Beiträge von Sisenna Seius Stilo

    Plötzlich sah man, dass etwas in Stilo vorging. Die alltägliche Maskerade wich aufrichtigem Erschrecken, als er merkte, dass er dem Praefectus Urbi gerade ziemlichen Bockmist erzählt hatte.*


    "Ich bitte um Verzeihung, Präfekt. Mir ist gerade ein Irrtum unterlaufen. Den Sklaven Theognis wollte ich aus taktischen Gründen zurücklassen." Er legte nicht gern seine Taktik dar, weil sich das anfühlte, als würde er die Tunika anheben, um seinen entblößten Unterleib vorzuzeigen. Und nun musste er auch noch einen Fehler eingestehen. "Da die Casa Didia Treffpunkt radikaler Christen ist, muss Theognis als Ianitor eine Schlüsselrolle haben. Ich gedachte, über die Observierung herausfinden, wer mit ihm noch Kontakt aufzunehmen versucht oder wen er kontaktieren würde, um Hilfe zu erhoffen. Aber weil das dem Einsatzbefehl zuwiderlief, habe ich den Gedanken verworfen.


    Ich werde dir die gewünschte Liste** anfertigen." Oder anfertigen lassen. Mal schauen. "... und die Frage nach weiteren Angehörigen der Gruppierung beim Verhör mit dem notwendigen Nachdruck stellen!"


    Sim-Off:

    *Mir ist gerade aufgefallen, dass ich den Sklaven doch mitgenommen hatte. Es war nur eine Idee gewesen, ihn zur Observierung zurückzulassen, die ich dann doch wieder verwarf ... hab nicht mal eine Zelle für ihn angelegt. Argh. War mein Fehler, keine Willkür von Stilo. Sorry für die Verwirrung.

    Sim-Off:

    ** Link zur Liste


    "Babylonisch? Sieh an. Wozu braucht man denn Babylonisch? Koine ist da schon praktikabler, eigentlich ein Muss für jeden, wie ich finde, nicht nur im römischen Osten."


    Er nahm noch einen Schluck des Weines. "Zu einem Wein sage ich nicht Nein. Gern nehme ich eine Amphore mit, der mir bei dem Mistwetter die Füße und das Gemüt wärmen wird.


    Was deine Gedanken zu einem Posten in der fernen Zukunft betrifft: Kappadokien liebt man oder geht daran zugrunde. Wie es auch auf so manchen Menschen zutrifft. Man muss es selbst erlebt haben, um zu wissen, zu welcher Sorte Mensch man gehört. Mein Herz habe ich dort zurückgelassen, was vielleicht der Grundgedanke war, als man mich zu den Prätorianern berief.


    Ich begrüße deine beruflichen Ambitionen, auch wenn ich dabei kaum eine Unterstützung sein werde. Kann ich dir noch einen guten Rat für deine Zeit hier in Rom geben?"

    Stilo nickte zum geistigen Kräftemessen. Das Gefühl kannte er, auch wenn er eher auf einer anderen Ebene spielte als jener der reinen Logik.


    "Und was möchtest du mit diesem logischen Denkvermögen anfangen? Es gibt ja sicher viele Bereiche, in denen das nützt. Hast du schon Pläne? Du wirst als Mann der Logik kaum nach Rom gereist sein, um dir bei Studien den Hintern platt zu sitzen, was in Alexandria oder Athen viel besser möglich wäre. Was Kappadokien betrifft ..."


    Stilo drehte das Glas in seinen Fingern. Er vermisste keinen einzigen Menschen, aber er vermisste bisweilen die alten Zeiten. Dann fühlte er sich alt, obwohl er die Dreißig noch nicht erreicht hatte.


    "In Kappadokien atmet die Erde Feuer. Vulkane schwelen überall, nicht alle sind als Berge zu erkennen. Nachts brennen die Feuergruben an den Hängen des Olympos, es riecht nach Schwefel und Rauch. In warmen, kreisrunden Kraterseen kann man das ganze Jahr über baden. Sonne und Wind haben das Land verbrannt und die Felsen zu Kegeln geschliffen, weich genug, um ohne viel Mühen Wohnhöhlen hineintreiben zu können. Darin findet so mancher Zuflucht, ehe er weiterzieht.


    Nomaden und Wilpferde durchstreifen die Steppe, Hirten und Räuber, Pilger und Einsiedler, wo er Orient den Okzident küsst. Die Spuren Babylons führen über den Taurus vom Euphrat zum Halys. Man trifft auf persische Stämme und parthische Händler, auf galatische Eunuchen und hellenische Lebensfreude, Tempel der alten urkappadokischen Wettergötter neben jenen der Griechen und Römer, genau so wie auf römische Bürokratie. Reisende aus Rom müssen sich oft erst daran gewöhnen, dass Koine die Landessprache ist und nicht Latein, und generell die Farbenfreude des Ostens dominiert."


    Er dachte an seinen Halbbruder Ravilla, der in Rom auffiel wie ein Paradiesvogel und sich jetzt in der Legio als vornehmer Exot vermutlich nicht sonderlich wohlfühlte. Stilo kreiste den Wein im Glas und trank noch einen Schluck.


    "Der ist gut", meinte Stilo ohne jede Fachkenntnis. Der Wein schmeckte ihm einfach.

    "Alexandria. Davon haben wir in Satala immer geschwärmt, allerdings nicht wegen des Museion. Es war für uns das bessere Rom, weil es uns kulturell näher ist, verlockend in seinem Reichtum und seiner Sündigkeit, wärend wir in der Steppe verschimmelten. Wobei ich Kappadokien als meine Heimat liebe, während andere dorthin strafversetzt wurden. Trotzdem hätte ich damals gern einmal Alexandria besucht, viel lieber noch als Rom, und gespürt, wie man dort lebt."


    Stilo ließ sich in gewohnter Uneleganz in einem Sitzmöbel nieder. Er saß gern und viel, da er im Dienst genug rumlatschen musste und ihm die Füße schmerzten.


    "Was du zur Logik sagst, sind interessante Ansichten. Hat deine Neugier dir nie Probleme beschert, wenn du, sagen wir, die falschen Fragen stelltest oder durchs falsche Schlüsselloch geschaut hast? Und - was bringt es dir, zu verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind?" Er selbst hatte dazu seine eigenen Vorstellungen, wollte aber erstmal hören, was sein philosophischer Verwandter dazu zu sagen hatte.

    Auf die Gefahr, dass bei Folter Ergebnisse zu Tage traten, die mit der Wahrheit nichts gemein hatten, hatte Stilo schon hingewiesen. Kurzfristige Ergebnisse waren gewünscht, weil der Praefectus Urbi seinerseits unter Druck stand. Unter Zeitdruck mussten sie beide nun arbeiten. Stilo würde das Beste aus der Anweisung machen, auch wenn es ihn ärgerte, dass irgendwer in den höheren Etagen meinte, besser als der Optio zu wissen, welche Zeit für ein brauchbares Verhör angemessen wäre.


    "Gaius Trebatius Calvus und Trebatia Caeca wurden beim Spezialeinsatz "Zugriff Casa Didia" aufgegriffen, als sie sich im Keller des Anwesens versteckten. Die gesuchten Anhänger trugen: Der römische Bürger Trebatius Calvus, die Matrone Trebatia Caeca und Theognis der Sklave, den wir zu Beobachtungszwecken in der Casa Didia beließen. Alle aufgegriffenen Personen frönen ihren Angaben nach dem christlichen Glauben. Verdächtig, kriminell zu agieren, macht sie die Anwesenheit im Hause des Fanatikers Didius Molliculus und dass sie sich vor meinen Männern im Keller verbargen, anstatt der römischen Ordnungsmacht freudig die Tür zu öffnen.


    Die Verhöre, wie gesagt ... sie laufen noch, Praefectus. Die inhaltlichen Zwischenergebnisse werden dir vermutlich kaum weiterhelfen. Ich werde die Befragungen, wie gewünscht, beschleunigen. Wünschst du, dass dabei bestimmte Fragen gestellt werden, die für dich von Interesse sind?"

    "Keine Sorge, ich bin bestens genährt. Man lässt uns nicht hungern in der Castra Praetoria. Freut mich, dass mein spontanes Erscheinen keine Umstände macht."


    Er stand auf, als Terpander seinem Herrn, sichtlich mürrisch, ein Zeichen gab. Wahrscheinlich sollten sie jetzt irgendwohin gehen.


    "Offen gestanden hat sich mein Lebensgefühl nicht wirklich verändert, seit ich die Toga virilis trage. Der Spieltrieb ist geblieben, auch wenn die Art der Spiele sich verändert hat. Wir hatten in Satala ein Theater, das unter der Hand als das Theater mit den hässlichsten Schauspielern des Imperiums bezeichnet wurde. Der Humor war derb, anzüglich und plump. Wir haben mit den Soldaten der Legio XV Apollinaris kaum eine Aufführung verpasst. Obendrein hatten wir auch das Lupanar mit den hässlichsten Huren abbekommen. Du siehst, Wein war überlebenswichtig."


    Er hob schmunzelnd den Weinbecher, den der Sklave aus Rache nur zum Teil befüllt hatte, was Stilo amüsiert zur Kenntnis nahm.


    "Aber deiner Frage entnehme ich, dass du die Dinge anders erlebt hast. Dein Lebensgefühl hat sich gewandelt. Wie? Und wie kam es dazu?"

    Stilo stand auf, als der Gast eintrat und drückte ihm lächelnd die Hand. Er nahm die Details des Gesichts von Iunius Tacitus mit besonderer Aufmerksamkeit wahr. Der Mann sah völlig anders aus als vermutet. Von wegen Wiesel. Gutaussehend in jedem Fall, wie alle ihres Blutes, dunkelhaarig und dunkeläugig, wie es sich gehörte. Aber Tacitus war zur Abwechslung ein bärtiger Iunier, da mochte vielleicht eine Neigung für griechische Philosophen durchschlagen. Aber das würde sich im Gespräch ergeben.


    "Salve, Iunius Tacitus. Angenehm, deine Bekanntschaft zu machen. Sisenna Seius Stilo. Besten Dank für die Einladung. Ich könnte mich für mein spontanes Entscheiden entschuldigen, allerdings wäre das geheuchelt, denn mein plötzliches Erscheinen ist pure Absicht, da ich gerade Zeit fand und in der Nähe war. Warum länger als nötig warten, wenn es einen verschollenen Verwandten zu begrüßen gilt. Hast du dich schon gut in Rom eingelebt?"


    Vor allem wollte Stilo einen unverfälschten Eindruck gewinnen und nicht den feinen und geleckten, den man bei angemeldeten Besuchen präsentiert bekam.

    Die Schreibstube des Carcers


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    Für die Wachsoldaten gab es eine Schreibstube, in der sie tägliche Protokolle schrieben und über alle Vorgänge innerhalb des Carcers Buch führten. Die Tür war schalldicht. Hierhin führte Stilo nun den Praefectus Urbi samt Begleitung, damit sie ungestört sprechen konnten. Wichtige Unterlagen wurden im Archiv gelagert und nicht hier, so dass alles seine Ordnung hatte. Falls Herius Claudius Menecrates sich setzen wollte, gab es dafür die Möglichkeit, doch wahrscheinlich würde er nicht lange bleiben wollen.


    "Hier sind wir unter uns. Mein Auftrag lautet, Informationen von bestimmten Gefangenen zu gewinnen, doch Folter sparsam einzusetzen. Wer tot ist, kann nicht mehr reden, einfache Rechnung. In der Vergangenheit ist das leider hin und wieder passiert. Folter von römischen Bürgern ist sowieso noch mal eine andere Sache. Ich gehe also den Weg über die Psyche. Das braucht Zeit, aber die Ergebnisse sind besser, da man mit Folter jede noch so unsinnige Aussage aus jemandem herauspressen kann.


    Die beiden Inhaftierten sind ein römisches Ehepaar. Gaius Trebatius Calvus und Trebatia Caeca, die durch endlos viel Zeit, sehr viel Langeweile und ewige Dunkelheit mürbe gemacht werden sollen. Ihr erstes Verhör steht noch bevor. Ich beginne bei allen Gefangenen mit dem Status Null, was bedeutet, dass sie zu Beginn, von den unerfreulichen Umständen des Gefängnisalltags abgesehen, neutral behandelt werden. Je nach Verhalten haben sie vom ersten Tag an die Chance, sich Privilegien zu verdienen oder zu verspielen. Diese beiden sind zu zweit, da sie sich bei der Festnahme fügsam zeigten - und damit man künftig drohen kann, sie zu trennen."


    Er gab dem Praefectus Urbi Gelegenheit, Rückfragen zu stellen.

    Wie Stilo das gefiel. Ewig könnte er so weitermachen, wären da nicht Fristen und Vorgesetzte, sollte der Orcus sie allesamt verschlucken. Als hätten sie eine Ahnung von dem, was in Stilos Carcer geschah, jene Halbblinden, welche die feinen Fäden nicht sahen, die er webte, bis der Spinnenkokon sich anfühlte wie ein Seidenmantel. Ihm würde nie ein Gefangener unter den Fingern wegsterben, wie die Mahnung gelautet hatte, denn er misshandelte nicht ihre Körper, sondern tauchte langsam und beinahe schmerzlos ein in ihre Seelen, um daraus zu bergen, was ihn interessierte, und einiges hier und da ein wenig umzusortieren, was den Menschen ausmachte. Er bräuchte Zeit, hatte es seinen Vorgesetzten oft genug gesagt, dann würde das Ergebnis gut werden. Doch sie gewährten ihm keinen Aufschub mehr.


    Die geforderte Beschleunigung war so riskant wie lästig, beinahe ein persönlicher Angriff auf den gekränkten Optio, eine Beleidigung, als würde man einem Töpfer das nur roh geformte Werkstück für den Brennofen entreißen und es anhand dieses Zustands bewerten, ohne zu ahnen, dass dies sein Meisterstück hätte werden sollen, in das er all ein Herzblut investiert hatte.


    Beinahe liebevoll betrachtete Stilo sein viel menschlicheres Werk, das atmete und sich regte, das einige Momente in einer unfreiwilligen Verneigung verharrte in dem Versuch, sich vom Boden aufzurichten. Ein wenig mehr Feinschliff noch, und Eudoxus würde bis ins letzte Detail wissen, wie er seinen neuen Herrn und Meister erfreuen konnte, so dass sie am Ende beide glücklich waren. Mal schauen, in welcher Stimmung Eudoxus heute war. Die von Stilo entsprach einem Wetterleuchten, das die Luft flimmern ließ und ihm eine sanfte Erregung bescherte.


    Eudoxus wusste noch nicht, dass dies heute sein letztes Gespräch mit Stilo werden würde, wie der Prätorianer die Verhöre nannte. Der Zeitdruck konnte am Ende alles zerstören, was bisher erarbeitet worden war. Stilo, sonst kein Mann großer Sorgen, spürte einen stärkeren Herzschlag als üblich in seiner Brust. Eine Emotion, die, wie die meisten seiner Gefühle, keinen Namen hatte. Er wusste nur, dass da irgendetwas schwelte, ein Platzhalter für etwas, das andere hätten benennen können.


    Er ließ Eudoxus vorweg gehen, analysierte das Bewegungsmuster und die Gestalt. Hunger litt niemand, der kooperierte. Die Nahrung war nicht gut, doch sie war genug.


    Körperliche Wunden - bei Eudoxus nicht existent. Seine Haut war unberührt, sofern er selbst nicht daran herumkratzte und nagte, doch bislang hatte Stilo ihm nicht das Hemd genommen, um darunter nachzusehen. Sein Innenleben - ein bislang unentschlüsseltes Mysterium, doch es war da, ein tiefer, reich gefüllter See, dessen reflektierende Oberfläche Stilo hatte glätten wollen, um in die Tiefe zu blicken, vielleicht dies und das schon zu erahnen, ehe er eintauchte. Von hinten - das Licht von Pansas Laterne, so dass Stilos langer schwarzer Schatten jenen des Eudoxus zu verschlucken schien. Eine deformierte Monstrosität war das Resultat, mit vier Armen und einem schwellenden und schrumpfenden Kopf.


    Eudoxus kannte den Weg, es war der altbekannte Verhörraum. "Setz dich", sprach Stilo und würde gleich danach selbst Platz nehmen.


    Fixiert wurde Eudoxus nicht auf seinem Stuhl - ein Privileg, das er sich erarbeitet hatte. Pansa schloss von außen die Tür und drehte den Schlüssel herum, den er danach an sich nahm. Eudoxus wusste nicht, dass Pansa diesmal nur die Laterne stehen ließ, so als würde er vor dem Raum warten, sich jedoch außerhalb der Hörweite verzog, so dass er die beiden nur hören würde, wenn einer von ihnen schrie. Das Gespräch selbst blieb unverständlich, Stilo und Eudoxus würden die einzigen sein, die um den Inhalt wussten. Es war gut, verlässliche Freunde zu haben, und sicherer für Pansa, wenn er so wenig wie möglich von dem mitbekam, was heute hier geschehen würde.


    Die Foltermaschinen wurden von der Laterne heute deutlicher ausgeleuchtet und warteten in offensichtlicher Bereitschaft, das Opfer aufzunehmen und seinen Körper zu zerstören.

    Der Gruß von Stilo kam beinahe tadellos, vielleicht etwas weniger schneidig als erwartet. Das lag weniger am fehlenden Respekt, er war ja kein Idiot, als an Stilos Naturell. Er war wie ein stiller, schwarzer Tümpel an dessen kahlem Grund ein hässliches Tier kroch, beständig lauernd, bisweilen lockend, doch nur selten schnappend.


    "Salve, Praefectus Claudius. Darf ich darum bitten, die Meldung in einem anderen Teil des Carcers zu machen? Es entspricht nicht der mir anvertrauten Zielsetzung, den Gefangenen unsere Absichten offenzulegen."

    Stilo drosch wenige Tage nach der Einladung mit gewohnter Nachdrücklichkeit gegen die Porta. Die nobleren Anwesen machten dies mithilfe eines Klopfers möglich, wodurch seine Faustknöchel geschont wurden, so dass er sie bei Bedarf geradezu jungfräulich in geeigneten Gesichtern versenken könnte - würde er denn zu roher Gewalt neigen. Manch einen mochte das überraschen, doch ausgerechnet dazu neigte dieser stattliche Prätorianer mit dem schwarzen Haar und den dunklen Augen nicht.


    Er trat einen Schritt zurück, wartend auf den Sklaven, der die Tür öffnen mochte, doch viel gespannter auf das Gesicht des neuen Iuniers, der ihn erwarten würde. Er versuchte zu erraten, wie dieser aussehen mochte. Geprägt von den drei Söhnen seiner Schwester tippte er auf ein schlankes Wiesel mit exzentrischer Veranlagung.

    Man sprach davon, dass die Zeit des "Dicken Didi" sich neigte. Dass sein Schicksal beschlossen worden war, doch niemand konnte es verifizieren. Eines Tages stand Stilo in dieser Tür, auf den gefallenen Römer hinabsehend, den Sohn aus gutem Hause, der trotz aller Privilegien am Ende doch vom Weg abgekommen war. Für Mitleid gegenüber anderen war Stilo nicht gemacht, kannte es nur als vage Ahnung dessen, was andere in jenen Momenten fühlen würden, doch Selbstmitleid war ihm nicht fremd.


    Der weiche Körper des Gefangenen erinnerte ihn an die üppigen Rundungen seiner Madara, die Rom nie erreicht hatte. Ein Schiffsunglück, munkelte man, vielleicht die Piraten des Tarkyaris. Stilos Heiratsantrag - er würde nie ausgesprochen werden. War der Verlust einer der Gründe, warum Stilo zuließ, dass man diesen Mann so verwöhnte, dass er selbst ihn prall und rund sehen wollte? Vielleicht könnte ein Medicus beantworten, was in seinem Geist vorging, doch Stilo würde keinen konsultieren. Er wusste nur: Ohne Didi würde sein Kerker ein Stück trister sein.


    "Was wünschst du als deine letzte Mahlzeit?", fragte er und fühlte sich leer dabei.

    Niemand störte. Ruhe und Stille. Eine undefinierbare Menge an Zeit und Dunkelheit wirkte auf Eudoxus ein. Dass Nahrung und Wasser zu unterschiedlichen Zeiten dargereicht wurden - meist lautlos, wenn er schlief - machte es noch schlimmer. Auf nichts war Verlass, nur auf das Schweigen der selten vorbeiziehenden Wachen und auf die Finsternis. Ewigkeit, Stille und Dunkelheit wurden eins. Bis der Fürst dieser Gewölbe erneut geruhte, sich zu zeigen.


    Schwergängig bewegte sich das Eisen. Das Licht einer Laterne flutete durch die sich öffnende Tür, ein leuchtender Streifen, der sich auffächerte zu einem Viereck aus Licht. Darin stand eine vertraute Silouette.


    "Komm", sagte Stilo.

    Stilo sah dem erfahrenen Mann ins Gesicht, bemerkte die blumigen Formulierungen, die auf eine feingeistige Ader verwiesen. Gern würde er ihm Fragen stellen, doch Decimus Serapio machte deutlich, dass seine Zeit ein wertvolles Gut war. Heute war Stilo nicht Schüler, nur Rezipient, und er hörte zu.


    Jeder Delinquent besaß einen Schwachpunkt, und sei es der bloße Wunsch, zu überleben. Er würde herausfinden, was sie wirklich wollten.

    Folter würde nur eine untergeordnete Rolle spielen. Er würde sich merken, was der Delinquent als Erstes sagte.

    Kein Christianer würde sich in sein Herz nagen. Er würde alles protokollieren. Auch im Verborgenen.

    Und er würde seinem Centurio regelmäßig Bericht erstatten.

    All das würde geschehen, wie Serapio es verlangte.

    Stilo hatte Zeit.


    Serapio nicht.


    Bald war er fort, hatte Stilo zurückgelassen in den Schatten mit einem Berg offener Fragen und viel Verantwortung. Dunkel war es hier unten, roch nach Stein. Keine kappadokische Sonne blendete und kein scharfer Wind fegte ihm Staub in die Augen. Ruhe. Keine Steppenräuber, keine Parther, nicht das Blut seiner Kameraden. Der geschützte Raum unterhalb des wirklichen Lebens würde ihn erden, der Kerker sein Refugium sein.


    An diesem Ort, der für die Gefangenen Todesangst verhieß und für die Prätorianer Melancholie, spürte Stilo inneren Frieden.

    Der Weg war nicht weit. Calvus erging es wie ungezählten Menschen vor ihm: Im Verhörraum sah er die grausamen Apparaturen, in ihrer Raffinesse vom Licht der Laterne erhellt, die Pansa hielt. Calvus roch Eisen, Blut und Angst. Davor setzte sich Stilo an einen Tisch und bat ihn mit einer Geste, Platz zu nehmen.


    "Nun denn, Calvus ... ich denke, es ist an der Zeit, über deine Zukunft zu sprechen."