, komm zurück!"

    Graius war aber schon im Atrium und dort auf dem Dach. Noch einmal schlug er mit den Flügeln und krächzte.

    "O Graius, heiliger Vogel des Apoll!", rief der Jüngling: "Bitte komm her! Wenn du weg fliegst,wird Domina Maximilla sehr traurig sein!"

    Doch da schraubte sich Graius fast senkrecht in das strahlende Blau des römischen Himmels, hoch stieg er, als wolle er noch einmal die Urbs Aeterna in ihrer ganzen Pracht erblicken. Dann schoss er wie ein Pfeil davon Richtung Norden.


    Remigius schlug die Hände vor das Gesicht und ließ die Schultern hängen. Er war der Einzige, der an dem Tier hing. Die anderen Sklaven mochten ihn nicht, da er so viel Unsinn anstellte.

    Wer austeilt, muss auch einstecken können. Du hast den harschen Tonfall selbst eingeläutet mit deiner Unterstellung, wir würden die CU zu modern spielen.

    Entschuldigung, ich nehme diesen Satz zurück. Ich wollte die Urbaner und dich keinesfalls damit kränken.


    Und nocheinmal tot ist tot, beide Chars die dort verstorben sind, sind nicht Deine.

    Die Mörderin ist meine. Und ich wollte den anderen Char auch nicht spielen, sondern nur ihre Leiche haben.

    Um nochmal auf den Plot zurückzukommen - da kein Hintergrund für den Mord geboten wurde - vielleicht war die alte Verrückte eine Christin aus unserer radikalen Splittergruppe? Das würde prima passen. :D


    Da ich eh nur im Kerker festsitze könnte ich auch den ein oder anderen NSC aus der Gemeinde geben, den die Urbaner in die Mangel nehmen können (bin allerdings kein ganz so schneller Schreiber).

    Ich füge dich mal in unseren Chat mit ein :)